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Der Doppelgänger

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Als Herr Goljadkin in sein Bureau trat, war schon völlige Dämmerung eingetreten. Weder Andrei Filippowitsch noch Anton Antonowitsch waren im Zimmer. Sie befanden sich beide zum Zwecke der Berichterstattung im Arbeitszimmer des Direktors; der Direktor aber hatte sich, wie man hörte, seinerseits eilig zu Seiner Hohen Exzellenz begeben. Infolge dieser Umstände und auch weil es bereits Dämmerung war und die Bureauzeit zu Ende ging, trieben manche Beamten, namentlich die jüngeren, in dem Augenblicke, als unser Held eintrat, allerlei Allotria: sie gingen umher, führten Gespräche, plauderten, lachten, und einige der jüngsten, d. h. der im Range am niedrigsten stehenden, spielten sogar in einer Ecke am Fenster still und heimlich Schrift und Adler. Da Herr Goljadkin die Gebote des Anstandes kannte und gerade jetzt besonders wünschte, sie sich gegenüber beobachtet zu sehen, so trat er schnell zu einigen heran, mit denen er noch am ehesten harmonierte, um ihnen Guten Tag zu sagen usw. Aber die Kollegen erwiderten Herrn Goljadkins Gruß in ganz seltsamer Weise. Er war unangenehm überrascht durch die kalte, trockene, ja man kann sagen schroffe Art, in der sie ihn alle empfingen. Keiner reichte ihm die Hand. Manche sagten einfach: „Guten Tag“ und gingen von ihm weg; andere nickten nur mit dem Kopfe; dieser und jener wandte sich einfach ab und tat, als ob er nichts bemerkt hätte; einige endlich (und das war für Herrn Goljadkin am allerverletzendsten), einige junge Leute von der untersten Rangstufe, Burschen, die, wie Herr Goljadkin sich ganz richtig im stillen über sie ausdrückte, weiter nichts verstanden als gelegentlich Schrift und Adler zu spielen und sich irgendwo umherzutreiben, diese umringten Herrn Goljadkin allmählich und umdrängten ihn so, daß sie ihm beinah den Ausweg versperrten. Alle blickten sie ihn mit einer Art von beleidigender Neugier an.

Das war ein übles Zeichen. Herr Goljadkin fühlte das und entschied sich seinerseits verständigerweise dafür, nichts zu bemerken. Plötzlich trat ein ganz unerwartetes Ereignis ein, das Herrn Goljadkin, wie man zu sagen pflegt, den Rest gab und den Garaus machte.

