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Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago

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Dann brachte Taanach ihr in einem Alabasterfläschchen eine halbgeronnene Flüssigkeit. Es war das Blut eines schwarzen Hundes, der in einer Winternacht von unfruchtbaren Weibern in den Ruinen eines Grabes getötet worden war. Salambo rieb sich damit die Ohren, die Fersen und den Daumen der rechten Hand ein, wobei der Fingernagel ein wenig gerötet wurde, als hätte er eine Frucht zerdrückt.

Der Mond ging auf. In diesem Augenblicke begannen Harfe und Flöte ineinander zu tönen.

Salambo legte ihre Ohrgehänge, ihr Halsband, ihre Armringe und ihr langes weißes Obergewand ab, löste ihre Haarbinde und schüttelte ihr sie umwallendes Haar eine Weile leise, um sich an den Strähnen die Schultern zu kühlen. Die Musik draußen tönte fort: es waren drei hastige wilde Töne, die immer wiederkehrten. Die Saiten der Harfe klangen schrill, die Flöte gurgelte. Taanach schlug den Takt mit ihren Händen. Salambo wiegte sich mit ihrem ganzen Körper und sang Gebete ab, wobei ihre Kleider niederfielen, eins nach dem andern. Einer der schweren Teppiche an der Wand bewegte sich, und über der Schnur, die ihn trug, erschien der Kopf der Pythonschlange. Langsam glitt sie herab wie ein Wassertropfen, der an der Wand herunterrinnt, kroch zwischen den daliegenden Gewändern hin und richtete sich dann, den Schwanz auf den Boden gestemmt, kerzengerade in die Höhe. Ihre starr auf Salambo gerichteten Augen blitzten heller denn Karfunkelsteine.

Aus Scheu vor der Kälte oder vielleicht auch aus Scham zögerte Salambo eine Weile. Dann aber fielen ihr die Befehle Schahabarims ein, und sie ging auf die Schlange zu. Diese neigte sich herab, legte die Mitte ihres Leibes auf den Nacken der Jungfrau und ließ Kopf und Schwanz herunterhängen wie ein zerbrochenes Halsband, dessen beide Enden zu Boden fallen. Salambo schlang das Tier um ihre Hüften, unter ihren Arm hindurch, um ihre Knie. Dann faßte sie es beim Kopfe, drückte seinen kleinen dreieckigen Rachen dicht an ihre Lippen und beugte sich mit halbgeschlossenen Augen hintenüber. Das weiße Mondlicht umsickerte sie mit silbrigem Nebel. Die nassen Spuren ihrer Füße glänzten auf den Fliesen. Helle Sterne zitterten in der Tiefe des Wassers. Die Schlange schmiegte ihre schwarzen goldgesprenkelten Schuppen eng an Salambo. Sie keuchte unter dieser schweren Last. Ihre Hüften gaben nach. Sie fühlte sich dem Tode nahe. Der Python streichelte ihr mit dem Schwanzende sanft die Schenkel …

Plötzlich schwieg die Musik, und das Tier sank zurück.

Taanach trat wieder zu Salambo; und nachdem sie zwei Lampen aufgestellt hatte, deren Flammen in wassergefüllten Kristallkugeln brannten, färbte sie die Handflächen ihrer Herrin mit Henna, streute ihr auf die Wangen Zinnober, Antimon über die Augenlider, und verlängerte ihre Wimpern mit einem Brei aus Gummi, Moschus, Ebenholz und zerquetschten Fliegenfüßen.

Salambo saß auf einem Stuhle mit Elfenbeinfüßen und überließ sich der Sorgfalt ihrer Sklavin. Doch die Hantierungen, der Duft der Parfümerien und der Hunger nach dem langen Fasten gingen über ihre Kräfte. Sie wurde so bleich, daß Taanach innehielt.

»Fahr fort!« gebot Salambo.

Sie nahm sich gewaltsam zusammen und kam allmählich wieder zu sich. Jetzt ward sie voller Unruhe und trieb Taanach zur Eile an. Die alte Dienerin murmelte:

»Ja, ja, Herrin! Es erwartet dich doch niemand!«

»Doch!« erwiderte Salambo. »Es erwartet mich wohl jemand!«

Taanach fuhr vor Erstaunen zurück, und um mehr zu erfahren, fragte sie:

»Was befiehlst du, Herrin? Denn wenn du fort mußt …«

Da brach Salambo in Tränen aus.

