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Durch die Wüste

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»Man erzählte mir, daß er Wunder getan habe.«

»Wunder kann nur Gott tun; aber wenn er sie tut, so tut er sie durch die Hand der Menschen. Blicke hinein, dort in die Halle! Dort ist ein Brunnen, den Scheik Adi hervorgebracht hat. Dieser ist noch vor Mohammed in Mekka gewesen. Schon damals war Zem-Zem eine heilige Quelle. Er nahm von dem Wasser des Zem-Zem und tropfte es hier auf den Felsen. Sofort öffnete sich derselbe, und das heilige Wasser sprang hervor. So wird uns erzählt. Wir gebieten nicht, dies zu glauben, denn das Wunder ist auch ohne dies da. Oder ist es kein Wunder, wenn aus dem harten, toten Stein das lebendige Wasser fließt? Dieses ist bei uns ein Symbol der Reinheit unserer Seele, und darum halten wir es für heilig, nicht aber, weil es von der Quelle Zem-Zem stammen soll.«

Mir Scheik Khan brach seine Rede ab, denn jetzt öffnete sich das äußere Tor, um einen langen Zug von Pilgrimen einzulassen, von denen ein jeder eine Lampe trug. Diese Lampen waren die Dank— und Weihgeschenke für die Heilung einer Krankheit oder die Rettung aus irgend einer Gefahr. Sie waren für Scheik Schems[212] bestimmt, das leuchtende Symbol der göttlichen Klarheit.

Alle diese Pilger waren gut bewaffnet. Ich sah dabei recht eigentümliche kurdische Flinten. Bei einer derselben wurden Lauf und Schaft durch zwanzig starke, breite eiserne Ringe verbunden, welche ein sicheres Zielen ganz unmöglich machten. Eine zweite zeigte eine Art Bajonett, welches eine Gabel bildete, deren zwei Zinken zu beiden Seiten des Laufes befestigt waren. Die Männer überreichten ihre Krüge den Priestern und traten der Reihe nach zu Mir Scheik Khan, um ihm die Hand zu küssen, wobei sie ihre Waffen neigten oder ganz ablegten.

Die Lampen werden gebraucht, um am Abend des Festes den heiligen Ort mit seiner ganzen Umgebung zu illuminieren. Es darf dabei kein gewöhnliches Oel oder gar Bitumen und Naphtha gebrannt werden, da dies für unrein gilt. Nur das Oel vom Sesam ist gestattet.

Als die Prozession sich entfernt hatte, wurden wohl gegen zwanzig Kinder getauft und beschnitten, welche zum Teil von sehr weit hergebracht worden waren. Ich wohnte diesen religiösen Handlungen bei.

Später entfernte ich mich mit Mohammed Emin, um einen Gang durch das Tal zu machen. Am auffälligsten war mir die ungeheure Zahl von Fackeln, welche zum Verkaufe auslagen. Nach einer ungefähren Schätzung konnten es zehntausend sein. Die Händler machten glänzende Geschäfte, denn ihre Ware wurde ihnen förmlich aus der Hand gerissen.

Eben standen wir vor einem Verkäufer von Glas— und unechten Korallenwaren, als ich die weiße Gestalt des Pir Kamek den Bergpfad herabkommen sah. Er mußte, wenn er zum Heiligtume wollte, an uns vorüber, und als er uns erreichte, blieb er bei uns stehen.

»Willkommen hier, ihr Gäste vom Scheik Schems! Ihr werdet den Heiligen der Dschesidi kennen lernen.«

Er reichte uns die Hände. Sobald er bemerkt worden war, wurde er vom Volke umringt, und ein jeder bemühte sich, seine Hand oder den Saum seines Gewandes zu berühren und zu küssen. Er hielt eine Ansprache an die Versammelten; sein langes weißes Haar flatterte im Morgenwinde; seine Augen leuchteten, und seine Gebärden zeigten die Lebhaftigkeit der Begeisterung. Dazu krachten die Schüsse der Ankommenden von oben herab, und ganze Salven antworteten aus dem Tale hinauf. Leider konnte ich seine Rede nicht verstehen, da er sie in kurdischer Sprache hielt. Am Schlusse derselben aber intonierte er einen Gesang, in welchen alle einfielen und dessen Anfang mir der Sohn Seleks, welcher dazu kam, übersetzte:

»O gnädiger und großmütiger Gott, welcher nährt die Ameise und die kriechende Schlange, Nacht und Tag Lenkender, Lebendiger, Höchster, Ursachloser, welcher der Nacht die Finsternis und dem Tage das Licht zuweist! Weiser, herrsche über Weisheit; Starker, herrsche über die Stärke; Lebendiger, herrsche über den Tod!«

Nach dem Gesange zerteilte sich die Menge, und der Pir trat zu mir.