In dem Haufen der jungen Kollegen, die ihn umgaben, erschien plötzlich, und zwar gerade in dem für Herrn Goljadkin peinlichsten Augenblicke, Herr Goljadkin der jüngere, heiter wie immer, mit einem Lächeln auf dem Gesicht wie immer, beweglich, zungengewandt und leichtfüßig wie immer, kurz, als derselbe Schalk, Springinsfeld, Schäker und Spaßmacher wie immer, wie früher, wie z. B. gestern, wo er in einem für Herrn Goljadkin den älteren so unangenehmen Augenblicke aufgetaucht war. Schmunzelnd, sich hin und her drehend, trippelnd, mit einem Lächeln, das allen Anwesenden Guten Abend zu sagen schien, drängte er sich in den Haufen der Beamten hinein, drückte diesem die Hand, klopfte jenem auf die Schulter, umarmte flüchtig einen dritten, erklärte einem vierten, in welcher Angelegenheit Seine Exzellenz seine Dienste in Anspruch genommen habe, wohin er gefahren sei, was er getan und was er mitgebracht habe; einen fünften, wahrscheinlich seinen besten Freund, küßte er auf den Mund, – mit einem Worte: alles ging genau so vor sich wie in Herrn Goljadkins des älteren Traume. Nachdem er genugsam herumgehüpft, einen jeden auf seine Weise begrüßt, um die Gunst aller mit oder ohne Anlaß gebuhlt und sich bei allen gehörig lieb Kind gemacht hatte, streckte Herr Goljadkin der jüngere auch seinem älteren Freunde, Herrn Goljadkin dem älteren, den er bis dahin noch nicht bemerkt hatte, plötzlich und wahrscheinlich aus Versehen die Hand hin. Wahrscheinlich ebenfalls aus Versehen, obwohl er den unedlen Herrn Goljadkin den jüngeren schon längst sehr wohl bemerkt hatte, ergriff unser Held sofort eifrig die ihm so unerwartet hingestreckte Hand und drückte sie kräftig und in der freundschaftlichsten Art, ja mit einer seltsamen, ganz unerwarteten, innerlichen Bewegung, mit einer weinerlichen Empfindung. Ob unser Held sich durch die von seinem unwürdigen Feinde ergriffene Initiative täuschen ließ oder einfach der Geistesgegenwart ermangelte, oder in tiefster Seele seine Hilflosigkeit in ihrem ganzen Umfange erkannte und empfand, das ist schwer zu sagen. Tatsache ist, daß Herr Goljadkin der ältere bei vollem Verstande, aus freiem Willen und vor Zeugen feierlich die Hand desjenigen drückte, den er seinen Todfeind nannte. Aber wie groß war die Verwunderung, das Erstaunen, die Wut, der Schrecken und die Beschämung Herrn Goljadkins des älteren, als sein Todfeind, der unedle Herr Goljadkin der jüngere, sowie er das Versehen des unschuldigen, von ihm verfolgten und treulos betrogenen Menschen bemerkte, schamlos und gefühllos, erbarmungslos und gewissenlos auf einmal mit unerhörter Frechheit und Roheit seine Hand aus der Hand Herrn Goljadkins des älteren herausriß, ja seine Hand schlenkerte, als ob er sie mit etwas Unsauberem beschmutzt hätte, ja seitwärts ausspie und dies alles mit einer höchst beleidigenden Gebärde begleitete, ja sein Taschentuch herauszog und sich damit auf der Stelle in der unanständigsten Weise alle Finger abrieb, die sich einen Augenblick in der Hand des älteren Herrn Goljadkin befunden hatten. Während er dies tat, blickte Herr Goljadkin der jüngere nach seiner nichtswürdigen Gewohnheit absichtlich rings um sich, damit alle auf sein Benehmen aufmerksam würden, sah allen in die Augen und bemühte sich offenbar, allen eine recht üble Meinung von Herrn Goljadkin beizubringen. Es schien, daß das Verhalten des widerwärtigen Herrn Goljadkin des jüngeren bei den herumstehenden Beamten allgemeine Entrüstung hervorrief; sogar die leichtfertigen jungen Leute bekundeten ihr Mißvergnügen. Murren und tadelnde Worte wurden ringsum laut. Diese allgemeine Bewegung konnte den Ohren des älteren Herrn Goljadkin nicht entgehen; aber ein rechtzeitiges Scherzwort, das von den Lippen des jüngeren Herrn Goljadkin sprang, zerstörte und vernichtete die letzten Hoffnungen unseres Helden und bewirkte, daß die Wage sich wieder zugunsten seines schändlichen Todfeindes neigte.

