Читать книгу: «La Fontaines Fabeln», страница 2
Nun erst, ihres prunkhaften Aufputzes entkleidet, bietet sie sich uns dar als das, was sie ist: in ihrer natürlichen Einfachheit und anspruchslosen Anmut. Da können wir zwanglos mit ihr verkehren, sie näher kennen lernen und liebgewinnen.
Sollte es gelingen, dem deutschen Nachdichter – und mit ihm auch dem französischen Dichter – bei uns zu ihrem Rechte zu verhelfen, so käme diese von den Töchtern Ernst Dohms veranstaltete Volksausgabe, wenn auch spät, doch nicht zu spät.
Im Hochsommer 1913
Paul Lindau
Erstes Buch
1. Die Grille und die Ameise
Grillchen, das den Sommer lang
Zirpt' und sang,
Litt, da nun der Winter droht,
Harte Zeit und bittre Not:
Nicht das kleinste Würmchen nur,
Und von Fliegen keine Spur!
Und vor Hunger weinend leise
Schlich's zur Nachbarin Ameise;
Fleht sie an, in ihrer Not
Ihr zu leih'n ein Körnlein Brot,
Bis der Sommer wiederkehre.
»Glaub' mir« sprach's »auf Grillen-Ehre,
Vor dem Erntemond noch zahl'
Zins ich dir und Kapital.«
Ämschen, die, wie manche lieben
Leute, das Verleihen haßt,
Fragt die Borgerin: »Was hast
Du im Sommer denn getrieben?«
»»Tag und Nacht hab' ich ergötzt
Durch mein Singen alle Leut'.««
»Durch dein Singen? Sehr erfreut!
Weißt du was? Dann – tanze jetzt!«
2. Der Rabe und der Fuchs
Im Schnabel einen Käse haltend, hockt
Auf einem Baumast Meister Rabe.
Von dieses Käses Duft herbeigelockt,
Spricht Meister Fuchs, der schlaue Knabe:
»Ah! Herr von Rabe, guten Tag!
Wie nett Ihr seid und von wie feinem Schlag!
Entspricht dem glänzenden Gefieder
Nun auch der Wohlklang Eurer Lieder,
Dann seid der Phönix Ihr in diesem Waldrevier.«
Dem Raben hüpft das Herz vor Lust. Der Stimme Zier
Zu künden, tut mit stolzem Sinn
Er weit den Schnabel auf; da – fällt der Käse hin.
Der Fuchs nimmt ihn und spricht: »Mein Freundchen, denkt an mich!
Ein jeder Schmeichler mästet sich
Vom Fette des, der willig auf ihn hört.
Die Lehr' ist zweifellos wohl – einen Käse wert!«
Der Rabe, scham- und reuevoll,
Schwört – etwas spät – daß ihn niemand mehr fangen soll.
3. Der Frosch, der dem Stier an Größe gleichen wollte
Ein Frosch sah einstmals einen Stier,
Des Wuchs ihm ungemein gefallen.
Kaum größer als ein Ei, war doch voll Neid das Tier;
Er reckt und bläht sich auf mit seinen Kräften allen,
Dem feisten Rind an Größe gleich zu sein.
Drauf spricht er: »Schau, mein Brüderlein,
Ist's nun genug? Bin ich so groß wie du?« »»O nein!««
»Jetzt aber?« »›Nein!‹« »Doch nun?« »›Wie du dich auch abmatt'st,
Du wirst mir nimmer gleich!‹« Das arme kleine Vieh
Bläht sich, und bläht sich, bis es – platzt.
Wie viele gibt's, die nur nach eitler Größe dürsten!
Der Bürgersmann tät's gern dem hohen Adel gleich,
Das kleinste Fürstentum spielt Königreich,
Und jedes Gräflein spielt den Fürsten.
4. Die beiden Esel
Zwei Esel gehn des Wegs; nur Hafer schleppte der,
Doch jener trug viel Geld zum Amt der Steuern,
Und stolz sich brüstend ob der goldnen Last, der teuern,
Gäb' er um keinen Preis die blanke Bürde her.
Er trabt gewicht'gen Schritts einher,
Hell läßt er tönen sein Geläute.
Da plötzlich naht des Feindes Heer
Und da nach Gold nur ihr Begehr,
Wirft auf das Steuer-Lasttier sich die ganze Meute
Und nimmt es mit als gute Beute.