»Hast du verstanden, was ich den Pilgern sagte?«

»Nein. Du weißt, daß ich deine Sprache nicht rede.«

»Ich sagte ihnen, daß ich Scheik Schems ein Opfer bringen werde, und nun sind sie in den Wald gegangen, um das nötige Holz zu holen. Willst du dem Opfer beiwohnen, so bist du willkommen. Jetzt aber verzeihe, Emir; dort kommen bereits die Opferstiere.«

Er ging dem Grabmale zu, vor dessen Mauern soeben eine lange Reihe von Ochsen aufgeführt wurde. Wir folgten ihm langsam nach.

»Was geschieht mit den Tieren?« fragte ich meinen Dolmetscher.

»Sie werden geschlachtet.«

»Für wen?«

»Für Scheik Schems.«

»Kann die Sonne Stiere essen?«

»Nein, sondern sie verschenkt dieselben an die Armen.«

»Nur das Fleisch?«

»Alles: das Fleisch, die Eingeweide und die Haut. Mir Scheik Khan übernimmt die Verteilung.«

»Und das Blut?«

»Das wird nicht gegessen, sondern in die Erde gegraben, denn die Seele ist im Blute.«

Das war also genau die alttestamentliche Anschauung, daß das Leben des Leibes, daß die Seele im Blute liege. Ich sah, daß es sich hier nicht um eine heidnische Opferung, sondern um eine Liebesgabe handle, welche es den Armen ermöglichen sollte, die Festtage ohne Nahrungssorgen feiern zu können.

Als wir den Platz erreichten, trat eben Mir Scheik Khan aus dem Tore, gefolgt von Pir Kamek, von einigen Scheiks und Kawals und einer größeren Anzahl von Fakirs. Alle hatten Messer in der Rechten. Der Platz wurde von einer großen Menge Krieger umgeben, welche ihre Gewehre schußbereit hielten. Da warf Mir Scheik Khan das Obergewand ab, sprang auf den ersten Stier und stieß ihm das Messer mit solcher Sicherheit in den Nackenwirbel, daß das Tier sofort tot niederstürzte. In demselben Augenblick erhob sich ein hundertstimmiger Jubel, und ebenso viele Schüsse krachten.

Mir Scheik Khan trat zurück, und Pir Kamek setzte das Werk fort. Es gewährte einen eigentümlichen Anblick, diesen Mann mit weißem Haar und schwarzem Barte von einem Stiere auf den nächsten springen und sie alle der Reihe nach mit dem sicheren Messerstich fällen zu sehen. Dabei floß kein Tropfen Blut. Nun aber traten die Scheiks herbei, um die Halsader zu öffnen, und die Fakirs nahten sich mit großen Gefäßen, um das Blut aufzufangen. Als dies beendet war, wurde eine ganz bedeutende Anzahl von Schafen herbeigetrieben, deren erstes wieder Mir Scheik Khan tötete, die andern aber wurden von den Fakirs geschlachtet, welche eine außerordentliche Geschicklichkeit in diesem Geschäft bewiesen.

Da trat Ali Bey zu mir.

»Willst du mich begleiten nach Kaloni?« fragte er. »Ich muß mich der Freundschaft der Badinan versichern.«

»Ihr lebt mit ihnen in Unfrieden?«

»Hätte ich dann meine Kundschafter aus ihnen wählen können? Ihr Häuptling ist mein Freund; doch gibt es Fälle, in denen man so sicher wie möglich gehen muß. Komm!«

Wir hatten nicht weit zu gehen, um das sehr große, aus rohen Steinen aufgeführte Haus zu erreichen, welches Ali Bey zur Zeit des Festes bewohnte. Sein Weib hatte bereits auf uns gewartet. Wir fanden auf der Plattform des Gebäudes mehrere Teppiche ausgebreitet, auf denen wir Platz nahmen, um das Frühstück zu genießen. Von diesem Punkte aus konnten wir beinahe das ganze Tal überblicken. Ueberall lagerten Menschen. Jeder Baum war zum Zelte geworden.

