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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band

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»Ich bin Doktor Eberhard,« sagte der nächst ihm Sitzende, »meine Geschichte ist bald erzählt; vor zwei Jahren als Schiffsdoktor herübergekommen, habe ich mir die wenigen Patienten, die mir Glück oder Zufall geliefert, selber todt gemacht – wenigstens behaupten meine Freunde so,« sagte er, als die Übrigen lachten, »und würden einen Mordscandal erhoben haben, hätte ich etwas anderes erzählt. Jetzt habe ich einen Cigarrenladen errichtet, an dem mein Freund Höfner da Mitarbeiter ist.«

»Ich habe Theologie studirt« nahm der letzte am Tisch, der neben Bohle saß, die Reihenfolge auf, »und heiße Tanne. Glaubte auch meinen Beruf hier in Amerika, nach Allem, was ich früher darüber gehört, sehr bequem fortsetzen zu können, fand aber nach Jahresfrist daß ich mich darin geirrt. Von einer Gemeinde in Pennsylvanien engagirt, wöchentlich ein Mal zu predigen und sämmtliche Festtage zu halten, wofür ich 30 Dollar monatlich bekam, war ich den Orthodoxen bald nicht orthodox, den Freisinnigen nicht freisinnig genug. Darin vereinigten sich beide Partheien, daß ich nicht für sie tauge und ich ging nach Ohio, wo ich in Columbus eine Zeitlang der deutschen Gemeinde predigte. Umtriebe, die von einem andern »Pfarrer« dort gemacht wurden, ließen mich meine dortige Stellung freiwillig aufgeben, und ich zog die ruhigere Beschäftigung eines Constablers – quasi Nachtwächter – in Dayton vor, wo ich gleichen Gehalt wie als Prediger bekam. Die Nachtluft sagte aber meiner Constitution nicht zu – ich wurde dann in Covington, über dem Ohio drüben, Schullehrer, ärgerte mir da fast den Tod an den Hals und machte dann zwei Reisen als Koch auf einem Dampfboot, bis ich mich jetzt endlich als Pillenfabrikant hier zu Ruhe gesetzt habe, und jetzt ziemlich einträgliche Geschäfte, besonders nach dem Westen der Union mit blutreinigenden sogenannten Tanneschen Pillen mache.«

»So« sagte Bohle, »haben Sie nun die Güte und introduciren Sie sich ebenfalls.«

»Lieber Gott, das ist bald geschehen« lachte Hopfgarten »und ich komme mir, diesen Mannigfaltigkeiten gegenüber, hier ordentlich klein vor. Ich heiße von Hopfgarten, und reise durch die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, das Land selber kennen zu lernen und einen richtigen Begriff davon zu bekommen – sonst bin ich hier noch weiter Nichts gewesen als – Passagier.«

»Aller Ehren werth« rief da Müller lachend, »wenn Sie wirklich noch weiter Nichts gewesen sind; die meisten Fremden sind gewöhnlich in der ersten Zeit auch noch »Hühnchen« und werden gerupft.«

Hopfgarten lachte und meinte, das stünde ihm wohl noch bevor. Von jetzt an wurde das Gespräch allgemein; dadurch übrigens, daß sich alle selber persönlich aufgeführt und vorgestellt hatten, war ein heiterer, ungenirter Geist in das Ganze gekommen; der Fremde war ihnen nicht mehr fremd, und fühlte sich zum ersten Mal, seit er Amerika betreten hatte, wirklich wohl in einer fremden Umgebung. Die Gesellschaft bestand nur aus gebildeten Leuten, die sich schon in der Welt etwas umgesehn und ihre Kräfte versucht hatten, es herrschte ein höchst anständiger, aber vollkommen zwangloser Ton, und trotz ihren verschiedenen Beschäftigungen, die Alle vielleicht wieder in den nächsten Monaten wechselten irgend etwas anderes ihnen mehr zusagendes oder mehr einträgliches zu ergreifen, sah man daß sie einander achteten und gern hatten.