„Das ist unser russischer Faublas6, meine Herren; gestatten Sie, daß ich Ihnen den jungen Faublas vorstelle,“ quiekte Herr Goljadkin der jüngere, während er mit der ihm eigenen Frechheit zwischen den Beamten geschäftig umhertrippelte und auf den ganz starr gewordenen echten Herrn Goljadkin hinwies. „Küssen wir uns, mein Herzchen,“ fuhr er mit unerträglicher Familiarität fort, indem er sich dem so verräterisch von ihm Beleidigten näherte. Das Späßchen des schändlichen Herrn Goljadkin des jüngeren schien da, wo es wirken sollte, Anklang zu finden, um so mehr, da darin eine tückische Anspielung auf einen Umstand lag, der anscheinend allen bereits bekannt war. Unser Held fühlte, daß die Hand seiner Feinde schwer auf seinen Schultern lastete. Übrigens hatte er seinen Entschluß bereits gefaßt. Mit flammendem Blicke, mit bleichem Gesichte und mit einem starren Lächeln arbeitete er sich mühsam aus dem Haufen heraus und schlug mit schnellen, ungleichmäßigen Schritten geradeswegs die Richtung nach dem Arbeitszimmer Seiner Exzellenz ein. In dem vorletzten Zimmer traf er mit Andrei Filippowitsch zusammen, der soeben von Seiner Exzellenz kam, und obgleich sich in diesem Zimmer eine Menge verschiedenartiger Personen befanden, die zu Herrn Goljadkin im gegenwärtigen Augenblicke gar keine Beziehungen hatten, so beachtete unser Held doch diesen Umstand nicht im geringsten. Ohne Umschweife, entschlossen und kühn, beinahe über sich selbst verwundert und sich innerlich wegen seiner Kühnheit lobend, fiel er ohne Zeitverlust über Andrei Filippowitsch her, der über diesen plötzlichen Anfall nicht wenig erstaunt war.

„Ah! … Was wünschen Sie? … Was ist Ihnen gefällig?“ fragte der Abteilungschef, ohne auf Herrn Goljadkins stockend vorgebrachte Anrede zu hören.

„Andrei Filippowitsch, ich … könnte ich wohl jetzt gleich mit Seiner Exzellenz ein Gespräch unter vier Augen haben, Andrei Filippowitsch?“ sagte unser Held nunmehr klar und deutlich und richtete einen sehr entschlossenen Blick auf Andrei Filippowitsch.

„Was? Das geht natürlich nicht.“ Andrei Filippowitsch maß mit seinem Blicke Herrn Goljadkin vom Kopf bis zu den Füßen.

„Ich sage nämlich das alles deswegen, Andrei Filippowitsch, weil ich mich darüber wundere, daß hier niemand diesen Usurpator eines fremden Namens, diesen Schurken entlarvt.“

„Wa – a – as?“

„Diesen Schurken, Andrei Filippowitsch.“

„Wen belieben Sie denn mit diesem Titel zu bezeichnen?“

„Ich meine eine gewisse Person, Andrei Filippowitsch. Ich ziele damit auf eine gewisse Person, Andrei Filippowitsch; ich bin im Rechte … Ich meine, Andrei Filippowitsch, die vorgesetzte Behörde sollte derartige Bestrebungen ermuntern,“ fügte Herr Goljadkin, der offenbar von sich selbst nichts mehr wußte, hinzu. „Andrei Filippowitsch … aber Sie sehen wahrscheinlich selbst, Andrei Filippowitsch, daß dies eine wohlanständige Bestrebung ist, und daß sich darin meine in verschiedener Hinsicht löbliche Absicht bekundet, den Chef als meinen Vater zu betrachten, Andrei Filippowitsch … ich betrachte die edeldenkende vorgesetzte Behörde als meinen Vater und vertraue ihr blind mein Schicksal an. So und so … Sie sehen, wie …“ Hier begann Herrn Goljadkins Stimme zu zittern, sein Gesicht rötete sich, und zwei Tränen traten auf seine Wimpern.

