Wirtschaftsgeographie

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5.2.3Stadtstruktur und Landnutzung

Vorstellungen über die Organisation städtischer Landnutzungen findet man auch in Modellen der Stadtstruktur, die teilweise ohne Kenntnis der von Thünen’schen Ringe und lange vor der Arbeit von Alonso (1960) über den städtischen Bodenmarkt entstanden. Es gibt insbesondere drei Stadtmodelle, die als Standard in Lehrbücher eingegangen sind, weil sie unterschiedliche Prinzipien des Stadtaufbaus repräsentieren (→ Abb. 5.13): das Ringmodell von Burgess (1925), das Sektormodell von Hoyt (1939) und das Mehrkernemodell von Harris und Ullman (1945). Alle drei Stadtmodelle entstammen der berühmten Chicagoer Schule der Sozialökologie (McKenzie 1925; 1926; Park et al. 1925), die die Theorieentwicklung im Kontext städtischer Strukturen nicht nur in der Geographie, sondern auch in der Soziologie, Ökonomie und Organisationstheorie nachhaltig beeinflusst hat. In Analogie zu ökologischen Prozessen in der Natur werden in dieser Schule menschliche Kollektive als Populationen und ihr Verhalten als Prozess der Umweltanpassung, Nischenbesetzung oder Verdrängung anderer Populationen aufgefasst (Hawley 1968). Im Kontext der Stadtökonomie wurde diese Perspektive auf städtische Nutzungen angewandt, um deren Position innerhalb der urbanen Gesamtstruktur beschreiben zu können. Durch den Einsatz multivariater quantitativer Verfahren bei der historischen Analyse der Stadtentwicklung in Nordamerika gelangte die Chicagoer Schule zu verschiedenen Stadtstrukturmodellen (Boustedt 1975, Kap. 6.4; Lichtenberger 1986, Kap. 2.2; Yeates 1990, Kap. 4; Ritter 1991, Kap. XIII):


Abb. 5.13 Generalisierte Modelle interner Stadtstrukturen (nach Chapman und Walker 1987, S. 236)

(1) Ringmodell. Das Ringmodell von Burgess (1925) entstand ohne Kenntnis der v. Thünen’schen Arbeiten, gelangte aber zu analogen Schlussfolgerungen über die räumliche Ordnung der städtischen Landnutzung (→ Abb. 5.13 a). Demnach entwickeln sich konzentrische Landnutzungszonen um den CBD. Das Modell entstand zu einer Zeit, als amerikanische Städte durch Einwanderungswellen schnell wuchsen. Neuankömmlinge siedelten sich zunächst in preiswerten Wohngebieten in Innenstadtnähe an. Durch sozialen Aufstieg erfolgte dann eine Wanderung in wohlhabendere Eigenheimgebiete am Stadtrand, wodurch die Stadt sukzessive nach außen expandierte. Angrenzend an den CBD war vor allem Leichtindustrie angesiedelt, wobei diese und die daran anschließende Zone mit Mietshäusern und Wohnfunktionen für Bezieher geringer Einkommen durchmischt war (Berry et al. 1987, Kap. 9). Beide Zonen bildeten eine Übergangszone mit hoher Mobilität und Dynamik. Daran schlossen sich nach außen Wohngebiete für mittlere und hohe Einkommen sowie die Vorstadt- und Pendlerzone an.

(2) Sektormodell. In dem Sektormodell von Hoyt (1939), das auf der empirischen Untersuchung sozioökonomischer Merkmale, wie etwa Hauspreisen und Einkommen, sowie der ethnischen Struktur in 142 nordamerikanischen Städten beruhte, wurde die Sichtweise einer Landnutzungsstruktur in Form konzentrischer Zonen aufgegeben (→ Abb. 5.13 b). Hoyt (1939) stellte fest, dass sich entlang der Hauptverkehrsstraßen um das Stadtzentrum Wohngebiete zu Sektoren anordneten und sich wie Keile zum Stadtrand hin ausbreiteten. Gewerbegebiete waren tendenziell ebenfalls sektoral entlang bestimmter Straßenzüge und Eisenbahnlinien angeordnet. Wie bei Burgess (1925) waren Bevölkerungsgruppen mit höheren Einkommen eher im Außen- und Personen mit niedrigeren Einkommen im Innenbereich angesiedelt, sodass sich auch in diesem Modell eine gewisse Ringbildung andeutete.

