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Bobbie oder die Liebe eines Knaben

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XIII. Kapitel. Frau Krikls Geschichte

Frau Krikl war die einzige Tochter eines begüterten Kaufmannes und hätte, von der Liebe ihrer Eltern umgeben, eine glückliche Jugend gehabt, wäre sie nicht mit ihrer eckigen, langen Gestalt und der großen Hakennase ausgesprochen häßlich gewesen. So wurde sie zwanzig, einundzwanzig und mehr Jahre alt, ohne daß sich ein Mann um sie gekümmert hätte, und schon hatte sie sich mit dem Gedanken abgefunden, eine alte Jungfer zu werden, als sie auf einem Gartenfest einen jungen, auffallend schönen und eleganten Mann kennenlernte, der den ganzen Abend nicht von ihrer Seite wich. Als sie sich trennten, behielt er lange ihre Hand in der seinen und fragte, ob er ihre Eltern besuchen dürfe. Sibylle, obwohl von einem ihr bisher unbekannten Feuer durchströmt, hatte doch noch Vernunft und Besinnung genug, um hart und schroff zu fragen:

»Was soll das, Herr Krikl? Ich weiß doch, daß ich ein lächerlich häßliches Mädchen bin, mit dem zu verkehren einem Manne, wie Sie es sind, kein Genuß sein kann.«

Da führte er ihre Hand an seine Lippen und sagte feurig: »Fräulein Sibylle, ich habe viele schöne Frauen und Mädchen in meinem Leben kennengelernt, und nie fand ich hinter der schönen Larve eine Seele. Ich sehne mich aber nach einer wahren Frauenseele, und bei Ihnen habe ich alles das gefunden, was jene nicht haben: Güte, Klugheit, feines Empfinden und ein warmes, unverdorbenes Herz.«

Unsagbar glücklich machten Sibylle diese Worte, jedes weitere Bedenken schwieg in ihr, und als der schöne, stattliche Mann am nächsten Tage wirklich zu ihren Eltern kam und um ihre Hand anhielt, sank sie jauchzend und weinend an seine Brust.

Ihre Eltern waren durchaus nicht so froh über das Verlöbnis; sie zogen Erkundigungen ein und erfuhren, daß Krikl ein Schuldenmacher und Spieler sei und es zweifellos nur auf das große Vermögen abgesehen hatte. Daraufhin wollten sie, Sibylle solle ihm ihr Jawort zurückgeben. Aber vergebens. Denn ihre Leidenschaft kannte keine Grenzen mehr; sie erklärte, mit dem Geliebten leben oder aber sich töten zu wollen, und so gaben denn die Eltern seufzend und voll düsterer Ahnungen nach. Und die Ahnungen trogen nicht. Schon wenige Tage nach der Trauung zeigte sich Herr Krikl als kalter, herzloser Egoist; er begann die Nächte außer Haus zu verbringen, spielte in schlechter Gesellschaft Hasard, ließ sich in gewagte und zweifelhafte Spekulationen ein und hatte nach einigen Monaten die ganze Mitgift Sibylles durchgebracht. Als sie sich weigerte, ihren Vater um eine große Summe anzugehen, schrie er es ihr kalt ins Gesicht, daß ein Mann wie er eine so lächerlich häßliche Person nicht geheiratet habe, um plötzlich ohne Geld dazustehen. Unter der Wucht dieses Schimpfes brach die junge Frau zusammen, aber schließlich erbettelte sie kniefällig bei ihrem Vater das Geld, das ihr Gatte verlangte, und blieb doch bei ihm, da sie wußte, sie würde bald Mutter sein.

Die schrecklichsten Szenen wiederholten sich, immer wieder forderte Krikl Geld, mitunter blieb er eine Woche und länger dem Hause fern, bis schließlich ihr Vater ein Machtwort sprach, die Tochter zu sich nahm und dem Elenden die Türe wies.