Drüben, rechts von uns, stand ein Tempel, der Sonne[213] gewidmet. Er stand so, daß ihn die ersten Strahlen des Morgenlichtes treffen mußten. Als ich ihn später betrat, fand ich nur vier nackte Wände und keinerlei Vorrichtung, welche auf eine götzendienerische Handlung schließen ließ; aber ein heller Wasserstrahl floß in einer Rinne des Fußbodens, und an der reinlichen weißen Kalkmauer sah ich in arabischer Sprache die Worte geschrieben: »O Sonne, o Licht, o Leben von Gott!«

Jetzt saßen an seiner Außenseite mehrere Familien der reichen Kotschers[214]. Die Männer lehnten an der Wand, in hellfarbige Jacken und Turbane gekleidet und mit phantastischen Waffen geschmückt. Die Frauen hatten seidene Gewänder, und trugen das Haar in viele über den Rücken fallende Flechten geflochten, in welche bunte Blumen gewoben waren. Ihre Stirnen waren mit goldenen und silbernen Münzen fast ganz bedeckt, und lange Schnüre von Münzen, Glasperlen und geschnittenen Steinen hingen ihnen um den Nacken.

Vor mir stand ein Mann aus dem Sindschar am Stamme eines Baumes. Seine Haut war dunkelbraun, sein Gewand aber weiß und rein. Er musterte mit durchdringenden Blicken die Umgebung und schüttelte sich zuweilen das lange Haar aus dem Gesicht. Seine Flinte hatte ein plumpes, altes Luntenschloß, und sein Messer war an einem rohgeschnitzten Griff befestigt; aber man sah es ihm an, daß er der Mann war, diese einfachen Waffen mit Erfolg zu gebrauchen. Neben ihm saß sein Weib bei einem kleinen Feuer, an welchem sie Gerstenkuchen buk, und über ihm kletterten in den Zweigen zwei halbnackte, braune Buben herum, die auch schon ihre Messer in einem dünnen Stricke trugen, den sie um den Leib geschlungen hatten.

 

Nicht weit von ihm lagerten zahlreiche Städtebewohner, vielleicht aus Mossul; die Männer besorgten ihre mageren Esel, die Frauen sahen blaß und ausgemergelt aus, ein sprechendes Bild der Not und Sorge und Unterdrückung, welcher diese Leute ausgesetzt sind.

Dann sah ich Männer, Frauen und Kinder aus dem Scheikhan, aus Syrien, aus Hadschilo und Midiad, aus Heïschteran und Semsat, aus Mardin und Nisibin, aus dem Gebiete der Kendali und der Delmamikan, von Kokan und Kotschalian, ja sogar aus dem Bereiche der Tuzik und der Delmagumgumuku. Alt und jung, arm und reich, alle waren reinlich. Die einen hatten ihre Turbans mit Straußenfedern geschmückt, und die andern konnten kaum ihre Blöße bedecken; aber alle trugen Waffen. Sie verkehrten untereinander wie Brüder und Schwestern; man gab sich die Hände, man umarmte und küßte sich; keine Frau und kein Mädchen verbarg ihr Angesicht vor einem Fremden – es waren die Angehörigen einer großen Familie, welche hier zusammentrafen.

Jetzt krachte eine Salve, und ich sah, wie sich die Männer in einzelnen größeren oder kleineren Gruppen nach dem Grabmale begaben.

»Was tun sie dort?« fragte ich Ali Bey.

»Sie holen sich ihr Fleisch von den Opferstieren.«

»Gibt es eine gewisse Aufsicht dabei?«

»Ja. Nur die Armen kommen. Sie treten nach ihren Stämmen und Wohnsitzen zusammen, deren Anführer sie begleitet oder von dem sie eine Bescheinigung vorzeigen.«

»Eure Priester erhalten keinen Teil des Fleisches?«

»Von diesen Stieren nicht; am letzten Tage des Festes aber werden einige Tiere geschlachtet, welche weiß, ganz weiß sein müssen, und deren Fleisch gehört den Priestern.«

»Können eure Priester Sünde tun?«

»Warum nicht? Sie sind doch Menschen!«

»Auch die Pirs, die Heiligen?«

»Auch sie.«

»Auch Mir Scheik Khan?«

»Ja.«

»Glaubst du, daß auch der große Heilige Scheik Adi Sünde getan hat?«

»Auch er war ein Sünder, denn er war nicht Gott.«

»Laßt ihr eure Sünden auf eurer Seele liegen?«

»Nein, wir entfernen sie.«

»Wie?«

»Durch die Symbole der Reinheit, durch das Feuer und das Wasser. Du weißt, daß wir uns bereits gestern oder heute gewaschen haben. Dabei bekennen wir unsere Sünden und geloben, sie von uns zu tun; dann werden sie vom Wasser fortgenommen. Und heute abend wirst du sehen, daß wir unsere Seelen auch durch die Flammen reinigen.«