»Du leidest!« rief die Sklavin. »Was fehlt dir? Geh nicht fort! Nimm mich mit! Als du noch ganz klein warst, nahm ich dich an mein Herz, wenn du weintest, und brachte dich mit den Spitzen meiner Brüste zum Lachen. Du hast sie ausgesogen, Herrin!« Dabei schlug sie sich auf ihren vertrockneten Busen. »Jetzt bin ich alt und kann nichts mehr für dich tun! Du liebst mich nicht mehr! Du verheimlichst mir deine Schmerzen! Du verachtest die Amme!« Sie weinte vor Liebe und Ärger, und die Tränen rannen an ihren Wangen herab durch die Narben ihrer Tätowierung.

»Nein!« sagte Salambo. »Ich liebe dich doch! Sei guten Muts!«

Mit einem Lächeln, das der Grimasse eines alten Affen glich, nahm Taanach ihre Beschäftigung wieder auf. Die Herrin hatte ihr auf Schahabarims Geheiß befohlen, sie prächtig zu schmücken, und so ward Salambo nach einem barbarischen Geschmack geputzt, der eine Mischung von Unnatur und Naivität war.

Über das dünne weinrote Hemd zog sie ein Kleid, mit Vogelfedern bestickt. Ein breiter goldschuppiger Gürtel umschloß ihre Hüften, von dem ihre blauen bauschigen mit Silbersternen besetzten Beinkleider herabwallten. Dann legte ihr Taanach ein zweites Gewand aus weißer Chinaseide mit grünen Streifen an. Auf den Schultern befestigte sie ihr ein viereckiges Purpurtuch, dessen Saum von Sandasterkörnern beschwert war. Über all diese Kleider hing sie einen schwarzen Mantel mit langer Schleppe. Hierauf betrachtete sie Salambo; und stolz auf ihr Werk, konnte sie nicht umhin, zu erklären:

»Am Hochzeitstage wirst du nicht schöner aussehen!«

»Am Hochzeitstage!« wiederholte Salambo und verlor sich in Träumereien, indes sie den Ellbogen auf die Stuhllehne aus Elfenbein stützte.

Taanach stellte vor ihr einen Kupferspiegel auf, der so hoch und breit war, daß sie sich vollständig darin erblicken konnte. Da erhob sich Salambo und schob mit einer leichten Handbewegung eine Locke zurück, die zu tief herabhing.

Ihr Haar war mit Goldstaub gepudert, auf der Stirn gekräuselt und floß in langen Locken, an deren Enden Perlen hingen, den Rücken hinab. Das Licht der Lampe belebte die Schminke auf ihren Wangen, das Gold auf ihren Gewändern und die Blässe ihrer Haut. Um die Hüften, an den Handgelenken, Fingern und Zehen trug sie eine solche Fülle von Edelsteinen, daß der Spiegel wie von Sonnenstrahlen sprühte. So stand Salambo hochaufgerichtet neben Taanach, die sich vorbeugte, um sie zu betrachten, und lächelte über all den Glanz.

Dann ging sie hin und her, damit ihr die Zeit, die ihr noch blieb, schneller vergehe.

Da ertönte ein Hahnenschrei. Schnell steckte Salambo einen langen gelben Schleier auf ihrem Haar fest, schlang ein Tuch um den Hals, fuhr mit den Füßen in blaue Lederschuhe und befahl Taanach:

»Geh und sieh unter den Myrtenbäumen nach, ob da nicht ein Mann mit zwei Pferden wartet!«

Kaum war Taanach zurück, so stieg Salambo die Galeerentreppe hinunter.

»Herrin!« rief ihr die Amme nach.

Salambo wandte sich um und legte einen Finger auf den Mund, zum Zeichen, daß sie schweigen und sich nicht rühren solle.

Taanach schlich leise an den Schiffsschnäbeln vorüber an das Geländer. Im Scheine des Mondes bemerkte sie unten in der Zypressenallee einen gigantischen Schatten, der schräg zur Linken von Salambo hinhuschte. Das mußte ein Vorzeichen des Todes sein!

Taanach lief in das Zimmer zurück. Dort warf sie sich lang hin, zerriß ihr Gesicht mit den Fingernägeln, raufte sich das Haar und stieß ein lautes, gellendes Geheul aus.

Dann aber kam ihr der Gedanke, man könne sie hören. Da ward sie still und schluchzte nur noch ganz leise, den Kopf in die Hände und die Stirn auf den Boden gepreßt.

XI
Im Zelte

Der Mann, der Salambo führte, ritt mit ihr in der Richtung nach der Totenstadt, erst bergauf, über den Leuchtturm hinaus, dann durch die langgestreckte Vorstadt Moluya mit ihren abschüssigen Gassen. Der Himmel begann hell zu werden. Balken aus Palmenholz, die aus den Mauern herausragten, zwangen sie bisweilen, sich zu bücken. Obwohl die beiden Pferde im Schritt gingen, glitten sie doch oft aus. So gelangten sie endlich an das Tevester Tor.