Bald darauf wurde der armen, enttäuschten Frau ein Kind, ein Mädchen, geboren, und das Mutterglück entschädigte sie reichlich für das verlorene Eheglück.

So verging ein Jahr, bis eines Tages Herr Krikl wieder auf der Bildfläche erschien. Er lauerte seiner Frau auf der Straße auf, beschwor sie, wieder mit ihm zusammen zu leben, schilderte ihr mit bewegten Worten, wie verlassen und einsam er sei und wie geläutert durch all das Unglück, berief sich auf ihre einstige Liebe und erklärte schließlich, sich auf offener Straße vor ihr erschießen zu wollen, wenn sie noch länger sich und sein Kind ihm entziehen würde. Und die arme Frau glaubte ihm – nicht, weil sie überzeugt war, sondern weil sie glauben wollte – und gab abermals das reiche, behagliche Elternhaus auf, um mit dem Vater des Kindes zu leben.

Anfangs ließ sich auch alles ganz gut an, um so mehr, als der Schwiegervater wieder mit einer recht stattlichen Summe herausrückte, dann aber begann das alte häßliche Lied von neuem. Krikl hatte auch die zweite Mitgift seiner Frau verspekuliert, er führte wieder sein liederliches ausschweifendes Leben, forderte immer wieder Geld, erpreßte es schließlich unter der Drohung, sonst mit dem Kinde fortzugehen, bis Frau Sibyllens Vater die Geduld riß und er abermals alle Anstalten traf, um Tochter und Enkelkind zu sich zu nehmen. Aber an dem Tage, an dem die Übersiedlung vor sich hätte gehen sollen, war Krikl verschwunden und mit ihm das Kind und der wertvolle Schmuck der jungen Frau. Sibylle verlor über alledem fast den Verstand, und ein hitziges Nervenfieber warf sie aufs Krankenlager. Vergebens erließ ihr Vater Aufrufe, in denen er dem Schwiegersohn hohe Summen versprach, wenn er das Kind ausliefern würde. – Krikl war nicht aufzufinden; eine leise Spur nur führte nach Südamerika.

XIV. Kapitel. Frau Krikl erzählt weiter

So waren drei Jahre vergangen, als eines späten Abends ein Bote zu Frau Krikl kam, die zurückgezogen und verhärmt wieder bei ihren Eltern lebte, und sie aufforderte, ihm nach einem kleinen, übelbeleumundeten Hotel zu folgen, da dort ihr Kind krank liege. Und wirklich fand dort Frau Krikl ihr kleines Mädchen in verwahrlostem Zustande, abgemagert und fiebernd in der Gasthausküche auf einem zerfetzten Teppich liegend. Vor einigen Wochen war dort Krikl, aus Südamerika heruntergekommen und bettelarm zurückgekehrt, abgestiegen und hatte sich tagelang in der Stadt herumgetrieben, ohne sich um das blasse, kränkelnde Kind zu kümmern, um sich am Morgen des Tages, an dem Frau Krikl geholt worden war, in seinem elenden Zimmer an einem Bilderhaken zu erhängen. Aus einem hinterlassenen Zettel hatten die Wirtsleute den Namen und die Adresse der Mutter erfahren.

Überglücklich schloß Frau Sibylle ihr Kind in die Arme, aber ihr Glück sollte nicht lange währen. Das Kind hatte eine bösartige Lungenentzündung, und der geschwächte kleine Körper konnte die Krankheit nicht überwinden. Nach wenigen Tagen hauchte es in den Armen der Mutter seine mißhandelte Seele aus.

