Allumfassendes Mitgefühl

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ÜBER DIE VORTEILE NACHDENKEN, ANDERE ZU SCHÄTZEN

Meditiere über die große Güte aller Wesen.

Den kostbaren menschlichen Körper, den wir jetzt besitzen, haben wir durch die Güte anderer Wesen erlangt. Auch die Vergnügen, an denen wir uns als Menschen erfreuen, wurden durch die Güte anderer ermöglicht. Unsere Ausbildung, unser Verständnis, unsere Fertigkeiten, Erfahrungen usw. verdanken wir der Güte anderer. Die Gelegenheit, Dharma zu hören, darüber nachzudenken und zu meditieren, verdanken wir genauso der Güte anderer; und Befreiung und Erleuchtung werden ebenfalls durch die Güte anderer erlangt. Wenn wir auf diese Weise meditieren, werden wir zu der tiefen Überzeugung gelangen, dass uns alle Lebewesen Güte entgegenbringen.

Da die Hauptursachen für das Erlangen einer menschlichen Wiedergeburt das Ausüben von moralischer Disziplin, Geben und Geduld sind, müssen wir diese in der Vergangenheit praktiziert haben. Wer waren die Objekte unserer Praxis? Es waren andere Lebewesen. Ohne sie wären wir nicht in der Lage gewesen, die Ursachen für eine menschliche Wiedergeburt zu erschaffen. Durch ihre Güte haben wir dieses kostbare menschliche Leben erlangt, das bedeutsamer als ein ganzes Universum voller Juwelen ist.

Unsere täglichen Bedürfnisse werden durch die Güte anderer gestillt. Aus unseren früheren Leben haben wir nichts mit uns gebracht. Trotzdem gab man uns sofort nach unserer Geburt ein Heim, Essen, Kleidung und alles, was wir sonst noch brauchten – alles durch die Güte anderer. Alles, woran wir uns jetzt erfreuen, wurde durch die vergangene oder gegenwärtige Freigebigkeit anderer Wesen ermöglicht. Wir können viele Dinge gebrauchen und nutzen, ohne selbst viel dazu beigetragen zu haben. Denken wir nur an Einrichtungen wie Straßen, Häuser, Autos, Züge, Flugzeuge, Schiffe, Restaurants, Hotels, Bibliotheken, Museen und Läden, dann wird uns klar, dass viele Leute hart arbeiten und große Entbehrungen ertragen mussten, um all dies zu erschaffen. Wir könnten denken, dass es nicht an der Güte der anderen liegt, dass wir diese Dinge nutzen können, sondern weil wir dafür bezahlen. Doch wo kommt das Geld her? Es fällt nicht vom Himmel oder wächst auf Bäumen. Es wurde von anderen geschaffen. Vielleicht haben wir aber immer noch das Gefühl, dass uns das Geld nicht geschenkt, sondern dass es durch unsere harte Arbeit erworben wurde; aber auch unsere Arbeit wird durch andere ermöglicht. Jemand muss uns einstellen oder Geschäfte mit uns machen. Eine Arbeit oder ein Geschäft zu haben ist wie Geld zu haben.

Wenn wir dies sorgfältig überprüfen, wird uns klarer werden, wie uns andere durch ihre Güte helfen. Nachdem wir es auf diese Weise geprüft haben, sollten wir zu dem Schluss kommen: «Ich muss andere Wesen schätzen, weil sie so gütig sind.» Mit diesem Entschluss sollten wir versuchen, eine Geisteshaltung zu erzeugen, die alle Wesen gleichermaßen liebt, und dann halten wir diese liebende Geisteshaltung in einsgerichteter Meditation.

Wenn wir gründlich darüber nachdenken, werden wir auch verstehen, dass all unser gegenwärtiges und zukünftiges Glück von unserer Wertschätzung für andere abhängt. Wie kommt das? In vergangenen Leben haben wir es vermieden, diejenigen, für die wir sorgten, zu verletzen, zu töten oder zu bestehlen, und wir waren großzügig und geduldig mit ihnen, weil wir sie liebten, und als Ergebnis dieser positiven Handlungen haben wir jetzt dieses kostbare menschliche Leben erlangt. Manchmal haben wir anderen in der Vergangenheit auch geholfen oder sie beschützt, weil wir um sie besorgt waren, und infolgedessen erhalten wir jetzt Hilfe und genießen erfreuliche Lebensumstände.