»Und es gefällt Ihnen in Amerika?« hatte Hopfgarten im Lauf der Unterhaltung gewissermaßen die Frage an die ganze Gesellschaft gerichtet; »Sie fühlen sich wohl und zufrieden hier?«

»Ich will Ihnen etwas sagen, mein lieber Herr von Hopfgarten,« nahm hier Tanne die Frage auf – »die Antwort kann nicht einfach mit ja oder nein gegeben werden. Von gefallen oder nicht gefallen kann überhaupt nicht die Rede sein irgend einen Maasstab anzulegen, denn das richtet sich auch großentheils nicht allein nach den Ansichten des Einzelnen, sondern auch nach dem, was er in der alten Heimath zurückgelassen hat. Das Vaterland liegt uns noch Allen in den Gliedern, und wird darin liegen, so lange wir einen Tropfen menschlichen Blutes in uns laufen haben, und nicht solche erbärmliche nichtsnutzige Schwachköpfe – ja ich möchte fast sagen, Schufte geworden sind wie jenes Gesindel, das, ohne irgend eine Vergangenheit, ohne ein Gefühl von Liebe oder Dankbarkeit sich schämt Deutsche zu sein. Eigentlich ist das übrigens nur ein Irrthum von ihnen, sie geben dem Gefühl der Schaam, die ganz richtig in ihnen besteht, nur einen falschen Namen, sie sollten sich überhaupt schämen daß sie auf der Welt sind, und reduciren das auf das Vaterland. Doch um auf unser Thema zurückzufallen – die Galle läuft mir immer über, wenn ich auf das Gesindel zu sprechen komme – so meine ich mit dem Gefallen, daß es sich besonders danach richtet, was wir im alten Vaterland zurückgelassen haben. War das viel Liebes und Gutes, dann freilich wird es Manchem schwer werden, hier in ganz anderen, fremden, ja kalten Verhältnissen – denn Jeder sorgt hier nur für sich selbst, und Gott für uns alle – zurecht zu finden, oder wohl zu fühlen. War das nicht der Fall, gingen wir mit leichtem Herzen fort, ist es freilich etwas anderes, und wir werden auch im Stande sein, uns hier leichter einzurichten. Es sind dann nicht zu viel alte Herzensfasern, beim Herausreißen aus dem Mutterboden darin zurückgeblieben, und die Pflanze kommt besser fort und gedeiht – wenn ich auch gerade nicht weiß, ob ich die Leute beneiden soll« – setzte er ernster hinzu. »Überhaupt ist es mit dem ubi bene ibi patria eine eigene Sache, es klingt recht gut im Lied, und singt sich ganz erträglich, ist aber doch nicht wahr – zur Ehre des Menschengeschlechts nicht wahr, und in melancholischen Stunden, die fast jeder Staatsbürger einmal hat, und die sich bei den hiesigen Deutschen gewöhnlich am auffallendsten zur Weihnachtszeit einstellen, sing' ich die Geschichte manchmal verkehrt.«

»Also das Heimweh existirt doch auch in Amerika« sagte Hopfgarten.

»Moralischen Katzenjammer nennen sie's hier« sagte Müller, »und gebrauchen Bier und Cognac dagegen.«

»Zeitweise existirt's« fuhr Tanne fort, »aber Amerika ist da nicht die Ursache, sondern die Fremde überhaupt, und so wunderlich es mir hier schon gegangen, ja so erbärmlich oft und miserabel, wär' ich der Letzte der über das Land klagte. Es ist ein großes, herrliches Reich dieß freie Amerika, von tüchtigen edlen Männern gegründet, die einen Grundstein für die Ewigkeit gelegt. Nachfolgende Generationen haben daran unverdrossen weiter gebaut, und wenn auch hie und da einmal ein Miston, durch die vielen Baumeister hineingekommen, wenn auch hie und da ein wilder Schnörkel oder Knauf die massenhafte Hoheit des Ganzen unterbricht und stört, andere Stellen noch roh und unbehauen liegen und der Arbeiter harren, die Harmonie des Ganzen kann's nicht stören, das wächst und steigt und breitet sich nach Nord und Süd und West ein Asyl den Bedrückten, den Nothleidenden, ein weiter Hafen für die ganze Welt.«

»Ja« sagte Hopfgarten, »das klingt nicht so übel, ist aber die alte Geschichte von der romantischen Seite aufgefaßt; mir läge daran das Praktische zu hören.«

»Darin kann ich Ihnen vielleicht dienen« sagte Müller, sein Glas wieder vollschenkend und austrinkend, und das geleerte Blechmaas dem Wirth um »neuen Stoff« zurückreichend. »Tanne hat die schwache Seite daß er manchmal Verse macht, und es wird ihm sogar hier nachgesagt, er hätte in Pennsylvanien einmal eine »gereimte« Predigt gehalten – das konnten die Leute nicht vertragen und er mußte fort. – «

»Ihr reitet nur immer auf uns herum« lachte Tanne – »wenn Ihr die Geistlichen nicht hättet —