Bald darauf starben auch in rascher Aufeinanderfolge Vater und Mutter der Frau Krikl, die nun allein ihrer Verzweiflung überlassen war. Jahre voll stumpfen Trübsinns kamen, und aus Frau Sibylle entwickelte sich immer mehr ein weiblicher Sonderling, um so mehr, als sie aller materiellen Sorgen enthoben war und keinen Kampf mit dem Leben zu bestehen hatte. Sie war noch nicht vierzig Jahre alt, als Kinder und Dienstmädchen hinter ihr hertuschelten und sich über die »alte Hexe« lustig machten. Aber das Herz der Hexe war nicht vertrocknet wie ihre hagere Gestalt und das gefurchte Gesicht. Immer mehr wandte es sich den Kindern zu, die sie in den Gärten an sich zu locken begann, nur um in fremden Kindern das eigene, verstorbene zu streicheln, und immer in der vergeblichen Hoffnung, daß einmal eines dieser kleinen Wesen, denen sie so gerne Liebes erwiesen hätte, die Ärmchen um sie schlingen und ihr ein gutes Wort geben würde. Aber die Kinder taten dies wahrhaftig nicht. Waren sie arm, so nahmen sie wohl gerne warme Kleider, Schuhe und Wäsche mit einem artigen Knicks entgegen, aber zutraulich wurden sie nicht; ihnen blieb die dürre Person mit der großen Hakennase komisch und auch ein wenig gruselig, und oft genug erlebte sie es, daß Kinder, denen sie Zuckerwerk in das Händchen drückte, ihr nachher die Zunge herausstreckten und ihr »alte Hexe« nachriefen. So war sie wirklich alt geworden, hatte die Sechzig überschritten, lebte ihr einsames, schrullenhaftes Dasein, liebte aber die Kinder nach wie vor, und die Zahl der Kleinen, die von ihr bekleidet und beschenkt wurden, war Legion geworden.

Das ungefähr erzählte Frau Sibylle dem kleinen Jungen, während hinter dem Tuch ihr einziger Lebensgefährte, der Papagei, ab und zu halblaut knurrte und schimpfte, »Hexe« rief und nach der Polizei schrie.

Bob hatte aufmerksam zugehört, immer näher rückte er an die alte Frau heran, um schließlich leise »Sie Arme!« zu sagen und einen Kuß auf die dürre, welke Hand zu drücken. Da weinte sie laut auf, und auch dem Knaben stand das Wasser in den Augen. Und wieder schoß ihm die Gewißheit durch den Kopf, daß das Leben gar nicht so heiter und sorglos sei, wie er es bisher geglaubt, sondern voll schwerer Prüfungen und Qualen, die er in ihrer ganzen Tiefe nur ahnen, nicht aber verstehen konnte.

Doch der Freundschaftsbund zwischen Frau Sibylle und Bob Holgerman war geschlossen und die alte Frau sagte, bevor Bob wegging, sehr feierlich: »Mein lieber Junge, ich bin nur ein altes, dummes Weib, aber was ich tun kann, um dir und deinem kleinen Bräutchen zu helfen, will ich tun, und wenn ich betteln gehen müßte.«

Bob ging nach Hause. Wohl hatte er sich zum zweitenmal schwer blamiert, aber er war doch besseren Mutes. Zum erstenmal war seine Gertie sein Bräutchen genannt worden, und das hob gewaltig sein Selbstbewußtsein, und zugleich stieg in ihm ein warmes, sicheres Gefühl auf, das ihn wieder hoffen ließ. Bevor er sich zu Bette legte, blickte er wieder zum offenen Fenster hinaus, rief einer fallenden Sternschnuppe »Gertie« zu und sagte sich, halb schon im Schlafe: »Gertie lebt, ich weiß es!«

Der nächste Tag ließ sich aber recht unglimpflich an. Schon in aller Herrgottsfrühe war Herr Holgerman angerufen worden, und als er sich an den Frühstückstisch auf der Terrasse setzte, stand ihm die von seiner Frau sehr ungern gesehene Zornesader an der Stirne.

