Passagier auf einem Frachtschiff

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10. April (02.Tag) Antwerpen - B

Um 6.48 Uhr legen wir in Antwerpen an. Die Gangway wird für die Zollbehörde usw. ausgelegt. Sie ist sehr steil. Es ist neblig, feucht und sehr ungemütlich. Ich gehe zum Frühstück. Sollte ich einmal eine Mahlzeit verschlafen, so muss ich auch nicht verhungern, denn der Steward sorgt stets dafür, dass der Kühlschrank gut gefüllt ist.

Es gibt Schinken mit viel gebratenen Zwiebeln. Mit dem Steward, genauer „Chief Steward“, Kaotinteue Tekura unterhalte ich mich eine Weile. Er kommt vom Inselstaat KIRIBATI. Dieser Inselstaat ist einer von vielen in Mikronesien und Polynesien, Gebieten nördlich und südlich des Äquators. Der Staat ist seit Juli 1979 unabhängig und hat rund 103.000 Einwohner. Das ganze Jahr über herrschen dort Tagestemperaturen zwischen 25 und über 30°C. Ursprünglich war Kiribati durch die Datumsgrenze (=180. Längengrad) geteilt, wodurch es in diesem Kleinstaat unterschiedliche Tagesdaten gab. Diese Teilung wurde 1995 aufgehoben. Es war die bisher größte Verschiebung der Datumsgrenze.


Zum Mittag gibt es „Fried Chicken Wings“, Reis und Gemüse. Bevor ich mich aus der Messe verabschiede, sehe ich, dass jemand Salzkartoffeln auf dem Teller hat. Ich justiere meine Brille neu und schaue auf die Speisekarte. Da steht „Rice/Pot“. Oh Mann! Und ich überlege die ganze Zeit, was POT bedeutet. Ein POT ist für mich ein Topf oder eine Kanne und ich grübelte über den Zusammenhang zwischen POT und RICE. Der Steward fragte mich auch: „Would you like RICE or POT?“ Es ist doch klar, dass ich mich dann für Rice entscheide, wenn ich nicht weiß, was POT ist. Demnächst also POT, das steht für „potatoes“!

Die Offiziere und Ingenieure kommen mit einem kurzen und nüchternen „Good evening!“ oder „Mahlzeit!“ in die Messe. Und so verlassen sie diese auch wieder. Dazwischen sind kaum Gespräche zu vernehmen. Ich empfinde die Atmosphäre noch als recht unangenehm und versuche mich daran zu gewöhnen.

Ich habe die Berichte von Jürgen Schwieger gelesen. Er hat schon zwei Frachtschiffreisen mitgemacht und über seine letzte Reise ein 100 Seiten umfassendes Buch mit dem Titel „12.000 Kilometer mit dem Containerschiff“ geschrieben. Er fuhr bis Buenos Aires mit und stieg dort aus, um noch eine Woche in Argentinien zu bleiben. Er machte die gleiche Erfahrung wie ich. Diese karge Kommunikation hat manchmal etwas Bedrückendes.

Ich gehe auf die Brücke, um meinen Landgang abzuklären. Der 2. Offizier Falk Stier (=2. Steuermann =2nd Mate) ist dort allein. Er dreht die Musik etwas leiser. Was er aber nicht hätte tun müssen, denn es waren schöne alte deutsche Schlager. Diese Art Musik habe ich im Bord-DVD-Player auch. Gerade hörte ich Paul Kuhn mit seinem Lied aus den frühen 60ern: „Geben Sie dem Mann am Klavier, noch ein Bier, noch ein Bier …“ Ich habe Glück und kann mir mein Englisch sparen, denn er ist Deutscher.

Das habe ich schnell feststellen können: Ohne ein Wort Englisch findet man nur schwer Kontakt. Mein Englisch ist nicht gerade rühmlich, aber ich benötige für die Artikulation keine Hände und Füße. Nach drei organisierten Europaläufen und mehreren Mehrtagesläufen mit internationaler Beteiligung habe ich das auch ausreichend außer Frage stellen können.

