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Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.

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»Und wenn nicht?«

»Trotzkopf« murmelte der Franzose ärgerlich sich auf dem Absatz herumdrehend – »so nimm denn die Folgen. Und doch geb' ich Dir noch Zeit zum Nachdenken bis morgen früh,« setzte er nach kurzem Sinnen hinzu – »überleg' es Dir wohl und handle danach, und Gott leite Dich, daß Du den rechten Weg gehst; wenn aber nach dem Morgenschuß nicht die Tricolore von Deinem Hause weht, dann komm' ich nicht mehr zu Dir hinüber, sondern schicke Dir rauheren Besuch, und Du hast die Folgen Dir selber zuzuschreiben.«

Und damit rasch das Zimmer verlassend, rannte er fast gegen den Missionair, der gerade im Begriff schien es zu betreten. Mr. Pritchard grüßte ihn, und machte eine Bewegung, als ob er ihn anreden wolle, der Französische Admiral war aber keineswegs in einer Stimmung sich mit ihm einzulassen, berührte einfach seinen Hut, und ging mit raschen Schritten wieder der Landung zu, wo indessen seine Leute, von den Indianern umlagert, doch dem gemessenen Befehl nach nicht den mindesten Verkehr mit diesen haltend, das Boot weit genug vom Strand abgestoßen hatten flott, und außer Verbindung mit dem Ufer zu bleiben. Rasch griffen aber die Riemen wieder ins Wasser, als sie ihren Vorgesetzten zurückkehren sahen – ein kurzer Befehl und einer der Leute sprang mit einem vorn im Boote liegenden Pakete – der zusammengerollten Französischen Flagge – die Uferbank hinauf, dem Hause Pomares zu, sie dort für die Königin dem ersten Mädchen gebend das er traf; wenige Minuten später kam er in raschem Lauf zurück, das Boot flog herum und schnitt wieder, zischend und schäumend, wie ein verfolgter Fisch die Oberfläche theilend, der Reine blanche entgegen, die in all ihrer dunklen furchtbaren Majestät vielleicht eine Kabelslänge davon vor Anker lag.

Capitel 3.
Die Tahitische Flagge

Sadie hatte indessen gar trübe, angsterfüllte Tage verlebt; Renés Wunde war allerdings nicht gefährlich, ja sogar viel leichter als sie im Anfang gefürchtet, gewesen und heilte so rasch, daß er schon am nächsten Tage wieder sein Lager verlassen und mit dem Arm in der Binde sich ziemlich frei umherbewegen konnte, aber Renés Gegner war an seiner Wunde gestorben, und so sehr sich auch Bertrand jetzt Mühe gab, die Kunde dem Ohr der armen jungen Frau noch vorzuenthalten, brachte doch schwatzhafter Mund die Trauernachricht auch in ihre Hütte und füllte ihr Herz mit unermeßlichem Weh. —

René ein Mörder – ihrethalben, und Alles was ihr der Geistliche erst vor wenigen Tagen von Schmach und Sünde und Gottes Zorn gesagt, traf ihr die Seele jetzt mit hundertfacher Kraft, und schrieb ihr den bitteren furchtbaren Vorwurf mit blutigen Zügen tief in das angstgequälte Herz. – René ein Mörder – Blut an der Hand, die sie in Glück und Liebe tausendmal geküßt – Blut an der Hand, in die sie die ihrige vor Gottes Altar einst gelegt. Heiliger Vater im Himmel, wie ihr das Nerv und Leben traf, und ihr das Blut fast starren machte in den Adern – und René? Als sie zu ihm stürzte, sich an seinen Hals warf und ihn trösten wollte mit einem Herzen, dem jeder Trost gebrach, als sie da vor ihm auf die Knie fiel, und ihn nieder ziehn wollte zu sich, in brünstigem Gebet Linderung zu finden für das Entsetzliche, und nur Thränen hatte in ihrem ersten furchtbaren Schmerz, nur Thränen die ihr Blut schienen wie sie ihr von den Wimpern niederbrannten – da blieb er kalt. Das Blut hatte wohl seine Wangen verlassen bei der Nachricht, aber kein weiteres Zeichen, kein Muskel seines Angesichts verrieth daß er fühle was er gethan, und Sadie blickte in Schreck und Staunen zu ihm auf und suchte umsonst sein Herz zu seinem Gott zu wenden, dort Vergebung, dort Gnade zu erflehn vor dem Thron des Allliebenden den er schwer beleidigt ja mit Brudermord.