»Bob,« sagte er laut und streng, »nun ist es genug mit den Albernheiten. Eben rief mich der Inspektor von der Kriminalpolizei an und erzählte mir von Dummheiten, die du nun schon zweimal angestellt hast. Er bittet dich dringend, die Hände von solchen Dingen zu lassen.«

 

Bob war feuerrot geworden und sah so unglücklich auf seinen Teller, daß Herr Holgerman Mitleid mit ihm empfand und etwas weicher fortfuhr: »Es ist ja sehr hübsch von dir, daß du dich um deine arme Freundin so härmst, aber du mußt einsehen, daß du mit deinen dreizehn Jahren nichts ausrichten kannst. Du machst allen möglichen Leuten Ungelegenheiten, und wenn das so weiter geht, wirst du Gegenstand humoristischer Betrachtungen in den Zeitungen werden. Das wäre uns allen wohl sehr peinlich. Übrigens kann ich dir sagen, daß die Polizei, wie mir Herr Crispin versichert, nicht daran denkt, den Fall beiseite zu legen. Sie hat ihr Netz über das ganze Land gespannt, es wurden schon zahllose bedenkliche Individuen ausgeforscht, alle Hafenorte werden überwacht, und wenn Gertie unter den Lebenden weilt, so wird sie schließlich doch noch gefunden werden. Du mußt mir aber jetzt versprechen, Bobbie, daß du nichts mehr unternehmen wirst.«

Entschlossen sah Bobbie seinem Vater aus großen, blitzenden Augen ins Gesicht:

»Nein, Papa, das kann ich dir nicht versprechen, weil ich dich sonst belügen würde! Ich werde vorsichtiger sein, aber ich muß weiter suchen. Jede Stunde muß ich suchen, Papa! Und was sollte ich auch anders tun? Lesen kann ich nicht, weil ich doch immer an Gertie denken muß, und spielen erst recht nicht! Papa, bitte, verlange das nicht von mir!«

Frau Holgerman sagte tadelnd: »Aber Bobbie!« Herr Holgerman wollte auffahren, um energisch gegen solche Unbotmäßigkeit aufzutreten, aber er tat es nicht. Denn ihm gegenüber saß ein Mensch, der nur mehr den Jahren nach ein Knabe war, ein Mensch, der am ganzen Körper bebte, und aus dessen todbleichem Gesicht ein furchtbarer Lebensernst und eiserne Energie sprachen. Und die Blicke der Eltern begegneten sich voll banger Sorge, und sie senkten die Augen und schwiegen und freuten sich im Herzen ihres tapferen, kleinen Jungen.

XV. Kapitel. Bob kauft einen Hund

Nach dem Frühstück griff Bob wie gewöhnlich nach der Zeitung, die er weitaus gründlicher und aufmerksamer, als es andere Kinder in seinem Alter zu tun pflegen, durchlas. Auf der letzten Seite fiel sein Blick auf eine Anzeige mit der Überschrift:

»Seltene Gelegenheit für Hundeliebhaber.

Wegen Übersiedlung nach dem Ausland ist Prachtexemplar eines Airdale-Terriers, zwei Jahre alt, zu verkaufen. Großer Stammbaum. Eltern mehrfach preisgekrönt. Glänzende Dressur, als Polizeihund abgerichtet.«

Und dann folgte eine Adresse.

Bob sprang mit glühenden Augen auf. Papa hatte ihm doch als Belohnung für das gute Zeugnis einen Hund versprochen! Und hier war nun ein Polizeihund zu verkaufen, also ein Hund, der verwendet wurde, um Spuren aufzunehmen!

Oh, Bob erinnerte sich in diesem Augenblick, oft und immer wieder Geschichten in den Zeitungen gelesen zu haben, wo Polizeihunde Verbrecher gefangen und die schwierigsten Spuren aufgenommen hätten! Warum eigentlich hatte die Polizei nicht nach Gertie mit einem solchen Hunde gesucht? Aber was nicht geschah, konnte noch immer getan werden, und zwar mit seinem eigenen Polizeihund!