Freund Langohr leistet Gegenwehr;
Doch schwer verwundet sinkt er hin und seufzt im Sterben:
»Das also ist mein Lohn? O gleißnerische Pracht!
Der schlechten Hafer trug entrinnt jetzt dem Verderben
Und ich, ich sink' in Todes Nacht!«
Da spricht zu ihm sein Freund, der gute:
»Nicht stets sind Würd' und Amt ein Glück, das glaube mir!
Freund, wärest du, wie ich, ein armes Müllertier,
Lägst du nicht hier in deinem Blute.«
5. Der Wolf und der Hund
Ein Wolf, der nichts als Knochen war und Haut –
Dank guter Wacht der Schäferhunde –
Traf eine Dogge einst, die, stark und wohlgebaut,
Glänzenden Fells und feist, just jagte in der Runde.
»Ha!« dachte Meister Isegrimm
» Die so zum Frühstück, wär' nicht schlimm!«
Doch stand bevor ein Kampf, ein heißer,
Und unser Hofhund hatte Beißer,
Gemacht zu harter Gegenwehr.
Drum kommt der Wolf ganz freundlich her
Und spricht ihn an, so ganz von ungefähr,
Bewundernd seines Leibes Fülle.
» Die, lieber Herr, ist's Euer Wille«
Erwiderte der Hund »blüht Euch so gut wie mir!
Verlaßt dies wilde Waldrevier;
Seht Eure Vettern, ohne Zweifel
Nur dürft'ge Schlucker, arme Teufel,
Sie lungern hier umher, verhungert, nackt und bloß!
Hier füttert keiner Euch, Ihr lebt nur – mit Verlaub –
Vom schlechtesten Geschäft, dem Raub.
Drum folgt mir, und Euch winkt – glaubt nur – ein besser Los.«
»»Was«« sprach der Wolf »»hab' ich dafür zu leisten?««
»Fast nichts!« so sagt der Hund. »Man überläßt die Jagd
Den Menschen, denen sie behagt,
Schmeichelt der Dienerschaft, doch seinem Herrn am meisten.
Dafür erhält die nicht verspeisten
Tischreste man zum Lohn, oft Bissen leckrer Art
Hühner- und Taubenknöchlein zart,
Manch andrer Wohltat zu geschweigen!«
Schon träumt der Wolf gerührt vom Glück der Zukunft, und
Ein Tränlein will dem Aug' entsteigen;
Da plötzlich sieht er, daß am Halse kahl der Hund.
»»Was ist das?«« fragt er. »Nichts!« »»Wie? Nichts?«« »Hat nichts zu sagen!«
»»Und doch?«« »Es drückte wohl das Halsband hier mich wund,
Woran die Kette hängt, die wir mitunter tragen.«
»»Die Kette?«« fragt der Wolf. »»Also bist du nicht frei?««
»Nicht immer; doch was ist daran gelegen?«
»»So viel, daß ich dein Glück, all' deine Schwelgerei
Verachte! Bötst du meinetwegen
Um den Preis mir 'nen Schatz, sieh, ich verschmäht' ihn doch!««
Sprach's, lief zum Wald zurück flugs und – läuft heute noch.
6. Kalb, Ziege, Schaf und Leu,
Als Handelscumpanei
Kalb, Zieg' und Schaf im Bund mit einem stolzen Leu'n,
Als Gründer bildeten in grauer Vorzeit Tagen
Genossenschaftlich sie einen Konsum-Verein,
Gewinn sowie Verlust zu gleichem Teil zu tragen.
Auf dem Gebiet der Geiß fing einst ein Hirsch sich ein.
Zu den Genossen schickt die biedre Zieg' in Eile;
Sie kommen, und der Leu, indem er um sich blickt,
Spricht: »Wir sind vier, drum geht die Beut' auch in vier Teile.«
Zerlegend drauf den Hirsch nach Jägerart geschickt,
Nimmt er das erste Stück für sich, und mit Behagen
Spricht er: »Das kommt mir zu, weil ich, euch zum Gewinn,
Als Leu der Tiere König bin;
Dagegen ist wohl nichts zu sagen!
Von Rechtes wegen fällt mir zu das zweite Stück;
Dies Recht, des Stärkern Recht heißt's in der Politik.
Als Tapferstem wird mir das dritte wohl gebühren!