Die schweren Torflügel standen halb auf. Die beiden ritten hindurch. Dann schloß sich das Tor hinter ihnen.

Zuerst zogen sie eine Zeitlang am Fuße der Festungswerke hin. Auf der Höhe der Zisternen angelangt, nahmen sie die Richtung nach der Taenia, einer schmalen Nehrung aus gelbem Sande, die den Golf vom Haff trennt und sich bis nach Rades erstreckte.

Kein Mensch war zu sehen, weder in Karthago, noch auf dem Meer oder in der Ebene. Die schiefergraue Flut brandete leise, und der leichte Wind, der mit dem Schaum spielte, jagte weiße Flocken meerwärts. Trotz aller ihrer Kleider und Schleier fröstelte Salambo in der Morgenkühle. Die Bewegung und die frische Luft betäubten sie. Dann aber ging die Sonne auf. Bald brannte sie ihr auf den Hinterkopf und machte sie schläfrig. Die beiden Pferde trotteten im Paß nebeneinander her. Ihre Hufe versanken lautlos im Sande.

Als sie den Berg der Heißen Wasser hinter sich hatten, wurde der Boden fester. Nun ritten sie in flotterer Gangart weiter.

Obwohl es die Zeit des Ackerns und Säens war, dehnten sich die Felder, soweit der Blick reichte, doch öde hin wie eine Wüste. An einzelnen Stellen lagen Haufen von Getreide unordentlich da. Anderswo fielen die Körner aus überreifen Ähren. Am hellen Horizont hoben sich Dörfer in losen, zackigen, schwarzen Umrissen ab.

Hin und wieder standen rauchgeschwärzte Mauerreste am Rande des Weges. Die Dächer der Hütten waren eingestürzt, und im Innern sah man Topfscherben, Kleiderfetzen, allerlei Hausrat und Gegenstände zerbrochen und kaum noch kenntlich umherliegen. Oft kroch ein in Lumpen gehülltes Wesen mit erdfahlem Antlitz und flammenden Augen aus den Trümmern hervor, lief aber schleunigst wieder davon oder verschwand in irgendeinem Loche. Salambo und ihr Führer machten nirgends Halt.

Verödete Ebenen folgten einander. Weite Flächen hellgelben Bodens waren strichweise mit Kohlenstaub bedeckt, der hinter den Hufen der Pferde aufwirbelte. Bisweilen kamen sie auch an friedsamen Stätten vorüber, wo ein Bach zwischen hohen Gräsern rann; und wenn sie am andern Ufer wieder hinaufritten, riß Salambo feuchte Blätter ab, um sich die Hände damit zu kühlen. An der Ecke eines Oleandergebüsches machte ihr Pferd einmal einen großen Satz vor dem Leichnam eines Mannes, der am Boden lag.

 

Der Sklave setzte sie sofort wieder auf ihrem Sattelkissen zurecht. Er war einer von den Tempeldienern, ein Mann, den Schahabarim gelegentlich zu gefährlichen Sendungen gebrauchte.

Der Sicherheit halber lief er fortan zu Fuß zwischen den Pferden neben Salambo hin und trieb die Tiere mit dem Ende eines um den Arm geschlungenen Lederriemens an. Mitunter entnahm er einem an seiner Brust hängenden Körbchen kleine Kügelchen, die aus Weizen, Datteln und Eidotter bereitet und in Lotosblätter gewickelt waren. Er reichte sie Salambo im Gange, ohne ein Wort zu sagen.

Gegen Mittag kreuzten drei mit Tierfellen bekleidete Barbaren ihren Weg. Nach und nach tauchten noch andre auf. Sie streiften in Trupps von zehn, zwölf bis fünfundzwanzig Mann herum. Manche trieben eine Ziege oder eine lahme Kuh. Ihre schweren Stöcke waren mit Eisenspitzen versehen. Große Messer blitzten unter ihren verwahrlosten, schmutzigen Kleidern. Sie rissen die Augen auf, halb drohend, halb verblüfft. Im Vorüberziehen riefen die einen den alltäglichen Gruß, andre zweideutige Scherzworte aus, und Salambos Begleiter antwortete einem jeden in seiner Sprache. Manchen erzählte er, er begleite einen kranken Knaben, der zu seiner Heilung nach einem fernen Tempel wallfahre.

Inzwischen ward es Abend. Fern erscholl Hundegebell. Sie ritten darauf zu.

