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Die erste Liebe

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XVII

Am folgenden Tage sah ich Sinaïde nur im Fluge: sie hatte mit ihrer Mutter eine Ausfahrt in einer Miethsdroschke gemacht. Dafür sah ich aber Luschin, der mich übrigens kaum eines Grußes würdigte, und Malewsky. Der junge Graf verzerrte sein Gesicht zu einem Lächeln und redete mich freundlich an. Von allen Besuchern des Nebengebäudes war es ihm allein gelungen, Eintritt in unser Haus zu erlangen und meiner Mutter Beifall zu gewinnen. Mein Vater dagegen mochte ihn nicht und benahm sich gegen ihn mit einer übertriebenen Höflichkeit, die an Beleidigung streifte.



– Ah,

monsieur le page

, – begann Malewsky, – ich bin sehr erfreut Sie zu sehen. Was macht Ihre schöne Königin?



Sein frisches, hübsches Gesicht war mir in diesem Augenblicke so zuwider – und er sah mich so selbstgefällig höhnisch an, daß ich ihm Nichts antwortete.



– Sie sind doch nicht böse? fuhr er fort. – Das ist unrecht. Nicht ich habe Sie zum Pagen ernannt, – Pagen halten vornehmlich Königinnen. Erlauben Sie mir indessen die Bemerkung, daß Sie Ihrem Amte schlecht vorstehen.



– Wie so?



– Die Pagen dürfen sich von ihren Gebieterinnen unbedingt nicht trennen; die Pagen müssen Alles wissen, was dieselben thun – ja sie müssen sogar bei Tage wie wie bei Nacht über sie wachen – setzte er, den Ton dämpfend, hinzu.



– Was wollen Sie damit sagen? – Was ich sagen will? Ich drücke mich doch, denke ich, deutlich genug aus. Bei Tage – wie bei Nacht. Bei Tage geht es noch hin; bei Tage ist es hell und es gehen Menschen vorüber; Nachts aber, – ist ein Unglück bald geschehen. Ich rathe Ihnen, Nachts nicht zu schlafen und Wache zu halten, nach Möglichkeit Wache zu halten. Erinnern Sie sich, – bei Nacht, im Garten, am Springbrunnen, – dort ist es, wo Sie Wache halten müssen. Sie werden mir Dank wissen.



Malewsky lachte und wandte mir den Rücken. Wahrscheinlich legte er seinen Worten keine tiefere Bedeutung bei; er hatte den Ruf eines Meisters in der Kunst des Mystificirens und zeichnete sich in dieser Hinsicht vornehmlich auf Maskenbällen aus, wozu ihn die fast unbewußte Falschheit, von der sein ganzes Wesen durchdrungen war, ganz besonders befähigte . . . Er hatte mich wohl nur aufziehen wollen, jedes seiner Worte aber bohrte sich wie ein vergifteter Stachel in mein Herz. Das Blut stieg mir zu Kopfe. Ah! das ist es! sagte ich zu mir selbst. Meine gestrigen Vermuthungen waren also doch begegründet! Mich hatte es nicht umsonst in den Garten gezogen! Wohlan denn, rief ich laut und schlug mich mit der Faust vor die Brust, daraus wird Nichts! Eigentlich wußte ich aber selbst nicht, – woraus Nichts werden sollte. – War es Malewskys Absicht, sich in den Garten hineinzuschleichen? – dachte ich (er kann sich verrathen haben, und frech genug ist er, um es zu thun), – oder ist ein Anderer da? – (die Umzäunung unseres Gartens war sehr niedrig und es bedurfte keiner Mühe über dieselbe hinüberzuklettern), genug, mit heiler Haut soll Derjenige nicht davon kommen, der mir in den Weg tritt! Ich rathe Niemandem, mir in den Wurf zu kommen! Ich will der ganzen Welt beweisen, und auch ihr, der Treulosen (ich nannte sie wahrhaftig die Treulose), daß ich Rache zu üben verstehe!