Gerade will ich fragen, warum noch nicht be- und entladen wird. Die Frage hat sich aber erledigt, denn wir müssen eventuell den Pier wechseln. Da ist man sich aber noch nicht sicher. Außerdem erfahre ich von Falk Stier, dass er, wie auch etliche andere Besatzungsmitglieder, erst in Hamburg zugestiegen ist. Das erklärt natürlich so einiges: Ein Großteil der Mannschaft ist neu; man kennt sich noch nicht; es muss jeder noch seine eigene Ordnung schaffen, denn jeder arbeitet bekanntlich anders; es wird noch einige Tage dauern, bis man alles auf die Reihe gebracht hat.

Mein Landgang hat sich in Antwerpen erledigt. Das Wetter zeigt sich von seiner schlechtesten Seite. Mit dem Taxi müsste ich 30 km fahren und wäre eine knappe Stunde unterwegs. Das Taxi kostet angeblich für eine Fahrt 40 Euro. Ich weiß nicht, ob ich mir das antun muss. Da schnattere ich mir einen ab, nur um in der Stadt einen Kaffee zu trinken? Wären wir jetzt in Brasilien bei angenehmen 25°C und mehr, herrlichem Sonnenschein und Ingo in kurzer Hose, dann wäre es etwas anderes.

Am Pier herrscht emsiges Treiben. Um 14 Uhr beginnen die Verladearbeiten. Riesige Kräne schnappen sich die Container und befördern sie an den Pier. Die „Straddle-Carrier“ bringen die Container zu ihrem vorgesehenen Zwischenlager. „Straddle-Carrier“ sind hochbeinige Fahrgeräte. In etwa 11 Meter Höhe lenkt ein Fahrer dieses wendige Fahrzeug. Die Container werden von diesen Fahrzeugen aufgenommen und dann zwischen ihren „Beinen“ transportiert, um sie an ihrem Bestimmungsort abzustellen. Es muss eine wahnsinnige Logistik dahinterstecken.

Die Verantwortung, dass die Container richtig entladen oder beladen werden, liegt in den Händen der Terminalmitarbeiter im Hafen. Der Kranführer hat einen Plan, wie die Container verstaut sind. Er kann von seinem Platz aus die Containernummer (z.B. SUDU 582771 0) über einen Monitor ablesen. Es ist eine Kamera so angebracht, dass diese direkt auf die Nummern ausgerichtet ist. Diese befinden sich an den Stirnseiten des Daches und den Längsseiten. Unter der SUDU Nummer befindet sich eine weitere, wie etwa 45G1. Es handelt sich hier beispielsweise um einen 2-TEU-Container. 1 TEU Container oder andere Größen haben entsprechend andere ID-Nummern. Verantwortliche Mitarbeiter am Kai überprüfen die Richtigkeit der Ladung. Eine Falschverladung soll deshalb nahezu ausgeschlossen werden. Die Schiffsführung ist weitgehend aus der Verantwortung.

Die Containernummern, die etwa lauten 45R1, sind Kühlcontainer. Die Bordelektriker überwachen ständig die Temperaturen in den Containern. Fällt irgendwo mal die Kühlung aus, dann heißt es schnell handeln. Da ist es dann egal, ob Nacht, Wochenende oder Feiertag ist! Die Ladung hat in jedem Fall Vorrang.

Jede Reederei hat ihre eigene Abkürzung an den Containern angebracht. Die Hamburg-Süd hat die Abkürzung SUDU, die Hapag-Lloyd die Abkürzung HLXU, die Cronos Reederei CRTU usw..