Wenn wir in diesem Leben aufrichtig das Wertschätzen anderer praktizieren, werden wir die vielen Probleme unserer Wut, Eifersucht und dergleichen lösen, und unser Geist wird stets ruhig und friedvoll sein. Das Wertschätzen anderer bringt ihnen Glück und verhindert Streit und Auseinandersetzungen. Wenn wir andere Wesen schätzen, werden wir es vermeiden, ihnen durch negative Handlungen Schaden zuzufügen. Stattdessen werden wir uns in positiven Handlungen wie Liebe, Geduld und Freigebigkeit üben und somit die Ursachen erzeugen, in der Zukunft glücklich und zufrieden zu sein. Wenn wir außerdem das Wertschätzen anderer zu unserer Hauptpraxis machen, werden wir nach und nach großes Mitgefühl und Bodhichitta entwickeln. Schließlich werden wir das endgültige Glück der großen Erleuchtung erlangen.

Durch solche Überlegungen werde wir zu dem folgenden Entschluss gelangen: «Ich muss andere Wesen immer schätzen, denn diese kostbare Geisteshaltung der Liebe wird mir selbst und anderen Glück bringen.» Dann halten wir diesen Gedanken fest und meditieren über ihn so lange wie möglich mit einsgerichteter Konzentration. Während der Meditationspause sollten wir versuchen diese Geisteshaltung stets zu bewahren, ganz gleich was wir tun.

Es ist sehr wichtig, alle heiligen erleuchteten Wesen um ihre Segnungen zu bitten, damit wir die Erfahrung des kostbaren Geistes gewinnen, der alle Lebewesen schätzt. Dazu können wir das folgende Gebet aus Darbringung an den Spirituellen Meister rezitieren:

Da ich sehe, dass der Geist, der Mutterwesen schätzt und der bestrebt ist, ihr Glück zu sichern,

Das Tor ist, das zu unendlich guten Qualitäten führt,

Erbitte ich Deine Segnungen, um diese Wesen mehr als mein Leben zu lieben,

Sogar wenn sie sich als Feinde gegen mich erheben.


MEDITATION ÜBER DAS AUSTAUSCHEN VOM SELBST MIT ANDEREN

Die vielen Gefahren der Selbst-Wertschätzung und die vielen Vorteile, andere zu schätzen, werden hauptsächlich deshalb erklärt, weil wir durch das wiederholte und sorgfältige Nachdenken über diese Punkte fähig sein werden, das Selbst mit anderen auszutauschen. Das Austauschen vom Selbst mit anderen bedeutet nicht, dass wir jemand anders und die anderen wir selbst werden. Was wir austauschen, ist das Objekt unserer Wertschätzung. Gegenwärtig sind wir selbst das Objekt unseres Geistes der Selbst-Wertschätzung, doch wenn wir das Selbst mit anderen austauschen, werden andere Wesen das Objekt unserer Wertschätzung sein.

Wir müssen das Selbst mit anderen austauschen, weil die Selbst-Wertschätzung die Wurzel aller unserer Probleme ist, während die Geisteshaltung, die andere schätzt, die Quelle alles Guten ist. Durch diese Praxis werden wir vorübergehendes und endgültiges Glück finden. Im Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas sagt Shantideva:

Die Kindischen arbeiten nur für sich selbst,

Während die Buddhas nur für andere arbeiten –

Schau bloß auf den Unterschied zwischen ihnen!

Die «Kindischen» bezieht sich hier auf gewöhnliche Wesen, die durch Eigeninteresse motiviert, nichts außer Leiden erreichen, während die Buddhas, die ständig für andere arbeiten, Buddhaschaft erlangt haben und völlig frei von Leiden sind. Diesen Unterschied erkennend, sollten wir beschließen, andere Wesen mehr als uns selbst zu schätzen, weil es notwendig ist, dass wir Erleuchtung erlangen.