Wagt einer jetzt von euch das vierte zu berühren,
So würg' ich ihn im Augenblick.«
7. Der Quersack
Einst sprach der Vater Zeus: »An meines Thrones Stufen
Erscheine, was da lebt; und wer sich an Gestalt
Und Wesen zu Beschwer berechtigt und berufen
Vermeint, der red' ohn' Hinterhalt!
Wo's geht, bin ich zu helfen willig.
Du, Affe, sprich zuerst! Schau dir, wie recht und billig,
Die Tiere alle an, vergleich' ihr Angesicht
Und ihre Formen mit den deinen.
Bist du zufrieden?« »»Ich?«« sprach er »»Warum denn nicht?
Ich hab' vier Füße doch wie jene, sollt' ich meinen!
Und mit Vergnügen stets hab' ich mein Bild beschaut.
Allein mein Bruder Bär ist gar zu plump gebaut,
Und keinem Maler sollt' er je zu sitzen wagen!««
Der Bär tritt vor – man glaubt, er wolle sich beklagen;
Doch weit gefehlt! Hört nur, wie seinen Wuchs er rühmt!
Jedoch der Elefant – so schmäht er unverblümt –
Hätt' das am Ohr zu viel, was ihm am Schwanze fehlte;
Unförmlich, massenhaft, sei er der Schönheit bar!
Der Elefant, der sonst sogar
Ein kluges Tier, erschien doch heut als Tor und schmälte,
Daß für sein Maul, das nicht gering,
Der Walfisch sich zu dick erwiese!
Der Ameis' schien die Milb' ein gar zu winzig Ding,
Dagegen wär sie selbst ein Riese!
Zeus schickt sie alle heim, die sich so mild und lind
Selbstlobend kritisiert. Wir Menschen aber sind
Der Toren törichtste, da alle wir im Leben,
Luxscharf für andre, nur für uns stets maulwurfblind,
Uns selber alles, doch dem Nächsten nichts vergeben.
Nie gleichen Blicks hast dein du wie des Andern acht.
Es schuf des höchsten Schöpfers Macht
Als Lumpenvolk uns all', heut wie in frühern Tagen:
Quer auf die Schulter legt' er uns den Bettelsack,
Drin unsrer Sünden Last wir auf dem Rücken tragen,
Doch vorn, uns sichtbar stets, der fremden Fehler Pack.
8. Die Schwalbe und die kleinen Vögel
War einst 'ne Schwalbe, die auf Reisen
Gar viel gelernt. Wer viel und mancherlei gesehn,
Wird auch so manches wohl verstehn.
Sie sah von ferne schon die leichtste Brise kreisen,
Und eh' zum Sturmwind die erwuchs,
Verkündet sie's den Schiffern flugs.
Da nun die Jahreszeit kam, wo der Hanf gesät wird,
Sah einen Landmann sie, der ihn in Furchen streut.
»Das mißfällt mir!« sprach sie. »Ihr Vöglein, seid gescheut!
Ihr dauert mich; denn ich, ich geh', bevor's zu spät wird,
Weit fort und berge mich da, wo ich sicher bin.
Doch ihr – seht ihr die Hand dort hin und her ihn schwingen?
Glaubt mir: 's ist nicht mehr lange hin,
Dann wird, was jetzt sie streut, euch, ach! Verderben bringen.
Da wird zu eurem Fang manch Netz gar meisterlich
Gelegt und mancher Dohnenstrich;
Man stellt euch nach, man legt euch Schlingen.
Dann kommt die Zeit der schweren Not,
Wo euch Gefängnis oder Tod,
Der Käfig oder Bratspieß droht.
Drum rat' ich euch, jetzt wegzufressen
Den Samen. Folgt mir und seid klug!«
Die Vöglein höhnten sie vermessen,
Sie hatten Futters ja genug!
Man sah das Hanffeld grün sich färben.
Da sprach die Schwalbe: »Schnell! Reißt, Halm für Halm, jetzt ab
Das Gras, das jener Same gab;
Sonst bringt es sicher euch Verderben.«
»»Unglücksprophet!«« schrien sie »»Geschwätz'ger Phrasenheld!
Ein schöner Rat, um uns zu retten!
Da tausend Mann wir nötig hätten,
Jetzt kahl zu mäh'n dies ganze Feld!««
Als nun der Hanf in Samen schoß,
Da rief die Schwalb': »O weh!« und schüttelte das Haupt.