»Laß das, laß das Kind,« sagte er finster, sich ihrem Griff entziehend – »das sind Sachen die Du nicht verstehst und deshalb nicht begreifen, nicht beurtheilen kannst.«

»Du hast einen Menschen mit kaltem Blut getödtet« weinte Sadie, ohne sich zu erheben – »hast Abschied an dem Morgen von mir genommen und Deinem Kind – hast uns geküßt und geliebkost, und bist mit ruhiger heiterer Stirn hinausgegangen einen Bruder zu ermorden.«

»Sadie« bat René sie jetzt leise und weicher als vorher, als er sah, welchen furchtbaren Eindruck die That auf sie machte, die nur in ihrem nackten Erfolg starr und gräßlich vor ihr stand, während sie die Triebfedern solcher Handlung in Europäischen Begriffen wurzelnd, in ihrem einfach reinen Sinn ja nicht verstehen konnte – »thörichtes Kind, hab' ich Dir denn nicht oft und oft von solchen Sitten aus meinem Vaterland erzählt, wie Mann gegen Mann empfangene Beleidigung nicht anders rächen kann, als mit Pistole oder Degen? und zwang uns nicht Beide das Gesetz der Ehre zu solchem Kampf, selbst wenn wir Beide das Geschehene schon von ganzem Herzen bereut und gern vergessen hätten?«

»Ein Gesetz der Ehre erkanntest Du an,« klagte Sadie, »und vergaßest das Gesetz Gottes – nein, vergaßest es nicht, sondern stießest es mit Füßen von Dir, Deine blutige, unheilvolle Bahn zu gehn – oh René, René, Du hast meinen Frieden zerstört auf ewige Zeiten.«

»Mach mir den Kopf nicht noch wilder mit solchen Reden« bat sie da, kurz abbrechend, René – »die Priester haben Dir all das tolle Zeug in's Hirn gesetzt, und Du weißt recht gut, ich kann's nicht leiden, nicht ertragen.«

»Oh daß Du die Stimme der Priester, die Stimme Gottes hören wolltest« klagte das arme Weib, die Hände ringend und das Haupt gesenkt, starr und trostlos vor sich niedersehend – »daß Dir Gottes Wort zum Herzen spräche mit allgewaltigem Klang und Donnerton, Dich aufzuscheuchen vor Dir selber und Dir den Pfad zu zeigen, in all seinen Schrecken und seiner Finsterniß, dem Du mit starrem trotzigem Sinn entgegeneilen willst. Oh der ehrwürdige Vater Rowe hatte ja recht als er mich mahnte, mit heißen brünstigen Worten mahnte, Dich zurückzuhalten von dem was Dir Verderben droht – aber konnte ich es denn? – ward mir armen schwachen Weibe denn die Kraft gegeben? ich kann nur beten für Dich, René, und den Heiland bitten, Dich vor Dir selber zu schützen und Geduld mit Dir zu haben in seiner Allbarmherzigkeit.«

»Rowe?« sagte René aufmerksam werdend und sah Sadie rasch und scharf an – »was weißt Du von dem Schleicher? – ich will doch nicht hoffen, daß er meine Schwelle betreten?«

»Er war hier« hauchte Sadie, unfähig eine Lüge zu sagen, aber das Blut schoß ihr in Strömen in Stirn und Schläfe.

»Hier? – und Du hast mir das bis jetzt verschwiegen?« – rief René, seinen erwachenden Aerger, überdies schon gereizt, nur mit Mühe bändigend – »zum Teufel mit dem Burschen! was wollte er, was trieb ihn her?«

»Die Sorge um mich« sagte leise Sadie – »er war mein Lehrer in der Kindheit, und nimmt auch jetzt noch Theil an mir; und hat er nicht ein Recht dazu, seit Vater Osborne gestorben und dessen Sorge um meiner Seele Wohl auf ihn allein ja eigentlich doch überging?«

René biß sich auf die Lippen – es drängte ihn, seinem Zorn über den Mann den er alle Ursache hatte zu hassen, und dessen Charakter er nicht ganz ohne Grund bezweifelte, freien Lauf zu lassen, aber er fühlte auch wie weh er der armen Frau dadurch thun würde, und nur die Stirn heftig mit der rechten Hand reibend, ging er einige Mal rasch im Zimmer auf und ab. Endlich aber blieb er neben Sadie, die noch immer in ihrer knieenden Stellung verharrte und das sorgenschwere Haupt an der Stuhllehne in den vorgehaltenen Arm stützte, stehn, und seine Hand auf ihre Stirn legend flüsterte er mit freundlicher liebender Stimme:

»Beruhige Dich, mein Herz; nicht so schwer lastet das Blut auf meiner Seele, daß ich Deinem Gott nicht noch frei und offen in's Auge schauen könnte. Ich bin mir nichts Böses bewußt, denn diese That fällt nicht mir, sie fällt der Gesellschaft zur Last die sie billigt, ja fordert – Nichts hilft es dabei dem Einzelnen sich dagegen zu sträuben. Komm, schau wieder zu mir auf, mein herziges Lieb und laß die Grillen – geschehene Dinge sind nicht mehr zu ändern, und Du brauchst die Hand nicht zu fürchten, die nur mein eigenes Leben vor dem Gegner schützte.«

Sadie schauderte und ihr Antlitz in den Händen bergend flüsterte sie:

»Bete – René – bete zu Gott daß er Dir die That vergeben möge und ich will mit Dir meine Stimme erheben zu dem Höchsten – «

»Sadie«

»Neige Dein Ohr Allmächtiger« flehte die Frau, inbrünstig seine Hand fassend und die Augen zur Decke erhebend, »verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir. – Tröste mich wieder mit Deiner Hülfe und der freudige Geist enthalte mich – denn ich will die Uebertreter Deine Wege lehren, daß sich die Sünder zu Dir bekehren. Errette mich von den Blutschulden Gott, der Du mein Gott und Heiland bist, daß meine Zunge Deine Gerechtigkeit rühme.«

»Komm, komm Sadie« sagte aber René ihr leise doch entschlossen seine Hand entziehend, »das ist genug und ich bin des Lamentirens überdrüssig. Komm wieder zu Dir, daß man ein vernünftig Wort mit Dir reden kann, ich will dann suchen Dich zu überzeugen; bis dahin aber erlaube mir daß ich die frische Luft suche, einmal wieder frei aufzuathmen, denn mir ist schwül und heiß geworden bei Deinen Reden.«

Und den Hut aufgreifend verließ er, ohne selbst weitern Abschied von ihr oder dem Kinde zu nehmen, rasch das Haus und schritt die Straße nach Papetee hinunter.

Sadie verharrte noch eine lange Zeit in ihrer Stellung und betete heiß und brünstig für den geliebten Mann; immer noch hoffte sie dabei daß René zurück – reuig zurückkehren würde, sich mit ihr am Thron des Höchsten niederzuwerfen, und Vergebung zu erflehn für das Verbrechen; aber er kam nicht, und die Angst um ihn trieb sie zuletzt empor und ließ ihr nicht Ruhe und Rast im Haus als sie von Mataoti erfuhr daß er den Weg nach Papetee eingeschlagen und dort ja, wenn man etwas gegen ihn beabsichtige, dem nach ihm ausgestreckten Arm der Gerechtigkeit gerade entgegen eile. Der Leichtsinnige kannte, achtete ja keine Gefahr, aber er hatte auch kein treueres Herz auf der Welt als sein Weib, über ihn zu wachen, und ihr Kind aufgreifend, das ihr lächelnd und den Schmerz nicht ahnend der ihre Brust durchtobte, die Aermchen entgegenstreckte, eilte sie, die heute merkwürdig belebte Straße vermeidend, zum Strand hinunter, machte mit Hülfe Mataotis das Canoe flott und glitt bald darauf, ihr Kind zu ihren Füßen, den schlanken Kahn mit kräftigen Ruderschlägen über die spiegelglatte Fluth treibend, dem nicht so fernen Hafen zu.

 

Die Menschen aber, die heute die Broomroad entlang der Residenz ihrer Königin zudrängten, thaten das nicht blos aus Neugierde, die vielen fremden eingekommenen Schiffe anzustaunen, obgleich Neugierde sie doch größtentheils auf die Beine gebracht, nein sie wußten auch, daß sich in Papetee irgend eine Katastrophe ihrer Insel vorbereite, und wollten dessen Zeuge – ja wie die Sache auslief, auch vielleicht Theilnehmer und Mitwirkende sein.

Durch Mr. Pritchard nämlich, oder Pomare selber, vielleicht auch durch die Einanas die wohl draußen an der Thür gehorcht, war der Inhalt der zwischen Pomare und Du Petit Thouars stattgehabten Unterredung bald, wenigstens in seinen Hauptbestandtheilen, in Papetee und der Umgegend bekannt geworden; man wußte daß der Ferani verlangt hatte, die Königin solle die Landesflagge niederziehn und die Fahne des Feindes dafür hissen, ja man behauptete jetzt sogar schon, er habe im Weigerungsfalle gedroht die Stadt zu beschießen, was Einzelne der Furchtsamsten sogar bewog nach Dunkelwerden ihr bewegliches Eigenthum in den Wald und die Berge zu schaffen, den französischen Kugeln außer Bereich zu kommen.