(3) Mehrkernemodell. Das Mehrkernemodell von Harris und Ullman (1945) brach vollständig mit der Vorstellung einer konzentrischen Stadtstruktur (→ Abb. 5.13 c). Stattdessen wurde die Entstehung einer mehrkernigen, zellularen Landnutzungsdifferenzierung hervorgehoben, wobei es z. B. durch ethnische Gruppierungen zu räumlicher Segregation kam.

Ein grundlegendes Problem dieser Stadtmodelle besteht darin, dass es sich hierbei im Wesentlichen um deskriptive Modelle handelt. Sie versuchen, die in der Realität beobachtbaren Stadtstrukturen allgemein zu beschreiben, wobei weniger die zugrunde liegenden ökonomischen und sozialen Prozesse im Vordergrund stehen als die beobachtbaren ökologischen Regelhaftigkeiten, wie z. B. Invasion und Fluktuation.

In der von der Chicagoer Schule ausgehenden stadtökologischen Forschung der 1960er- und 1970er-Jahre wurden umfangreiche statistische, insbesondere faktoranalytische Studien von Stadtstrukturen auf kleinräumiger Basis durchgeführt. Dabei erkannte man, dass sozioökonomische Merkmale eine sektorale Ordnung, Merkmale zum Stand im Familienzyklus eine ringförmige Ordnung und Merkmale zum ethnischen Status eine eher zellulare Ordnung bewirkten (Lichtenberger 1986, Kap. 2.2; Heineberg 1989, Kap. 4; Yeates 1990, Kap. 6). Allerdings gelang es auch diesen Untersuchungen nicht, die zugrunde liegenden Prozesse genau zu erfassen – auch weil die eingesetzten Methoden überbewertet und zu mechanisch eingesetzt wurden.

Insgesamt sind induktiv gewonnene Vorstellungen über städtische Zonierungen insofern problematisch, als sie nicht ohne weiteres auf andere Städte übertragbar sind. Erst recht ist eine Übertragung auf andere Gesellschaften zweifelhaft. So lassen sich auf den Stadtkern gerichtete, zentrierte Stadtbilder absolutistischen Vorstellungen städtischer Strukturen zuordnen, wie sie sich historisch in Europa entwickelten. Entsprechend waren die sozialen Umwälzungen in Südafrika gegen Ende des 20. Jahrhunderts ohne Pendant in europäischen Städten. Bähr und Jürgens (1993) haben demonstriert, dass durch den Übergang Südafrikas zu einem Post-Apartheid-System soziale und ökonomische Prozesse eintraten, die zu einer Durchmischung, Überlagerung und Verwischung der zuvor gesetzlich legitimierten Segregationsstrukturen führten. Sektoral-ringartige Landnutzungsstrukturen im Innenbereich wurden dadurch ausdifferenziert und zellulare Muster im Außenbereich verwischt.

5.3Optimale Versorgung im System zentraler Orte

In der Landnutzungslehre sind räumliche Ballungen wirtschaftlicher Akteure als Standorte von Menschen, Unternehmen und anderen Einrichtungen a priori vorgegeben. Es wird nicht hinterfragt, warum Städte existieren, wo sie ihren Standort haben und wie ein System von Städten konstituiert ist. Wichtiges Kennzeichen von Städten ist beispielsweise, dass durch eine Agglomeration von Einzelhandels- und sonstigen Versorgungseinrichtungen gekennzeichnet sind. Eine wichtige Frage besteht deshalb darin, herauszufinden, warum sich derartige Dienstleistungen in Städten ballen und nur in geringer Dichte oder gar nicht im Umland zu finden sind.

Bereits im 19. Jahrhundert beschäftigte sich Kohl (1841) mit Fragen der Siedlungsverteilung und der Verkehrssysteme. Christaller (1933) führte die Untersuchung dieser und ähnlicher Fragen in seiner Theorie der zentralen Orte entscheidend weiter, in der er Gesetzmäßigkeiten analysierte, die die Anzahl, Größe und Verteilung der Orte in einem größeren zusammenhängenden Gebiet beschreiben. Diese Arbeit griff Lösch (1944) in einer Studie über die räumliche Ordnung der Wirtschaft auf und versuchte, eine allgemeine Theorie der Marktnetze abzuleiten. Im Unterschied zu Christaller verwendete er hierbei eine spezifisch ökonomische Modellformulierung und leitete aus Modellannahmen sukzessive ein räumliches Gleichgewicht ab. Lösch (1944) fand durch seine Arbeit über Marktnetze auch in den USA viel Beachtung und machte dadurch auch Christallers Untersuchungen einem breiten Publikum zugänglich.