Es sind 26 Leute auf der „Santa Rosa“: Kapitän Remigiusz Wilk, der 1st, 2nd und der 3rd Mate. Der 1st, 2nd und 3rd Engineer, zwei Electricians (Elektriker) und der Bosun (Bootsmann). Es sind mit dem Bootsmann sieben Leute an Deck. Im Maschinenraum sind es mit den Elektrikern neun Leute. Dann ist da noch der Smutje (Koch) und der Chief Steward. Um auf die 26 Leute zukommen, gibt es noch Ingo Schulze. Ich bin der einzige Passagier an Bord. Es sind 4 Nationen vertreten: 4 Deutsche, 8 Polen, 1 Kroate und 13 Kiribatier.

Einige technische Daten zur „MV Santa Rosa“


85.676 BRT (1 BRT= 100 Kubikfuß= 2,8316 m3)
42.501 Netto Tonnage
Light Ship 29.427 t
93.405 TDW (tons dead weight) 1 Deadweight Tonne entspricht 1.016 kg. Diese Maßeinheit gibt die Tragfähigkeit eines Schiffes an. Man stelle sich vor, dass man das gesamte Schiff inkl. Ladung, Treibstoff und Personen aus dem Wasser hebt und auf eine Waage stellt. Das dort festgestellte Gewicht ist das „Totgewicht“ und die Tragfähigkeit des Schiffes.
299,95 Meter lang
42,80 Meter breit
13,50 Meter Tiefgang
6.600 Volt getrennt) Stromspannung (E-Werk im Maschinenraum ist streng
Gesamthöhe 62,94 m (vom Kiel bis zur Brücke)
Entfernungen Ab Brücke nach Achtern: 73,0 m, zur Back: 227,0 m
1 Ft entspricht 3,281 m
7.114 TEU (bzw. 3.557 Container à 2 TEUs) TEU (Twenty-foot Equivalent Unit). Container mit den Abmessungen: lg. 6,058 m (20 Fuß), ho. 2,60 m und br. 2,44 m werden TEUs genannt. FEUs sind 40 Fuß Container (fourty-foot equivalent unit). Ein FEU oder 2 TEU. Diese sind 12,192m lg., ho. und br. Wie 20 Fuß. Man kann weiter spinnen, denn ein 20-40 Fußcontainer hat 1,5 TEU und Container über 40 Fuß sind 2,25 TEU.
1.600 incl. Kühlcontaineranschlüsse
22,5 km/h) Knoten Höchstgeschwindigkeit (22,5x1.853 m/h= 41,7
45.760 kW Leistung (62.234 PS)
65-70 Millionen € Kosten der „Santa Rosa“?

Das Schiff fährt unter der Flagge von LIBERIA mit Heimathafen MONROVIA. Benannt wurde die „MV Santa Rosa“ nach der gleichnamigen argentinischen Stadt in der Provinz La Pampa. Taufpatin war am 10. Oktober 2011 Frau Sabine Vespermann, Ehefrau von Dr. Arnt Vespermann, Mitglied der Geschäftsführung der Hamburg-Süd. Die „Santa Rosa“ war das sechste Schiff von insgesamt zehn dieser Bauart. Seit Auslieferung bei der Daewoo Ship Building & Marine Engineering Co. Ltd. (DSME) in Korea im Juni 2011 fährt die „Santa Rosa“ im Dienst der Hamburg-Süd zwischen Asien und Südafrika/Südamerika Ostküste (New Good Hope Express).

 

Ich komme gerade vom Abendessen. Es gab „Chilli con Carne“. Dazu hätte ich ein Bier trinken müssen. Es war gut, aber recht scharf. Vom Essen des kiribatischen Kochs ist nicht jeder erbaut, aber für mich ist es in Ordnung. Kritik übers Essen kenne ich zuhauf. Als ehemaliger Schiffsbäcker und Koch musste ich sie über mich ergehen lassen. Hatte ich bei der Bundeswehr, als Dienstgrad, Aufsicht in der Kantine, dann wurde ständig genörgelt. Und auch als Veranstalter von über 14 internationalen Mehrtagesläufen kenne ich dieses Verhalten zur Genüge. Essen ist ein schier unerschöpfliches Thema, sodass man sich immer wieder fragt, was die Leute eigentlich daheim essen.