Im Dämmerschein erblickten sie eine Umfriedung aus lose aufgehäuften Steinen um ein fragwürdiges Gebäude herum. Ein Hund lief auf dem Geröll hin. Der Sklave verjagte ihn mit ein paar Steinwürfen. Sie traten in ein geräumiges Gewölbe.

Mitten darin hockte eine Frau und wärmte sich an einem Reisigfeuer, dessen Rauch durch Löcher in der Decke abzog. Ihr weißes Haar, das ihr bis auf die Knie herabreichte, verbarg sie zur Hälfte. Sie wollte keine Antwort geben und murmelte mit blöder Miene Verwünschungen gegen die Karthager wie gegen die Barbaren.

Der Läufer stöberte rechts und links herum. Dann trat er wieder zu der Alten und forderte etwas zu essen. Sie schüttelte den Kopf und murmelte, in die Kohlen starrend:

»Ich war die Hand … Die zehn Finger sind abgeschnitten … Der Mund ißt nicht mehr …«

Der Sklave zeigte ihr eine Handvoll Goldstücke. Die Alte stürzte sich darüber her, nahm aber alsbald ihre unbewegliche Haltung wieder an.

Da setzte er ihr den Dolch, den er im Gürtel trug, an die Kehle. Alsbald schickte sie sich zitternd an, einen großen Stein aufzuheben. Schließlich brachte sie eine Amphora voll Wein, dazu in Honig eingemachte Fische herbei, die aus Hippo-Diarrhyt bezogen waren.

Salambo wies diese unreine Speise von sich und schlief auf den Pferdedecken ein, die ihr Begleiter in einer Ecke des Gemachs auf den Boden gebreitet hatte.

Vor Tagesanbruch weckte er sie.

Der Hund heulte. Der Sklave schlich leise an ihn heran und hieb ihm mit einem einzigen Messerschlage den Kopf ab. Mit seinem Blute bestrich er die Nüstern der Pferde, um sie zu erfrischen. Die Alte schleuderte ihm aus dem Winkel einen Fluch nach. Salambo hörte ihn und drückte das Amulett, das sie an der Brust trug, fest an sich.

Sie setzten ihren Marsch fort.

Von Zeit zu Zeit fragte sie, ob sie noch nicht bald da seien. Der Weg hob und senkte sich über kleine Anhöhen hin. Man hörte nichts als das Zirpen der Grillen. Die Sonne dörrte das vergilbte Gras. Der Boden war kreuz und quer von Rissen durchzogen, so daß er aussah wie aus großen Platten zusammengefügt. Bisweilen kroch eine Schlange vorbei. Adler flogen über sie hinweg. Der Sklave eilte immer weiter. Salambo träumte unter ihrem Schleier, lockerte ihn aber trotz der Hitze nicht, aus Furcht, ihre schönen Gewänder könnten beschmutzt werden.

In regelmäßigen Abständen erhoben sich Türme, von den Karthagern erbaut, um die Stämme zu überwachen. Die beiden traten ein, um ein wenig im Schatten zu rasten, und setzten dann ihren Weg fort.

Am Tage vorher hatten sie aus Vorsicht einen weiten Umweg gemacht. Nun aber begegneten sie niemandem. Die Gegend war unfruchtbar, und die Barbaren hatten sie darum nicht durchstreift.

Allmählich aber wurden abermals Spuren von Verwüstung bemerkbar. Bisweilen lag mitten auf einem Felde eine Mosaik, der einzige Überrest eines verschwundenen Schlosses. Auch kam man an entblätterten Ölbäumen vorüber, die von ferne aussahen wie große kahle Dornbüsche. Einmal ritten die beiden durch eine Ortschaft, deren Häuser bis auf den Grund niedergebrannt waren. An den Mauern erblickte man menschliche Skelette, auch solche von Dromedaren und Maultieren. Halbzernagtes Aas versperrte die Straßen.

Die Nacht sank herab. Der Himmel hing tief und war mit Wolken bedeckt.

Noch zwei volle Stunden ritten sie in westlicher Richtung bergan, dann erblickten sie plötzlich vor sich eine Anzahl kleiner Feuer.

Sie brannten in der Tiefe eines Talkessels. Hier und da blitzten goldne Flecken auf, die sich hin und her bewegten. Das waren die Panzer der Klinabaren im punischen Lager. Dann unterschieden sie in weiten Kreisen noch andre zahlreichere Lichter, denn die jetzt vereinigten Heere der Söldner nahmen viel Raum ein.

Salambo wollte geradeaus reiten. Doch der Läufer führte sie stark seitwärts. Bald ritten sie längs des Walles hin, der das Barbarenlager umschloß. An einer Stelle war ein Durchlaß. Der Sklave verschwand.