Nichtsdestoweniger hatte sich an dem, als zur Entscheidung bestimmten Morgen, schon mit Tagesanbruch eine Unmasse Volk gerade am Strand versammelt, während Neuankommende noch immer von den anderen Theilen der Insel herzuströmten, und mit einer Art von scheuer Freude sahen die Tahitier ihre Landesflagge noch stolz und trotzig auf der alten Stelle wehn, und harrten jetzt erwartungsvoll des Resultats. Auch die Decks der fremden Kriegsschiffe, der Französischen wie der Englischen Catch Basilisk die hier natürlich nur eine vollkommen beobachtende Stellung einnehmen konnte, waren von den Officieren wie der Mannschaft besetzt, die mit und ohne Telescope, von Quarterdeck und Back, von Wanten und Marsen aus die Augen fest auf die hier, als entscheidendes Zeichen bekannte Tahitische Flagge gerichtet hielten. Aber der Morgenschuß war vom Bord des Französischen Admiralschiffs gefeuert worden, ohne daß irgend ein feindlicher Schritt gegen die Autorität des Landes, oder die Flagge geschehen wäre, denn der Admiral Du Petit Thouars hatte während der Nacht noch Gegenbefehl gegeben, und die Frist für Pomare bis zum Nachmittag verlängert. Er wollte der trotzköpfigen Insulanerin jede nur mögliche Zeit lassen ihm einen Schritt zu ersparen, den er außerdem nach allem Vorhergegangenen wohl nicht mehr gut vermeiden konnte, zu dem er sich aber auch im Herzen nicht so ganz gerechtfertigt fühlen mochte; wußte er doch nicht einmal, wie er in Frankreich selber aufgenommen werden würde.

Die Königin hatte den Tag über mehre Berathungen mit dem Englischen Consul sowohl, wie den anderen Missionairen. Mr. Pritchard fuhr ebenfalls an Bord des kleinen Englischen Kriegsschiffes, sehr wahrscheinlich den Capitain desselben zu einer Erklärung für ihre Sache zu bewegen. Die Flaggen blieben aber wehen, die Tahitische sowohl wie die Englische, trotzig der Tricolore entgegen, und Du Petit Thouars durfte zuletzt nicht länger zweifeln, daß es Pomare zum Aeußersten treiben wolle der Französischen Macht zu trotzen, und den früheren Vertrag, als ihr in unwürdiger Weise abgezwungen, zu verleugnen.

Bis um vier Uhr Nachmittags war dieser letzte Termin ausgedehnt worden, und ein Theil des Volks hatte sich sogar schon wieder in der Zwischenzeit zerstreut, seine Mahlzeit einzunehmen oder seine Siesta zu halten, bis die entscheidende Stunde schlage. Kein Boot landete indessen von den Schiffen, kein Canoe verließ das Ufer, zu ihnen mit Früchten oder anderen Handelsartikeln hinauszufahren, wie das die Eingeborenen bis jetzt immer sehr unbefangen, mochte das Schiff stammen woher und beabsichtigen was es wolle, gethan. Die Leute fühlten daß jetzt keine Zeit zum Feilschen sei, wo die Matrosen vielleicht mit brennenden Lunten bei ihren Geschützen ständen.

Die Sonne mochte den Zenith wohl schon zwei Stunden überschritten haben, als René die Stadt erreichte und im Anfang wirklich erstaunt über die Aufregung der Leute war, die sonst wahrlich nicht so leicht veranlaßt werden konnten, sich in der Hitze des Tages am offenen Strand herumzutreiben, wo die Palmen- und Guiavenhaine rings umher so trefflichen Schatten boten; er hatte Du Petit Thouars sowohl wie Pomare schon fast vergessen. Die wehende Flagge der letzteren mahnte ihn aber wieder an das Drama, das sich hier entwickeln sollte, und die geschäftig hin und hergehenden Missionaire, die theils mit den verschiedenen Gruppen verkehrten, theils zwischen den Häusern Pomares wie einzelner Häuptlinge, oder auch den eigenen Wohnungen herüber und hinüberwechselten, charakterisirten das Ganze deutlich genug.