Wir sollten uns nicht dadurch entmutigen lassen, dass wir denken, das Austauschen vom Selbst mit anderen sei zu schwierig für uns. Shantideva sagt im Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas, dass selbst extrem schwierige Dinge, wie das Wertschätzen unseres erbittertsten Feindes, durch die Kraft der Vertrautheit leicht werden. Deshalb werden wir durch aufrichtige und geduldige Praxis mit Sicherheit schließlich das Selbst mit anderen austauschen können.

Der Körper, den wir jetzt so schätzen, gehört uns eigentlich überhaupt nicht, sondern entstand aus einer Mischung aus dem Sperma unseres Vaters und der Eizelle unserer Mutter. Wir betrachten ihn aber trotzdem als unseren Körper, weil wir so vertraut mit ihm sind. Genauso wie wir uns daran gewöhnt haben, diesen Körper als unseren eigenen zu schätzen, obwohl er in Wirklichkeit unseren Eltern gehört, so können wir auch andere Wesen als unser Objekt der Wertschätzung nehmen. Allmählich können wir dann mit dieser Vorstellung vertraut werden, bis es für uns durch die Kraft völliger Vertrautheit leicht wird, andere statt uns selbst zu schätzen.

Wir können meinen eigenen Fall als Beispiel nehmen. Als ich ein acht Jahre alter Novizenmönch war, schätzte ich den Körper des Novizenmönches. Als ich im Alter von einundzwanzig Jahren ein voll ordinierter Mönch wurde, schätzte ich den Körper eines jungen voll ordinierten Mönches. Wenn ich achtzig Jahre alt sein werde, werde ich den Körper eines alten voll ordinierten Mönches schätzen. Wir meinen, dass der beobachtete Körper der gleiche bleibt, doch das tut er nicht. Als ich ein Mönch wurde, verschwand der Körper des Laienjungen. Jahr für Jahr ändert sich das Objekt der Wertschätzung, und weil sich das Objekt ändert, ändert sich auch der Gedanke «ich». Die Person des letzten Jahres beispielsweise ist jetzt völlig verschwunden. Da sich das Objekt unserer Wertschätzung ganz natürlich auf diese Weise ändert, gibt es keinen Grund, warum wir nicht das Objekt unserer Wertschätzung gegen andere Lebewesen austauschen können. Die Entwicklung eines Geistes, der andere schätzt, hängt von Bemühen, Vertrautheit und Übung ab.

Durch das Überdenken dieser Punkte sollten wir den festen Entschluss fassen, nur andere fühlende Wesen zu schätzen und dann so lange wie möglich mit einsgerichteter Konzentration darüber meditieren.

Es ist besser, damit zu beginnen, unsere Freunde und Verwandten zu schätzen, und unsere Wertschätzung dann allmählich zu erweitern, bis alle Lebewesen einbezogen sind. Das wird nicht so schnell möglich sein, aber mit Beharrlichkeit werden wir Erfolg haben. Wir sollten dieses Gefühl der Wertschätzung für andere während der Meditationspause bewahren und es zusammen mit all unseren täglichen Handlungen praktizieren. Der Maßstab dafür, das Austauschen vom Selbst mit anderen realisiert zu haben, ist, in jeder Situation andere Wesen mehr als uns selbst zu schätzen.

 

Es ist sehr wichtig, alle Buddhas, Bodhisattvas und anderen heiligen Wesen zu bitten, uns ihre Segnungen für das Erlangen der Realisation des Austauschens vom Selbst mit anderen zu gewähren. Dazu können wir das folgende Gebet aus Darbringung an den Spirituellen Meister rezitieren:

Da meine Selbst-Wertschätzung das Tor zu allen Fehlern

Und die Wertschätzung der Mutterwesen die Grundlage aller guten Qualitäten ist,

Erbitte ich Deine Segnungen, um den Yoga des Austauschens vom Selbst mit anderen

Zu meiner wesentlichsten Praxis zu machen.


MEDITATION ÜBER NEHMEN UND GEBEN

Schule dich abwechselnd im Geben und Nehmen.