Auf der Krone des Walles schritt ein Posten auf und ab, einen Bogen in der Hand, eine Lanze über der Schulter.

Salambo ritt auf ihn zu. Der Barbar kniete nieder, und ein langer Pfeil durchbohrte den Saum ihres Mantels. Als sie daraufhin unbeweglich stehen blieb, rief der Posten sie an und fragte nach ihrem Begehr.

»Ich will mit Matho reden!« antwortete sie. »Ich bin ein Überläufer aus Karthago.«

Der Soldat stieß einen Pfiff aus, der sich von Posten zu Posten wiederholte.

Salambo wartete. Ihr Pferd wurde unruhig und drehte sich schnaubend im Kreise.

Als Matho kam, ging der Mond gerade hinter Salambo auf. Doch da sie ihren gelben Schleier, auf dem schwarze Blumen gestickt waren, vor dem Gesicht und so viele Gewänder um ihren Leib trug, war sie unerkennbar. Von der Höhe des Walles herab betrachtete der Libyer die formlose Gestalt, die ihm im Abendzwielicht wie ein Gespenst erschien.

Endlich sprach sie zu ihm:

»Führe mich in dein Zelt! Ich will es!«

Eine unklare Erinnerung schoß ihm durch den Kopf. Er fühlte, wie sein Herz pochte. Der gebieterische Ton schüchterte ihn ein.

»So folge mir!« sagte er.

Die Schranke fiel. Salambo war im Lager der Barbaren.

Lauter Lärm und Menschenmengen erfüllten es. Helle Feuer loderten unter aufgehängten Kesseln. Ihr purpurner Widerschein beleuchtete grell einzelne Stellen, während er andre in schwarzem Dunkel ließ. Man schrie und rief. Pferde standen in langen geraden Reihen angehalftert, in der Mitte des Lagers. Die Zelte waren rund oder viereckig, aus Leder oder Leinwand. Dazwischen sah man Schilfhütten oder auch einfache Löcher im Sande, wie sie sich die Hunde scharren. Die Soldaten fuhren Faschinen, lagen mit aufgestütztem Ellbogen auf der Erde oder schickten sich, in Decken gewickelt, zum Schlafen an. Um über sie hinwegzugelangen, mußte Salambos Pferd mehrere Male springen.

Sie entsann sich, alle diese Leute schon gesehen zu haben. Nur waren ihre Bärte jetzt länger, ihre Gesichter schwärzer und ihre Stimmen rauher. Matho schritt vor ihr her und machte ihr mit Gesten des Armes, die seinen roten Mantel lüfteten, den Weg frei. Manche der Soldaten küßten ihm die Hände. Andre sprachen ihn in ehrfürchtiger Haltung an, um Befehle zu empfangen. Er war jetzt der wirkliche einzige Feldherr der Barbaren. Spendius, Autarit und Naravas hatten den Mut verloren. Er dagegen hatte so viel Kühnheit und Ausdauer an den Tag gelegt, daß ihm alle gehorchten.

Salambo ritt hinter ihm durch das ganze Lager. Mathos Zelt lag am Ende, nur noch dreihundert Schritte entfernt von Hamilkars Verschanzungen.

Zur Rechten bemerkte sie eine breite Grube, und es kam ihr vor, als ob über ihrem Rande dicht am Boden Gesichter auftauchten. Sie sahen wie abgeschnittene Köpfe aus, doch ihre Augen bewegten sich, und ihren halbgeöffneten Lippen entflohen Klagen in punischer Sprache.

Zwei Neger mit Harzfackeln standen an beiden Seiten der Zelttür. Matho schlug hastig die Leinwand zurück. Salambo folgte ihm.

Es war ein längliches Zelt mit einem Mast in der Mitte. Eine große Lampe in Form einer Lotosblüte erleuchtete es. Sie war bis zum Rande mit gelbem Öl gefüllt. Dicke Wergflocken schwammen darauf. Im Dunkel erkannte man blinkendes Kriegsgerät. Ein bloßes Schwert lehnte neben einem Schilde an einem Schemel. Peitschen aus Flußpferdhaut, Zimbeln, Schellen und Halsketten lagen bunt durcheinander auf geflochtenen Körben. Schwarze Brotkrumen bedeckten eine Filzdecke. In einer Ecke auf einer runden Steinplatte lagen Kupfermünzen nachlässig aufgehäuft, und durch die Risse in der Leinwand blies der Wind von draußen Staub und den Geruch der Elefanten herein, die man fressen und mit ihren Ketten rasseln hörte.

»Wer bist du?« fragte Matho.