Ich kehrte auf mein Zimmer zurück, nahm aus meinem Schreibtische ein englisches Messer, das ich vor Kurzem gekauft hatte, hervor, prüfte die Schärfe desselben und steckte es dann, mit finsterer Miene und kalter, gesammelter Entschlossenheit, in die Tasche, als wären dergleichen Dinge nichts Ungewohntes für mich und ich kein Neuling darin. Mein Herz war von Bosheit geschwellt und wie zu Stein geworden. Bis zum Anbruche der Nacht behielt ich meine finstere Miene und hielt die Lippen geschlossen, ging beständig auf und ab, das warmgewordene Messer krampfhaft mit der Hand in der Tasche umklammernd, und bereitete mich im Voraus auf Fürchterliches vor. Diese neuen, noch nicht dagewesenen Empfindungen beschäftigten mich und hielten mich dermaßen in Aufregung, daß ich sogar an Sinaïde eigentlich nur wenig dachte. Mir schwebte beständig – Aleko, der junge Zigeuner, vor:

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  Siehe Puschkin’s »Zigeuner.«



 – »Wohin, du schöner Jüngling? Sprich! Bleib’ liegen da und stirb!« und ferner: »Du bist ja ganz mit Blut bespritzt! . . . O sprich, was thatest Du? . . Nichts!« – Mit welchem grausamen Lächeln wiederholte ich dieses: Nichts!



Mein Vater war nicht zu Hause; meiner Mutter aber, die sich seit einiger Zeit in einem fast beständigen Zustande zurückgehaltener Aufregung befand, fiel mein verzweifeltes Aussehen aus und beim Abendessen sagte sie zu mir: Du siehst ja aus wie eine Maus in der Grütze! Ich lächelte bloß herablassend dazu und dachte: wenn sie nur wüßte! Es schlug 11 Uhr; ich ging auf mein Zimmer kleidete mich aber nicht ans; ich wartete auf Mitternacht: endlich schlug die Stunde. Auf!flüsterte ich durch die Zähne, knöpfte meine Jacke bis oben zu, streifte sogar die Aermel zurück und begab mich in den Garten.



Ich hatte den Platz, wo ich Wache halten wollte, schon bei Zeiten gewählt. Am Ende des Gartens, dort wo der Zaun, der unser Gebiet von dem der Sassekins schied, an eine gemeinsame Mauer stieß, stand eine vereinzelte Tanne; unter den niedrigen, dichten Aesten derselben, konnte ich mich recht gut verbergen, und so weit es das nächtliche Dunkel zuließ, sehen, was um mich her vorging. In der Nähe zog sich ein Pfad hin, der mir von jeher geheimnißvoll erschienen war; in Schlangenwindungen zog sich derselbe hart am Zaune vorüber, an welcher Stelle Fußspuren verriethen, daß Jemand hinübergestiegen war, und verlor sich in einer runden Laube dichter Akazien. Ich war an die Tanne gelangt, lehnte mich gegen den Stamm und begann meine Wache.



Es war eine ebenso ruhige Nacht, wie die vorige; doch standen weniger Wolken am Himmel; die Umrisse der Gebüsche, selbst die größerer Pflanzen, waren deutlicher zu unterscheiden. Die ersten Minuten des Wartens erschienen mir drückend, fast beängstigend. Ich war zu Allem bereit und zog nur noch in Erwägung: wie ich vorgehen sollte? Ob ich mit einem: »Wohin? Halt! Bekenne, – oder stirb!« – beginnen, oder gleich zustoßen sollte . . . Jeder Laut, jedes Geräusch, auch das leiseste, schien mir bedeutungsvoll, ungewöhnlich . . . Ich hielt mich bereit . . . beugte mich nach vorn. . . . Doch es verging eine halbe Stunde, es verging eine ganze; mein Blut beruhigte sich, kühlte sich ab; die Vorstellung, daß ich Alles umsonst thue, mich sogar lächerlich mache, daß Malewsky mich nur gefoppt habe, – schlich sich allgemach in meine Seele ein. Ich verließ meinen Hinterhalt und machte eine Runde durch den Garten. Wie absichtlich ließ sich nirgends das geringste Geräusch hören; Alles war in Ruhe versunken; selbst unser Hofhund schlief, zusammengerollt, bei dem Thorpförtchen Ich kletterte auf die Trümmer des Treibhauses, sah das weite Feld vor mir, gedachte meiner Begegnung mit Sinaïde und verlor mich in Gedanken . . .