Als Andrei Filippowitsch Herrn Goljadkin so reden hörte, erstaunte er dermaßen, daß er unwillkürlich ein paar Schritte zurücktrat. Dann blickte er unruhig um sich … Es ist schwer zu sagen, wie die Sache geendet hätte … Aber plötzlich öffnete sich die Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, und dieser selbst kam in Begleitung mehrerer Beamten heraus. Alle, die im Zimmer waren, schlossen sich an und gingen hinter ihm her. Seine Exzellenz rief Andrei Filippowitsch heran, ließ ihn neben sich gehen und unterredete sich mit ihm über irgendwelche Gegenstände. Als sich alle in Bewegung gesetzt und das Zimmer verlassen hatten, kam auch Herr Goljadkin wieder zur Besinnung. Demütig suchte er Schutz unter den Fittichen seines Tischvorstehers Anton Antonowitsch Sjetotschkin, der hinter allen herschlich und, wie es Herrn Goljadkin schien, eine sehr ernste, sorgenvolle Miene machte. „Auch hier habe ich töricht geredet; auch hier habe ich meiner Sache geschadet,“ dachte er bei sich; „nun aber, es macht nichts.“ Dann sagte er zu dem Tischvorsteher leise mit einer Stimme, die vor Aufregung noch ein wenig zitterte: „Ich hoffe, daß wenigstens Sie, Anton Antonowitsch, sich werden bereitfinden lassen, mir Gehör zu schenken und von meiner Lage Kenntnis zu nehmen. Von allen zurückgewiesen, wende ich mich an Sie. Ich bin bis jetzt noch im unklaren darüber, was Andrei Filippowitschs Worte bedeuteten, Anton Antonowitsch. Erklären Sie sie mir, wenn es möglich ist …“

 

„Es wird alles zur rechten Zeit klar werden,“ erwiderte Anton Antonowitsch nach einer Pause in ernstem Tone und, wie es Herrn Goljadkin schien, mit einer Miene, die deutlich zu verstehen gab, daß Anton Antonowitsch überhaupt nicht wünschte, das Gespräch fortzusetzen. „Sie werden in kurzer Zeit alles erfahren. Noch heute werden Sie formell von allem unterrichtet werden.“

„Was meinen Sie denn mit ‚formell‘, Anton Antonowitsch? Warum denn gerade formell?“ fragte unser Held schüchtern.

„Es steht uns beiden nicht zu, über das zu urteilen, Jakow Petrowitsch, was die Behörde für gut findet.“

„Warum denn die Behörde, Anton Antonowitsch?“ fragte Herr Goljadkin, der noch zaghafter geworden war, „warum denn die Behörde? Ich sehe keine Ursache, weshalb die Behörde damit belästigt werden sollte, Anton Antonowitsch … Sie wollen mir vielleicht etwas über das gestrige Vorkommnis sagen, Anton Antonowitsch?“

„Nein, um das gestrige Vorkommnis handelt es sich nicht; aber es ist sonst noch dies und das bei Ihnen nicht in Ordnung.“

„Was ist denn bei mir nicht in Ordnung, Anton Antonowitsch? Mir scheint, Anton Antonowitsch, daß bei mir alles in Ordnung ist.“

„Aber warum wollten Sie denn schlaue Pfiffe und Kniffe zur Anwendung bringen?“ unterbrach Anton Antonowitsch scharf den ganz bestürzten Herrn Goljadkin. Dieser fuhr zusammen und wurde bleich wie Leinewand.

„Freilich, Anton Antonowitsch,“ sagte er mit kaum vernehmbarer Stimme, „wenn man die Stimme der Verleumdung beachtet und auf unsere Feinde hört, ohne eine Rechtfertigung von der anderen Seite anzunehmen, dann muß unsereiner leiden, Anton Antonowitsch, schuldlos, und ohne etwas begangen zu haben, leiden.“

„Hm, hm; und Ihr unwürdiges Benehmen, durch das Sie dem Rufe eines anständigen Mädchens, der Tochter jener wohlbekannten, humanen, hochgeachteten Familie, geschadet haben, einer Familie, die Ihnen so viel Gutes erwiesen hatte?“

