Бесплатно

Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Der Staub um sie her senkte sich, und sie begannen bereits zu singen. Da erschien Hanno in eigenster Person auf einem Elefanten. Barhäuptig saß er unter einem baumwollnen Sonnenschirm, den ein hinter ihm stehender Neger hielt. Seine Halskette aus blauen Metallschildern klirrte über den gemalten Blumen seiner schwarzen Tunika. Diamantreifen umspannten seine dicken Arme. Sein Mund war geöffnet. Die riesige Lanze in seiner Hand, die an der Spitze wie eine Lotosblume aussah, glänzte heller als ein Spiegel. Alsbald dröhnte der Erdboden, und die Barbaren sahen in einer einzigen Linie die sämtlichen Elefanten Karthagos heranstürmen, mit ihren vergoldeten Stoßzähnen, ihren blaubemalten Ohren und ihren ehernen Panzern. Auf ihren Scharlachdecken schaukelten lederne Türme, in denen je drei Bogenschützen mit großen gespannten Bogen standen.

Die Söldner hatten kaum Zeit, zu den Waffen zu greifen. Sie bildeten aufs Geratewohl Glieder und Rotten. Der Schreck machte sie starr und ratlos.

Schon regneten von den Türmen Pfeile, Brandgeschosse und Bleimassen auf sie herab. Einige der Barbaren klammerten sich an den Fransen der Decken fest und wollten hinaufklettern. Man hieb ihnen mit Stutzsäbeln die Hände ab, so daß sie rücklings in die starrenden Schwerter der andern stürzten. Die Lanzen waren zu schwach und gingen entzwei. Die Elefanten brachen in die Reihen ein, wie Eber in ein Gebüsch. Sie rissen mit ihren Rüsseln die Pikettpfähle aus, durchstürmten das Lager von einem Ende zum andern und warfen mit ihrer Brust die Zelte um. Die Barbaren waren allesamt geflohen. Sie suchten Deckung hinter den Hügeln, die das Tal umsäumten, durch das die Karthager marschiert waren.

Hanno zog als Sieger vor die Tore von Utika. Dort ließ er die Trompeten blasen. Die drei Räte der Stadt erschienen oben auf einem Turme in einer Scharte der Brustwehr.

Die Einwohner von Utika sträubten sich, so wohlbewaffnete Gäste aufzunehmen. Hanno wurde heftig. Endlich willigte man ein, ihn mit einem schwachen Geleit einzulassen. Für die Elefanten waren die Straßen zu eng. Sie mußten draußen bleiben.

Sobald der Suffet in der Stadt war, kamen die Patrizier, ihn zu begrüßen. Er ließ sich in die Bäder führen und rief seine Köche.

Drei Stunden später saß er immer noch in dem mit Zimtöl gefüllten großen Badebecken. Eine Ochsenhaut war vor ihm ausgespannt. Aus ihr, als Tisch, schmauste er im Bade Flamingozungen mit Mohnkörnern in Honigsauce. Neben ihm stand unbeweglich in langem, gelbem Gewande sein griechischer Leibarzt und ließ von Zeit zu Zeit heißes Öl nachgießen. Zwei Knaben lagen über die Stufen des Beckens gebeugt und massierten dem Badenden die Beine. Doch die Sorge für seinen Körper tat seiner politischen Passion keinen Abbruch, denn er diktierte einen Brief an den Großen Rat; und da man Gefangene gemacht hatte, überlegte er sich, welch gräßliche Züchtigung er für sie erfinden solle.

»Halt!« gebot er dem Sklaven, der stehend auf der hohlen Hand schrieb. »Man führe ein paar von den Gefangenen herein! Ich will sie sehen!«

Aus dem Hintergrunde des mit weißem Dampf erfüllten Raumes, in dem die Fackeln wie rote Glutflecke schimmerten, trieb man alsbald drei Barbaren herbei: einen Samniter, einen Spartiaten und einen Kappadokier.

»Schreib weiter!« rief Hanno.

»Freut euch, Gottbegnadete! Euer Suffet hat die gefräßigen Hunde ausgerottet! Segen über die Republik! Ordnet Gebete an!« Da erblickte er die Gefangnen und brach in Gelächter aus: »Ah! Meine Helden von Sikka! Warum brüllt ihr denn heute nicht? Ich bin's doch! Erkennt ihr mich nicht? Wo habt ihr denn eure Schwerter? Ihr seid schreckliche Kerle! Donnerwetter!« Er tat, als wolle er sich verstecken, als fürchte er sich vor ihnen. »Ihr habt Gäule, Weiber, Land, Ämter verlangt, natürlich, und Pfründen! Na, ich werde euch in ein Land schicken, das ihr nie mehr verlassen sollt! Und Galgen sollt ihr umarmen, ganz jüngferliche! Euer Sold? Den wird man euch aus geschmolzenen Bleibarren ins Maul gießen! Und hohe Stellen will ich euch auch verschaffen, sehr hohe, himmelhohe, damit euch die Geier recht nahe sind …«

Die drei langhaarigen, in Lumpen gehüllten Barbaren blickten ihn an, ohne zu verstehen, was er sagte. Man hatte die an den Knien Verwundeten gefangen, indem man ihnen Stricke überwarf. Die Enden ihrer schweren Handketten schleppten über die Steinfliesen hin. Hanno ward ob ihrer Unempfindlichkeit wütend.