Salambo blickte sich langsam nach allen Seiten um, ohne zu antworten. Dann wandten sich ihre Augen nach dem Hintergrund des Zeltes und blieben auf einem bläulich glitzernden Gegenstand haften, der über einem Lager aus Palmzweigen hing. Sofort schritt sie darauf zu. Ein Schrei entfuhr ihr. Matho blieb hinter ihr und stampfte mit dem Fuße.

»Was führt dich her? Wozu kommst du?«

Sie wies auf den Zaimph und erwiderte:

»Um das da zu holen!«

Mit der andern Hand riß sie den Schleier von ihrem Gesicht. Matho wich zurück, betroffen, fast erschrocken, die Arme nach hinten gestreckt.

Sie fühlte sich von göttlicher Kraft beseelt. Auge in Auge schaute sie ihn an und forderte den Zaimph. Sie verlangte ihn zurück mit beredten hochmütigen Worten.

Matho hörte nicht. Er betrachtete sie. Ihre Gewänder waren in seinen Augen eins mit ihrem Leibe. Die schillernden Stoffe waren ihm ebenso wie ihre schimmernde Haut etwas ganz Besonderes, das nur ihr eigen war. Ihre Augen blitzten im Feuer ihrer Diamanten, und der Glanz ihrer Fingernägel war der Widerschein der funkelnden Steine, die ihre Finger umstrahlten. Die beiden Spangen ihrer Tunika zwängten ihren Busen ein wenig in die Höhe und preßten die beiden Brüste näher aneinander. Mathos Gedanken verloren sich in dem engen Raume zwischen diesen beiden Hügeln, wo an einer Schnur ein smaragdbesetztes Medaillon herabhing. Etwas tiefer lugte es unter der violetten Gaze hervor. Als Ohrgehänge trug sie zwei kleine Schalen aus Saphir, deren jede eine hohle, mit wohlriechender Flüssigkeit gefüllte Perle trug. Durch winzige Löcher in den Perlen sickerte von Zeit zu Zeit ein Tröpfchen des Parfüms herab und benetzte ihre nackten Schultern. Matho sah eins fallen.

Unbezähmbare Neugier ergriff ihn, und wie ein Kind, das nach einer unbekannten Frucht greift, berührte er Salambo zitternd mit der Spitze eines Fingers oben am Busen. Das kühle Fleisch gab mit elastischem Widerstand nach.

Diese kaum fühlbare Berührung erregte Matho bis in das Mark feiner Knochen. Eine wilde Wallung durchflutete seinen ganzen Körper und drängte ihn jäh nach ihr hin. Er hätte sie umschlingen, sie in sich saugen, sie trinken mögen. Seine Brust keuchte, seine Zähne klapperten aufeinander.

Er ergriff Salambo bei den Handgelenken und zog sie sanft an sich. Dann ließ er sich auf einen Harnisch neben dem Lager aus Palmzweigen nieder, auf dem ein Löwenfell ausgebreitet war. Salambo blieb aufrecht stehen. Er hielt sie zwischen seinen Schenkeln und schaute sie vom Kopf bis zu den Füßen an. Immer wieder sagte er.

»Wie schön bist du! Wie schön bist du!«

Seine Blicke, die unablässig auf ihre Augen gerichtet waren, taten ihr weh, und dieses Mißbehagen, dieser Widerwille wurde ihr so schmerzhaft, daß sie an sich halten mußte, um nicht aufzuschreien. Schahabarim fiel ihr ein. Sie fügte sich.

Matho hielt ihre kleinen Hände immerfort in den seinen, aber von Zeit zu Zeit wandte Salambo trotz des priesterlichen Gebotes den Kopf weg und versuchte, sich durch eine Armbewegung loszumachen. Er sog mit weitgeöffneten Nasenflügeln den Duft ein, der von ihr ausströmte, einen unbestimmbaren Geruch, frisch und doch betäubend wie Weihrauch, einen Duft von Honig, Gewürz, Rosen und allerlei Seltsamkeiten.

Aber wie kam sie zu ihm? In sein Zelt, in seine Gewalt? Ohne Zweifel hatte jemand sie dazu angestiftet. War sie wegen des Zaimphs gekommen? Seine Arme fielen schlaff herab. Er neigte den Kopf und versank in schwermütige Träumerei.