»Das böse Kraut! Wie schnell es sproß!
Doch ihr, die ihr bisher noch nimmer mir geglaubt,
Merkt jetzt euch dies: Seht ihr die Fluren
Voll Stoppeln, hat der Mensch sein Feld
Fertig für dieses Jahr bestellt
Und folgt als Feind er euren Spuren,
Stellt Fallen er und Netze fein
Den armen kleinen Vögelein,
Dann hütet euch umherzufliegen!
Dann bleibt zu Haus, vielmehr verlaßt dann diesen Ort,
Wie Kranich, Schnepf' und Storch auf ihren Wanderzügen.
Ach! leider könnt ihr ja nicht fort.
Nicht über Land und Meer, wie wir, zum Flug euch rüsten
Nach fremden Weltteils fernen Küsten!
Drum, glaubt mir, ist für euch die einz'ge Rettung noch,
Euch still zu bergen in ein sichres Mauerloch.«
Die Vöglein, statt der weisen Kunde
Zu lauschen, fingen an zu schwatzen, O und Ach,
Wie der Trojaner Volk, als mit Prophetenmunde
Kassandra einst zu ihnen sprach.
Wie jenen dort, ging's jetzt den Kleinen:
Manch Vöglein seufzte, das in Sklaverei geriet.
Wir glauben immer nur an unser eignes Meinen,
Und sehn den Schaden erst, wenn er uns selbst geschieht.
9. Stadtratte und Landratte
Stadträttlein lud einst zum Feste
Und zu Tisch, auf hoch und fein
Fette Ortolanenreste,
Landrättlein gar höflich ein.
Auf dem türk'schen fein gewebten
Teppich stand das Mahl bereit,
Und die beiden Freunde lebten
Lustig und in Herrlichkeit.
Man genoß in vollen Zügen,
Köstlich mundete der Schmaus;
Plötzlich mitten im Vergnügen
Wurden sie gestört – O Graus!
Klang es nicht, als ob was krachte?
Hei! wie Stadträttlein in Hast
Gleich sich aus dem Staube machte!
Schleunigst folgt ihm nach der Gast.
Blinder Lärm nur war's. Es wandern
Beide wieder in den Saal,
Und Stadträttlein spricht zum andern:
»Setzen jetzt wir fort das Mahl!«
»»Danke sehr!«« spricht jenes »»Morgen
Komm zu mir aufs Land hinaus.
Kann dir freilich nicht besorgen
Dort so königlichen Schmaus.
Einfach nur, doch unbeneidet,
Voller Sicherheit bewußt,
Speis' ich dort. Pfui solcher Lust,
Die durch Furcht mir wird verleidet!««
10. Der Wolf und das Lamm
Des Stärkern Recht ist stets das beste Recht gewesen –
Ihr sollt's in dieser Fabel lesen.
Ein Lamm löscht einst an Baches Rand
Den Durst in dessen klarer Welle;
Ein Wolf, ganz nüchtern noch, kommt an dieselbe Stelle,
Des gier'ger Sinn nach guter Beute stand.
»Wie kannst du meinen Trank zu trüben dich erfrechen?«
Begann der Wüterich zu sprechen –
»Die Unverschämtheit sollst du büßen, und sogleich!«
»»Eu'r Hoheit brauchte«« sagt das Lamm vor Schrecken bleich
»»Darum sich so nicht aufzuregen!
Wollt doch nur gütigst überlegen,
Daß an dem Platz, den ich erwählt,
Von Euch gezählt,
Ich zwanzig Schritt stromabwärts stehe;
Daß folglich Euren Trank – seht Euch den Ort nur an –
Ich ganz unmöglich trüben kann.««
»Du trübst ihn dennoch!« spricht der Wilde. »Wie ich sehe,
Bist du's auch, der auf mich geschimpft im vor'gen Jahr!«
»»Wie? Ich, geschimpft, da ich noch nicht geboren war?
Noch säugt die Mutter mich, fragt nach im Stalle.««
»Dein Bruder war's in diesem Falle!«
»»Den hab' ich nicht.«« »Dann war's dein Vetter! Und
Ihr hetzt mich und verfolgt mich alle,
Ihr, euer Hirt und euer Hund.