»Nieder! Nieder! Ihr Bestien! Dreck seid ihr! Ungeziefer! Mist! Und ihr antwortet nicht! Gut! Verstummt! – Man soll ihnen lebendig das Fell abziehen! Auf der Stelle!«

Er schnaufte wie ein Nilpferd und rollte die Augen. Das wohlriechende Öl floß durch eine plumpe Bewegung seines Körpers über und umschäumte seine schuppige Haut. Im Fackellicht sah sie rosig aus.

Er fuhr fort zu diktieren:

»Wir haben vier Tage lang schwer unter dem Sonnenbrand gelitten. Beim Übergang über den Makar Verluste an Maultieren. Trotz der starken Stellung hat der außerordentliche Mut … – Demonades! Ich habe große Schmerzen! Man feure den Ofen, bis die Ziegel glühen!«

Man hörte das Geräusch der Ofentür und des Schaufelns. Der Weihrauch in den breiten Pfannen wirbelte stärker, und die nackten Badeknechte, die wie Schwämme schwitzten, rieben dem Karthager die Gelenke mit einer Salbe aus Weizen, Schwefel, Rotwein, Hundemilch, Myrrhen, Galbanum und Storaxbaumharz. Unaufhörlicher Durst verzehrte ihn. Aber den Mann im gelben Gewande rührte dieses Gelüst nicht. Er reichte ihm einen goldenen Becher, in dem nur Vipernbrühe dampfte.

»Trink!« sprach er, »damit dir die Kraft der sonnengeborenen Schlangen in das Mark der Knochen dringe, und fasse Mut, du Ebenbild der Götter! Du weißt überdies, daß ein Priester Eschmuns die grausamen Sterne in der Nähe des Sirius beobachtet, von denen deine Krankheit herrührt. Sie verblassen wie die Flecken auf deiner Haut. Du wirst also nicht daran sterben.«

»Ja ja, nicht wahr?« fiel der Suffet ein. »Ich muß nicht daran sterben!« Und seinen rotblauen Lippen entströmte ein Atem, ekelhafter als die Ausdünstung eines Leichnams. Zwei Kohlen schienen an Stelle seiner wimpernlosen Augen zu glühen. An der Stirn hing ihm ein Klumpen runzliger Haut. Seine Ohren standen ab und sahen dadurch um so größer aus, und die tiefen Furchen, die in Halbkreisen um seine Nasenflügel liefen, verliehen ihm etwas Seltsames, Abschreckendes, das Aussehen eines wilden Tieres. Seine entstellte Stimme klang wie Brüllen.

»Du hast vielleicht recht, Demonades,« sagte er. »In der Tat, hier: mehrere Geschwüre haben sich geschlossen! Ich fühle mich kräftig. Da, sieh nur, wie ich esse!«

Bei diesen Worten machte er sich, weniger aus Eßlust als aus Prahlerei und um sich selbst zu beweisen, daß er gesund sei, an die Farce von Käse und Majoran, an die entgräteten Fische, die Kürbisse, Austern, Eier, Rettiche, Trüffeln und die kleinen am Spieß gebratenen Vögel. Dabei blickte er unverwandt auf die Gefangenen und weidete sich in Gedanken an der ihnen bevorstehenden Marter. Doch da fiel ihm Sikka ein, und die Wut über all seinen damaligen Ärger entlud sich in Schmähungen gegen die drei Männer.

»Bande! Verräter! Halunken seid ihr! Schurken! Verfluchte! Ihr habt mich beleidigen wollen, mich, den Suffeten! Eure Dienste? Den Lohn für euer Blut? Habt ihr nicht so gesagt! Ha, ha, euer Blut!« Er redete wie zu sich selbst weiter: »Alle miteinander sollen sie sterben! Nicht einer wird verkauft! Aber vielleicht wäre es besser, sie nach Karthago mitzunehmen? Als Staffage für mich? Doch … ganz gewiß hab ich nicht Ketten genug mitgebracht … Schreib: Sendet mir … – wieviele Gefangene sind es? Man frage sofort Muthumbal darnach! Fort! Nur kein Mitleid! Man bringe mir in Körben ihre abgehauenen Hände!«

In diesem Augenblick drang ein seltsames Geschrei, heiser und doch schrill, in das Gemach und übertönte Hannos Stimme und das Klirren der Schüsseln, die man ihm auftafelte. Es ward immer stärker, und plötzlich erscholl das Wutgebrüll der Elefanten, als ob die Schlacht von neuem begönne. Um die Stadt herum lärmte und tobte es laut.