Diese Meditation hat zwei Teile:

1. Nehmen mittels Mitgefühl

2. Geben mittels Liebe

Wir praktizieren Nehmen und Geben abwechselnd. «Nehmen» bedeutet in diesem Zusammenhang, das Leiden anderer auf uns selbst zu nehmen, und «Geben» bedeutet, ihnen all unser Glück zu geben. Da es für Lebewesen unmöglich ist, reines Glück zu genießen, solange sie leiden, beginnen wir mit der Praxis des Nehmens und praktizieren anschließend Geben.

NEHMEN MITTELS MITGEFÜHL

Wir praktizieren Nehmen mit der Motivation von Mitgefühl. Wir alle empfinden manchmal Mitgefühl; das ist unsere Buddha-Natur. Es gibt niemanden, der nicht Sympathie für seine Kinder, Eltern oder Freunde empfindet, wenn sie leiden, und es gibt einige, die sehr tugendhafte Veranlagungen haben, die selbst für Fremde Mitgefühl empfinden. Wenn wir den Bereich unseres Mitgefühls allmählich ausdehnen, werden wir schließlich spontanes Mitgefühl für alle Lebewesen entwickeln. Ein Geist, der wünscht, alle Lebewesen vor Leiden zu beschützen, ist großes Mitgefühl. Wenn wir diesen Geist entwickeln und allmählich verstärken, wird er schließlich zum Mitgefühl eines Buddhas werden. Nur das Mitgefühl eines Buddhas besitzt die Macht, alle Lebewesen tatsächlich vor Leiden zu beschützen. Der Weg zur Erleuchtung besteht deshalb darin, unseren gegenwärtigen Geist des Mitgefühls zu erweitern und voll zu entwickeln.

Mitgefühl ist der Ursprung eines Buddhas, weil alle Buddhas aus dem Geist des Mitgefühls entstehen. Mitgefühl ist der Ursprung des Dharmas, weil Buddhas die Dharma-Unterweisungen aus Mitgefühl für andere geben. Mitgefühl ist auch der Ursprung des Sangha, weil es unmöglich ist, Sangha zu werden, ohne Mitgefühl zu praktizieren. Der mongolische Lama Tayang, ein großer Meditierender und hoch geachteter Gelehrter, verfasste eine Lobpreisung an das Mitgefühl, die Kostbarer kristallener Rosenkranz heißt. Darin sagt er:

Mitgefühl ist die Mutter aller Buddhas.

Mitgefühl ist der kostbarste Schatz der Bodhisattvas.

Mitgefühl ist der unsichtbare Freund der Wandernden.

Möge ich durch großes Mitgefühl beschützt sein.

Buddhas sind nicht von Anfang an erleuchtet. Sie waren einmal gewöhnliche Wesen wie wir und wie wir trugen sie die Samen des Mitgefühls in sich. Durch das Anwenden der korrekten Methoden steigerten sie ihr Mitgefühl und machten es immer kraftvoller, bis es sich schließlich in das endgültige Mitgefühl eines Buddhas umwandelte. Darum sagt Lama Tayang, dass Mitgefühl die «Mutter aller Buddhas» ist. Wenn wir erleuchtet werden wollen, sollten wir tun, was die früheren Buddhas getan haben und unser gegenwärtiges Mitgefühl vergrößern. Es ist jedoch unmöglich, unser Mitgefühl ohne Kenntnis und Praxis der korrekten Methoden zu steigern.

Bodhisattvas betreten den spirituellen Pfad des Mahayana aus großem Mitgefühl und während ihrer Schulung sind alle ihre Handlungen durch Mitgefühl motiviert. Durch die Macht ihres Mitgefühls erlangen sie schließlich Erleuchtung. Darum betrachten sie Mitgefühl als ihren «kostbarsten Schatz».

Mitgefühl schützt und hilft den Lebewesen tatsächlich, aber da sie dies nicht direkt sehen können, wird es «der unsichtbare Freund der Wandernden genannt. Mit großem Mitgefühl gibt es nichts mehr vor Samsara zu fürchten, und wir werden nicht in der Gefahr sein, in niedere Bereiche zu fallen. Wir werden von Freude zu Freude gehen, bis wir schließlich volle Erleuchtung erlangen. So ist Mitgefühl die eigentliche Zuflucht und der Beschützer aller Lebewesen.