»Und keinen Löffel, so müßten wir unsere Suppe trinken, ja wohl, das ist ganz in der Ordnung,« sagte Müller trocken, »die kommen aber hier gar nicht in Betracht, sondern unser Amerika, in dem wir nun einmal existiren, und wenn vielleicht wenig Menschen weniger Ursache haben günstig davon zu denken, so wär' ich es, wollte ich eben ungerecht sein und die ganze Geschichte nur nach mir selber beurtheilen. Wenig Deutsche in Amerika haben aber gerade so viel Gelegenheit das Wirken und Schaffen, das Fortschreiten und Wachsen ihrer Landsleute zu beurtheilen, wie gerade wir Zeitungsredakteure, deren Beruf es eben ist, sich, indem sie für sich selber sorgen, um Andere zu bekümmern. Wir gerade lernen dabei eine Menge Menschen kennen, die herüber kommen, hören am häufigsten was sie darüber sagen, weil wir eben darauf hören, lesen was sie darüber schreiben, und fühlen zuletzt, wie wir nur zu häufig die Triebfedern durchschauen, die sie zu dem oder jenem Urtheil geleitet.«

»So zum Beispiel – um Ihnen die Sache etwas handgreiflicher zu machen – ist seit lange nicht so viel Volk vom alten Vaterland herübergekommen, wie in den letzten zwei Jahren, und zwar meistens aus einer Klasse, die Sie zwar hier im Zimmer und an diesem Tische besonders vertreten finden, die wir aber gerade hier in Amerika am allerwenigsten gebrauchen können, und die auch in der That hier am allerwenigsten mit sich selber anzufangen weiß. Ich meine eben die mittellose gebildete Klasse, die für ihre Schulbildung hier keinen Markt findet, und nur zu häufig dann auch noch zu faul ist da mit den Händen zuzugreifen, wo sie mit dem Kopf nichts ausrichten kann. Hierzu gehören Juristen, Geistliche – wenn sie sich in die bestehenden Eigenthümlichkeiten nicht fügen können oder wollen – Philologen und Philosophen, die unglückseligsten Menschenkinder von Allen zwischen den praktischen Amerikanern – und jene Unmasse von »falschen Doktorn« wie man sie hier nennt, solche nämlich, die Doktoren heißen, aber keine Ärzte sind, und deren Schicksal Einen manchmal wirklich dauern könnte, wenn es nicht gerade auch oft wieder so komisch wäre. Eine Masse Advokatengesindel, present company always excepted15 kommt daher, radebrecht Englisch auf eine schauerliche Art, kennt die hiesigen Gesetze nicht, will nichts Anderes ergreifen, und schimpft und raisonirt dann über das Land, nimmt das Maul voll und thut als ob ihm das größte Unrecht geschehen wäre; Ladenschwengel, die in Deutschland in einer »angenehmen Condition« gestanden, finden hier nicht gleich Jemand, in dessen Laden sie mit gekräuselten Locken und faden Redensarten den Angenehmen spielen können. Daß sie nun ihre Fäuste brauchen, die ihnen der liebe Gott nicht allein zum Kattunausmessen gegeben hat – Gott bewahre, nein, Amerika ist ein gesetzloses, nichtsnutziges Land, gesetzlos, weil sie irgendwo in einer Kneipe, wo sie sich unnütz gemacht, oder an Plätzen herumgekrochen, wo sie Nichts zu suchen hatten, hinausgeworfen wurden; nichtsnutzig, weil man ihnen keine, »ihren Fähigkeiten entsprechende Stellung« anweißt.«

 

»Eine Menge von diesen Leuten suchen sich dann in hiesigen Blättern zu expectoriren, theils in Versen, theils in Prosa, schreiben Bogen lange Artikel über das Land, das sie nicht kennen, über die Verhältnisse, von denen sie Nichts verstehn, und verlangen dann auch noch Honorar dafür. Nehmen wir es nun nicht – denn wenn man all den Unsinn drucken wollte, hätten zehn Schnellpressen Arbeit – dann schicken sie die Wische, weil sie doch einmal geschrieben sind, nach Deutschland, und dort gelten sie dann als »Stimmen aus Amerika« – der Schreiber des und des Artikels muß ja die Sache verstehn, er ist ja selber drüben – daß sie der Teufel hole. – «

»Ein Glück für uns, daß von dem Gelichter es doch manchmal ein oder der Andere möglich macht nach Deutschland zurückzukommen; dort schlägt er Feuerlärm, schildert uns als Tabackkauende, betrügerische Ungeheuer, das ganze Land als eine gesetzlose Wildniß – eine Falle leichtgläubige Menschen zu fangen, zählt alle Mordthaten und Diebstähle, die in dem ganzen ungeheueren Reiche, und wenigstens in der Hälfte durch Fremde ausgeübt werden auf, und hält dadurch doch wenigstens viele Andere seines Gelichters ab herüberzukommen.«