Die schwarzgekleideten bleichen Männer, mit den gezwungen milden und doch heute so eilfertigen Zügen konnten nicht dazu dienen Renés überdies gereizte Stimmung zu bessern, oder freundlicher zu gestalten, und finster und schweigend erwiederte er ihren Gruß, wenn sie an ihm vorüberschritten, oder gar ein Gespräch mit ihm anknüpfen wollten in ihrer Art.

Gedanken- und ziellos schlenderte er so am Strande hin, die Arme auf der Brust ineinandergeschlagen, und den Hut fest und verdrossen in die Stirn gezogen, als er plötzlich von klarer wohlbekannter Stimme seinen Namen rufen hörte, und aufschauend sich gerade vor Mr. Belards Hause fand, dessen Fenster eines breiten Hintergebäudes diesen ganzen Theil des Strandes überschauten, und von der Familie eingenommen waren, Zeugen der erwarteten Vorfälle zu sein.

Madame Belard selber hatte ihn gerufen aber er schrak förmlich zusammen, und fühlte wie ihm das aufschießende Blut die Stirnadern zu sprengen drohte, als er dicht neben dem freundlichen Gesicht der jungen hübschen Frau, die engelschönen lächelnden Züge Susannens erkannte, die ebenfalls zu ihm niedergrüßte.

»Es freut uns herzlich, Monsieur Delavigne wieder so frisch und wohl zu sehen,« rief Madame Belard jetzt, als er in aller Ueberraschung und Verlegenheit nur eben flüchtig grüßte und vorüberstürzen wollte – »aber hat er nicht einmal so viel Zeit einen Augenblick herauf zu kommen, und zu sehn wie es alten Freunden geht? Wenn Sie nicht andere Geschäfte fortrufen, haben wir hier ein prächtiges Plätzchen für Sie das Schauspiel, einer friedlichen Insel Eroberung, mit anzusehn und Sie mögen unser Begleiter sein, wenn sich die Erde hier in Französischen Grund und Boden verwandelt.«

»Und darf ich?« frug René, und die Frage galt diesmal dem jungen Mädchen, das bis dahin nur lächelnd zu ihm niedergeschaut und jetzt fröhlich ausrief:

»Wenn Sie sich nicht vor der Tochter Ihres früheren Capitains fürchten – ich wüßte keinen anderen Grund weshalb nicht« – und wenige Minuten später stand René in dem kleinen Gemach an Susannens Seite, die Frauen zu begrüßen.

»Großer Gott, wie bleich sehn Sie aus« rief aber hier das junge Mädchen, als er ihr die Hand gereicht und das Blut, die erste unnatürliche Aufregung vorüber, wieder in seinen alten Canal zurückdrängte – »Ihre Wunde ist noch nicht geheilt, und Sie haben sich zu sehr angestrengt – guter Gott, Ihr Tollkopf wird Sie noch unter die Erde bringen.«

»Und würden Sie mich betrauern?« frug René, ihr forschend ins Auge schauend.

Susanne erröthete, aber Madame Belard enthob sie einer Antwort, denn den jungen Mann dem Lichte zukehrend stimmte sie Susannen bei und erklärte, Monsieur Delavigne gleiche eher einem herumwandelnden Todten, als einem Lebenden, und je eher er sich setze und ein Glas Madeira trinke, desto besser sei es für ihn – zu früh könne es aber gar nicht mehr geschehen, und ihre Schlüssel aufgreifend, von denen sie den Kellerschlüssel ihrer Indianischen Dienerschaft nicht anvertrauen durfte, verließ sie rasch das Zimmer, die eben verordnete Arznei auch gleich selber zu holen und einzugeben, wie ein guter, sorgsamer Arzt.

Susanne und René waren allein, und der Letztere wollte sich eben mit seiner Wunde für sein, vielleicht unfreundlich scheinendes Betragen von vorhin entschuldigen, als diese für ihn selber sprach; die ungewohnte Anstrengung, da es das erste Mal gewesen war nach seiner Verwundung daß er einen solchen Marsch unternommen, die Aufregung zu Hause – jetzt, und beide ach wie so verschiedener Art, wirkten zu heftig auf ihn – er mußte von dem rasch zuspringenden Mädchen unterstützt, zu einem Stuhl taumeln und mit einer Ohnmacht kämpfend, deren Schleier er aber glücklich bezwang, stützte er das todtenbleiche Antlitz in die Hand, sich wieder zu sammeln, zu erholen.