Die Karthager hatten gar nicht versucht, die Barbaren zu verfolgen. Sie hatten sich am Fuße der Mauern gelagert, mit ihrem Gepäck, ihren Dienern und ihrem ganzen fürstlichen Troß. Sie ergötzten sich in ihren schönen, perlengeschmückten Zelten, während das Söldnerlager draußen in der Ebene nur noch ein Trümmerhaufen war. Spendius hatte seinen Mut wiedergefunden. Er sandte Zarzas an Matho, durchstreifte die Gehölze und sammelte seine Leute. Die Verluste waren unbedeutend. Man ordnete sich wieder in Reih und Glied, voller Wut, daß man ohne Kampf besiegt worden war. Da entdeckte man ein großes Faß voll Erdöl, das offenbar von den Karthagern zurückgelassen worden war. Spendius ließ sofort Schweine aus den Meierhöfen holen, bestrich sie mit dem Erdöl, zündete es an und ließ die Tiere auf Utika hetzen.

Durch das Feuer erschreckt, ergriffen die Elefanten die Flucht und liefen bergan. Man schleuderte ihnen Wurfspieße nach. Da machten sie Kehrt und schlitzten den Karthagern mit ihren Stoßzähnen die Leiber auf oder erdrückten und zerstampften sie mit ihren Füßen. Hinter den Tieren kamen die Barbaren den Hügel herab. Das punische Lager, das keinen Wall hatte, wurde beim ersten Anlauf genommen und geplündert. Die Karthager wurden gegen die Tore der Stadt getrieben. Aus Furcht vor den Söldnern wollte man nicht öffnen. Der Tag brach an. Von Westen her sah man Mathos Fußvolk heranmarschieren. Gleichzeitig tauchten Reiterscharen auf. Das war Naravas mit seinen Numidiern. Sie setzten über Hecken und Gräben weg und hetzten die Flüchtlinge, wie Jagdhunde die Hasen. Dieser Wechsel des Kriegsglücks überraschte den Suffeten. Er schrie, man solle ihm aus dem Bade helfen.

Die drei Gefangenen standen noch immer vor ihm. Da flüsterte ihm ein Neger – der nämliche, der in der Schlacht seinen Sonnenschirm trug – ein paar Worte ins Ohr.

 

»Ach so?« entgegnete der Suffet langsam. »Ja, töte sie!« fügte er in barschem Tone hinzu.

Der Äthiopier zog einen langen Dolch aus seinem Gürtel, und die drei Köpfe fielen. Einer davon rollte über die Reste des Mahls und fiel in das Badebecken. Eine Weile schwamm er. Das Morgenlicht drang durch die Mauerspalten ein. Die drei Leichen lagen auf der Brust. Ihr Blut strömte in dicken Strahlen wie aus drei Quellen. Ein Teppich von Blut rann über die Mosaik, die mit blauem Sande bestreut war. Der Suffet tauchte die Hand in diesen warmen Schlamm und rieb sich die Knie damit! Es galt dies als Heilmittel.

Als es Abend geworden, entwich er mit seinem Gefolge aus der Stadt. In der Richtung auf die Berge wollte er sein Heer einholen. Er fand nur die Trümmer davon wieder.

Vier Tage darnach war er in Gorza, auf der Höhe über einem Paß, als sich die Truppen des Spendius in der Tiefe zeigten. Mit zwanzig guten Lanzen, gegen die Vorhut ihrer Marschkolonne gerichtet, hätte man sie leicht aufhalten können. Doch die Karthager ließen sie in höchster Bestürzung vorübermarschieren. Hanno erkannte bei der Nachhut den Fürsten der Numidier. Naravas neigte sich zum Gruß und machte dabei ein Zeichen, das der Karthager nicht verstand.

Unter allerhand Nöten gelangte man nach Karthago zurück. Nur des Nachts ward marschiert, tagsüber verbarg man sich in den Olivenwäldern. Auf jeder Rast starben Leute. Mehrere Male glaubte man sich völlig verloren. Endlich ward das Hermäische Vorgebirge erreicht, wo Schiffe sie aufnahmen.

Hanno war so ermüdet, so verzweifelt – besonders bedrückte ihn der Verlust der Elefanten –, daß er Demonades um Gift bat, um seinem Leben ein Ende zu machen. Es war ihm zumute, als sei er bereits ans Kreuz geschlagen.