»Der fleißige Arbeiter – der Ackerbauer, der Handwerker, dem es hier gut geht, der sich glücklich und wohl fühlt, der schimpft nicht, und schreibt auch keine albernen Artikel über Amerika, höchstens Briefe in die Heimath, seine Anverwandten, und die die er lieb hat, herüberzurufen. Still und unverdrossen geht der seine Bahn fort; sieht sein Land sich mehr und mehr verwerthen, mit jedem Tag seine Heerden wachsen, seine Felder blühen, und segnet die Stunde, in der er den Entschluß gefaßt auszuwandern.«

»Daß es nicht Allen glückt – wenigstens nicht gleich in der ersten Zeit und Manche viel Böses und schwere Zeit durchzumachen haben, versteht sich von selbst – es fiele mir auch nicht ein, Allen anzurathen hierherzukommen, das wäre Wahnsinn. Man wirft dem Amerikaner vor daß er kein Gemüth hat, und ich glaube fast der Vorwurf ist gerecht, wenigstens im Allgemeinen; auf ein gemüthliches Leben darf man hier im Land denn auch nicht rechnen, außer man hat sehr viel Geld, und in dem Fall kehrt der Deutsche doch am liebsten wieder nach Deutschland zurück. Amerika paßt auch wirklich nicht für eine Menge Leute, und wem es halbwege gut in Deuschland geht, wem die Verhältnisse dort nicht zu drückend auf den Schultern liegen, der soll bleiben wo er ist; dort weiß er was er hat, hier weiß er nicht was er kriegt, und das ist, das Wenigste zu sagen, eine unangenehme Geschichte.«

»Wenn man nur einmal so einen richtigen deutschen Farmer über Amerika könnte sprechen hören« sagte Hopfgarten »das wäre mir in der That ungemein interessant.«

»Nichts leichter als das« lachte Helfig »Ohio wimmelt davon, und wohin Sie hinein in's Land gehn, finden Sie deutsche Ansiedlungen. Sie brauchen auch nicht zu fragen wo Deutsche wohnen, Sie sehn es schon an den reinlichen massiv errichteteten Gebäuden, den steinernen Scheunen, dem ordentlich aufgestellten Ackergeräth, den sorgfältig urbar gemachten Feldern.«

»Aber es fällt doch noch manches Außergewöhnliche in den Städten vor« sagte Hopfgarten, in wirklicher Besorgniß jetzt, daß sie ihm die ganze Romantik des Landes über den Haufen würfen; »in Cincinnati besonders habe ich mir sagen lassen, daß Raubanfälle keineswegs zu den Seltenheiten, und zwar in den besten Theilen der Stadt gehörten.«

»Ah Papperlapapp,« lachte von Lochhausen, »ja es kommt vor, aber im Verhältniß zu der Unmasse von Proletariat, das uns die alte Welt herüberschickt, doch unverhältnißmäßig selten, außer in den Fällen wo sich die Leute selber an Orte begeben in die sie nicht gehören, wie Müller sagt. Mancher ist in liederlichen Häusern bestohlen worden, und macht nachher ein Geschrei daß er angefallen und beraubt wäre – er mag natürlich nicht sagen wo er sein Geld verloren hat; Andere erzählen solche Geschichten, wie sie von Abenteuern mit Tigern und Bären erzählen, sobald sie nur den Fuß in Wald oder Busch gesetzt. Einbrüche und Raubanfälle kommen vor, ja, aber nicht mehr wie in jeder andern großen Europäischen Stadt, London gar nicht gerechnet. – Lieber Gott, wir Alle die wir hier sitzen, fürchten uns nicht vor der Nachtluft, und sind schon manchmal Abends spät zu Hause gegangen, und ist schon Einer von uns Allen angefallen worden? und so wird es Ihnen schwer werden Jemanden zu finden, der Ihnen etwas derartiges aus eigener Erfahrung bestätigen kann, wenn er die Wahrheit reden will – aber es fällt vor!«

»Nun laßt aber Amerika,« rief Sorgfeld dazwischen, »die Geschichte wird langweilig; wenn der Herr da noch länger hier bei uns bleibt, wird er sich seine Meinung schon selber bilden; uns Allen wie Tausenden, ja Millionen unserer Mitbrüder hat das wackere Land die Arme freundlich geöffnet und uns seine Schätze geboten nach allen Richtungen hin; wer blöde war und nicht zulangte, oder nicht wußte wie er es anfangen sollte, dessen eigene Schuld war's – und vielleicht lernt er's noch – Amerika soll leben – hoch!« und das Glas erhebend standen die meisten Deutschen von ihren Sitzen auf, stießen mit den Gläsern an, und stimmten in das Hoch ein. – Einzelne blieben auch sitzen.