Ja, rächen muß ich mich, wie alle sagen!«
Er packt's, zum Walde schleppt er's drauf,
Und ohne nach dem Recht zu fragen,
Frißt er das arme Lämmlein auf.
11. Der Mensch und sein Ebenbild
Für den Herzog de la Rochefoucauld
Es war einmal ein Mann, der, in sich selbst verliebt,
Sich für den schönsten hielt, den alle Lande trügen;
Den Spiegel scheltend, daß entstellt sein Bild er gibt,
Fand er sein Glück darin, sich selber zu belügen.
Um ihn zu heilen, sorgt ein günstiges Geschick,
Daß stets er, wo auch weilt sein Blick,
Der Damen stummen und geheimen Rat muß schauen:
Spiegel in Stub' und Saal, Spiegel ob nah ob fern,
Spiegel in Taschen feiner Herrn,
Spiegel im Gürtel schöner Frauen.
Was tut unser Narziß? Er tut sich selbst in Bann
Und birgt am stillsten Ort sich, den er finden kann,
Wohin kein Spiegel wirft sein trügerisch Gebilde.
Doch durch der Einsamkeit verlassenstes Gefilde
Rieselt ein klarer Silberbach.
Er schaut sich selbst darin, und zürnend ruft er: »Ach,
Ein eitel Trugbild ist's, das mir den Ort verleidet!«
Er gibt sich alle Müh', ihm aus dem Weg zu gehn;
Allein der Bach ist gar so schön,
Daß er nur ungern von ihm scheidet.
Was die Moral der Fabel sei?
Zu allen red' ich; das Sichselbstbetrügen,
Ein Übel ist's, von dem kein Sterblicher ganz frei:
Dein Herz, es ist der Narr, geneigt sich zu belügen;
Der Spiegel, den als falsch zu schelten wir geneigt,
Des Nächsten Torheit ist's, die wir an uns vermissen.
Der Bach, der unser Bild uns zeigt,
Du kennst ihn wohl, man nennt ihn – das Gewissen.
12. Der vielköpfige und der vielschwänzige Drache
Einst pries vor der Höflinge Schar
Frankreichs Gesandter, der in Wien beglaubigt war,
Des eignen Landes Macht vor der des Deutschen Reiches
Ein Deutscher sprach: »Trotz des Vergleiches
Wißt: unsres Kaiser Banner trug
Schon mancher Mann, selbst stark genug,
Tät's not, auf eigne Hand ein Heer zum Kampf zu rüsten.«
Drauf Frankreichs Pascha, fein und klug,
Erwidert: »Als ob wir nicht wüßten,
Was jeder Kurfürst an Soldaten stellen kann!
Das mahnt mich unwillkürlich an
Etwas, das ich erlebt, mag's wunderbar auch klingen.
Ich stand an sichrem Ort, da sah durch einen Hag
Die hundert Häupter ich der Hydra plötzlich dringen.
Mein Blut erstarrt – so etwas mag
Zur Furcht den Tapfersten wohl bringen!
Doch blind war meine Furcht; denn ob der Köpfe Zahl
Drang durch die Hecke nicht einmal,
Geschweige bis zu mir der Leib des Ungeheuers.
Noch dacht' ich dieses Abenteuers,
Da seh' ein zweites Tier, ein vielgeschweiftes, ich,
Das bohrt sein Drachenhaupt, sein einz'ges, durch die Hecken;
Zum zweiten Male fühlt' ich mich
Von Angst erfaßt und starrem Schrecken.
Haupt, Leib und jeder Schweif – Eins brach dem andern Bahn,
So ward der Fortschritt leicht dem Tier, dem ungeheuren.
Seht, ganz so scheint's mir angetan
Mit unsrem Reich und mit dem Euren.«
13. Die Diebe und der Esel
Zwei Diebe prügelten um einen Esel sich,
Den sie geraubt; der wollt' behalten ihn, verkaufen
Wollt' ihn der andre. Jämmerlich
Zerbläut das edle Paar sich drum in blut'gem Raufen.
Ein dritter Spitzbub kommt zum Ort,
Der führt den Meister Langohr fort.
Manch armes Land ist wohl dem Esel zu vergleichen,
Und mancher Fürst aus fernen Reichen,
Wie aus der Walachei, Ungarn und der Türkei,
Den Dieben. Statt der zwei sind's manchmal drei –
Zu häufig nur ist diese Sorte heute!