5.3.1Städtische Ballungen und zentrale Orte

Bereits in traditionellen Gesellschaften gab es Ballungen menschlicher Siedlungen. Diese erfüllten eine Schutzfunktion gegenüber Feinden, gestatteten eine effizientere Arbeitsteilung und erleichterten soziale und ökonomische Beziehungen (Hofmeister 1997). Im Zeitablauf entwickelte sich in einigen dieser Siedlungen in unterschiedlichem Maß eine Ballung von Versorgungseinrichtungen. Wären diese Einrichtungen nicht räumlich konzentriert, sondern dispers verteilt, so müssten die Bewohner der betreffenden Siedlungen und ihres Umlands zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse große Distanzen zurücklegen. Ballungen von Versorgungseinrichtungen in zentraler Lage sind also insofern vorteilhaft, als sie die zurückzulegenden Distanzen und damit die Kosten der Distanzüberwindung verringern.

Siedlungen, Orte und Städte, die sich aufgrund des Prinzips der Distanzminimierung bilden, werden im Folgenden zentrale Orte genannt (Christaller 1933, I. Teil Kap. A). Zentrale Orte enthalten zentrale Einrichtungen, die Anbieter zentraler Güter sind. Zentrale Einrichtungen sind Versorgungseinrichtungen wie Einzelhandelsgeschäfte, Arztpraxen, Universitäten, Kinos und viele andere Dienstleistungen und Verwaltungseinrichtungen. Da die Konzentration von Versorgungseinrichtungen in einem zentralen Ort gemessen an der Bevölkerungskonzentration überproportional ausgeprägt ist, gibt es einen darüber hinausgehenden Bereich, den der zen­trale Ort mitversorgt: sein Umland. Nach Chris­taller (1933, I. Teil Kap. B) haben zentrale Orte aufgrund ihrer Ausstattung mit zentralen Gütern und Dienstleistungen einen Bedeutungsüberschuss gegenüber anderen Orten und bilden ein Umland aus (Heinritz 1979, Kap. 2; Giese 1996).

In der empirischen Umsetzung verwendete Christaller (1933, II. Teil Kap. A) die Ausstattung mit Telefonanschlüssen als Merkmal, um die Zentralität eines Ortes zu messen. Er ermittelte den Bedeutungsüberschuss eines Ortes, indem er die tatsächliche Anzahl von Telefonanschlüssen mit der hypothetischen Anzahl verglich, die sich bei einer Gleichverteilung der Anschlüsse im Gesamtraum ergeben hätte (Klöpper 1953 a). Die sogenannte Telefonmethode ist heute jedoch wenig hilfreich, da in vielen Ländern fast jeder Haushalt über einen eigenen Telefonanschluss verfügt.

 

In der Theorie der zentralen Orte wird der Prozess der Umlandbildung und der Entstehung eines hierarchischen räumlichen Ordnungssystems erklärt (Richardson 1978, Kap. 3; Heinritz 1985; Dicken und Lloyd 1990, Kap. 1; Ritter 1991, Kap. X; Maier und Tödtling 1992, Kap. 7; Blotevogel 1996 a). Sie beruht wie andere Theorien auf einer Reihe von Grundannahmen (Schätzl 1998, Kap. 2.1.2): So wird eine homogene Raumstruktur ohne natürliche Barrieren und eine gleich verteilte Bevölkerung unterstellt. Bei jeweils gleichen Bedürfnissen und Einkommen folgt daraus, dass die Nachfrage räumlich gleich verteilt ist. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass Produzenten und Kunden vollständige Informationen besitzen und rational handeln. Demnach streben Produzenten Gewinnmaximierung an, indem sie zuerst nahe gelegene Kunden beliefern, und Konsumenten minimieren ihre Kosten dadurch, dass sie ihre Versorgungseinkäufe jeweils in der nächstgelegenen zentralen Einrichtung durchführen.