11. April (03.Tag) Antwerpen nach Le Havre – F

Um 4.24 Uhr haben wir in Antwerpen abgelegt. Nun geht es nach Le Havre. Das Wetter ist weiterhin regnerisch und ungemütlich, sodass ich mit meinem Morgenspaziergang an Deck noch etwas warte. Es geht mit mäßiger Geschwindigkeit die Schelde abwärts. Der Lotse muss aufpassen, denn die Schelde hat viele Krümmungen und Untiefen. Es ist daher ein ständiger Kurswechsel nötig. Es kommt noch hinzu, dass die Schelde stark befahren ist. Die Fahrt ins offene Meer dauert gute sechs Stunden.

Beim Frühstück sitze ich mit dem Chief Mate, Jonas Moegel, allein in der Messe. Er ist ein sehr sympathischer Mensch und hat für meine Fragen stets ein offenes Ohr. Er war es auch, dem ich als Erstes an Bord begegnete und der uns das Schiff zeigte. Es hat ihn, durch seine Freundin, nach Ostfriesland verschlagen.

Wenn ich zu den Mahlzeiten gehe, dann schaue ich immer mal in die Kombüse rein oder der Koch ruft mir einen Gruß hinterher. Heute ist Donnerstag, also „Seemannsonntag“. Zu meiner Zeit gab es am „Seemannsonntag“ Kuchen zum Kaffee. Mal sehen, ob es diese Tradition noch gibt? Ja, es gibt sie noch! Nur nicht mehr ganz so, wie ich es kenne. Der Kuchen oder das Gebäck ist nicht frisch, sondern in Hamburg eingekauft und wird bei Bedarf aufgetaut.

Der Koch beginnt morgens um 6 Uhr mit seiner Arbeit. Er hat dann um 9 Uhr für 20 Minuten Pause und eine zweite Pause über weitere 20 Minuten um 15 Uhr. Spätestens um 19 Uhr macht er seine Kombüse dicht. Meine Arbeitszeit sah damals etwas anders aus. Spätestens 5.30 Uhr fing mein Dienst an, um frische Brötchen zu backen. Dann half ich bei der Frühstückszubereitung. Anschließend musste ich Brot backen und zwischendurch auch noch das Mittagessen mit vorbereiten. Der Nachtisch war mein Ding. Da musste ich mir immer wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Heute gibt es meist ein Stück Obst – basta!

Nach dem Abendessen war in tropischen Gewässern mindestens einmal in der Woche Kakerlaken-Jagd angesagt. Da hatte ich so manches Mal erst gegen 21 Uhr Feierabend. Die Mittagspause abgezogen, kam ich bequem auf tägliche 12 Stunden. Da heute nur der Koch in der Kombüse arbeitet und seine Arbeitszeit eingeschränkt ist, fehlt ihm die Zeit, um noch einen großartigen Nachtisch und sonstige Leckereien zuzubereiten.


Wir haben Windstärke 4 bis 5 und das Schiff schaukelt mehr oder weniger arg vor sich hin. Empfindliche Leute bekämen dabei bereits die „Seekrankheit“. In Anführungszeichen deshalb geschrieben, weil es ja keine wirkliche Krankheit ist. Es ist ein Problem der Gleichgewichtsorgane. Diese „Krankheit“ ebbt in der Regel nach spätestens 48 Stunden ab. Dann sollte man wieder „gesund“ sein! Soeben überholen wir einen Bulkcarrier mit japanischer Flagge. Für „Landratten“: Ein „Bulkcarrier“ ist ein Massengutfrachter oder auch Schüttgutfrachter und lädt Schüttladungen wie Kohle und Getreide. Es gibt auch sogenannte „Feeder Schiffe“. Bei einem Feeder Schiff handelt es sich um ein kleineres Containerschiff, welches in sogenannten Zubringerdiensten eingesetzt wird. Davon begegnen uns immer wieder welche.