»Du glaubst also, daß die Seele nicht mit dem Leibe stirbt?«

»Wie könnte sie sterben, da sie von Gott ist!«

»Wie kannst du mir dies beweisen, wenn ich es nicht glaube?«

»Du scherzest! Steht nicht in eurem Kitab: »Japar-di bir sagh solukü burunuje – er blies ihm einen lebendigen Odem in seine Nase«?«

»Nun gut, wenn die Seele also nicht stirbt, wo bleibt sie nach dem Tode des Leibes?«

»Du atmest die Luft wieder ein, nachdem du sie ausgeatmet hast. Auch Gottes Odem geht wieder zu ihm zurück, nachdem er von Sünden rein geworden ist. – Laß uns nun aufbrechen!«

»Wie weit ist es bis Kaloni?«

»Man reitet vier Stunden lang.«

Unten standen unsere Pferde. Wir stiegen auf und verließen ohne alle Begleitung das Tal. Der Weg führte an der steilen Bergwand empor, und als wir die Höhe derselben erreicht hatten, sah ich ein dicht bewaldetes, von zahlreichen Tälern durchzogenes Gebirgsland vor mir. Dieses Land wird von den großen Stämmen der Missuri-Kurden bewohnt, zu denen auch die Badinan gehören. Unser Weg führte bald bergab, bald wieder bergauf, bald zwischen nackten Felsen und bald durch dichten Wald dahin. An den Abhängen sahen wir einige kleine Dörfer liegen, aber die Häuser derselben waren verlassen. Hier und da hatten wir die kalten Fluten eines wilden Bergbaches zu durchreiten, der sein Wasser dem Ghomel entgegenschickte, um mit diesem dem Ghazir oder Bumadus zuzufließen, der in den großen Zab geht und sich mit diesem bei Keschaf in den Tigris ergießt. Diese Häuser waren von Weingärten umgeben, neben denen Sesam, Korn und Baumwolle gedieh, und erhielten ein besonders schmuckes Aussehen durch die Blüten und Früchte der sorgsam gepflegten Feigen-, Walnuß-, Granatapfel-, Pfirsich-, Kirschen-, Maulbeer— und Olivenbäume.

Kein Mensch begegnete uns, denn die Dschesidi, welche die Gegend bis Dschulamerik bewohnten, waren schon alle in Scheik Adi eingetroffen, und wir waren bereits zwei Stunden weit geritten, als wir eine Stimme hörten, welche uns anrief.

Ein Mann trat aus dem Walde. Es war ein Kurde. Er hatte sehr weite, unten offene Hosen an, und die nackten Füße steckten in niedrigen Lederschuhen. Der Körper war nur mit einem am Halse viereckig ausgeschnittenen Hemde bekleidet, welches bis zur Wade niederging. Sein dichtes Haar hing in lockigen Strähnen über die Schultern herab, und auf dem Kopfe trug er eine jener merkwürdigen, häßlichen Filzmützen, welche das Aussehen einer riesigen Spinne haben, deren runder Körper den Scheitel bedeckt und deren lange Beine hinten und zur Seite bis auf die Achseln niederhängen. Im Gürtel trug er ein Messer, eine Pulverflasche und den Kugelbeutel, eine Flinte aber war nicht zu sehen.

»Ni, vro‘l kjer – guten Tag!« grüßte er uns. »Wohin will Ali Bey, der Tapfere, reiten?«

»Chode t‘aveschket – Gott behüte dich!« antwortete der Bey. »Du kennst mich? Von welchem Stamme bist du?«

»Ich bin ein Badinan, Herr.«

»Aus Kaloni?«

»Ja, aus Kalahoni, wie wir es nennen.«

»Wohnt ihr noch in euren Häusern?«

»Nein. Wir haben unsere Hütten bereits bezogen.«

»Sie liegen hier in der Nähe?«

»Woher vermutest du das?«

»Wenn ein Krieger sich weit von seiner Wohnung entfernt, so nimmt er sein Gewehr mit. Du aber hast das deinige nicht bei dir.«