Das Gespräch ging von da an wieder auf allgemeine Gegenstände über; es wurde dabei gelacht und erzählt bis zum Abend; und als Herr von Hopfgarten ziemlich spät an den Aufbruch dachte, mußte er sich gestehen daß dieß eigentlich der erste Abend sei, an dem er sich in Amerika wirklich amüsirt habe. Durch das Gespräch war aber auch der Wunsch um so mehr in ihm rege geworden, einen Theil des inneren, cultivirten Landes hier zu sehen, denn die Umgegend von Cincinnati sollte einem Garten gleichen; so schon am nächsten Morgen miethete er sich ein Pferd in der Stadt, und ritt Mainstreet hinauf über den Canal durch die deutsche Vorstadt hin, wo jedes Schild fast einen deutschen Namen trug, und ganze Schaaren frisch eingewanderter Staatsbürger, in ihren Nationaljacken und Röcken die Straßen durchwanderten.

Die Hügel, welche die Stadt umgeben, und zu denen sie hinaufsteigt, und die sie in gar nicht so langen Jahren wird erstiegen haben, lagen zum Theil mit Gärten, zum Theil mit Rebenpflanzungen bedeckt, und eine treffliche Straße wand sich dort hindurch. Oben auf dem Hügel aber hielt Hopfgarten still, das Thal zu überschauen das er eben verlassen, und das sich jetzt in wundervoller Herrlichkeit vor ihm ausbreitete.

Drüben den Hintergrund bildeten die eben nicht sehr hohen, aber freundlichen Hügel Kentuckys, theilweise noch mit Wald, meist aber mit wohl umfenzten Feldern überzogen, bis zu dem Häuserbedeckten Ufer des Ohio, der seine klaren Fluthen schlängelnd durch das reizende Thal wand. Haus an Haus aber drängte an dieser Seite des Stromes die junge Riesenstadt, ein wundervolles Panorama regen thätigen Lebens, das hier, mit tropischer Keimkraft fast, dem Boden wie entsprungen liegt.

Im Jahre 1788 standen hier in dem Thal, in einer Wildniß, die von Bären und Büffeln nur bewohnt, von den leichtfüßigen Söhnen der Wälder auf ihren Kriegszügen durchstreift wurde, drei einzelne Blockhütten, aus den Stämmen des Waldes aufgebaut – fünfzig Jahr später zählte die Stadt Cincinnati 40000 Einwohner,16 und von da an vermehrte sich die Zahl fast mit jedem Jahre um 6-7000. Der Strom, den damals fast nur das schlanke Canoe des Indianers durchfurchte, wimmelte jetzt von mächtigen Dampfbooten, die mit dem dünnen weißen Schaumstreifen hinter sich, auf- und niederglitten, und überall streckten qualmende Riesenschornsteine die langen Hälse empor, thätiges schaffendes Leben bekundend. In den Straßen der Stadt selber wogte die rastlose Menge auf und ab, zahlreiche Wagen mit Früchten und Gemüsen, dem reichen Herbstsegen, schwer beladen, kamen die breite vortrefflich macadamisirte Landstraße nieder, und wie der Blick weiter schweifte, über die Hänge und Flächen dort umher, haftete er überall an reizenden Villen, schattigen Gärten, fruchtbaren Feldern, auf denen Gottes Segen ruhte, und über die sich der reine wolkenleere Himmel in durchsichtiger Bläue spannte.