Der Steward kommt in meine Kammer, um mein Bett zu machen. Anschließend kümmert er sich um den Nassbereich. Ansonsten hat er bei mir nicht viel zu tun, denn Ordnung halte ich selbst und eigentlich müsste auch mein Bett nicht gemacht werden. Ich ordne es täglich selbst, aber er zieht immer hier und da noch etwas am Laken, bis es wirklich glatt ist. Gern würde ich ihm sagen, dass er bei mir nichts machen muss, aber es ist sein Job.

Ich gehe auf die Brücke und treffe dort den belgischen Lotsen. Er begrüßt mich mit „Guten Morgen“. Das freut mich und wir kommen schnell ins Gespräch. Zwischendurch sagt er dem Rudergänger (Ausguck) „two six seven“. Der Rudergänger, einer von der Decksmannschaft, weiß dann, dass er den Kurs auf 2670 ändern muss. Später auf dem offenen Meer wird auf „Autopilot“ umgestellt. Zurzeit befinden wir uns aber auf „Revierfahrt“. Von Hamburg nach Antwerpen waren es 252 sm/467 km (1 Seemeile =1.853 m). Es liegen von Antwerpen nach Le Havre 186 sm bzw. 345 km vor uns. Dann geht es über den „großen Teich“ nach Sepetiba/Brasilien über 5.135 sm, also 9.515 km.

Das Lotsenboot nähert sich mit hoher Geschwindigkeit der „Santa Rosa“ und kommt längsseits an die Backbordseite. Der Lotse verabschiedet sich mit den Worten „two, three, zero“ und verlässt die Brücke, um dann über die Jakobsleiter ins Lotsenboot zu steigen. Die „Jakobsleiter“ ist eine Leiter mit Holzsprossen. Das ist eine äußerst wackelige Angelegenheit und nicht für jedermann geeignet. Man nennt sie auch „Lotsentreppe“. Der Lotse trägt dabei stets, aus Sicherheitsgründen, eine Schwimmweste.

Der Kapitän übernimmt wieder das Kommando und wiederholt die Position „two, three, zero“. Auch der Rudergänger wiederholt diese stets, damit klar ist, dass er alles richtig verstanden hat.

Die „Schelde“ führt uns für kurze Zeit in die Nordsee und dann in den Englischen Kanal. Wir passieren die Kanalenge zwischen Dover und Calais. Das Schaukeln wird etwas heftiger und es ist ein dumpfes Stampfen zu vernehmen. An Geräusche dieser Art werde ich mich wieder gewöhnen müssen.

Wie habe ich mir die Reise vorgestellt? Als Langstreckenläufer wollte ich jeden Morgen etliche Male auf dem Deck hin- und herlaufen. Pustekuchen! Das geht nicht. Der Gang ist zu schmal und es stehen überall Klappen, die der Entlüftung des Laderaumes dienen, offen. Wenn ich da mit dem Kopf gegen eine Klappe laufe, brauche ich anschließend ein neues Passbild. Die Klappen wurden von mir während der Reise einmal gezählt und ich kam, zusammen mit denen auf der Back- und der Steuerbordseite, auf 172. Sollten diese aus irgendeinem Grund mal schnell geschlossen werden, so kommt man sicherlich ins Rotieren. Denn die Klappen müssen herunter-geklappt werden und werden dann jeweils mit zwei Flügelmuttern angezogen.

Ich marschiere mehrmals am Tag von Steuerbord über das Achterschiff und über Backbord wieder zurück oder in ent-gegengesetzter Richtung über die Back. Will man sich weitere Bewegung verschaffen, so gibt es dafür noch zwei Räume, in denen man sich auf dem Laufband, mit Hanteln und an der Tischtennisplatte austoben kann. Außerdem steht auch noch der Miniswimmingpool zur Verfügung. Er ist mit Meerwasser gefüllt, das regelmäßig ausgetauscht wird. Wir haben nichts so sehr im Überfluss wie Meerwasser.