»Du hast es erraten. Mit wem willst du reden?«

»Mit deinem Häuptling.«

»Steige ab, und folge mir!«

Wir stiegen von den Pferden und nahmen sie beim Zügel. Der Kurde führte uns in den Wald hinein, in dessen Tiefe wir einen starken, aus gefällten Bäumen errichteten Verhau erreichten, hinter welchem wir zahlreiche Hütten liegen sahen, die nur aus Stangen, Aesten und Laubwerk hergestellt waren. In dieser Barrikade war eine schmale Oeffnung gelassen worden, die uns den Eingang gestattete. Nun sahen wir mehrere Hunderte von Kindern sich zwischen den Hütten und Bäumen umhertummeln, während die Erwachsenen, sowohl Männer als Frauen, damit beschäftigt waren, den Verhau zu vergrößern und zu befestigen. Auf einer der größten Hütten saß ein Mann. Es war der Häuptling, der diesen höheren Platz eingenommen hatte, um einen freieren Ueberblick zu haben und die Arbeit besser dirigieren zu können. Als er meinen Begleiter erblickte, sprang er herab und kam uns entgegen.

»Kjeïr ati; Chode dauleta ta mazen b‘ket— sei willkommen; Gott vermehre deinen Reichtum!«

Bei diesen Worten gab er ihm die Hand und winkte einem Weibe, welches eine Decke ausbreitete, auf welche wir uns niedersetzten. Mich schien er gar nicht zu beachten. Ein Dschesidi wäre auch gegen mich höflich gewesen. Dasselbe Weib, welches jedenfalls seine Frau war, brachte jetzt drei Pfeifen, welche ziemlich roh aus dem Holze eines Indschaz[215] geschnitten waren, und ein junges Mädchen trug eine Schüssel auf, in welcher Trauben und Honigscheiben lagen. Der Häuptling nahm seinen Tabaksbeutel, welcher aus dem Felle einer Katze gearbeitet war, vom Gürtel, öffnete ihn und legte ihn vor Ali Bey.

»Taklif b‘ ela k‘ narek, au, bein ma batal – mache keine Umstände, die unter uns überflüssig sind!« sagte er.

Dabei griff er mit seinen schmutzigen Händen in den Honig, zog sich mit den Fingern ein Stück heraus und schob es in den Mund.

Der Bey stopfte sich die Pfeife und steckte sie in Brand.

»Sage mir, ob Freundschaft ist zwischen mir und dir!« begann er die Unterhaltung.

»Es ist Freundschaft zwischen mir und dir,« lautete die einfache Antwort.

»Auch zwischen deinen Leuten und meinen Leuten?«

»Auch zwischen ihnen.«

»Wirst du mich um Hilfe bitten, wenn ein Feind kommt, um dich anzugreifen und zu überfallen?«

»Wenn ich zu schwach bin, ihn zu besiegen, werde ich dich um Hilfe bitten.«

»Und du würdest auch mir helfen, wenn ich dich darum ersuche?«

»Wenn dein Feind nicht mein Freund ist, werde ich es tun.«

»Ist der Gouverneur von Mossul dein Freund?«

»Er ist mein Feind; er ist der Feind aller freien Kurden. Er ist ein Räuber, der unsere Herden lichtet und unsere Töchter verkauft.«

»Hast du gehört, daß er uns in Scheik Adi überfallen will?«

»Ich hörte es von meinen Leuten, welche dir als Kundschafter dienten.«

»Sie kommen durch dein Land. Was wirst du tun?«

»Du siehst es!« Er deutete dabei mit einer Armbewegung auf die Hütten ringsumher. »Wir haben Kalahoni verlassen und uns im Walde Hütten gebaut. Nun machen wir uns eine Mauer, hinter der wir uns verteidigen können, wenn die Türken uns angreifen werden.«

»Sie werden euch nicht angreifen.«

»Woher weißt du dies?«

»Ich vermute es. Wenn es ihnen gelingen soll, uns zu überraschen, so müssen sie vorher allen Kampf und Lärm vermeiden. Sie werden also dein Gebiet sehr ruhig durchziehen. Sie werden vielleicht gar den offenen Weg vermeiden und durch die Wälder gehen, um die Höhe von Scheik Adi unbemerkt zu erreichen.«

»Deine Gedanken haben das Richtige getroffen.«

»Aber wenn sie uns besiegt haben, dann werden sie auch über euch herfallen.«

»Du wirst dich nicht besiegen lassen.«

»Willst du mir dazu verhelfen?«

»Ich will es. Was soll ich tun? Soll ich dir meine Krieger nach Scheik Adi senden?«