Plötzlich schrak ich zusammen . . . Mir däuchte, ich habe das Knarren einer geöffneten Thür, dann das Knistern eines gebrochenen Zweiges vernommen. In zwei Sprüngen war ich die Trümmer hinuntergesprungen – und blieb wie erstarrt stehen. Rasche, leichte, aber behutsame Schritte ließen sich im Garten hören. Sie kamen zu mir heran. »Da ist er . . . da ist er endlich!« zuckte es durch mein Herz. Krampfhaft zog ich das Messer aus der Tasche, schlug es heftig auf, – rothe Funken flimmerten vor meinen Augen, das Haar auf meinem Kopfe sträubte sich vor Angst und Wuth . . . Die Schritte kamen gerade auf mich zu – ich bog mich nach vorn, es zog mich denselben entgegen . . . Ein Mann wurde sichtbar . . . Mein Gott! Es war mein Vater!



Ich erkannte ihn sogleich, obgleich er ganz in einen dunkelen Mantel gehüllt war und den Hut über die Augen gezogen hatte. Er ging auf den Zehen an mir vorüber. Er hatte mich nicht bemerkt, obgleich mich Nichts verdeckte, ich hatte mich aber so niedergedrückt und klein gemacht, daß ich fast dem Erdboden gleich kam. Der eifersüchtige, auf Mord sinnende Othello, war plötzlich in einen Schulbuben umgewandelt . . . Die unerwartete Erscheinung meines Vaters hatte mich dermaßen erschreckt, daß ich im ersten Augenblicke nicht einmal bemerkte, von wo er gekommen, wohin er verschwunden war. Als Alles rund umher wieder ruhig geworden, dann erst richtete ich mich auf und stellte die Frage an mich: »weßhalb wandelt mein Vater denn bei Nachtzeit im Garten umher?« Vor Schreck hatte ich mein Messer in’s Gras fallen lassen, ich suchte aber nicht einmal mehr nach ihm: tiefe Scham erfüllte mich. Ich war plötzlich nüchtern geworden. Auf dem Rückwege nach Hause trat ich jedoch zu meinem Bänkchen unter dem Fliederbusche hin und warf einen Blick auf das Fenster von Sinaïdes Schlafzimmer. Die nicht sehr großen, etwas gewölbten Scheiben des Fensters schimmerten in mattem Blau vom Widerscheine des nächtlichen Himmels. Auf einmal veränderte sich die Farbe derselben . . . Hinter ihnen, ich sah es, sah es, deutlich, – wurde vorsichtig und sachte eine weiße Gardine heruntergelassen, ganz bis auf’s Fensterbrett herab – und so blieb sie auch unbeweglich hangen.



– Was bedeutet das? fragte ich mich laut, fast unwillkürlich, als ich mich wieder in meinem Zimmer befand. Ist das Traum? Zufall? Oder . . . Die Vermuthungen, die mir unerwartet in den Kopf stiegen, waren so neu und sonderbar, daß ich nicht wagte mich denselben zu überlassen.



XVIII

Von Kopfschmerz gepeinigt verließ ich am Morgen mein Lager. Die gestrige Aufregung war verschwunden. Eine mir noch unbekannte Niedergeschlagenheit, – als wenn Etwas in mir zu Grabe getragen worden wäre, – hatten sie ersetzt.