Vom Oberdeck zu meiner Kammer auf dem Deck F sind es jedes Mal 96 Stufen. Will ich auf die Brücke, dann sind es noch einmal 32 mehr. Komme ich vom Landgang, dann muss ich die Gangway über 55 hochlaufen und dann gleich 96 weitere bis zu meiner Kammer. Das Schiff hat wohl einen Fahrstuhl, aber da laufe ich immer dran vorbei. Ich habe mal nachgedacht, wie oft ich am Tag die Treppen rauf und runter laufe. Es kommen täglich etwa 600 Stufen zusammen. Eher mehr! Bei meiner 49-tägigen Reise komme ich so auf ca. 30.000 Stufen, die ich rauf und runter gewetzt bin.

Es ist jetzt 11 Uhr. Bevor ich zum Mittagessen gehe, mache ich noch meinen morgendlichen Spaziergang auf dem Oberdeck. Ich muss das Gleichgewicht halten und aufpassen, dass ich mir nicht den Schädel anschlage, sonst brauche ich, wie gesagt, doch noch ein neues Passbild. Der Wind ist ziemlich heftig und bläst mir die Falten aus dem Gesicht. Die vorn gestraffte Haut flattert dann am Hinterkopf. Da auch ich ein wenig eitel bin, habe ich eine Mütze auf. Dann sieht man die flatternden Hautfalten nicht so sehr.

Vor dem Essen unterhalte ich mich noch mit dem 2nd Engineer und frage, ob wir schon im Kanal sind. Er hebt nur die Schultern und sagt: „Kann schon sein, in der Maschine bekomme ich davon nichts mit.“ Die Aussage war lustig! Es gibt eine Gemüsesuppe, Steak, Mischgemüse und Reis. Ich hätte auch Kartoffelchips haben können, aber ich entschied mich für Reis. Morgen habe ich dann wieder die Auswahl zwischen Reis und POT – also POTatos. Dann werde ich mich für POT entscheiden. Jetzt kenne ich ja die Abkürzung! Zum Nachtisch gibt es Eiscreme. Ich glaube, dass ich heute mal aufs Laufband muss.

Der Nebel ist dichter geworden. Man kann von den Achteraufbauten noch nicht einmal bis zur Back schauen. Meinen Laptop kann ich nur noch schlecht auf dem Schoß halten und muss wohl auf den Tisch ausweichen, denn das Ding knallt mir sonst herunter.

Uns begegnet ein „Ro-Ro“-Schiff (Roll on/Roll off). Dieser Schiffstyp wird häufig im Fährverkehr eingesetzt. Ro-Ro-Schiffe haben mindestens eine Bugoder Heckklappe, über die die Fracht ein- und ausgerollt (aus- und eingeladen), werden kann. Selten sieht man sogenannte Semi-Container. Diese Schiffe haben Container und Stückgut geladen. Zudem verfügen sie oft über eigenes Ladegeschirr. Stückgutfrachter, wie ich sie noch kenne, hatten grundsätzlich eigenes Ladegeschirr. Aber das ist heute nicht mehr Standard.

Das Schaukeln wird immer heftiger und das Schreiben macht keinen Spaß mehr. Daher mache ich einen Deckspaziergang und besuche die Brücke. Ob ich noch auf das Laufband gehe? Das Ding hat links und rechts einen Handlauf zum Festhalten. Mal sehen! Am frühen Nachmittag bessert sich das Wetter wieder und es scheint sogar zeitweise die Sonne. Auch das Meer hat sich später beruhigt und ich kann wieder ungestört schreiben.

Was darf eine siebenwöchige Reise auf einem Frachter kosten? Es ist kein Geheimnis, denn man muss sich nur die Unterlagen von der „Hamburg-Süd“ zukommen lassen. Die HSDG hat ein Reisebüro, welches von der Lufthansa betrieben wird.