»Nein, denn ich habe genug Krieger bei mir, um ohne Hilfe mit den Türken fertig zu werden. Du sollst nur deine Krieger verbergen und die Türken ruhig ziehen lassen, damit sie sich für sicher halten.«

»Ihnen folgen soll ich nicht?«

»Nein. Aber du magst hinter ihnen den Weg verschließen, daß sie nicht wieder zurück können. Auf der zweiten Höhe zwischen hier und Scheik Adi ist der Paß so schmal, daß nur zwei Männer nebeneinander gehen können. Wenn du dort eine Schanze machst, so kannst du mit zwanzig Kriegern tausend Türken töten.«

»Ich werde es tun. Aber was gibst du mir dafür?«

»Wenn du nicht zum Kampfe kommst, so daß ich sie allein besiege, sollst du fünfzig Gewehre erhalten; hast du aber mit ihnen zu kämpfen, so gebe ich dir hundert Türkenflinten, wenn du dich tapfer hältst.«

»Hundert Türkenflinten!« rief der Häuptling begeistert. Er fuhr mit größter Eile in den Honig und steckte sich ein solches Stück davon in den Mund, daß ich glaubte, es müsse ihn erwürgen. »Hundert Türkenflinten!« wiederholte er kauend.

»Wirst du Wort halten?«

»Habe ich dich bereits einmal belogen?«

»Nein. Du bist mein Bruder, mein Gefährte, mein Freund, mein Kampfgenosse, und ich glaube dir. Ich werde mir die Gewehre verdienen!«

»Du kannst sie dir aber nur dann verdienen, wenn du die Türken bei ihrem Kommen ungestört ziehen lässest.«

»Sie sollen keinen von meinen Männern sehen!«

»Und sie dann hinderst, zurückzukehren, wenn es mir nicht gelingen sollte, sie zu umzingeln und festzuhalten.«

»Ich werde nicht nur den Paß, sondern auch die Seitentäler besetzen, damit sie weder rechts noch links, weder vor— noch rückwärts können!«

»Daran tust du wohl. Doch will ich nicht haben, daß viel Blut vergossen werde. Die Soldaten können nichts dafür, sie müssen dem Gouverneur gehorchen; und wenn wir grausam sind, so ist der Padischah zu Stambul mächtig genug, ein großes Heer zu senden, welches uns vernichten kann.«

»Ich verstehe dich. Ein guter Feldherr muß Gewalt und auch List anzuwenden verstehen. Dann kann er mit einem kleinen Gefolge ein großes Heer besiegen. Wann werden die Türken kommen?«

»Sie werden es so einrichten, daß sie beim Anbruche des morgenden Tages Scheik Adi überfallen können.«

»Die Ueberrumpelung sollen sie selbst haben. Ich weiß, daß du ein tapferer Krieger bist. Du wirst es den Türken ganz ebenso machen, wie es da unten in der Ebene die Haddedihn-Schammar ihren Feinden gemacht haben.«

»Du hast davon gehört?«

»Wer sollte dies nicht wissen? Die Kunde von solchen Heldentaten verbreitet sich schnell über Berg und Tal. Mohammed Emin hat seinen Tribus zum reichsten Stamm gemacht.«

Ali Bey lächelte mir heimlich zu und meinte dann:

»Es ist eine schöne Tat, Tausende gefangen zu nehmen, ohne daß ein Kampf stattfindet.«

 

»Diese Tat wäre Mohammed Emin nicht gelungen. Er ist stark und tapfer; aber er hat einen fremden Feldherrn bei sich gehabt.«

»Einen fremden?« fragte der schlaue Bey.

Ihn ärgerte jedenfalls die Nichtbeachtung, die mir von seiten des Häuptlings widerfahren war, und er ergriff nun die Gelegenheit, ihn zu beschämen. Dabei konnte es natürlich auf ein Uebermaß von Lob gar nicht ankommen.

»Ja, einen fremden,« antwortete der Häuptling. »Weißt du das noch nicht?«

»Erzähle es!«

Und der Kurde tat es in folgender Weise:

»Mohammed Emin, der Scheik der Haddedihn, saß vor seinem Zelt, um Rat zu halten mit den Aeltesten seines Stammes. Da tat sich eine Wolke auf, und ein Reiter kam herab, dessen Pferd grad mitten im Kreise der Alten die Erde berührte.