 



– Sie sehen ja wie ein Kaninchen aus, dem man die Hälfte des Gehirns herausgenommen hat! sagte Luschin zu mir, als ich ihm begegnete. Beim Frühstücke warf ich von Zeit zu Zeit verstohlene Blicke, bald auf meinen Vater, bald auf meine Mutter: er war, wie gewöhnlich, ruhig; sie, wie gewöhnlich gereizt. Ich wartete, ob nicht mein Vater, wie er es bisweilen zu thun pflegte, ein freundliches Wort an mich richten würde . . . Doch erwies er mir nicht einmal seine tägliche kalte Liebkosung. Ob ich Sinaïde Alles erzähle? dachte ich . . . Es bleibt sich ja gleich, – zwischen uns ist ja ohnehin schon Alles vorbei. – Ich begab mich zu ihr, aber nicht nur erzählte ich ihr Nichts, – ich fand nicht einmal Gelegenheit, mich mit ihr, wie ich es gewünscht hätte, zu unterhalten. Bei der Fürstin war ihr Sohn, ein Cadet von zwölf Jahren, während der Ferien aus Petersburg eingetroffen; Sinaïde führte mir sogleich ihren Bruder zu. – Da haben Sie, sagte sie, mein lieber Wolodja, – (zum ersten Male nannte sie mich bei diesem Namen), einen Gefährten. Er heißt gleichfalls Wolodja. Ich bitte, haben Sie ihn ein wenig lieb; er ist noch etwas schüchtern, hat aber ein gutes Herz. Führen Sie ihn in den Neskuschnigarten, spazieren Sie mit ihm umher, nehmen Sie ihn unter ihren Schutz. Nicht wahr, Sie werden es thun? Sie haben ja auch ein so gutes Herz! – Sie legte mir freundlich beide Hände auf die Schultern, – ich wurde ganz verwirrt. Die Ankunft des Knaben machte mich selbst wieder zum Knaben. Schweigend betrachtete ich den Cadetten, der seinerseits mich schweigend ansah. Sinaïde lachte laut auf und stieß uns Beide an einander. »So umarmt Euch doch einander. Kinder! Wir thaten es – Wollen Sie, daß ich Sie in den Garten führe? fragte ich ihn.



– Wenn Sie wollen, entgegnete er mit heiserer, echter Cadettenstimme. Sinaïde lachte wieder . . . Es entging mir nicht, daß ihr Gesicht noch nie so herrliche Röthe gezeigt hatte.



Wir machten uns Beide aus den Weg. In unserem Garten befand sich eine alte Schaukel. Ich setzte ihn auf, das schmale Brettchen und begann ihn zu schaukeln. Er saß unbeweglich in seiner kleinen neuen Uniform aus grobem Tuche, mit breiten Goldborden, und hielt sich an den Schnüren fest. – Knöpfen Sie doch Ihren Kragen auf, sagte ich zu ihm. – Thut nichts, wir sind das so gewohnt, äußerte er und fing an zu husten. Er glich seiner Schwester: besonders waren es die Augen, die an sie erinnerten. Es war mir lieb ihm ein Vergnügen verschaffen zu können, während zu gleicher Zeit insgeheim die alte quälende Trauer an meinem Herzen nagte. Jetzt bin ich in der That wieder ein Kind, dachte ich, – gestern aber . . . Ich erinnerte mich der Stelle, wo ich in der vergangenen Nacht mein Messer hatte fallen lassen und suchte es auf. Der Cadet bat mich um dasselbe, zog einen dicken Stengel Liebstöckel heraus, schnitt ihn sich zu einer Flöte zurecht und fing nun an darauf zu blasen. Auch Othello blies auf der Flöte.



Dafür aber, Abends, wie hat er geweint, jener selbe Othello, in der Gegenwart Sinaïdes, als sie ihn in einem Winkel des Gartens traf und ihn fragte, worüber er denn so traurig wäre! Meine Thränen strömten mit solcher Gewalt, daß sie erschrak. Was ist denn? was haben Sie? fragte sie zu verschiedenen Malen – und da sie sah, daß ich keine Antwort gab und nicht aufhörte zu weinen, – küßte sie mich auf die nasse Wange. Ich aber wandte mich ab von ihr und flüsterte unter Schluchzen: ich weiß Alles; warum haben Sie Ihr Spiel mit mir getrieben? . . . Wozu brauchen Sie meine Liebe?