»Sie böser, böser Mann« flüsterte das schöne Mädchen, ihr weiches Tuch rasch in kalt Wasser tauchend und um seine Stirn legend – »was laufen Sie auch toll und wild in die Welt hinein, wenn Sie krank und elend sind – weshalb hat Sie Ihre Sadie nur hinausgelassen?«

Sadie – René athmete tief und schwer und seine Stirn fassend traf er der Jungfrau Hand, die dort das Tuch hielt und sie nicht wegziehn durfte wenn es nicht fallen sollte. Sie blieben wenige Secunden in dieser Stellung und Susanne fuhr wie bestürzt zurück, als sich die Thür rasch öffnete in der Madame Belard mit Flasche und Glas im Arm wieder erschien, und etwas erstaunt, ja erschreckt, das bleiche Antlitz ihres Gastes bemerkte.

»Hallo, was ist hier vorgefallen,« rief sie halb lachend halb bestürzt, »werden die Herren ohnmächtig und müssen ihnen die Damen beistehn? – schöne verkehrte Welt das, aber meine Medicin ist da um so mehr am Platz. Hier Monsieur« fuhr sie fort, ihm ein volles Glas einschenkend, aber zugleich einen flüchtigen Blick nach Susannen hinüberwerfend setzte sie neckend hinzu: »und die Dame da scheint mir auch ein Glas vertragen zu können, Ihr habt Euch Beide alterirt – Wie steht es mit Ihrer Wunde, Delavigne?«

»Besser – gut« sagte er rasch.

»Sie haben von Ihrem Gegner gehört?« frug Susanne leise.

»Ja« hauchte René.

»Er hat es nicht anders haben wollen« beruhigte ihn aber die Französin – »wäre er mit der ersten Lektion zufrieden gewesen, so war die Sache abgemacht und Niemandem ein Schade geschehn – es soll das siebente Duell gewesen sein, das er gehabt. Aber reden wir von etwas Angenehmerem« setzte sie rasch hinzu, »wissen Sie daß unsere junge Freundin Briefe von zu Haus, und noch zwei bis drei Monat Urlaub bekommen hat, auf Tahiti zu bleiben? – der alte Seewolf muß doch gar kein so übler Mann sein.«

»Und ist der Delaware glücklich zu Hause angekommen?« frug René lächelnd zu Susanne gewandt.

»Oh schon lange« erwiederte Susanne, »und hat eine ausgezeichnete Reise gemacht« setzte sie dann mit komischem Ernst hinzu – »Sie haben sich sehr im Lichte gestanden, Monsieur Delavigne, nicht an Bord geblieben zu sein. Sie könnten jetzt ihren Thran zu höchst annehmbaren Preisen – Papa hat mir einen Preis-Courant mitgeschickt, als ob ich für ihn Geschäfte machen sollte – an die Firma Bornholm Watts & Comp. verkaufen und hätten noch immer Zeit genug übrig behalten sich zu einer neuen so romantischen Fahrt auf den Wallfischfang auszuruhen und zu rüsten. Sie werden mir zugeben daß Einem auf einer solchen Fahrt höchst interessante Sachen begegnen können.«

»Sie werden mir zugeben Mademoiselle, daß Sie grausam sind« sagte René – »Sie wissen nicht wie weh Sie mir gerade jetzt mit solchen Worten thun.«

»Gerade jetzt?« frug Susanne erstaunt, aber sie wurden hier durch einen Lärm von der Straße unterbrochen, der sie alle drei rasch an das Fenster rief. Das Rufen und Schreien kam von der, nicht fernen Kirche her, wohin Bruder Dennis einen Theil seiner Gemeinde gezogen und in stürmischer Predigt ihren Patriotismus, ja vielleicht ihren Fanatismus für die heilige Sache der Religion und des Vaterlands erregt haben mochte.

»Gott wie die Menschen schreien« sagte Madame Belard ängstlich – »wenn sie nur Vernunft annehmen und nicht gegen eine Macht gerade zu einer Zeit antrotzen wollten, wo diese den Zügel und die Wehr fest in Händen hält; sie werden noch das größte Unglück über sich hereinrufen.«

»Und von der Fahne da drüben soll es abhängen, ob Krieg ob Frieden« sagte Susanne, nur das Interessante des Augenblicks in dem Bewußtsein fühlend, Zeuge der ganzen Verhandlung zu werden – »was für eine wunderhübsche Flagge das ist, und wie Jammerschade, daß sie soll niedergeholt werden. Seit wann führt denn Pomare die goldene Krone im Wappen, mit dem Cocoszweig?«

 

»Seit thörichte Priester ihre Eitelkeit anstachelten und ihrem Stolz schmeicheln wollten« sagte René finster.