»Welch wundervolles Land!« rief Hopfgarten da unwillkührlich aus, »welche Lebenskraft – welche Zukunft liegt für dich noch in der Zeiten Schooß – wie das gährt und kocht und keimt und sproßt und Blüthen treibt und Früchte reift – und über dem Allen ein einziges Banner – ein Schlachtschrei im Krieg für ein einig Volk, ein Ziel im Frieden, für das ganze Reich – armes Deutschland«, setzte er dann seufzend hinzu, als er sein Thier wieder wandte und der Straße weiter folgte, »kein Wunder daß ein solches Volk mit solchen Resultaten, solcher Zukunft vor sich, manchmal über die Stränge schlägt oder ein klein wenig übermüthig wird, wie ein junges kräftiges Füllen – hat es doch Ursache dazu, und darf sich freuen zu seines Schöpfers Lob. – Wir Deutschen sind freilich ruhig und gesetzter, springen und schlagen nicht und gebehrden uns nicht so unanständig; singen keinen Yankeedoodle – haben auch keine Ursache dazu, und keine Flagge, sondern nur ein Flickwerk von bunten Lappen; nicht einmal ein gemeinsames Vaterland, das wir das unsere nennen dürfen. Aber das Alles möchte sein, schlimmer und schlimmer uns drücken was uns drückt – knechten was uns knechtet in Religion und Gewissens-Freiheit und politischer Meinung; die Hoffnung wäre ja da, daß auch uns vielleicht einmal ein Washington erstände, wie er den Amerikanern erstanden ist, gerade als sie seiner am nöthigsten bedurften. Das aber ist ja eben das Verzweifelte unserer Lage – wir, könnten ihn gar nicht gebrauchen, wir würden gar nicht wissen was wir mit ihm anfangen sollten, denn wenn er nicht in allen acht und dreißig Ländern zugleich geboren wäre, würde ihn ja doch keiner der Nachbarstaaten anerkennen. – Ich wollte ich wäre ein Amerikaner,« setzte er leise seufzend hinzu als er, kaum noch auf den Weg achtend, die breite Straße entlang ritt – »ich wollte ich wäre ein Amerikaner und könnte so Deutschland beneiden, wie ich jetzt Amerika beneiden muß.«

Der kleine Mann, der sich einen weit anderen Eindruck von dem freundlichen Ritt versprochen, war ganz schwermüthig geworden bei den trüben Bildern, die sich seine Phantasie heraufbeschwor, ja vergaß fast, zwischen Fenzen und Hecken, und einzelnen reizend gelegenen Häusergruppen durchreitend, den Zweck seines Ausflugs, bis das Pferd, dessen Zügel er nur ganz locker in der Hand hielt, plötzlich rechts einbog, das Gebiß, als er es rasch umlenken wollte, zwischen die Zähne nahm, und sporenstreichs mit ihm in einen Hof, über diesen weg auf eine offene Thür zu und so direkt in den dort befindlichen Stall hineinfuhr, daß der Reiter kaum noch Zeit behielt sich in der Thür zu bücken und nicht gegen den oberen Balken und aus den Sattel geschlagen zu werden.

»Hallo, so eilig?« rief da eine lachende Stimme in deutscher Sprache hinter ihm drein, und in Holzpantoffeln schlurrte eine etwas schwerfällig aber sonst behäbig und gutmüthig genug aussehende Gestalt in gelber unten um die Knöchel gebundener, kniefettiger Lederhose, mit rother Weste auf der zwei Reihen silberner Knöpfe funkelten und in Hemdsärmeln, auf dem Kopf aber eine große unförmliche braune Pelzmütze, über den Hof, und blieb in der Stallthür stehen, neben der sich Hopfgarten eben aus dem Sattel geschwungen und den Zügel über den Kopf des Pferdes geworfen hatte, das er jetzt aus Leibeskräften, aber ebenfalls ohne den geringsten Erfolg, wieder aus dem Stall hinauszuziehen suchte.

 

»Laßt den Braunen nur stehn« lachte aber der Bauer, »der kennt die Krippe und hat da schon manche Metze Hafer gefressen. Guten Morgen Landsmann, Ihr seid doch ein Deutscher.«

»Allerdings, Herr Landsmann,« sagte der höfliche Hopfgarten, mit einem eben nicht ganz freundlichen Seitenblick auf den Braunen, »aber es ist doch immer fatal, wenn man nur eben da halten muß, wo es dem Pferde gerade einfällt zu bleiben.«

»Deshalb braucht Ihr Euch aber keine Sorge zu machen« sagte der Deutsche schmunzelnd – »er macht's seinem Herrn oder allen Anderen die ihn reiten, nicht besser, und seit den letzten drei Jahren kann sich Niemand rühmen auf dem Pferd, ohne bei mir anzuhalten, hier vorbeigeritten zu sein. – Seid Ihr schon lang in Amerika?«

»Erst wenige Wochen.«

»Und Ihr gleichts?«

Hopfgarten wußte daß dieß der deutsch-amerikanische Ausdruck für »gefallen« sei und sagte »Sehr.«

»Nu das ist hübsch – da seid Ihr wohl Landkaufen gekommen – aber hier im Stall wollen wir doch nicht stehen bleiben« unterbrach er sich rasch, »Ihr ruht Euch nun doch schon ein halb Stündchen bei mir aus, und seht Euch einmal mein Feld und meine neue Scheune an – seid wohl kein Bauer?«

Hopfgarten mußte dieß, während der Mann einem Jungen pfiff, und ihm befahl »Bless,« (wie der Braune nach einem kleinen weißen Fleck vorn an der Stirn hieß) zu besorgen, und ihm ordentlich Futter zu geben, verneinen. Bless hatte ihm aber, durch seinen Entschluß sich hier etwas aufzuhalten, wirklich einen Gefallen gethan, denn von Hopfgarten fand bald, daß er in dem Mann gerade gefunden was er suchte: einen richtigen deutschen Bauer, der seit vier Jahren hier im Land angesiedelt war, und sich in der Zeit eine allerliebste, wohleingerichtete Farm hergestellt hatte.