– Ich habe gefehlt gegen Sie, Wolodja, brachte Sinaïde vor . . . Ach, ich habe sehr gefehlt, setzte sie, die Hände zusammenpressend, hinzu . . . – Wie viel Schlechtes, Dunkles, Sündhaftes liegt doch in mir . . . Jetzt aber treibe ich kein Spiel mit Ihnen, ich liebe Sie, – Sie haben keine Ahnung davon, weßhalb und in welcher Art . . . Doch, was ist es denn eigentlich, was Sie wissen? Was konnte ich ihr sagen? Sie stand vor mir und blickte mich an, – ich aber gehörte ihr ganz, vom Kopfe bis zu den Fußsohlen, sobald Sie nur ihre Augen auf mich richtete . . . Eine Viertelstunde darauf liefen wir bereits, der Cadet, Sinaïde und ich um die Wette; ich weinte nicht mehr, sondern lachte, obgleich beim Lachen noch manche Thräne den angeschwollenen Augenlidern entfiel; ich hatte statt eines Halstüchelchens mir Sinaïdes Band um den Hals gebunden und schrie vor Freude auf, als es mir gelang, sie um die Taille zu fassen. Sie machte aus mir, was sie wollte.



XIX

Ich käme in große Verlegenheit, wenn man von mir eine ausführliche Erzählung dessen fordern wollte, was mit mir im Verlaufe der Woche nach meiner mißglückten nächtlichen Expedition vorgegangen war. Es war eine ganz eigene, fieberhafte Zeit, ein wahres Chaos, in welchem die widersprechendsten Gefühle, Gedanken, Verdacht, Hoffnung, Freude und Leiden wie in einem Wirbel kreisten; ich wagte nicht einen Blick in mich zu thun, wenn überhaupt ein sechzehnjähriger Junge im Stande ist, dies zu thun; ich wagte es nicht, mir, über was es auch sei, Rechenschaft zu geben; es drängte mich, den Tag bis zum Abende so rasch als möglich zu verleben: dafür schlief ich aber Nachts . . kindlicher Leichtsinn half da über Alles hinaus. Mich verlangte nicht mehr zu wissen, ob ich geliebt werde und mir selbst mochte ich nicht eingestehen, daß ich es nicht werde; meinen Vater vermied ich, – Sinaïde aber konnte ich nicht vermeiden . . . Mich brannte es wie Feuer, wenn sie zugegen war . . . Wozu aber brauchte ich zu wissen, was für ein Feuer es war, das mich brannte, an welchem ich hinschmolz, – genug, daß es mir wohl that, im Feuer zu verbrennen und hinzuschmelzen. Ich überließ mich allen meinen Eindrücken, und täuschte mich selbst, kehrte allen Erinnerungen den Rücken, verschloß die Augen vor Dem, was ich in der Zukunft voraussah . . . Dieser wunderliche Zustand würde wahrscheinlich nicht von Dauer gewesen sein . . . Ein Wetterschlag machte mit einem Male Allem ein Ende und warf mich in eine neue Bahn.