Fröhlich und erwartungsvoll, wie schon seit Tagen nicht, fuhr Bob mit der Untergrundbahn quer durch die Stadt zu dem Herrn, der seinen Hund verkaufen wollte. Er fand dort alles in voller Auflösung begriffen, Kisten und Koffer standen umher, kurzum, man sah, daß die Anzeige nicht gelogen hatte, sondern hier wirklich jemand einen Umzug bewerkstelligte.

Bob stand zuerst allein in dem halb ausgeräumten Zimmer, dann ging plötzlich die Tür auf und herein schritt nicht etwa ein Mensch, sondern ein Hund, der allein die Klinke niedergedrückt hatte. Sicher war es der angekündigte Airdale-Terrier. Ein prachtvolles, mittelgroßes Exemplar von wunderbarer Färbung und beispiellos klugen Augen. Zuerst knurrte das Tier den Knaben höchst unwillig an, als aber Bob, der sich durchaus nicht fürchtete, ihm schmeichelnd: »Komm‘ her, komm‘!« entgegenrief, schritt der Hund näher, wedelte freundlich mit der Rute, als er gekraut wurde, und ließ sich dann zu Füßen Bobs nieder, wobei er keine Sekunde aufhörte, den Knaben anzublicken.

Bob war außer sich vor Freude über den Hund, den er schon gewissermaßen als sein Eigentum betrachtete. Er kniete neben ihm nieder, tätschelte das Tier, schüttelte ihm die Pfoten, und gerade als der rechtmäßige Besitzer hereintrat, war er im Begriff, die Schnauze des Tieres zu öffnen, um sein Zahnfleisch und die Zähne zu untersuchen; denn Bob hatte erst kürzlich in einem Artikel gelesen, wie wichtig die Beschaffenheit des Gaumens und der Zähne eines Hundes zur Beurteilung seiner Rassereinheit und Gesundheit ist.

Herr Peters, der Herr des Hundes, blieb überrascht stehen:

»Nanu, Sie haben ja rasch Freundschaft mit Troll geschlossen! Seltsam genug, daß sich der Hund das von Ihnen gefallen läßt! Nicht zu glauben! Wäre sonst imstande, einen Fremden, der ihn auch nur anrührt, ohne daß ich die Erlaubnis dazu gegeben habe, glatt niederzureißen!«

Stolz und freudig richtete sich Bob auf.

»Mag sein, Herr Peters, daß so ein Hund genau spürt, wer ihn gerne hat und gut behandeln will! Alle Hunde sind gut zu mir, wahrscheinlich, weil ich Hunde sehr liebe!«

Herr Peters sah schmunzelnd auf den Jungen herab.

»Na, mir ist es recht so! Hätte mich ohnedies nicht leicht entschlossen, Troll dem erstbesten Protzen zu übergeben, dem ein Hund nur als Dekoration und Hausputz dienen soll.«

Und nun setzte er alles Wissenswerte über den Rüden auseinander und versicherte, daß er der bestdressierte Hund auf dem ganzen Kontinent sei. Troll stand dabei, wedelte verlegen mit dem Schweif, als müßte er sich über so viel Lob schämen, und sah abwechselnd seinen Herrn und den Knaben an, um plötzlich an diesem emporzuspringen und ihm mit der rosigen Zunge ins Gesicht zu fahren.

Ein kurzes »Troll, pfui!« genügte allerdings, um ihn sofort beschämt auf alle viere zu strecken. Die weitere Unterhaltung schien ihn nun nicht sonderlich zu interessieren, er dehnte behaglich die Glieder, gähnte und begnügte sich damit, die beiden anzublinzeln.