Um ihn zu rühren, sagte sie mit klagender Stimme:

 

»Was habe ich dir getan, daß du meinen Tod willst?«

»Deinen Tod?«

Sie fuhr fort:

»Ich sah dich eines Abends im Schein meiner brennenden Gärten, zwischen rauchenden Bäumen und meinen erschlagenen Sklaven, und deine Wut war so groß, daß du auf mich lossprangst und ich fliehen mußte! Dann ist der Schrecken in Karthago eingezogen. Man schrie über die Verwüstung der Städte, die Verheerung der Äcker, das Hinmorden von Soldaten, – und du, du hattest verwüstet, verheert, gemordet! Ich hasse dich! Der bloße Klang deines Namens frißt an mir wie bittere Reue! Du bist verfluchter als die Pest, als der Krieg mit Rom! Die Provinzen zittern vor deinem Zorn, die Felder sind voller Toten. Ich bin der Spur deiner Brandfackeln gefolgt, als ob ich hinter Moloch herginge!«

Matho sprang auf. Ungeheurer Stolz schwellte sein Herz. Er fühlte sich erhaben wie ein Gott.

Mit bebenden Nasenflügeln und zusammengepreßten Zähnen fuhr sie fort:

»Als ob dein Tempelraub nicht schon genug wäre, kamst du zu mir, während ich schlief, in den Zaimph gehüllt. Deine Worte habe ich nicht verstanden, aber ich habe wohl gefühlt, daß du mich zu etwas Schändlichem verführen, mich in einen Abgrund stürzen wolltest …«

Matho rang die Hände und rief:

»Nein, nein! Ich wollte ihn dir schenken! Ihn dir zurückgeben! Mir war, als hätte die Göttin ihr Gewand für dich hergegeben, als gehörte es dir! In ihrem Tempel oder in deinem Hause, – ist das nicht dasselbe? Bist du nicht allmächtig, rein, glänzend und schön wie Tanit?«

Und mit einem Blick voll unendlicher Anbetung fuhr er fort:

»Vielleicht bist du Tanit selbst!«

»Ich, Tanit?« flüsterte Salambo wie zu sich selbst.

Sie schwiegen beide. Donner rollten in der Ferne. Vom Gewitter erschreckt, blökten Schafe.

»Komm näher!« hub er wieder an. »Komm näher! Fürchte nichts!

»Ehedem war ich nur ein gemeiner Soldat im großen Haufen der Söldner. Ich war so sanftmütig, daß ich für die andern das Holz auf dem Rücken schleppte. Was kümmert mich eigentlich Karthago! Sein Menschengewühl wimmelt wie verloren im Staube deiner Sandalen, und nach all seinen Schätzen, all seinen Provinzen, Flotten und Inseln gelüstet mich weniger als nach der Frische deiner Lippen und der Rundung deiner Schultern. Ich wollte seine Mauern brechen, um zu dir zu gelangen, um dich zu besitzen! Inzwischen habe ich mich gerächt. Ich zertrete jetzt die Menschen wie Muschelschalen, ich werfe mich auf die Regimenter, ich stoße mit den Händen die Lanzen beiseite, ich packe die Hengste an den Nüstern. Mich tötet das schwerste Geschütz nicht! O, wenn du wüßtest, wie ich mitten im Kampfe an dich denke! Zuweilen ergreift mich plötzlich die Erinnerung an eine Gebärde von dir, an eine Falte deines Gewandes. Das umschlingt mich wie ein Netz. Ich sehe deine Augen in den Flammen der Brandpfeile und auf dem Gold der Schilde. Ich höre deine Stimme im Schalle der Zimbeln. Wende ich mich um, und du bist nicht da, – dann stürze ich mich von neuem ins Schlachtgewühl!«

Er reckte die Arme hoch, an denen sich die Adern kreuzten, wie Efeuranken am Stamme eines Baumes. Schweiß rann zwischen den mächtigen Muskeln seiner Brust hinab. Sein Atem erschütterte seine Rippen und den ehernen Gürtel mit dem Riemenbesatz, der ihm herabreichte bis auf die Knie, die fester waren als Marmor. Salambo, die nur Eunuchen gesehen hatte, ward von der Kraft dieses Mannes hingerissen. Das war die Strafe der Göttin oder der Zauber Molochs, der um sie her in fünf Heeren sein Wesen trieb! Mattigkeit ergriff sie. Halb betäubt hörte sie kaum noch den Ruf der Posten draußen, die in Intervallen einander zuriefen.

Die Flammen der Lampe flackerten unter dem stoßweise eindringenden heißen Winde. Zuweilen zuckten grelle Blitze. Hinterher ward die Dunkelheit immer um so tiefer, und sie sah nichts mehr als Mathos Augen wie zwei glühende Kohlen durch die Nacht leuchten. Eins fühlte sie: daß das Schicksal sie hierher geleitet hatte, daß sie vor einer wichtigen unwiderruflichen Entscheidung stand. Sich aufraffend, ging sie auf den Zaimph zu und hob die Hände, um ihn zu ergreifen.