Als ich eines Tages nach ziemlich langem Spaziergange zum Mittage nach Hause zurückgekehrt war, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, ich werde allein speisen; mein Vater war fortgefahren, meine Mutter war unwohl, wollte nicht essen und hatte sich in ihr Schlafzimmer eingeschlossen. Aus den Gesichtern der Dienerschaft konnte ich errathen, daß Etwas Ungewöhnliches vorgefallen war . . . Sie befragen durfte ich nicht, ich hatte aber einen befreundeten Burschen, den jungen Schenken Philipp, einen leidenschaftlichen Freund von Gedichten und Künstler auf der Guitarre, – an ihn wandte ich mich. Von ihm erfuhr ich, daß zwischen dem Vater und der Mutter eine furchtbare Scene vorgefallen war (im Mädchenzimmer war Alles zu hören gewesen, bis auf das geringste Wort; Vieles war freilich französisch gesprochen worden, – doch Mascha, das Kammermädchen, war fünf Jahre bei einer Näherin aus Paris in der Lehre gewesen, Und hatte Alles verstanden), daß meine Mutter meinem Vater über dessen Untreue und dessen Verhältniß mit dem Fräulein im Nebengebäude Vorwürfe gemacht hatte, mein Vater sich anfangs zu rechtfertigen versucht, dann aufgefahren war und seinerseits ein hartes Wort über das Alter der gnädigen Frau hatte fallen lassen, was meine Mutter zum Weinen gebracht; daß ferner meine Mutter von einem muthmaßlich an die alte Fürstin ausgestellten Wechsel gesprochen, sich über die alte Fürstin und auch über die junge sehr schlecht geäußert, und der Vater ihr dafür gedroht hatte. – Und den ganzen Scandal, fuhr Philipp fort, hat ein anonymer Brief hervorgebracht; wer ihn geschrieben, wisse man nicht: wie hätten sonst auch diese Geschichten an den Tag kommen sollen.



– Ist denn wirklich Etwas dieser Art vorgefallen? fragte ich mit Anstrengung – während mir Hände und Füße erstarrten und ein Etwas ganz tief in meiner Brust erbebte.



Philipp nickte bedeutungsvoll. – Ja wohl. Solche Sachen lassen sich nicht geheim halten; wie vorsichtig auch Ihr Vater dies Mal gewesen ist, – so ist doch zum Beispiel eine Kutsche vonnöthen, wonach man schicken muß, oder sonst noch Etwas . . . ohne die Dienerschaft läßt sich das aber nicht machen.



Ich schickte Philipp fort und warf mich auf mein Bett.



Ich brach nicht in Schluchzen aus, gab mich nicht der Verzweiflung hin; ich fragte mich nicht, wann und wie Alles gekommen wäre, wunderte mich nicht, daß ich nicht schon früher, nicht längst schon Argwohn gehegt hätte, – ich grollte sogar meinem Vater nicht . . . Das, was ich erfahren hatte, überstieg meine Kräfte: diese unerwartete Entdeckung erdrückte mich . . . Es war Alles vorbei Alle meine Blumen waren aus ein Mal herausgerissen worden; zerstreut und zertreten lagen sie um mich her.



XX

Am folgenden Tage erklärte meine Mutter, sie ziehe nach der Stadt. Denselben Morgen begab sich mein Vater zu ihr in’s Schlafzimmer und blieb lange allein bei ihr. Niemand hörte, was sie mit einander gesprochen, meine Mutter weinte jedoch nicht mehr; sie war ruhig geworden und forderte Speise, – zeigte sich aber nicht und änderte auch ihren Entschluß nicht. Den ganzen Tag hatte ich mich, soweit ich mich erinnere, umhergetrieben, war aber nicht in den Garten gegangen und hatte das Nebengebäude nicht ein einziges Mal angesehen. – Abends sollte ich Zeuge eines merkwürdigen Auftrittes werden: mein Vater führte den Grafen Malewsky am Arm aus dem Saale in’s Vorzimmer, und sagte ihm in Gegenwart des Dieners kalt: »Vor einigen Tagen hat man in einem gewissen Hause Ew. Erlaucht die Thür gewiesen; ich will mich zwar in keine Erörterungen mit Ihnen einlassen, habe jedoch die Ehre Ihnen zu erklären, daß wenn Sie sich noch ein Mal zu mir bemühen, ich Sie zum Fenster hinauswerfen werde. Mir gefällt Ihre Handschrift nicht.« Der Graf verneigte sich, biß die Zähne zusammen, krümmte sich und verschwand.