5.3.2Umlandbildung aus Produzentenperspektive

Aufgrund der getätigten Annahmen ist das Gewinnmotiv wichtigste Antriebskraft unternehmerischen Handelns, d. h. ein Produzent ist bestrebt, die Differenz zwischen Erlös und Kosten zu maximieren. Unter der Annahme typischer Verläufe der Erlös- und Kostenfunktion in einem Preis-Mengen-Diagramm lässt sich somit für den Produzenten eine gewinnmaximale Produktionsmenge x* bestimmen (→ Abb. 5.14). Unter der Annahme, dass der Produzent seine Kunden selbst beliefert, wird er zuerst die nahe gelegenen Kunden versorgen, um seine Transportkosten möglichst gering zu halten. Bei stetiger Produktionsausdehnung muss der Produzent jedoch Kunden in immer größerer Entfernung beliefern, was dazu führt, dass sich sein Absatzgebiet ausdehnt. Dies geschieht so lange, bis der Produzent sein Gewinnmaximum erreicht hat. Diesem Optimum entspricht eine bestimmte Entfernung, bis zu der er die Kunden beliefert. In dem Diagramm kann man dies vereinfacht durch eine (allerdings nicht lineare) Transformation der Mengen- in eine Entfernungsachse darstellen. Unter der Voraussetzung einer gleich verteilten Bevölkerung ergibt sich für den Produzenten bei einer gewinnmaximalen Produktionsmenge somit ein optimales Umland in Form einer Kreisscheibe. Anhand des Verlaufs der Erlös- und Kostenkurven lässt sich dabei ein minimales Umland bestimmen, das notwendig ist, damit überhaupt ein Gewinn erzielt wird. Analog dazu lässt sich ein maximales Umland definieren.


Abb. 5.14 Umlandbildung einer zentralen Einrichtung aus Produzentensicht

5.3.3Umlandbildung aus Kundenperspektive

Unter der Annahme, dass Kunden zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse den Weg zu einer zentralen Einrichtung selbst zurücklegen und die dabei anfallenden Transportkosten tragen und dass allen Kunden ein gleich hohes Einkommen für Konsumzwecke zur Verfügung steht, können diejenigen, die weiter von einem zentralen Ort entfernt wohnen, aufgrund der anfallenden höheren Transportkosten weniger kaufen als Kunden in geringerer Entfernung vom Markt. Somit nimmt die Nachfrage mit wachsender Entfernung vom Markt in allen Richtungen gleichmäßig ab und es kommt aus Nachfrageperspektive ebenfalls zu einer Umlandbildung in Form einer Kreisscheibe (Lösch 1944, Kap. 9; Dicken und Lloyd 1990, Kap. 1). Die äußere Grenze des Umlands liegt dort, wo die Transportkosten zum Markt genauso groß sind wie das gesamte verfügbare Einkommen (→ Abb. 5.15). Dieser Zusammenhang lässt sich graphisch in Form eines Nachfragekegels (demand cone) darstellen und formal verdeutlichen:


D= E – t · d
wobei gilt:
D= Nachfrage (Kaufkraft) pro Person (€)
E= Einkommen pro Person (€)
t= Transportkosten pro Person und Entfernungseinheit (€/km)
d= Entfernung vom zentralen Ort (km)


Abb. 5.15 Umlandbildung einer zentralen Einrichtung aus Kundensicht

Durch die Variation der zugrunde gelegten Parameter Einkommen und Transportkosten lässt sich nun feststellen, wie sich der Nachfragekegel und das zugehörige Umland verändern: Im Fall einer Erhöhung des Einkommens verschiebt sich die Nachfragekurve parallel nach oben, sodass sich das Umland ceteris paribus vergrößert. Bei einer Reduzierung der Transportkosten dreht sich die Nachfragekurve nach außen, was ebenfalls zu einer Vergrößerung des Umlands führt.

5.3.4Anordnung der Einzugsbereiche in einem Hexagonalmuster

Simultanes Produzenten- und Kundenverhalten führt zur Umlandbildung um eine zentrale Einrichtung in Form einer Kreisscheibe. Die kreisscheibenförmige Aufteilung einer gegebenen Region oder eines Territoriums um die zentralen Einrichtungen ist jedoch nicht optimal:

(1) Einerseits kann es sein, dass sich die Einzugsbereiche überschneiden und dass aus Produzentensicht ein zu kleines Umland resultiert.