Wenn eine Mutter sieht, dass ihr kleines Kind Schmerzen hat, empfindet sie Mitgefühl, weil sie ihr Kind liebt. Wenn sie aber sieht, dass ihre Feinde in Schwierigkeiten sind, empfindet sie vielleicht überhaupt kein Mitgefühl, weil sie sie nicht liebt. Wenn sie eine unvoreingenommene Geisteshaltung hätte, die alle Wesen schätzte, würde sie instinktiv das gleiche Mitgefühl für ihren Feind und für ihr Kind empfinden. Wir sollten versuchen, solch unvoreingenommenes Mitgefühl für alle Lebewesen zu entwickeln. Dazu müssen wir als erstes unsere Wertschätzung für andere ausdehnen, bis wir wertschätzende Liebe für alle Lebewesen empfinden. Wenn wir dann über ihr Leiden nachdenken, werden wir ganz natürlich Mitgefühl für sie entwickeln.

Statt über unsere eigenen Probleme besorgt zu sein, die uns nur depressiv und unglücklich machen, sollten wir über die Schwierigkeiten anderer nachdenken. Auf diese Weise beginnen wir, Sympathie für sie zu empfinden. Wenn wir das bei allen tun, denen wir begegnen – Freunden, Nachbarn, Fremden, Reichen und Armen – werden wir sehen, dass jedes gewöhnliche Wesen Probleme hat. Selbst diejenigen, die am wenigsten leiden, haben doch noch die Leiden von Geburt, Krankheit, Altern, Tod, unerfüllten Wünschen und unerfreulichen Bedingungen zu ertragen; und alle müssen zu der einen oder anderen Zeit extreme Leiden erdulden. Im Fernsehen oder in der Zeitung sehen wir Menschen, die ständig unerträglich leiden. Selbst Staatsoberhäupter und die sehr Reichen sind nicht ausgenommen. Auch wenn wir solche Leute beneiden und denken, dass sie mit ihrem Status und Reichtum glücklich sein müssen, ist dies weit von der Realität entfernt. Sie haben aufgrund ihrer größeren Verantwortung viel mehr Probleme und Sorgen und sind durch ihren Reichtum und ihre Position vielleicht sogar körperlicher Gefahr ausgesetzt.

Um über großes Mitgefühl zu meditieren, entwickeln wir als erstes Liebe, die alle Lebewesen schätzt, und dann denken wir mit dieser Geisteshaltung wieder und wieder über ihre Leiden nach. Schließlich wird eine Empfindung von Mitgefühl in uns entstehen, und wir werden denken: «Wie wundervoll wäre es, wenn ich alle diese Lebewesen von ihren Leiden befreien könnte.» Wenn dieses Gefühl entstanden ist, bewahren wir es, indem wir so lange wie möglich mit einsgerichteter Konzentration darüber meditieren.

Es ist auch wichtig, die Versammlung der Buddhas, Bodhisattvas und anderen heiligen Wesen immer wieder um ihre Segnungen zu bitten, damit wir großes Mitgefühl erzeugen können. Dazu können wir das folgende Gebet aus Darbringung an den Spirituellen Meister rezitieren:

Daran denkend, dass alle bemitleidenswerten Wandernden meine Mütter sind,

Die mich immer wieder aus Güte umsorgt und geliebt haben,

Erbitte ich Deine Segnungen, um ein spontanes Mitgefühl zu erzeugen

Wie das einer liebenden Mutter für ihr liebstes Kind.

Beginne die Folge mit dem Nehmen von deiner eigenen Seite.