»Denen stecken die Ehrenstellen und einträglichen Aemter im Kopf« rief Madame Belard, »die auf den Sandwichsinseln in dem jetzt ganz nach Europäischem Maßstab eingerichteten Hof Einzelne der Missionaire für sich gewonnen haben; große Titel und Gehalte mit allen möglichen Auszeichnungen. Wenn Pomare eine bloße Insulanerin blieb, eine Pomare wahine, konnte keiner von ihnen Minister werden und das Consulamt bringt neben dem Bischen Ehre, nur Aerger und Verdruß; Minister des Auswärtigen oder der inneren Angelegenheiten klingt besser.«

»Ach Unsinn« lachte Susanne – »es sind zu vernünftige Männer etwas derartig Närrisches zu erstreben. Minister Ihrer Tahitischen Majestät – hahahaha – «

»Klingt nicht weniger gut als Sr. Hawaiischen«4 sagte René ernst, »und dort ist es geschehen. Leider Gottes haben Titel und Orden schon manchen ehrlichen Mann – zu Fall gebracht – nicht einen schlimmeren Ausdruck dafür zu gebrauchen, und der Klang irgend eines langen unbehülflichen Worts, das Blitzen eines farbigen Bandes oder Metallstücks im Knopfloch hat Grundsätze umgeworfen, die dem Schicksal bis dahin fest und gewaltig Trotz geboten. Schade daß sie dies schöne Land jetzt zum Schauplatz ihres unsinnigen Treibens gemacht – es können schwere Zeiten kommen für dies Volk.«

»Glauben Sie das nicht Delavigne« sagte Madame Belard kopfschüttelnd, »der Tahitier, so weit ich ihn kenne, ist sorglos und leichtsinnig, und selbst gleichgültig gegen das Höchste was wir im Leben anerkennen – er hätte seine Religion nicht sonst so leicht, und auf manchen Inseln wirklich aus reiner Gefälligkeit verändert. Der Französische leichte Sinn sagt ihm auch weit mehr zu, als der starre Presbyterianische Ernst. – Nur diesen einen Tag, den ersten Umsturz überstanden, und der Eingeborene wird sich leicht in das Geschehene fügen, ja vielleicht es sogar liebgewinnen, wenn er findet daß es ihm manche Erleichterungen manche Freiheiten bietet, die ihm der starre Methodismus nicht zugestehen wollte.«

René schüttelte den Kopf.

»Wenn sich selber überlassen, ja« sagte er ernst, »aber der Fanatismus wird seine Brandfackel in ihre Herzen schleudern; der heilige Geist wird wieder die Trommel rühren, und die »Lämmer Gottes« zum Kampfe treiben und der Name Gottes wird auf's Neue zum Schlachtschrei gebraucht werden, Ehrgeiz und Habsucht zu verdecken und beleidigte Eitelkeit zu rächen. Ich glaube an keine friedliche Unterwerfung.«

»Sie werden sich natürlich zu den Eingebornen schlagen?« sagte halb neckend halb lauernd Susanne, und ließ ihren Blick fest und forschend auf dem jungen Franzosen ruhn.

»Wir würden dann unter einer Fahne kämpfen« lachte René der Frage ausweichend.

»Wer ich?« rief Susanne schnell – »da haben Sie weit am Ziel vorbeigeschossen, Monsieur; wenn auch in Nordamerika und von einem Protestantischen Vater geboren, bin ich doch in Louisiana im rechten Glauben erzogen, und meine Sympathie ist ganz auf Seiten des Gekreuzigten – ich hasse die Methodisten.«

»Gott weiß es, ich auch« sagte René und der tiefe Seufzer mit dem er es sprach bürgte für die Aufrichtigkeit. »Der beste von ihnen ist gestorben« fuhr er dann, wie mit sich selber redend fort, seine Worte wenigstens an keine der Frauen richtend – »der alte Osborne war ein braver wackerer Mann, und sie haben ihm das Herz gebrochen, mit ihren Intriguen und Anfeindungen. Wenn auch jetzt Einzelne zwischen ihnen sein mögen, die wirklich in wahrem Glaubenseifer der einmal betretenen Bahn folgen – die meisten sind Heuchler, hängen den Namen Gottes vor ihr eigenes Bild, und streuen nur Haß und Unfrieden in Familienkreise, wo sie Liebe und Eintracht säen und die Herzen aneinander festigen sollten statt sie auseinander zu reißen. Gift über sie, mir thäte es in der Seele wohl ihre Macht hier gebrochen, ihr Reich zertrümmert zu sehn – und doch fürchte ich, kann es nicht ohne Blutvergießen geschehn, denn gutwillig geben diese Leute die Waffen nicht aus ihren Händen.«

»Ha der Schuß!« rief Susanna die den Blick gerade auf das Französische Admiralschiff geheftet hielt, und den blendenden Strahl bemerkte, der plötzlich daraus hervorschoß, und mit dem Worte fast schlug der Donner des Geschützes an ihr Ohr und machte das Blut von Tausenden rascher durch die Adern jagen.