»Sallam aaleïkum!« grüßte er.

»Aaleïkum sallah!« antwortete Mohammed Emin. »Fremdling, wer bist du, und woher kommst du?«

Das Pferd des Reiters war schwarz wie die Nacht; er selber aber trug ein Panzerhemd, Arm— und Beinschienen und einen Helm aus gediegenem Golde. Um seinen Helm war ein Shawl gewunden, den die Houri des Paradieses gewebt hatten; denn tausend lebendige Sterne kreiseten in seinen Maschen. Der Schaft seiner Lanze war von reinem Silber; ihre Spitze leuchtete wie der Strahl des Blitzes, und unter derselben waren die Bärte von hundert erlegten Feinden befestigt. Sein Dolch funkelte wie Diamant, und sein Schwert konnte Stahl und Eisen zermalmen.

»Ich bin der Feldherr eines fernen Landes,« antwortete der Glänzende. »Ich liebe dich und hörte vor einer Stunde, daß dein Stamm ausgerottet werden soll. Darum setzte ich mich auf mein Roß, welches zu fliegen vermag, wie der Gedanke des Menschen, und eilte herbei, dich zu warnen.«

»Wer ist es, der meinen Stamm ausrotten will?« fragte Mohammed.

Der Himmlische nannte die Namen der Feinde.

»Weißt du dies gewiß?«

»Mein Schild sagt mir alles, was auf Erden geschieht. Blicke her!«

Mohammed sah auf den goldenen Schild. In der Mitte desselben war ein Karfunkel, fünfmal größer als die Hand eines Mannes, und in diesem sah er alle seine Feinde, wie sie sich versammelten, um gegen ihn zu ziehen.

»Welch ein Heer!« rief er. »Wir sind verloren!«

»Nein, denn ich werde dir helfen,« antwortete der Fremde.

»Versammle alle deine Krieger um das Tal der Stufen und warte, bis ich dir die Feinde bringe!«

Er gab hierauf seinem Pferde ein Zeichen, worauf es wieder emporstieg und hinter der Wolke verschwand. Mohammed Emin aber wappnete sich und die Seinen und zog nach dem Tale der Stufen, welches er rundum besetzte, sodaß die Feinde wohl hinein, aber nicht wieder heraus konnten. Am andern Morgen kam der fremde Held geritten. Er leuchtete wie hundert Sonnen, und dieses Licht blendete die Feinde, sodaß sie die Augen schlossen und ihm folgten mitten in das Tal der Stufen hinein. Dort aber kehrte er den Schild um; der Glanz wich von ihm, und sie öffneten die Augen. Da sahen sie sich in einem Tale, aus dem es keinen Ausweg gab, und mußten sich ergeben. Mohammed Emin tötete sie nicht; aber er nahm ihnen einen Teil ihrer Herden und forderte einen Tribut von ihnen, den sie jährlich geben müssen, so lange die Erde steht.«

So erzählte der Kurde und schwieg nun.

»Und was geschah mit dem fremden Feldherrn?« fragte der Bey.

»Sallam aaleïkum! sprach er; dann erhob sich sein schwarzes Roß in die Wolken, und er verschwand,« lautete die Antwort.

»Diese Geschichte ist sehr schön zu hören; aber weißt du auch, ob sie wirklich geschehen ist?«

»Sie ist geschehen. Fünf Männer vom Dschelu waren zu derselben Zeit in Salamijah gewesen, wo es von den Haddedihn erzählt wurde. Sie kamen hier vorüber und berichteten es mir und meinen Leuten.«

»Du hast recht; diese Geschichte ist geschehen, aber anders als du sie vernommen hast. Willst du das schwarze Roß des Seraskiers sehen?«

»Herr, das ist nicht möglich!«

»Es ist möglich, denn es steht in der Nähe.«

»Wo?«

»Dort der Rapphengst ist es.«

»Du scherzest, Bey!«

»Ich scherze nicht, sondern ich sage dir die Wahrheit.«

»Das Pferd ist herrlich, wie ich noch keines gesehen habe, aber es ist ja das Roß dieses Mannes!«

»Und dieser Mann ist der fremde Seraskier, von dem du erzählt hast.«

»Unmöglich!«

Er machte vor Erstaunen den Mund so weit auf, daß man die ausgiebigsten zahnärztlichen Beobachtungen und Operationen hätte vornehmen können.