Um über Nehmen zu meditieren, entwickeln wir zuerst Mitgefühl für alle Lebewesen, so wie es zuvor erklärt wurde, und lassen unseren Geist mit diesem Mitgefühl vollkommen eins werden. Dann beginnen wir mit der eigentlichen Meditation über das Nehmen der Leiden anderer. Vielleicht fällt es uns zu Beginn schwer, das Leiden anderer auf uns zu nehmen, besonders das Leiden unserer Feinde. Das wird aber mit dem Anwachsen unseres Mitgefühls einfacher werden. Die oben zitierte Zeile aus dem Urtext gibt uns den Rat, dass wir damit beginnen können, unser eigenes zukünftiges Leiden auf uns zu nehmen, wenn es uns schwer fällt das Leiden anderer auf uns zu nehmen. Es ist nicht notwendig, unser vergangenes Leiden auf uns zu nehmen. Wir nehmen nur das Leiden auf uns, das wir von jetzt an bis zu unserer Befreiung aus Samsara erfahren müssen. Als erstes fassen wir den Entschluss:

Mit diesem gegenwärtigen Körper und Geist werde ich alle meine zukünftigen Leiden auf mich nehmen. Dadurch werde ich mein gesamtes negatives Karma reinigen und diese Leiden in der Zukunft nicht mehr ertragen müssen. Dann werde ich allmählich die Leiden anderer auf mich nehmen können.

Wenn wir diesen Entschluss gefasst haben, stellen wir uns vor, dass alle Leiden, die wir in diesem verbleibenden Leben erfahren müssen, wie zum Beispiel die Leiden durch Krankheit, Altern und Tod, die Form von schwarzem Rauch annehmen. Dieser sammelt sich in einer großen Wolke und löst sich in unser Herz auf, und wir stellen uns deutlich vor, dass er unsere Selbst-Wertschätzung und unser negatives Karma vollständig zerstört. Dann stellen wir uns vor, dass sich alles Leiden unserer zukünftigen Leben als schwarzer Rauch in unser Herz auflöst und abermals unseren Geist der Selbst-Wertschätzung und unser negatives Karma vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung, dass wir unseren Geist der Selbst-Wertschätzung und unser negatives Karma gereinigt und zerstört haben und dann freuen wir uns. Über dieses Gefühl der Freude meditieren wir so lange wie möglich.

Wenn wir bereit sind, das Leiden anderer auf uns zu nehmen, haben wir zwei Möglichkeiten. Entweder konzentrieren wir uns allgemein auf alle Lebewesen und stellen uns vor, dass wir ihre Leiden auf uns nehmen, oder wir konzentrieren uns auf ein einzelnes Wesen oder eine bestimmte Gruppe von Lebewesen und stellen uns vor, ihre besonderen Leiden auf uns zu nehmen.

Um die erste Methode zu praktizieren, betrachten wir alle Lebewesen als unsere gütigen Mütter und denken:

Alle diese Mutterwesen ertrinken im Ozean Samsaras und leiden für lange Zeit immer wieder unter unerträglichen Qualen. Wie wundervoll wäre es, wenn sie aus diesem großen Ozean des Leidens erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst werden. Ich selbst werde sie erlösen.

Mit dieser starken, mitfühlenden Motivation denken wir:

Mögen die Leiden und das negative Karma aller Lebewesen in mir reifen, und mögen sie somit sofort von Leiden und seinen Ursachen erlöst sein.

Mit diesem innigen Gebet stellen wir uns vor, dass sich das Leiden und negative Karma aller Lebewesen in der Form von schwarzem Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die feste Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Lebewesen aus dem Ozean Samsaras erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile, freuen uns und meditieren über diese Freude so lange wie möglich mit einsgerichteter Konzentration.

Bei der zweiten Methode konzentrieren wir uns auf bestimmte Gruppen von Wesen, zum Beispiel auf die Wesen, die jeden der sechs Bereiche Samsaras bewohnen, und stellen uns vor, dass wir ihr besonderes Leiden auf uns nehmen. Zuerst konzentrieren wir uns auf die Wesen, die in den heißen Höllen leiden und denken:

Diese Wesen, die alle meine gütigen Mütter sind, haben keine andere Wahl, als für viele Äonen die Qualen extremer Hitze zu ertragen. Wie wundervoll wäre es, wenn sie so schnell wie möglich von diesen schrecklichen Leiden erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst sein. Ich selbst werde sie erlösen.

Mit dieser mitfühlenden Geisteshaltung denken wir:

Möge ich all ihr Leiden und negatives Karma auf mich nehmen, und mögen sie dadurch vollständig von Leiden und seinen Ursachen erlöst sein.