Aber Karthago hatte nicht mehr die Kraft, ihm zu zürnen. Die Expedition hatte beinahe eine Million Mark, achtzehn Elefanten, vierzehn Ratsmitglieder, dreihundert Patrizier, achttausend Bürger, Getreide für drei Monate, beträchtlich viel Gepäck und sämtliche Kriegsmaschinen gekostet. Der Abfall des Naravas stand außer Zweifel. Die beiden Belagerungen begannen von neuem. Autarits Heer dehnte sich jetzt von Tunis bis Rades aus. Von der Höhe der Akropolis sah man in der Ebene lange Rauchwolken zum Himmel emporsteigen. Das waren die brennenden prächtigen Landsitze der karthagischen Patrizier. Ein einziger Mann konnte die Republik noch retten. Man bereute es, ihn verkannt zu haben, und selbst die Friedenspartei stimmte dafür, den Göttern Brandopfer zu bringen, damit Hamilkar zurückkehre.

Der Anblick des Zaimphs hatte Salambo tief erschüttert. Nachts glaubte sie die Schritte der Göttin zu hören und wachte mit entsetztem Schrei auf. Tagtäglich ließ sie Speisen in die Tempel tragen. Taanach lief sich beim Ausführen ihrer Befehle müde, und Schahabarim verließ sie nicht mehr.

VII
Hamilkar Barkas

Der Mondsignalist, der allnächtlich auf dem Dache des Eschmuntempels wachte und mit seiner Trompete die Bewegungen des Gestirns verkündete, bemerkte eines Morgens im Westen etwas, das einem Vogel glich, der mit langen Flügeln über die Meeresfläche hinglitt. Es war ein Schiff mit drei Ruderreihen. Am Bug trug es ein geschnitztes Pferd. Die Sonne ging auf. Der Beobachter hielt sich die Hand vor die Augen. Dann griff er rasch zu seiner Trompete und ließ ihren ehernen Ruf weit über Karthago hin erschallen.

Aus allen Häusern stürzten Menschen. Man wollte dem Gerücht nicht glauben. Man stritt sich. Der Außenkai war mit Volk bedeckt. Endlich erkannte man die Trireme Hamilkars.

In stolzer, trotziger Haltung näherte sich das Schlachtschiff. Die Rah genau im rechten Winkel zur Seite gestreckt, das dreieckige Segel in der ganzen Mastlänge gebläht, so durchschnitt es den Schaum der Wogen, indes seine riesigen Ruder das Wasser taktmäßig schlugen. Von Zeit zu Zeit kam das Ende des wie eine Pflugschar geformten Kieles zum Vorschein, und unter dem Rammsporn, in den der Bug auslief, leuchtete der Elfenbeinkopf des Rosses, dessen hochsteigende Vorderbeine über die Meeresfläche zu galoppieren schienen.

Am Vorgebirge, wo der Wind aufhörte, sank das Segel, und man sah neben dem Lotsen einen Mann unbedeckten Hauptes stehen. Das war er. Der Suffet Hamilkar! Um den Leib trug er einen funkelnden Erzpanzer. Ein roter Mantel, an den Schultern befestigt, ließ seine Arme frei. Zwei sehr lange Perlen hingen an seinen Ohren, und sein dichter schwarzer Bart wallte ihm bis auf die Brust herab.

Inzwischen fuhr die Galeere schaukelnd durch die Klippen und dann den Kai entlang. Die Menge folgte ihr auf dem Pflaster und rief:

»Heil und Segen! Liebling der Sonne! Sei du unser Befreier! Die Patrizier sind an allem schuld! Sie wollen dich umbringen! Sei auf der Hut, Barkas!«

Er antwortete nicht, als ob ihn das Rauschen der Meere und der Lärm der Schlachten taub gemacht hätten. Doch als er unter der großen Treppe vorbeifuhr, die hinauf zur Akropolis führte, erhob er das Haupt und betrachtete, die Arme gekreuzt, den Tempel Eschmuns. Dann schweifte sein Blick noch höher hinauf in den weiten klaren Himmel. Mit scharfer Stimme rief er seinen Matrosen einen Befehl zu. Die Trireme glitt schneller dahin, vorbei an dem Götterbilde, das am Vorsprunge des Außenkais aufgestellt war, um die Stürme zu bannen, und durch den länglichen Handelshafen, der voller Unrat, Holzsplitter und Fruchtschalen war. Sie stieß und drängte die Kauffahrteischiffe beiseite, die an Pfählen befestigt lagen und in Krokodilsrachen ausliefen. Das Volk eilte herbei. Manche versuchten heranzuschwimmen. Doch schon war die Galeere am Ende des Handelshafens vor dem nägelbeschlagenen Tor. Es rasselte in die Höhe, und die Trireme verschwand in der Tiefe der Wölbung.