Es begannen nun die Vorbereitungen zur Uebersiedelung nach der Stadt, in die Arbatgasse, wo wir ein Haus besaßen. Wahrscheinlich hatte auch mein Vater keine Lust mehr, länger in dem Landhause zu bleiben; allem Anscheine nach war es ihm gelungen, die Mutter zu überreden, daß sie jedes Aergerniß vermeide. Alles ward still und ohne Hast abgethan; meine Mutter ließ sich sogar der Fürstin empfehlen und ihr Bedauern ausdrücken, daß sie dieselbe, Unpäßlichkeit halber, vor ihrem Abzuge nicht mehr sehen könne. Ich ging wie im Taumel umher und wünschte nur Eines, daß nämlich Alles recht bald abgemacht sei. Ein Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopfe: wie konnte sie, ein junges Mädchen, – und noch dazu eine Fürstin sich zu einem solchen Schritte entschließen, da sie doch wußte, daß mein Vater nicht ledig war und es ganz von ihr abhing, wäre es auch nur Belowsorow gewesen, zu heirathen? Worauf hatte sie gehofft? Wie hatte sie denn nicht fürchten müssen, ihren Ruf, ihre ganze Zukunft zu Grunde zu richten? Ja, dachte ich, das ist – Liebe, das ist – Leidenschaft, das ist – Hingebung . . . und es kamen mir oft die Worte Luschins in’s Gedächtniß: für gewisse Leute ist es eine Lust sich für Andere zu opfern.



Zufällig ward ich an einem der Fenster des Nebengebäudes Etwas Weißes gewahr. . . sollte das nicht Sinaïdes Gesicht sein? dachte ich . . . wirklich, es war ihr Gesicht. Ich hielt es nicht länger aus. Ich konnte nicht von ihr scheiden, ohne ihr ein letztes Lebewohl gesagt zu haben. Ich benutzte einen gelegenen Augenblick und begab mich hinüber.



Im Gastzimmer empfing mich die Fürstin in ihrer gewohnten unzarten, nachlässigen Weise.



– Warum brechen denn, mein Lieber, die Ihrigen schon so früh auf? sagte sie, sich dabei in beide Nasenlöcher Tabak stopfend. Ich betrachtete sie und es fiel mir ein Stein vom Herzen. Das Wort: Wechsel, welches Philipp ausgesprochen hatte, beunruhigte mich. Sie hatte keinen Verdacht, wenigstens kam es mir damals so vor. Sinaïde kam aus dem Nebenzimmer, in schwarzem Kleide, bleich, mit aufgelöstem Haar; schweigend nahm sie mich bei der Hand und führte mich mit sich fort.



– Ich hörte Ihre Stimme, begann sie, und kam sogleich herein. Es fiel Ihnen also so leicht, uns zu verlassen, Sie böses Kind?



– Ich bin gekommen Abschied von Ihnen zu nehmen, Fürstin, erwiderte ich, vermuthlich für immer. Sie haben vielleicht gehört, – wir verlassen dieses Haus.



Sinaïde blickte mich scharf an.



– Ja, ich habe es gehört. Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Ich fürchtete schon, ich würde Sie nicht mehr sehen. Gedenken Sie meiner nicht im Bösen. Ich habe Sie bisweilen gequält; dennoch aber bin ich nicht die, für welche Sie mich halten.



Sie wandte sich ab und lehnte sich an das Fenster, – Wirklich, ich bin nicht so schlimm. Ich weiß, Sie haben eine schlechte Meinung von mir.



– Ich?



– Ja, Sie . . . Sie.



– Ich? wiederholte ich und das Herz erbebte in mir, wie vormals, unter dem Einflusse eines unabweislichen, unbeschreiblichen Zaubers. – Ich? Glauben Sie mir, Sinaïde Alexandrowna, was Sie auch gethan, wie Sie mich auch gequält haben mögen, ich werde Sie lieben und verehren bis an’s Ende meiner Tage.

 



Rasch wandte sie sich um zu mir und die Arme weit auseinanderbreitend, umschlang sie meinen Kopf und küßte mich heftig und heiß. Wer kann es wissen, wem dieser lange Abschiedskuß galt, ich aber sog dessen Wonne gierig in mich auf. Ich wußte, er werde sich nie mehr wiederholen.



– Leben Sie wohl, leben Sie wohl, rief ich aus. —



Sie entriß sich mir und verschwand Auch ich entfernte mich. Ich

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