Mit diesem innigen Gebet stellen wir uns vor, dass sich all ihr Leiden und negatives Karma in der Form von schwarzem Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Wesen in den heißen Höllen von ihren Leiden erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile, freuen uns und meditieren über diese Freude so lange wie möglich.

 

Um die Leiden der Wesen in den kalten Höllen auf uns zu nehmen, konzentrieren wir uns auf sie und denken:

Alle diese Mutterwesen müssen für viele Äonen unter unerträglicher Kälte leiden. Wie wundervoll wäre es, wenn sie von diesem Leiden erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst werden. Ich selbst werde sie erlösen.

Mit diesem aufrichtigen Gebet stellen wir uns vor, dass sich all ihr Leiden und negatives Karma in der Form von schwarzem Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Wesen in den kalten Höllen von ihren Leiden erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile, freuen uns und meditieren über diese Freude so lange wie möglich.

Dann konzentrieren wir uns auf die Wesen in den Bereichen der Hungrigen Geister. Wir erinnern uns daran, dass sie unsere Mütter sind, und denken darüber nach, dass sie jetzt für viele Äonen den Schmerz und die Qual heftigen Hungers erleiden müssen. Wir empfinden starkes Mitgefühl für sie und denken:

Wie wundervoll wäre es, wenn sie nicht länger solche Leiden ertragen müssten. Mögen sie von ihren Leiden erlöst sein. Ich selbst werde sie erlösen.

Mit dieser mitfühlenden Geisteshaltung sprechen wir das innige Gebet:

Mögen alle ihre Leiden des Hungers und Durstes und ihr nichttugendhaftes Karma in mir reifen, damit sie von ihren Leiden und deren Ursachen erlöst werden.

Wir stellen uns vor, dass sich all ihr Leiden und negatives Karma in der Form von schwarzem Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Hungrigen Geister von ihren Leiden erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile und freuen uns. Diese Freude halten wir so lange wie möglich mit Achtsamkeit fest.

Dann konzentrieren wir uns auf die Wesen im Tierbereich und denken:

Alle diese bemitleidenswerten Mutterwesen sind dazu verdammt, tiefe Unwissenheit, Misshandlungen, Ausnutzung durch Menschen, Gefangenschaft, Schlachtung und viele andere Ängste und Qualen zu erleiden. Wie wundervoll wäre es, wenn sie von diesen Leiden erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst sein. Ich selbst werde sie erlösen.

Wir stellen uns vor, dass sich all ihr Leiden und negatives Karma als schwarzer Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Gleichzeitig sind alle Tiere von jedem Leiden und seinen Ursachen befreit. Wir entwickeln die Überzeugung, dass sie durch unsere Praxis des Nehmens vollkommen befreit wurden, jetzt nur noch Glück und Frieden erfahren und dass wir selbst frei von Selbst-Wertschätzung geworden sind. Wir halten diese Überzeugung für eine Weile und freuen uns. Über diese Freude meditieren wir so lange wie möglich.

Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf die Wesen des menschlichen Bereiches und denken:

Alle Menschen, ob sie meine Freunde, meine Feinde oder Fremde sind, müssen, ohne irgendeine Wahl zu haben, zahllose Leiden wie Geburt, Altern, Krankheit, Schmerz und Tod ertragen. Wie wundervoll wäre es, wenn sie von diesen Qualen erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst werden. Ich selbst will sie erlösen. Mögen alle ihre Leiden und ihr negatives Karma jetzt in mir reifen.

Wir stellen uns vor, dass sich all ihr Leiden und ihr negatives Karma in der Form von schwarzem Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die feste Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Menschen von ihren besonderen und allgemeinen Leiden erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile und freuen uns. Über diese Freude meditieren wir so lange wie möglich.

Dann konzentrieren wir uns auf die Wesen des Halbgötterbereiches und denken:

Jedes dieser Wesen ist meine gütige Mutter, aber jetzt müssen sie die Leiden der Eifersucht und des Streites erfahren. Wie wundervoll wäre es, wenn sie von diesen Leiden erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst werden. Ich selbst werde sie erlösen. Mögen sie dadurch, dass ich ihr negatives Karma und Leiden auf mich nehme, frei von ihrem Elend werden.