Der Kriegshafen war von der Stadt völlig abgeschlossen. Wenn Gesandte kamen, wurden sie zwischen hohen Mauern durch einen Gang geleitet, der durch die westliche Hafenmauer nach dem Khamontempel führte. Die weite Wasserfläche des Kriegshafens war rund wie eine Trinkschale und von einem Kai mit zweihundertzwanzig radial angeordneten Schiffshallen – für je eine Pentere – eingefaßt. Vor ihnen, über den Trennungsmauern der Dockrinnen, ragte je eine Säule mit Ammonshörnern an den Kapitälen. Dadurch entstand eine fortlaufende Reihe, ein Säulengang, ringsum das Hafenrund. In der Mitte, auf einer Insel, erhob sich das Admiralshaus.

Das Wasser war so klar, daß man bis auf das weiße Kieselsteinpflaster des Grundes hinabsehen konnte. Der Straßenlärm drang nicht bis hierher. Im Vorbeifahren erkannte Hamilkar die Schlachtschiffe, die er früher befehligt hatte. Es waren ihrer nur noch gegen zwanzig. Sie lagen in den Schiffshallen, einige auf die Seite geneigt, andre aufrecht auf dem Kiele, mit sehr hohem Heck und geschweiften Schnäbeln, die mit Vergoldungen und mystischen Symbolen geschmückt waren. Die Schimären hatten ihre Flügel verloren, die Götterbilder ihre Arme, die Stiere ihre silbernen Hörner. Alle diese Schiffe waren verblichen, untätig, morsch, doch voller geschichtlicher Erinnerungen und noch immer vom Dufte ihrer weiten Fahrten umweht. Wie invalide Soldaten, die ihren alten Hauptmann wiedersehen, schienen sie ihm zuzurufen: »Hier sind wir! Und auch du bist besiegt!«

Niemand außer dem Meersuffeten durfte das Admiralshaus betreten. Solange man nicht den Beweis für seinen Tod hatte, betrachtete man ihn als noch am Leben. Die Alten hatten auf solche Weise einen Herrscher weniger. Auch bei Hamilkar hatten sie gegen diesen Brauch nicht verstoßen.

Der Suffet betrat die öden Räume. Auf Schritt und Tritt sah er Rüstzeug, Gerät und Gegenstände wieder, die ihm bekannt waren und ihn im Augenblick doch überraschten. In der Vorhalle lag in einer Opferpfanne noch die Asche des Räucherwerks, das bei der Abfahrt verbrannt worden war, um Melkarths Gunst zu beschwören. So hatte er nicht heimzukehren gehofft! Alles, was er vollbracht und erlebt, zog wieder an seinem Geiste vorüber: die Sturmangriffe, die Feuersbrünste, die Legionen, die Seestürme, Drepanum, Syrakus, Lilybäum, der Ätna, die Hochfläche des Eryx, fünf Jahre voller Kämpfe – bis zu dem Unglückstage, an dem man die Waffen niedergelegt und Sizilien verloren hatte. Dann wieder sah er Limonenhaine, Hirten und Ziegen aus grauen Bergen, und sein Herz pochte bei dem Gedanken an das neue Karthago, das dort drüben erstehen sollte. Pläne und Erinnerungen schwirrten ihm durch den Kopf, der noch vom Schwanken des Schiffes betäubt war. Bangigkeit bedrückte ihn, und plötzlich empfand er das Bedürfnis, sich den Göttern zu nahen.

Er stieg in das oberste Stockwerk des Hauses hinauf, entnahm einer goldnen Muschel, die an seinem Arme hing, einen Schlüssel und öffnete ein kleines Gemach, dessen Wände ein Eirund bildeten.

Durch dünne schwarze Metallscheiben, in die Mauer eingelassen und durchschimmernd wie Glas, sickerte schwaches Licht. Zwischen den Reihen dieser gleichgroßen Scheiben waren Nischen in der Wand, wie in Grabkammern für die Urnen. In einer jeden lag ein runder, dunkler, schwerer Stein. Menschen von höherer Einsicht verehrten diese vom Mond gefallenen Wundersteine. Aus Himmelshöhen gekommen, waren sie Symbole der Gestirne, des Himmels und des Lichts. Ob ihrer Farbe gemahnten sie an die dunkle Nacht und durch ihre Dichtigkeit an den Zusammenhang aller irdischen Dinge. Eine erstickende Luft erfüllte diesen geheimnisvollen Raum. Seesand, den wohl der Wind durch die Tür hereingetrieben hatte, überzog die runden Steine in den Nischen mit leichtem Weiß. Hamilkar zählte sie mit der Fingerspitze, einen nach dem andern. Dann hüllte er sein Antlitz in einen safrangelben Schleier und warf sich mit ausgestreckten Armen zu Boden.