(2) Andererseits kann sich eine Situation der Unterversorgung einstellen, wobei nicht alle Kunden von den Umlandbereichen erfasst werden. Derartige Probleme treten nicht auf, wenn ein Gebiet flächendeckend in Form eines Hexagonalsystems in Einzugsbereiche aufgeteilt ist und zentrale Einrichtungen in den Mittelpunkten dieser Einzugsbereiche lokalisiert sind (Lösch 1944, Kap. 10; Schätzl 1998, Kap. 2.1.2).

5.3.5Hierarchisches System zentraler Güter und zentraler Orte

Auch wenn in der Diskussion um zentrale Güter und Einrichtungen oft die Funktion des Einzelhandels hervorgehoben wird, so gibt es doch eine Menge anderer zentraler Einrichtungen, wie z. B. Freizeit-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen. Am Beispiel des Einzelhandels lässt sich jedoch gut verdeutlichen, wie sich verschieden große Einzugsbereiche herausbilden. Demnach lassen sich zentrale Güter und Einrichtungen unterschiedlicher Ordnung unterscheiden:

 Güter niedrigster Ordnung bzw. des täglichen Bedarfs sind Güter wie Lebensmittel und Drogerieartikel, die kleine Einzugsbereiche ausbilden.

 Bei Gütern mittlerer Ordnung bzw. des mittelfristigen Bedarfs handelt es sich um Güter wie z. B. Bekleidung und Schuhe.

 Güter höchster Ordnung bzw. Güter des langfristigen Bedarfs, wie Autos oder Schmuck, bilden große Einzugsbereiche aus, weil die individuelle Nachfragemenge pro Kunde und Zeiteinheit gering ist.

Die Art der Umlandbildung erfolgt jeweils nach den gleichen zuvor diskutierten Prinzipien. Es entsteht in jeder Stufe ein hexagonales Marktnetz, allerdings mit unterschiedlicher Ausdehnung. Um den Zentralitätsgrad einer zentralen Einrichtung empirisch zu bestimmen, gibt es eine Reihe verschiedener Kriterien (z. B. Heinritz 1979, Kap. 4 und 6): So kann beispielsweise die Kundenzahl, die Fläche des Kundeneinzugsbereichs, die Entfernung der am weitesten entfernt lebenden Kunden, die Nachfragemenge pro Kunde und Zeiteinheit oder die Anzahl der Orte mit einer entsprechenden Einrichtung als Merkmal herangezogen werden.

In gängiger Definition besitzt ein zentraler Ort die Ordnung desjenigen Guts, welches unter den zentralen Gütern, die dort angeboten werden, die höchste Ordnung besitzt. Analog zur Differenzierung zentraler Güter kann man demzufolge drei Kategorien zentraler Orte unterscheiden: Oberzentren, Mittelzentren und Unterzentren. In der Planungspraxis und in vielen Studien werden zum Teil auch mehr Kategorien und Zwischenkategorien zentraler Orte differenziert (Kistenmacher 1982), in der hessischen Raumordnung z. B. zusätzlich Kleinzentren, Unterzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums sowie Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums.

Christaller (1933) und Lösch (1944) haben gezeigt, dass aus der Überlagerung zentraler Einrichtungen verschiedener Ordnung unterschiedliche Hierarchiesysteme hervorgehen können. Christaller (1933, I. Teil Kap. B.8) geht von einer strikten hierarchischen Raumstruktur aus, wobei er zahlreiche Homogenitätsannahmen, wie z. B. ein gleichförmiges Verkehrsnetz, zugrunde legt. Gemäß obiger Definition erfasst ein Oberzentrum Einrichtungen höchster Ordnung sowie alle zentralen Einrichtungen der darunterliegenden Stufen, während ein Mittelzentrum analog dazu alle Einrichtungen außer denen der höchsten Ordnung umfasst. Des Weiteren definiert Christaller (1933, I. Teil Kap. B.8) sogenannte k-Hierarchien. Er ordnet einem hierarchischen System zentraler Orte den Wert k zu, wenn jeder zentrale Ort höherer Ordnung insgesamt k Orte der nächstniedrigeren Stufe mitversorgt (Heinritz 1979, Kap. 3; Berry et al. 1987, Kap. 15; Dicken und Lloyd 1990, Kap. 1; Schätzl 1998, Kap. 2.1.2).