»Was tust du?« rief Matho.

»Ich kehre nach Karthago zurück!« erwiderte sie ruhig. Er schritt mit verschränkten Armen und so furchtbarer Miene auf sie zu, daß sie wie angewurzelt stehen blieb. »Du kehrst nach Karthago zurück?« stammelte er. Und zähneknirschend wiederholte er: »Du kehrst nach Karthago zurück? So, du kamst also, mir den Zaimph zu rauben, mich wehrlos zu machen und dann zu verschwinden! Nein, nein! Du gehörst mir! Und niemand soll dich mir wieder entreißen! Ach, ich habe den Hochmut deiner großen stillen Augen nicht vergessen, noch, wie du mich mit deiner hehren Schönheit zu Boden schmettertest! Jetzt ist die Reihe an mir! Du bist meine Gefangene, meine Sklavin, meine Magd! Rufe, soviel du willst, deinen Vater und sein Heer, die Alten, die Patrizier und dein ganzes verruchtes Volk! Ich bin der Herr über dreimalhunderttausend Soldaten! Und noch mehr werde ich herbeiholen aus Lusitanien, aus Gallien und aus dem Schoße der Wüste, um deine Stadt zu zerstören und alle ihre Tempel zu verbrennen! Die Kriegsschiffe sollen auf einem Meere von Blut schwimmen! Kein Haus, kein Stein, kein Palmbaum soll von Karthago übrig bleiben! Und wenn mir die Menschen fehlen, so hole ich die Bären aus den Gebirgen und treibe die Löwen in den Kampf. Versuche nicht zu entfliehen! Ich töte dich!«

Bleich und mit geballten Fäusten stand er da und bebte wie eine Harfe, deren Saiten zu zerspringen drohen. Plötzlich aber erstickte seine Stimme in Schluchzen, und er sank in die Knie:

»O, vergib mir! Ich bin ein Ruchloser und weniger wert als ein Skorpion, als Kot und Staub! Eben als du sprachst, wehte dein Atem über mein Gesicht, und ich erquickte mich daran wie ein Verschmachtender, der am Rand eines Baches liegt und trinkt. Zertritt mich! Wenn ich nur deine Füße fühle! Verfluche mich! Wenn ich nur deine Stimme höre! Geh nicht fort! Habe Mitleid! Ich liebe dich! Ich liebe dich!«

Er lag vor ihr auf den Knien, den Kopf zurückgeneigt, und umschlang ihre Hüften mit beiden Armen, mit zuckenden Händen. Die Goldmünzen an seinen Ohren glänzten auf seinem bronzefarbenen Hals. Dicke Tränen quollen aus seinen Augen wie silberne Kugeln. Er seufzte verliebt und murmelte sinnlose Worte, die leiser als ein Hauch und süßer als ein Kuß waren.

Salambo ward von einer weichen Wollust ergriffen, die ihr alles Bewußtsein raubte. Etwas Innigmenschliches und doch Hocherhabenes, ein Gebot der Götter zwang sie, sich darein zu verlieren. Wolken trugen sie empor, und halb ohnmächtig sank sie nieder auf das Lager, in das Löwenfell. Matho ergriff sie an den Füßen. Da zersprang das goldne Kettchen, und die beiden Enden raschelten gegen die Leinwand wie zwei zuckende Schlangen. Der Zaimph fiel herab und umhüllte Salambo. Sie sah Mathos Antlitz sich über ihre Brüste neigen.

»Moloch, du verbrennst mich!«

Die Küsse des Soldaten überliefen sie verzehrender als Flammen. Es war, als ob ein wilder Sturm sie fortriß, als ob die Glut der Sonne sie durchlodere.

Er küßte alle ihre Finger, ihre Hände, ihre Arme, ihre Füße, die langen Flechten ihres Haars.

»Nimm den Mantel mit!« sprach er. »Was liegt mir daran! Entführe aber auch mich! Ich will das Heer verlassen! Will auf alles verzichten! Dort hinter Gades, zwanzig Tageslängen weit im Meere, da liegt eine Insel, übersät von Goldstaub, Bäumen und Vögeln. Auf den Bergen wiegen sich große Blumen, voll Düften, die emporwirbeln wie der Rauch heiliger ewiger Lampen. Von Limonenbäumen, die höher ragen als Zedern, werfen milchweiße Schlangen mit diamantenen Zähnen die Früchte hinunter auf den Rasen. Die Luft ist so mild, daß man nicht sterben kann. O, diese Insel will ich finden, du sollst sehen! Wir werden in Kristallgrotten leben, am Fuße der Hügel. Noch wohnt niemand dort, und ich werde König des Landes werden!«

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