Draußen traf das Tageslicht auf die schwarzen Scheiben. Zweigartige Schatten, kleine Hügel, wirbelnde Linien, unbestimmte Tierformen zeichneten sich auf den matthellen Platten ab. Das Licht drang hindurch, grausig und doch friedsam, wie es hinter der Sonne in den düsteren Werkstätten der Schöpfung sein mag. Hamilkar bemühte sich, aus seinen Gedanken alle Formen, Symbole und Benennungen der Götter zu verbannen, um besser den unwandelbaren Geist zu erfassen, den der äußere Schein verbirgt. Etwas von der Lebenskraft der Planeten durchdrang ihn, und er empfand gegen den Tod und alle Wechselfälle des Lebens eine bewußt tiefe Verachtung. Als er sich erhob, war er heiteren Mutes, unzugänglich der Furcht und dem Mitleid; und um sich ganz frei zu fühlen, bestieg er den Söller des Turmes, der Karthago hoch überragte.

In weitem Bogen senkte sich die Stadt nach allen Seiten: Karthago mit seinen Kuppeln, Tempeln und Golddächern, seinem Häusermeer, den hie und da dazwischen gestreuten Palmengruppen, den vielen feuersprühenden Glaskugeln. Die Wälle bildeten gleichsam die gigantische Rundung des Füllhorns, das sich vor ihm ausgoß. Er sah unter sich die Häfen, die Plätze, das Innere der Höfe, das Netz der Straßen und ganz klein die Menschen, kaum vom Pflaster unterscheidbar.

Ach, wäre doch Hanno am Morgen der Schlacht bei den Ägatischen Inseln nicht zu spät gekommen!

Hamilkars Blicke blieben am fernsten Horizont haften, und er streckte zitternd beide Arme aus in der Richtung nach Rom.

Die Menge füllte die Stufen zur Akropolis. Auf dem Khamonplatze drängte man sich, um den Suffeten herauskommen zu sehen. Immer mehr Menschen bedeckten die Terrassen. Manche erkannten ihn. Man grüßte ihn. Aber er zog sich zurück, um die Ungeduld des Volkes noch mehr zu reizen.

Unten im Saale fand Hamilkar die bedeutendsten Männer seiner Partei versammelt: Istatten, Subeldia, Hiktamon, Yehubas und andre. Sie berichteten ihm alles, was sich seit dem Friedensschlusse zugetragen hatte: den Geiz der Alten, den Abzug der Söldner, ihre Rückkehr, ihre übertriebenen Forderungen, Gisgos Gefangennahme, den Raub des Zaimphs, Utikas Entsetzung und abermalige Belagerung. Niemand aber wagte ihm die Ereignisse zu berichten, die ihn persönlich betrafen. Schließlich trennte man sich, um sich bei Nacht in der Versammlung der Alten im Molochtempel wiederzusehn.

Hamilkar war kaum allein, als sich draußen vor der Tür Lärm erhob. Trotz der Abwehr der Diener versuchte jemand einzudringen, und da der Tumult zunahm, befahl der Suffet, den Unbekannten hereinzuführen.

Es erschien ein altes Negerweib, bucklig, runzlig, zitterig, blöd dreinblickend und bis zu den Sohlen in weite blaue Schleier gehüllt. Sie trat vor den Suffeten, und beide blickten sich eine Weile an. Plötzlich erbebte Hamilkar. Auf einen Wink seiner Hand gingen die Sklaven hinaus. Alsdann gab er der Alten ein Zeichen, leise mitzukommen, und zog sie am Arm in ein abgelegenes Gemach.

Sie warf sich zu Boden, um seine Füße zu küssen. Er riß sie heftig wieder hoch.

»Wo hast du ihn gelassen, Iddibal?«

»Da drüben, Herr!«

Die Gestalt warf ihre Schleier ab, dann rieb sie sich mit dem Ärmel das Gesicht. Die schwarze Farbe, das greisenhafte Zittern, der krumme Rücken, alles das verschwand. Jetzt stand ein kräftiger alter Mann da, dessen Haut von Sand, Wind und Meer wie gegerbt aussah. Auf seinem Haupte ragte ein Büschel weißer Haare hoch, wie der Federstutz eines Vogels. Mit einem spöttischen Blick wies er auf die am Boden liegende Verkleidung.