Der Mann war aber entsetzlich neugierig, und er selber, ehe er irgend etwas von ihm herausbekommen konnte über sein Leben und Treiben, genöthigt ihm erst Alles zu sagen was ihn selber betraf: wo er her sei, mit welchem Schiff er gekommen, wie viel Passagiere es an Bord gehabt, wo gelandet, ob Krankheiten unterwegs, ob sie gute Kost an Bord gehabt hätten, ob er nicht in New-Orleans Jemanden Namens Schmidt kennen gelernt habe, der »in der Nähe vom Wasser« wohne und einen kleinen Schenkstand oder einen Kleiderladen habe, und was Corn (Mais) jetzt in New-Orleans koste. – Nur nach Deutschland frug er nicht, weder aus welcher Gegend der Fremde stamme, noch wie es dort aussehe jetzt, im alten Vaterland. Es waren gerade vier Jahre, daß er die Heimath verlassen, und als ihn von Hopfgarten später danach frug stellte sich heraus, daß er noch nicht ein einziges Mal an seine Verwandten drüben, Geschwister und Schwäger geschrieben habe. Die hatten zu leben, es ging ihnen gut, das wußte er, wenigstens hätten sie es ihm sonst wohl gemeldet (sie konnten nicht einmal eine Ahnung haben, wo er angesiedelt sei) und ihm selber fehlte auch Nichts; seine Farm gedieh, sein Vieh wuchs heran, seine Erndten waren vortrefflich – was hatte er da groß zu schreiben?

In der Stube d'rin bei ihm sah es genau so aus wie in den Bauerstuben daheim; das Amerikanische Kaminfeuer verschmähend, hatte er sich einen tüchtigen, ächt deutschen Ofen, dessen Tafeln jedenfalls von Europa herübergeschafft worden, eingesetzt, hinter dem die Familie in Winterszeit gewiß eben so geschmort, wie daheim. An der Seite auf dort befestigten Bretern prangten die alten deutschen irdenen Schüsseln und Teller, mit ihren frommen Sprüchen und Phantasieblumen, mit Jahreszahl und Datum, in der Ecke der Stube stand eine blaugemalte, und ebenfalls mit großen hellen, durch die Chablone gemalten Blumen verzierte Kiste, auf der noch mit weißen Buchstaben jene bedeutungsschweren Worte »Auswanderer-Gut – Cincinnati Ohio, für Johannes Rohrberger aus Sohlfeld« obgleich später einmal mit dünner blauer Farbe übermalt, doch noch deutlich sichtbar waren, und am Fenster in der Ecke saß eine alte, aber noch rüstige Frau an ihrem alten Spinnrad – jeder Zoll eine Deutsche. Der aber lag manche Frage wohl schwer auf dem Herzen, als sie den Landsmann bei sich eintreten sah; dennoch mochte sie ihn selber nicht anreden, und als die Frau des Bauers, ein hübsches rundes Weibchen, ebenfalls in ihrer heimischen Tracht mit dem mit Knöpfen und Zierrathen besetzten Mieder und dem dickgefalteten Rock, in die Stube kam, und schneeweißes Waizenbrod, und Butter mit einem Kleeblatt in der Form, und guten deutschen Käse auftrug, und ein paar blitzende Gläser daneben setzte, zu denen der Mann einen selbst gebrauten dunkelrothen Kirschschnaps aus dem kleinen Schranke holte (den Schlüssel dazu trug er selber in der Westentasche) mußte sich Hopfgarten an den Tisch setzen, und vor allen Dingen essen und trinken. Nachher wollten sie hinaus in das Feld gehn »damit der Herr auch sähe daß es bei den Deutschen nicht etwa so liederlich gearbeitet würde wie bei denen Amerikanern.«