Wir stellen uns vor, dass sich ihre gesamte Eifersucht und Aggression, ihr Schmerz und Elend als schwarzer Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung: «Jetzt habe ich alle diese Wesen von ihren Leiden erlöst und meine Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile und freuen uns. Über diese Freude meditieren wir so lange wie möglich.

Dann konzentrieren wir uns auf die Wesen der Götterbereiche und denken:

Alle diese Wesen sind meine lieben Mütter, aber auf Grund ihrer verunreinigten Anhäufungen müssen sie sich bei Herannahen des Todes vor dem Verlust ihrer Vitalität, ihrer Pracht und ihres Glücks fürchten. Wie wundervoll wäre es, wenn sie von ihren Ängsten und Leiden erlöst werden könnten. Mögen sie erlöst sein. Ich selbst werde sie erlösen. Mögen ihre Leiden und deren Ursachen jetzt in mir reifen.

Wir stellen uns vor, dass sich all ihr Leiden und verunreinigtes Karma als schwarzer Rauch ansammelt, der sich in unser Herz auflöst und unsere Selbst-Wertschätzung vollständig zerstört. Wir entwickeln die Überzeugung: «Jetzt habe ich alle Götter von ihren Leiden und deren Ursachen erlöst und meinen Geist der Selbst-Wertschätzung zerstört.» Wir halten diese Überzeugung für eine Weile und freuen uns. Über diese Freude meditieren wir so lange wie möglich.

Das ist die Art und Weise, wie das Nehmen des Leidens aller Wesen der sechs Bereiche praktiziert wird. In jedem Bereich gibt es individuelle und besondere Leiden zu bedenken. Wenn wir uns zum Beispiel auf die Leiden der Menschen konzentrieren, können wir unsere Aufmerksamkeit auf eine einzelne kranke Person oder eine Gruppe von Menschen, die an einer bestimmten Krankheit leiden, oder auf alle kranken Menschen im allgemeinen richten. Wir können uns auch auf Menschen konzentrieren, die unter Hungersnot, Dürre, Armut, Krieg, Unfällen, Katastrophen und so fort leiden. Wenn wir unser Objekt gewählt haben, entwickeln wir starkes Mitgefühl, sprechen Gebete und beschließen diese Leiden zu beseitigen. Dann praktizieren wir das Nehmen, so wie es erklärt wurde. Die gleiche Methode kann in jeder vorstellbaren Situation angewandt werden.

Wenn wir mit dieser Praxis noch nicht vertraut sind, sollten wir uns zu Anfang auf unsere Eltern, Kinder, Freunde und Verwandten konzentrieren. Dann können wir allmählich unsere Nachbarn, die Leute der Umgebung, des ganzen Landes, alle Menschen und schließlich alle Wesen der sechs Bereiche mit einbeziehen.

Am Ende jeder Meditationssitzung machen wir die folgende Widmung:

Möge durch die Kraft dieser Tugend jedes einzelne Lebewesen von Leiden, negativem Karma, Gefahr und Angst erlöst werden.

Wir können allgemeine Widmungen machen oder Widmungen für bestimmte Zwecke, ganz wie wir es wünschen.

Im allgemeinen gibt es zwei Wege, negatives Karma zu reinigen: durch bestimmte Reinigungsübungen oder durch Leiden. Milarepa ist ein Beispiel für den zweiten Weg. Er tötete in seiner Jugendzeit viele Menschen und erzeugte dadurch sehr schweres negatives Karma. Später erlaubte ihm sein Spiritueller Meister Marpa, viele Strapazen auf sich zu nehmen, die heftiges Leiden mit sich brachten. Dieses Leiden war das eigentliche Mittel, wodurch er seine gesamte Negativität reinigte. In Tibet gibt es ein Sprichwort, das besagt, dass Leiden wie ein Besen sei, der Negativität fortfege. Die Praxis, das Leiden anderer auf sich zu nehmen, ist eine erhabene Methode, nichttugendhaftes Karma zu reinigen, Verdienste anzusammeln und unser Mitgefühl zu vertiefen.

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