Erwartungsvoll und gespannt fragte Bob:

»Herr Peters, hat Troll eine so feine Witterung, daß er jemanden, der vor sechs Tagen verschwunden ist, auffinden kann?«

»Das hängt von den näheren Umständen ab, junger Mann,« lautete die verwunderte Antwort, worauf Bob, ohne sonderlich zu erröten, drauflos log:

»Vor sechs Tagen war bei uns ein Mann, den wir wieder sehen möchten, ohne seinen Namen und die Adresse zu kennen. Wir haben aber einen Hut von ihm. Denken Sie, daß Troll die Spur aufnehmen kann?«

Herr Peters wiegte bedächtig den Kopf.

»Sehen Sie, junger Mann, wenn ich ein berufsmäßiger Hundehändler wäre, würde ich mit einem kräftigen ›Ja‹ antworten. Da ich aber kein Schwindler bin, so kann ich nur sagen, daß das von Troll selbst abhängt und natürlich auch von dem Wege, den der Mann eingeschlagen hat. So ein Hund hat seine Mucken wie ein Mensch. Und je feiner der Hund und der Mensch, desto mehr Mucken haben beide. Ist Troll mißmutig und schlecht aufgelegt, dann pfeift er auf die Spur, schwindelt Ihnen etwas vor, macht, als wäre er auf der Fährte, und fängt dann an, die Ecksteine zu begrüßen, womit alles für ihn erledigt ist. Will er aber wirklich, interessiert ihn die Geschichte und ist er auf Sie an diesem Tage gut zu sprechen, dann leistet er wahrhaftig Wunderdinge, die man nicht glauben möchte, wenn man sie nicht miterlebt hat.«

Bob gab sich mit dieser Auskunft zufrieden und kam nun auf den heikelsten Punkt zu sprechen, auf die Preisfrage nämlich. Und der Preis, den Herr Peters nannte, war für des Knaben Begriffe so übertrieben hoch, daß er erschrak und erblaßte. Bob hatte von Geld und Geldeswert nur recht unklare Begriffe, aber so viel wußte er doch schon, daß die Tausende, die da verlangt wurden, viel, viel Geld seien, und ungefähr das Zehnfache dessen, was sein Vater würde ausgeben wollen. Sehr kleinlaut und unglücklich empfahl er sich mit der Bemerkung, zu Hause berichten zu wollen, und selbst die Tatsache, daß Troll ihn bis auf die Straße begleitete, konnte ihn nicht trösten.

Verstimmt und verzagt betrat Bob die Holgermansche Fabrik, um seinen Vater aufzusuchen.

»Papa, du hast mir vor sechs Tagen, als ich mein Zeugnis erhielt, versprochen, mir einen Hund samt Hundehütte zu kaufen. Ich hätte jetzt einen schönen Airdale-Terrier an der Hand, den ich furchtbar gern haben möchte. Wieviel darf ich dafür ausgeben?«

Herr Holgerman war hocherfreut, daß sein Sohn nun doch auf andere Gedanken zu kommen schien, und gab dieser Freude Ausdruck, indem er eine recht beträchtliche Summe nannte. So beträchtlich sie aber auch war, sie betrug gerade den fünften Teil des Preises, den Herr Peters für seinen Troll verlangt hatte.

Bob bedankte sich höflich bei seinem Vater, sagte anscheinend leichthin: »Ich will nun sehen, ob ich den Hund dafür bekommen kann«, und ging tief traurig von dannen.

Was nun tun? Sollte er sich seiner Mutter anvertrauen? Diese würde ihm so viel Geld nicht geben wollen und können, um so weniger, als er ja nicht sagen wollte, warum es gerade dieser Hund sein müsse. Aber Troll mußte sein werden, unbedingt. Wie eine Schicksalsfügung schien es ihm nun, daß er sich als Geschenk einen Hund ausbedungen hatte, heute morgen diese Anzeige las und in Troll ein edles, schönes Tier fand, mit dem er sich so gut verstehen würde. Woher aber das Geld nehmen? Zum erstenmal im Leben hatte Bob Geldsorgen, zum erstenmal empfand er voll Bitterkeit, was es bedeutet, wenn man unbedingt etwas braucht und es nicht haben kann! Da fiel ihm Frau Sibylle Krikl ein. Er hatte ihr ja ohnedies versprochen, sie heute zu besuchen. Und hatte sie ihm nicht gesagt, sie würde ihm helfen, und wenn sie deshalb betteln gehen müsse? Nun, vielleicht konnte sie das viele Geld entbehren!