»Da kommen auch die Boote!« rief René, »nun wird sich das Schicksal des Tages bald entscheiden.«

»Und glauben Sie daß die Eingebornen jetzt einen Kampf mit uns wagen werden?« frug Madame Belard rasch und ängstlich.

»Fürchten Sie Nichts« lachte aber René – »was können die Unbewaffneten jetzt gegen die Schießgewehre der Soldaten, mit den Kanonen der Fregatten auf sich gerichtet, beginnen, es wäre Wahnsinn, und ein solcher Kampf müßte so rasch enden, wie er begonnen hätte.«

Die Boote stießen wirklich von den verschiedenen Kriegsschiffen ab; Schaluppen vollgedrängt von Bewaffneten, die von den regelmäßigen Riemenschlägen der Matrosen getrieben, rasch wie der Seefalke auf seine Beute, dem Lande zuschossen. Das Ufer stand gedrängt voll Menschen, aber man sah keinen bewaffneten Insulaner; die Lenden und Schultern mit ihren Tüchern umhüllt, die Brust und das Haupt mit Blumen und gelben Bananenblättern geschmückt, lachend und schwatzend standen sie da, die Boote erwartend, als ob deren Kommen eine für sie sehr gleichgültige, vielleicht sogar erwünschte Handlung wäre, und nicht wirklich den Umsturz alles Bestehenden, in Politik, Religion, Regierung und Gesetzen drohte und bedingte.

Kaum Raum gaben sie dabei den landenden Truppen, und wenn diese auch anfänglich mißtrauisch den zahlreichen Schwarm betrachteten, der schon in seiner Masse ihnen hätte eine Art Widerstand bieten können, sahen sie doch bald daß sie hier weder Angriff noch Schwierigkeiten zu erwarten hätten, und der Menschenknäul, fast aus eben so viel Frauen und Mädchen als Männern bestehend, drängte sich langsam auseinander, dem landenden Feinde Raum zu geben, seine Truppen aufzustellen.

Es waren etwa zweihundert Artilleristen und Marinesoldaten und drei bis vierhundert Matrosen, mit Cutlaß, Pistolen und Musketen bewaffnet; die Bayonnette aufgesteckt, und ziemlich gut einexercirt formirten sie sich auf das Commando in einzelne starke Rotten, und zogen mit festem dröhnendem Schritt, von dem Corvetten-Capitain Mons. D'Aubigny angeführt, der sogar zum zeitweiligen Regierungsrath der Insel von dem Admiral Du Petit Thouars ernannt worden, zum Hause Pomares hinauf, von dem noch immer, fest und trotzig die Landesfahne mit der stolzen Krone ihren Feinden furchtlos entgegenwehte.

Im Hause aber lag Alles todtenstill – die Vorhänge waren niedergezogen, die Thüren verschlossen, kein Mensch auf der Verandah oder an irgend einem Fenster zu sehn, denn die Furcht schien doch stärker in den Herzen der Einanas, als die Neugier, und lautlos rückte die Schaar in geschlossenen Colonnen bis dicht vor das Haus, schwenkte, machte Front und die Gewehre rasselten auf das Kommandowort auf den hartgetretenen Boden nieder.

»Und was werden sie jetzt thun, wo sich Niemand ihnen widersetzt?« frug Susanna, und fast unwillkürlich wandte sich ihr Herz dem Schwächeren, Angegriffenen zu, den sie widerstandlos dem mächtigen Feinde übergeben sah.

»Sie werden die Flagge herunternehmen« sagte René, »die Tricolore dafür aufpflanzen und das Land in den Besitz des Königs von Frankreich erklären, so wenigstens lautete die Drohung des Admirals.«

4Seit einigen Jahren ist z. B. am Hawaiischen Hof zu Honolulu auf Oahu »nach reiflicher Ueberlegung beschlossen worden, das beim Wiener Congreß befolgte Ceremoniell behufs des gegenseitigen Ranges fremder Consuln zum Grund zu legen.«
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