»Unmöglich, sagst du? Habe ich dich einmal belogen? Ich sage dir noch einmal, daß er es wirklich ist!«

Die Augen und Lippen des Häuptlings öffneten sich immer weiter; er starrte mich wie sinnlos an und streckte ganz unwillkürlich seine Hand nach dem Honig aus, kam aber daneben und griff in den Tabaksbeutel. Ohne dies zu bemerken, langte er zu und schob eine ziemliche Portion des narkotischen Krautes zwischen seine weißglänzenden Zähne hinein. Ich hatte diesen Tabak sehr in Verdacht, alles andere, aber nur kein Tabak zu sein, und jedenfalls hatte ich da ganz richtig vermutet; denn er brachte im Momente eine so schnelle krampfhebende Wirkung hervor, daß der Häuptling augenblicklich die Kinnladen zuklappte und meinem guten Ali Bey den Inhalt seines Mundes in das Gesicht sprudelte.

»Katera peghamber – um des Propheten willen! Ist er es wirklich?« fragte er noch einmal, und zwar in der äußersten Bestürzung.

»Ich habe es dir bereits versichert!« antwortete der Angenetzte, indem er sich mit dem Zipfel seines Kleides das Angesicht reinigte.

»O Seraskier,« wandte sich jetzt der Mann zu mir; »atina ta, inschiallah, keïrah – gebe Gott, daß uns dein Besuch Glück

bringe!«

»Er bringt dir Glück, das verspreche ich dir!« antwortete ich.

»Dein Roß ist hier, das schwarze,« fuhr er fort, »aber wo ist dein Schild mit dem Karfunkel, dein Panzer, dein Helm, deine Lanze, dein Säbel?«

»Höre, was ich dir sage! Ich bin der fremde Krieger, welcher bei Mohammed Emin gewesen ist, aber ich stieg nicht vom Himmel herab. Ich komme aus einem fernen Lande, aber ich bin nicht der Seraskier desselben. Ich habe nicht goldene und silberne Waffen gehabt, aber hier siehst du Waffen, wie ihr sie nicht habt, und mit denen ich mich vor vielen Feinden nicht zu fürchten brauche. Soll ich dir zeigen, wie sie schießen?«

»Sere ta, Ser babe ta, Ser hemscher ta Ali Bey – bei deinem Haupte, beim Haupte deines Vaters und beim Haupte deines Freundes Ali Bey, tue es nicht!« bat er erschrocken. »Du hast die Rüstung, die Lanze, den Schild und das Schwert von dir gelegt, um diese Waffen zu gebrauchen, die vielleicht noch viel gefährlicher sind. Nezanum zieh le dehm – ich weiß nicht, was ich dir geben soll; aber versprich mir, daß du mein Freund sein willst!«

»Was kann es nützen, wenn du mein Freund wirst? In deinem Lande gibt es ein Sprichwort, welches lautet: »Dischmini be aquil schi yari be aquil tschitire – ein Feind mit Verstand ist besser als ein Freund ohne Verstand.«»

»Bin ich unverständig gewesen, Herr?«

»Weißt du nicht, daß man einen Gast begrüßen muß, zumal wenn er mit einem Freunde kommt?«

»Du hast recht, Herr! Du strafst mich mit einem Sprichworte; erlaube, daß ich dir mit einem andern antworte: »Betschuk lasime thabe ‚i mesinan bebe – der Kleine muß dem Großen gehorsam sein.« Sei du der Große; ich werde dir gehorchen!«

»Gehorche zunächst meinem Freunde Ali Bey! Er wird siegen, und deine Türkenflinten sind dir dann gewiß.«

»Du zürnst? Verzeihe mir! Ser sere men; bu kalmeta ta siuh taksir nakem – bei meinem Haupte; um dir zu dienen, werde ich nichts sparen. Nimm diese Trauben und iß; nimm diesen Tabak und rauche!«

»Wir danken dir,« antwortete Ali Bey, der jedenfalls auch an sauberere Genüsse gewöhnt war. »Wir haben vor unserem Aufbruche gegessen und dürfen keine Zeit verlieren, nach Scheik Adi zurückzukehren.«

Er erhob sich, und ich tat dasselbe. Der Häuptling begleitete uns bis an den Pfad und versprach noch einmal, seine Pflicht so vollständig wie möglich zu erfüllen. Dann ritten wir denselben Weg zurück, den wir gekommen waren.

212Sonne.
213Scheik Schems.
214Wandernde Stämme.
215Pomeranzenbaum.
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