Es war nachmittags, als Bob zu Frau Krikl kam, und die alte, häßliche Frau mit der Hakennase und dem spitzen Hexenkinn empfing ihn fast jubelnd.

»Bobbie, mein lieber Junge, wie schön und gut, daß du dein Versprechen hältst und zu mir alten Frau kommst. Ich habe dir auch die schönsten Erdbeeren besorgt, die in der ganzen Stadt aufzutreiben waren.«

Und während Bob vor einem großen Teller voll Erdbeeren und Schlagsahne saß, erzählte er die Geschichte von Troll, von der Freundschaft, die er mit dem Hunde geschlossen, und seiner Enttäuschung über den unerschwinglichen Preis.

Er hatte sich in Frau Krikl nicht geirrt. Voll Begeisterung stimmte sie mit ihm darin überein, daß Troll unbedingt sein werden müsse.

»Was das Geld anbelangt, Bobbie, so mache dir nur keine Sorge. Ich habe viel mehr, als ich brauche. Morgen in aller Frühe gehe ich auf die Bank, und dann ist der Hund dein!«

Bob umhalste seine alte Freundin. »Frau Krikl, wie werde ich Ihnen das jemals danken können?«

»Nun, mein lieber Junge, erstens, indem du nicht mehr davon sprichst; zweitens, indem du zu mir nicht mehr Frau Krikl, sondern ›Tante Sibylle‹ sagst, und drittens dadurch, daß du Gertie findest. Und nun ruhe dich einmal aus, bist ja ganz abgemagert und blaß; setze dich zu mir und plauschen wir ein wenig.«

Tatsächlich gab es auch genug zu besprechen. Vor allem, wie sollte der Knabe den Besitz des kostbaren Hundes den Eltern gegenüber erklären? Frau Sibylle schob die Hornbrille auf die Stirne, dachte nach und meinte dann zögernd:

»Bobbie, Lügen ist eine Sünde, und die Eltern belügen, eine doppelt schwere. Aber in diesem Falle ist es eine fromme Lüge, die der liebe Gott dir sicher verzeihen wird. Du willst ja nur Gutes damit tun und niemandem ein Leid zufügen. Also liegt eine fromme Notlüge vor, die nicht schwer ins Gewicht fallen kann. Sage den Eltern, daß du den Hund für den Preis, den dein Papa bewilligt hat, bekommen kannst.«

Bob war entzückt. Innerlich war er ohnedies entschlossen gewesen, sich herauszuschwindeln, aber jetzt, wo ihm die alte Dame gewissermaßen die Sündenvergebung im vorhinein erteilt hatte, war er doppelt froh.

Als Troll neben seinem neuen Herrn einherging, war er entschieden in schlechter Gemütsverfassung. Er ließ die Ohren hängen, hatte den kurzen Schwanz eingezogen, und ein leises Knurren ertönte, das jeden Augenblick in heftiges Bellen hätte übergehen können. Bob empfand, was in dem Tiere, dem die Menschen in ihrer maßlosen Überhebung so gerne die Seele absprechen, vorging, zärtlich legte er seine kleine Knabenhand auf den Kopf des Hundes und sagte:

»Ja, mein Troll, jetzt gehörst du mir! Aber du sollst es recht gut bei mir haben, und wir wollen gute Freunde werden!«

Der Hund schien verstanden zu haben, er sah sich nochmals nach der Richtung um, aus der sie beide gekommen waren, bellte kurz und scharf auf, als würde er dem früheren Herrn ein letztes Lebewohl zurufen, sprang dann an Bob hinauf, um ihn abzuschlecken, und – war sein treuer Sklave geworden, ohne länger über die Vergangenheit, über das Gestern nachzudenken.