Doch von dem Kleeblatt fällt oft keinem zu die Beute;
Ein vierter Räuber kommt, ganz jener wert, und – schnapp!
Jagt er das Langohr ihnen ab.
14. Wie Simonides von den Göttern beschützt ward
Drei Dinge gibt's, die nie man hoch genug kann preisen:
Gott, die Geliebt' und seinen Herrn.
Malherbe sagt's einmal, und ich bekenn' mich gern
Zu diesem Ausspruch unsres Weisen.
Wohl kitzelt feines Lob und nimmt die Herzen ein,
Oft ist der Schönen Gunst der Preis für Schmeichelein.
Hört, welch ein Preis dafür von Göttern zu gewinnen.
Simonides fiel's einstmals ein,
'nes Fechters Lob im Lied zu singen. Beim Beginnen
Fand er zu trocken gleich, zu arm den Gegenstand;
Des Ringers Sippe war fast gänzlich unbekannt,
Ein dunkler Ehrenmann sein Vater, erein schlichter
Und dürft'ger Stoff für einen Dichter.
Anfangs sprach der Poet von einem Helden zwar
Und lobte, was an ihm nur irgend war zu loben;
Bald aber schweift' er ab, und zu dem Zwillingspaar
Kastor und Pollux hat er schwungvoll sich erhoben.
Er preist die beiden als der Ringer Ruhm und Hort,
Zählt ihre Kämpfe auf, bezeichnet jeden Ort,
Wo jemals sie gestrahlt im Glanze hellsten Lichtes.
Der beiden Lob – mit einem Wort,
Zwei Drittel füllt es des Gedichtes.
Bedungen hatten ein Talent als Preis die zwei;
Jetzt kommt der Biedermann herbei,
Zahlt ihm ein Drittel nur und sagt ihm frank und frei,
Es würden ihm den Rest Kastor und Pollux zahlen.
»Halt' dich nur an die zwei, die hell am Himmel strahlen!
Allein, daß du nicht meinst, ich sei
Dir gram – besuche mich zu Tisch. Gut sollst du speisen;
Auch die Gesellschaft ist nicht schlecht,
s' ist meine Sippe – ist dir's recht,
So wolle mir die Ehr erweisen.«
Simonides sagt zu; vielleicht befürchtet er,
Außer dem Geld auch noch die Ehre dranzugeben.
Er kommt; man speist, man läßt ihn leben,
Und froh und munter geht es her.
Da meldet ihm ein Sklav', es hätten an der Pforte
Zwei Männer augenblicks zu sprechen ihn begehrt;
Er eilt hinaus, doch bleibt am Orte
Die Sippe schmausend ungestört.
Das Götterzwillingspaar, die er im Lied gepriesen,
Sie sind's, sie bringen ihm die Mahnung jetzt als Lohn:
Forteilen mög' er schnell aus diesen
Unsel'gen Hallen, die mit nahem Einsturz drohn.
Bald war erfüllt die Schreckenskunde:
Ein Pfeiler wankt, einstürzt das Dach,
Das ungestützte, schlägt zugrunde
All Eß- und Trinkgerät und mit furchtbarem Krach
Die Schenken selbst im Festgemach.
Noch mehr: als Rache für die Götter, die geschmähten,
Und den betrogenen Poeten
Zerschmettert beide Bein' ein Balken dem Athleten.
Teils wund, teils arg verstümmelt gar
Kehrt heim der Gäste ganze Schar.
Fama verbreitete die Mär auf ihren Reisen;
Nun doppelt alle Welt, ihm Achtung zu beweisen,
Den Sold des Dichters, der der Götter Liebling war,
Und jedermann aus höhern Kreisen
Ließ jetzt durch ihn für Honorar
In Versen seine Ahnen preisen.
Was lehrt die Fabel uns? Zuerst, mein' ich, daß man
Das Lob der Himmlischen zu weit nie treiben kann;
Ferner, daß mit dem Schmerz und ähnlich ernsten Sachen
Melpomene versteht manch gut Geschäft zu machen;
Endlich, daß unsre Kunst man schätz' ohn' Unterlaß.
Die Großen ehren sich, wenn uns sie Gunst erweisen;
Einst hört' als Freund' und Brüder preisen
Man den Olymp und den Parnaß.
Начислим
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