 

»Das hast du gut gemacht, Iddibal! Sehr gut!« Und ihn mit seinem scharfen Blicke schier durchbohrend, fragte Hamilkar: »Es ahnt doch keiner etwas?«

Der Greis schwur bei den Kabiren, daß das Geheimnis bewahrt sei. »Nie,« so sagte er, »verlassen wir unsre Hütte, die drei Tagereisen von Hadrumet fern liegt. Der Strand ist dort nur von Schildkröten bevölkert, und Palmenbäume wachsen auf den Dünen. Und wie du befohlen, Herr, lehre ich ihn Speere werfen und Gespanne lenken.«

»Er ist kräftig, nicht wahr?«

»Jawohl, Herr, und auch beherzt! Er fürchtet sich weder vor Schlangen, noch vor dem Donner, noch vor Gespenstern. Barfuß wie ein Hirtenbub läuft er am Rande der Abgründe hin.«

»Erzähl mir mehr! Sprich!«

»Er erfindet Fallen für die wilden Tiere. Vorigen Mond – wirst du es glauben? – hat er einen Adler gefangen. Er brachte ihn hinter sich hergeschleppt, und die großen Blutstropfen des Vogels und des Kindes fielen wie abgeschlagene Rosen. Das wütende Tier schlug mit seinen Flügeln um sich. Der Junge erwürgte es an seiner Brust, und je matter es wurde, um so lauter und stolzer erscholl sein Lachen – wie Schwertergeklirr.«

Hamilkar neigte das Haupt, ergriffen von diesem Vorzeichen künftiger Größe.

»Aber seit einiger Zeit quält ihn Unruhe. Er schaut immer nach den Segeln, die in der Ferne vorüberziehen. Er ist trübsinnig, will nicht essen, fragt nach den Göttern und will Karthago kennen lernen …«

»Nein, nein! Noch nicht!« rief der Suffet.

Der alte Sklave schien die Gefahr zu kennen, die Hamilkar schreckte, und er fuhr fort:

»Wie soll ich ihn zurückhalten? Schon muß ich ihm Versprechungen machen, und ich bin nur nach Karthago gekommen, um ihm einen Dolch mit einem silbernen perlenbesetzten Griff zu kaufen.« Dann erzählte er noch, daß er den Suffeten auf der Terrasse erblickt und sich bei den Hafenwächtern für eine der Frauen Salambos ausgegeben hätte, um zu ihm zu gelangen.

Lange blieb Hamilkar in Nachdenken versunken. Endlich sagte er:

»Morgen bei Sonnenuntergang wirst du dich in Megara hinter der Purpurfabrik einfinden und dreimal den Schrei des Schakals nachahmen. Siehst du mich nicht, dann kehrst du am ersten Tage in jedem Mond nach Karthago zurück. Vergiß das nicht! Liebe ihn! Jetzt darfst du ihm von Hamilkar erzählen.«

Der Sklave legte seine Verkleidung wieder an, und sie verließen zusammen das Haus und den Hafen.

Hamilkar schritt zu Fuß und ohne Begleitung weiter, denn die Versammlungen der Alten waren bei außergewöhnlichen Umständen stets geheim, und man begab sich möglichst unauffällig dahin.

Zuerst schritt er an der Ostseite der Akropolis entlang, ging dann über den Gemüsemarkt, durch die Galerien von Kinisdo und das Stadtviertel der Spezereienhändler. Die wenigen Lichter erloschen, eins nach dem andern. Die breiteren Straßen wurden still. Alsbald huschten Schatten durch die Dunkelheit. Sie folgten ihm. Andre kamen dazu, und alle schritten in der Richtung nach der Straße der Mappalier.

Der Molochtempel stand am Fuß einer steilen Schlucht, an einem unheimlichen Orte. Von unten erblickte man nur endlos emporsteigende Mauern, gleich den Wänden eines ungeheuren Grabmals. Die Nacht war dunkel. Grauer Nebel lastete auf dem Meere, das mit einem röchelnden, jammernden Geräusch gegen die Klippen schlug. Die Schatten verschwanden nach und nach, als seien sie in die Mauern hineingeschlüpft.

Sobald man das Tor durchschritten, befand man sich in einem weiten viereckigen Hofe, der rings von Säulengängen umgeben war. In der Mitte erhob sich ein großes achtseitiges Gebäude, von Kuppeln überragt, die ein zweites Stockwerk umschlossen. Auf ihm thronte eine Art von Rundbau, den ein Kegel mit einer Kugel auf der Spitze abschloß.

In zylinderförmigen Silberdrahtkörben auf Stangen, die von Männern getragen wurden, brannten Feuer. Bei jähen Windstößen flackerten die Flammen und warfen roten Schein auf die goldenen Kämme, die das geflochtene Haar der Fackelträger im Nacken hielten. Sie liefen hin und her und riefen einander, um die Alten zu empfangen.