Hopfgarten sah nun dort allerdings nicht sehr viel, denn er verstand zu wenig vom Amerikanischen Ackerbau und besonders von den Schwierigkeiten, mit denen ein erster Ansiedler zu kämpfen hat, sein Land nicht allein urbar, sondern auch holzrein zu bekommen (zwei sehr von einander verschiedene Sachen) die hier gethane Arbeit gehörig würdigen zu können. Der Amerikaner nämlich – beiläufig gesagt ein furchtbarer Holzverwüster so lange ihm nur ein Stück im Wege ist – schlägt, wie bekannt, die Bäume um, rollt die kurz abgehauenen Stämme auf Haufen, brennt sie an, und läßt dabei die Stümpfe stehn, um die er indeß herumackert, und die in zehn Jahren etwa genug abfaulen mit dem Pflug stückweis herausgerissen zu werden. Die Deutschen lernen ihnen diese bequeme Art zu arbeiten bald ab; Viele aber, und besonders in der Nähe von Städten wo das Holz auch schon eher einen Werth hat, gehen sparsamer mit dem um, was ihnen Gott auf ihrem Land bis dahin hat wachsen lassen, und scheuen sich der Arbeit nicht auch das Geringste darauf zu verwerthen.

So lagen Johannes Rohrbergers Felder frei von all diesen fatalen Stümpfen, glatt und eben als ob sie schon Jahrzehnde dem Pfluge dienstbar gewesen da; keine Holzverschwendenden Zickzack- oder Wurmfenzen umgaben sie, sondern Eichen-Pfosten waren ringsum eingeschlagen und durch breite, unten dicht schließende Queerhölzer, den Ferkeln den Eintritt zu verweigern, geschlossen, und nicht weit davon aufgeschichtete, selbst gesägte Breter, Planken, Rafters und Stützen bewiesen, wie der Deutsche einen besseren Gebrauch für sein treffliches Holz gewußt habe, als es eben zu verbrennen. Hinter dem Haus lagen außerdem einige achtzig Klafter, aus dem sich im Winter guter Nutzen in der Stadt ziehen ließ, und die im Feld errichteten Getraidefeimen gaben zugleich auch Zeugniß von der Thätigkeit des Mannes nach dieser Richtung hin.

»Sie sind fleißig hier gewesen« sagte Hopfgarten, als ihn der Bauer auf das Alles aufmerksam gemacht, »und müssen jetzt wackeren Nutzen von ihrem Lande ziehen.«

»Ach ja es geht« schmunzelte der Mann; »die ersten Jahre freilich kam's mir ein Bischen hart an; ich kaufte die Farm von einem Amerikaner, der nach Arkansas übersiedeln wollte, um einen eben nicht zu hohen Preis, aber es sah auch furchtbar darauf aus – wüste holzgefüllte Felder, zerfallene Blockhäuser, von Scheunen und Ställen kein Gedanke, die Hälfte Boden noch mit Busch bewachsen. Da ging ich mit meinen drei Jungen an's Werk, und wie wir es erst einmal so weit gebracht hatten daß wir unser deutsches Handswerkszeug, was wir mitgeschleppt, wegwarfen, und uns Amerikanische Äxte und Pflüge anschafften, förderte es auch. Wir haben zwar gearbeitet wie die Pferde, das ist wahr; vor Tag heraus, und hinein bis in die späte Nacht. Die Amerikaner lachten uns dabei noch aus, und meinten daß wir es uns unnöthig schwer machten; und in mancher Hinsicht mochten sie recht haben, denn wir wußten eben noch nicht ordentlich wie wir die Sache anzufangen hatten, und mußten noch lernen. Aber schon nach zwei Jahren kriegte der Platz ein anderes Ansehn; ich nahm mir noch Amerikanische Arbeiter dazu, und wir setzten uns ebenfalls nicht in die Stube, sondern arbeiteten tüchtig mit; da förderte es denn freilich. Nicht allein daß uns die Amerikaner, die doch wenigstens eben so zufassen mußten wie wir selber, ein ordentlich Stück Arbeit fertig machten, sondern wir lernten auch von ihnen ihre Handgriffe und ihr praktisches Wesen, denn das muß man ihnen lassen. Ich hätte sie auch gerne noch ein halb Jahr länger bei mir behalten, wäre mir meine Alte nicht in einem hin in den Ohren gelegen sie fortzuschicken. Die konnte sie nicht leiden, weil sie nicht verstand was sie sagten, und weil sie ihr die reingescheuerten Stuben überall vollspuckten – immer freilich in die Winkel hinein, wo sie vielleicht glaubten daß man nicht hinkäme, aber meine Alte kam doch hin, und es wurde nicht eher Frieden im Haus bis sie weg waren.«

15Gegenwärtige Gesellschaft immer ausgenommen.
16Sie hat jetzt nahe an 130000.
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