 

Bob widmete diesen Tag, den achten seit dem Verschwinden Gerties, ganz und gar dem Hunde. Er sagte sich, daß dieser sich in seiner neuen Umgebung nicht gleich wohlfühlen würde, und es daher notwendig sei, mit Troll ganz intim zu werden, bevor er ihm irgendwelche schwierige Aufgabe zumuten könne. Troll wurde feierlich Vater und Mutter vorgeführt, machte dann die Bekanntschaft Eduards, des Stubenmädchens und der Köchin, die ihm sofort voll Entzücken Fleisch in einen Teller mit Suppe, Gemüse und Brot schnitt, er lernte die ihm zugewiesene Schlafstelle vor der Türe zum Schlafzimmer Bobs kennen, und als die Schlafenszeit gekommen war, streckte er sich mit behaglichem Knurren auf den kleinen Strohsack, den sein Herr gekauft hatte, und wimmerte durchaus nicht nach dem alten Heim, wie es Bob befürchtet hatte.

Nicht so gut wie der Hund schlief aber sein Herr. Bob wälzte sich bis lange nach Mitternacht schlaflos umher. Jetzt, wo er vor einem neuen Abschnitt seines rastlosen Suchens stand, überkam ihn Angst, Schrecken und Verzweiflung. Morgen würden es neun Tage her sein, seitdem Gertie verschwunden war. Bestand denn noch eine Möglichkeit, sie zu finden? War sie nicht längst tot? Schwamm nicht ihre arme, kleine Leiche im breiten Strom, der durch die Stadt seine geheimnisvollen Wasser führte? Und wenn sie irgendwo bei bösen Menschen lebte – welch furchtbaren Qualen und Mißhandlungen mochte sie dort ausgesetzt sein? Immer wieder hatten die Zeitungen von Bestien in Menschengestalt geschrieben, die kleinen, hübschen Mädchen nachjagen – was mochten sie nur seiner süßen, blonden Gertie angetan haben? Und an die Mutter Gerties mußte er denken, die Tag und Nacht weinte, immer wieder von Herzkrämpfen befallen wurde und sicher ihrem Tode entgegenging, wenn Gertie nicht gefunden wurde.

Wie aber sollte er, ein kleiner, unerfahrener Junge, einen Menschen finden, den die Polizei mit ihren Detektiven, Steckbriefen und Kundmachungen nicht finden konnte? Was sollte ihm Troll nützen? Neun Tage mit Stürmen und Regengüssen waren vergangen, da konnte es doch nicht möglich sein, die Witterung aufzunehmen, noch dazu die Witterung nach einem Menschen, der nicht zu Fuß von Hause fortgegangen, sondern sicher in einem Automobil weggeschleppt worden war.

Bob schluchzte in sein Kissen hinein und er preßte den Zipfel des Polsters in den Mund, um nicht laut aufzuheulen. Fieber schüttelte den schlanken Knabenkörper und er stöhnte leise vor sich hin: »Gertie! Gertie!«

Am Morgen wachte er zur gewohnten Stunde um sieben Uhr auf und fühlte sich wie zerschlagen. Aber mit einem energischen Ruck schüttelte er die Nacht, die schwarzen Gedanken und den Schmerz ab, und das Pochen seines Herzens sagte ihm, daß er vor wichtigen Aufgaben stehe. Das kalte Bad unter der Dusche belebte ihn, und als er mit Troll, der ihn stürmisch nach Hundeart begrüßt hatte, das Frühstückzimmer betrat, machte er einen heiteren Eindruck, so daß ihn seine Mutter noch inniger als sonst auf die Stirne küßte und der Vater befriedigt nickte, weil er annahm, daß Bob durch die Freude über den schönen Hund seine Schmerzen zu vergessen beginne.

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