In bestimmten Abständen hockten auf den Steinfliesen – wie Sphinxe – ungeheure Löwen, lebendige Symbole der verzehrenden Sonne. Sie schliefen mit halbgeschlossenen Lidern. Die Schritte und Stimmen weckten sie auf. Sie erhoben sich gemächlich und trotteten den Alten entgegen. Sie erkannten sie an ihrer Tracht, rieben sich an ihren Beinen und krümmten unter lautem Gähnen den Rücken. Ihr Atem flog in das flackernde Fackellicht. Das Geräusch nahm zu. Türen schlossen sich.

Kein Priester war mehr zu sehen. Auch die Alten verschwanden unter den Säulen, die eine tiefe Vorhalle rings um den Tempel bildeten.

In konzentrischen Reihen angeordnet, stellten diese Säulen die saturnische Periode in der Weise dar, daß die Jahre die Monate und die Monate die Tage umschlossen. Der innerste Säulenkreis stieß an die Mauer des Allerheiligsten.

Dort legten die Alten ihre Stöcke aus Narwalhorn ab. Ein nie außer acht gelassenes Gesetz bestrafte nämlich jeden mit dem Tode, der in der Sitzung mit irgendeiner Waffe erschien. Mehrere trugen am Saum ihres Gewandes einen Riß, zum Zeichen, daß sie bei der Trauer um den Tod ihrer Angehörigen ihre Kleider nicht geschont hatten. Doch verhinderte ein am Ende des Risses angesetzter Purpurstreifen, daß er größer wurde. Andre trugen ihren Bart in einem Beutel aus veilchenblauem Leder, der mit zwei Bändern an den Ohren befestigt war. Alle begrüßten sich, indem sie einander umarmten. Sie umringten Hamilkar und beglückwünschten ihn. Man hätte meinen können, Brüder sähen einen Bruder wieder.

Diese Männer waren in der Mehrzahl untersetzt und hatten gebogene Nasen, wie die assyrischen Kolosse. Etliche jedoch verrieten durch ihre vorspringenden Backenknochen, ihren höheren Wuchs und ihre schmäleren Füße afrikanische Abkunft und nomadische Vorfahren. Die beständig in ihren Kontoren hockten, hatten bleiche Gesichter. Andre verrieten in ihrer Erscheinung den Ernst der Wüste, und seltsame Juwelen funkelten an allen Fingern ihrer Hände, die von fernen Sonnen gebräunt waren. Die Seefahrer erkannte man an ihrem wiegenden Gang, während die Landwirte nach der Kelter, nach Heu und Maultierschweiß rochen. Diese alten Seeräuber waren Ackerbauer geworden, diese Wucherer rüsteten Schiffe aus, diese Plantagenbesitzer hielten sich Sklaven, die allerlei Handwerk betrieben. Alle waren sie in den religiösen Bräuchen bewandert, in Ränken erfahren, unbarmherzig und reich. Sie sahen versorgt aus, und ihre flammenden Augen blickten mißtrauisch. Das fortwährende Reisen und Lügen, Schachern und Befehlen hatte ihrem ganzen Wesen einen Anstrich von List und Gewalttätigkeit, eine Art verstohlener, krampfhafter Roheit verliehen. Überdies verdüsterte sie die fromme Umgebung.

Zuerst durchschritten sie einen gewölbten Saal, dessen Grundriß eiförmig war. Sieben Türen, den sieben Planeten entsprechend, bildeten an der Wand verschiedenfarbige Vierecke. Ein langes Gemach folgte. Dann ging es wieder in einen dem ersten ähnlichen Saal.

Im Hintergrunde brannte ein Kandelaber, über und über mit ziselierten Blumen bedeckt. Jeder seiner acht goldenen Arme trug einen Kelch von Diamanten mit einem Leinwanddochte. Er stand auf der obersten der langen Stufen, die zu einem großen Altar führten, dessen Ecken eherne Hörner schmückten. Zwei seitliche Treppen führten zur Altarplatte hinauf. Sie war kaum mehr zu erkennen. Sie glich einem Berg aufgehäufter Asche, auf dessen Spitze etwas Unerkennbares langsam rauchte. Darüber, höher als der Kandelaber und viel höher als der Altar, starrte der Moloch, ganz aus Eisen, mit einer Männerbrust, in der eine weite Öffnung klaffte. Seine ausgespannten Flügel erstreckten sich über die Wand, und seine überlangen Hände reichten bis zum Boden hinab. Drei schwarze Steine mit gelben Rändern funkelten als drei Augen auf seiner Stirn. Er sah aus, als wolle er brüllen und als recke er mit furchtbarer Anstrengung seinen Stierkopf in die Höhe.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»