Also Fakten: 5.090 Euro. Hinzu kommt die Hepatitis- und die Gelbfieberimpfung mit 125 Euro, eine Reiseversicherung mit 125 Euro und eine (freiwillige) Rücktrittsversicherung mit 244 Euro. Die Höhe des Taschengeldes für Landgänge usw. hat jeder selbst zu entscheiden. Es gibt auch die sogenannte DEVIATIONS-VERSICHERUNG, aber diese ist im Fahrpreis enthalten. Diese Versicherung ist notwendig, wenn wegen eines Notfalls, die der Passagier zu verantworten hat, außerplanmäßig ein Hafen angelaufen werden muss. 6.000 Euro für eine solche Fahrt müssen einkalkuliert werden. Das ist genau die Summe, die meine Europaläufer an „Ingo-Tours“ zahlen mussten. Dafür durften sie sich 64 Tage lang die Füße vertreten.

Ich komme gerade von der Brücke. Der Kapitän fragt mich, ob ich schon in der Maschine war. Dieses verneine ich, denn ich will noch abwarten, bis wir Le Havre verlassen haben und auf hoher See sind. Genau das wollte der Käpt’n mir eigentlich sagen. Mich fasziniert das kleine Steuerrad, das so groß ist, wie das eines „bobby cars“ (Kinderfahrzeug). Das fotografiere ich. Der Chief sagt: „Fotografieren Sie doch auch den Joystick, mit dem man auch steuern kann.“ Da wird der Hund in der Pfanne verrückt! Da kannst du einen Dampfer mit über 300 m Länge mit solch einem „Spielzeug“ steuern!

 

Noch fahren wir aber mit Autopilot und dieser hält den Kurs exakt auf 240°. Wir brauchen noch etwa drei Stunden bis Le Havre und sind mit 22,5 kn unterwegs. Der Käpt’n gibt Vollgas, denn für den Dampfer wird eigentlich eine Höchstgeschwindigkeit von nur 22,2 kn angegeben. Im Fahrzeugschein meines Autos ist aber auch eine maximale Geschwindigkeit angegeben und ich kann leicht etwas schneller fahren.

Wir haben zurzeit 4.871 TEUs in etwa 2.400 Container an Bord. Es sind fast nur 2 TEU-Container. In Le Havre werden wir wohl so ziemlich vollgemacht, maximal kommen noch 2.243 TEUs hinzu. Im Laderaum türmen sich acht Container übereinander. Dann kommt das Oberdeck, und hier können noch einmal bis zu sieben Container übereinander gestapelt werden. Das bedeutet, dass bis zu 15 Container, jeder mit einer Höhe von 2,60 m, mit einer Gesamthöhe von 39 m übereinander stehen können. In der Reihe sind es auf dem Oberdeck 17 Container mit 3.896 TEUs.

Unter Deck können 3.218 TEUs geladen werden. Gesamt kämen wir also wieder auf 7.114 TEUs, inklusive 890 TEU Kühlcontainer unter Deck und 710 TEU auf dem Oberdeck. Für die Kühlcontainer stehen 1.600 Kühlcontaineranschlüsse zur Verfügung. Container, die ganz oben gestapelt werden, sind überwiegend Leercontainer.

Die „Santa Rosa“ kann also bis zu 7.114 TEUs laden. Hierbei handelt es sich um 1 TEU-Container. Bei 2 TEU-Containern wären es 3.557 Stück. Stellt man diese bei einer Einzellänge von 12,192 m hintereinander auf, so kommt man auf 43,367 km. Die Länge der gesamten Container beträgt etwa mehr als die Marathondistanz von 42,195 km.


Um 21.12 Uhr machen wir in Le Havre fest. Beim Einlaufen in den Hafen scheint noch die Sonne und die Temperatur lässt sich aushalten. Kurz nach dem Festmachen, fängt es in Strömen an zu regnen. Was soll‘s, ich bin um 21.45 Uhr schlafen gegangen und daher störte mich der Regen recht wenig.

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