Als besonders günstig für die Verkehrsplanung erweist sich etwa die k= 4-Hierarchie, da von den Verkehrsachsen zwischen Oberzentren auch Zentren niedrigerer Ordnung erfasst werden (→ Abb. 5.16). Dieses Verkehrsprinzip bietet den Vorteil, dass die Hierarchie zentraler Orte in das Konzept der Entwicklungsachsen, das die Bündelung der Infrastruktur zu Bändern vorsieht, einbezogen werden kann (Seifert 1986, Kap. 4.3; Kistenmacher 1995). Christaller unterscheidet daneben weitere Hierarchieprinzipien: Bei der k= 3-Hierarchie, dem Versorgungsprinzip, deckt ein zentraler Ort mit seinem Umland zugleich die Umlandbereiche von drei zentralen Orten der nächstniedrigeren Stufe ab. Die k= 7-Hierarchie heißt Verwaltungsprinzip, weil diese Zentrenanordnung aus Verwaltungsgründen vorteilhaft ist. Hier werden die Umlandbereiche von Zentren niedrigerer Ordnung im Prinzip nur einem Zentrum der nächsten Hierarchiestufe zugeordnet und nicht unter mehreren Zentren aufgesplittert (allerdings unter Aufgabe des exakten Hexagonalmusters).


Abb. 5.16 Umlandbildung zentraler Orte nach dem Christaller’schen Verkehrs­prinzip (k = 4-Hierarchie)

5.3.6Marktnetze nach Lösch

In seiner Arbeit über die räumliche Ordnung der Wirtschaft untersuchte Lösch (1944) die räumliche Verteilung von Industriestandorten mit regionalen Marktnetzen. Es erweiterte darin Christallers Studien und modifizierte sie methodisch. Lösch orientierte sich dabei an einem Modellaufbau, wie er in der Ökonomie verbreitet ist. Er definierte ökonomisch-geographische Modellannahmen und leitete daraus deduktiv ein räumliches Gleichgewicht von Produktion und Konsum ab (Berry et al. 1987, Kap. 15; Schätzl 1998, Kap. 2.1.2). Lösch (1944, Kap. 10) ermittelte hexagonale Marktnetze als gleichgewichtige räumliche Organisationsformen, wobei seine Marktnetze je nach Gut eine unterschiedliche Größenordnung haben (→ Abb. 5.17). Im Unterschied zu Christaller (1933, I. Teil Kap. B.8) wird in dem Modell der Marktnetze nicht unterstellt, dass jeder Ort einer bestimmten Hierarchiestufe alle Güter der darunterliegenden Hierarchiestufen aufweisen muss. Dementsprechend entsteht keine dominante k-Hierarchie. Dieses Ergebnis ist auch dadurch zu erklären, dass Lösch vor allem das verarbeitende Gewerbe untersuchte, während Christaller Versorgungseinrichtungen im Blick hatte. Entsprechend ging Lösch (1944, Kap. 11) davon aus, dass verschiedene k-Prinzipien gleichzeitig existieren und sich zu einem komplexen Gesamtgefüge ergänzen konnten. Daraus leitete er ab, dass zentrale Orte nicht gleich verteilt sind, sondern dass es zur Entwicklung städtereicher und städtearmer Sektoren kommt.


Abb. 5.17 Systemskizze der Marktnetze nach Lösch (nach Schätzl 1998, S. 84)

Ein Vergleich der hierarchischen Systeme zentraler Orte nach Christaller und Lösch zeigt, dass sich die Hierarchiestrukturen trotz ähnlicher Annahmen deutlich unterscheiden (Dicken und Lloyd 1990, Kap. 1). Christallers Hierarchie besteht aus einer festen Zahl von Hierarchiestufen mit eindeutig definierten, hierarchisch aufgebauten Beziehungen (→ Abb. 5.18 a). Demgegenüber ist das von Lösch definierte System nicht streng hierarchisch, sondern erlaubt Spezialisierungen von zentralen Orten auf bestimmte Funktionen (→ Abb. 5.18 b). Dementsprechend sind in diesem System die Beziehungen zwischen Orten nicht nur vertikal, sondern auch horizontal ausgerichtet.

 

Abb. 5.18 Hierarchiestruktur in den Zentrensystemen nach a) Christaller und b) Lösch (nach Dicken und Lloyd 1990, S. 74)

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