„Was meinen Sie denn für ein Benehmen, Anton Antonowitsch?“

„Hm, hm. Und da ist dann noch ein anderes Mädchen, das zwar arm, aber von ehrenhafter, ausländischer Herkunft ist; an Ihr löbliches Verhalten diesem Mädchen gegenüber erinnern Sie sich wohl auch nicht?“

„Gestatten Sie, Anton Antonowitsch … haben Sie die Güte, mich anzuhören, Anton Antonowitsch …“

„Und Ihr treuloses Benehmen einer andern Person gegenüber, die Sie verleumdet und eines Vergehens bezichtigt haben, das Sie sich selbst haben zuschulden kommen lassen? Nun, wie nennt man das?“

„Anton Antonowitsch, ich habe ihn nicht aus dem Hause getrieben,“ erwiderte unser Held zitternd, „und habe auch Petruschka, meinem Diener, keine derartige Instruktion gegeben … Er hat von meinem Tische gegessen, Anton Antonowitsch; er hat meine Gastfreundschaft genossen,“ fügte unser Held ausdrucksvoll und mit tiefem Gefühl hinzu, so daß sein Kinn ein wenig zu hüpfen begann und ihm die Tränen wieder in die Augen kamen.

„Das reden Sie nur so hin, Jakow Petrowitsch, daß er von Ihrem Tische gegessen habe,“ antwortete Anton Antonowitsch, den Mund zum Lächeln verziehend, und seinem Tone war eine gewisse Verschmitztheit anzuhören, so daß es Herrn Goljadkin war, als würde ihm ein Stich ins Herz versetzt.

„Gestatten Sie mir, Sie noch ganz bescheiden zu fragen, Anton Antonowitsch: ist denn all dies Seiner Exzellenz bekannt?“

„Aber natürlich! Lassen Sie mich aber jetzt in Ruhe; ich habe jetzt für Sie keine Zeit mehr … Noch heute werden Sie alles erfahren, was Sie zu wissen brauchen.“

„Erlauben Sie noch einen Augenblick, um Gottes willen, Anton Antonowitsch …“

„Sie können es mir ein andermal erzählen …“

„Nein, Anton Antonowitsch: ich bin, sehen Sie, hören Sie nur, Anton Antonowitsch … Ich bin durchaus nicht für die Freigeisterei, Anton Antonowitsch; ich lehne die Freigeisterei ab; ich bin meinerseits völlig bereit … und es ist mir sogar der Gedanke gekommen …“

„Schon gut, schon gut. Ich habe das schon einmal gehört …“

„Nein, das haben Sie noch nicht gehört, Anton Antonowitsch. Das ist etwas anderes, Anton Antonowitsch; das ist etwas Gutes, wirklich etwas Gutes und angenehm zu hören … Es ist mir, wie ich schon gesagt habe, der Gedanke gekommen, Anton Antonowitsch, daß da die göttliche Vorsehung zwei ganz ähnliche Menschen geschaffen und die edeldenkende Behörde im Hinblick auf diese Tat der göttlichen Vorsehung den beiden Zwillingen Obdach gewährt hat. Das ist ein guter Gedanke, Anton Antonowitsch. Sie sehen, daß das ein sehr guter Gedanke ist, Anton Antonowitsch, und daß ich fern von aller Freigeisterei bin. Ich betrachte die edeldenkende Behörde als meinen Vater. Jawohl, die edeldenkende Behörde und Sie, hm … Ein junger Mensch muß ein Amt haben … Unterstützen Sie mich, Anton Antonowitsch … treten Sie für mich ein, Anton Antonowitsch … Ich will weiter nichts … Anton Antonowitsch, um Gottes willen, nur noch ein Wörtchen … Anton Antonowitsch …“

Aber Anton Antonowitsch war schon weit von Herrn Goljadkin entfernt … Unser Held wußte nicht, wo er stand, was er hörte, was er tat, was mit ihm geschah, und was mit ihm noch geschehen werde, so hatte ihn alles, was er gehört und erlebt hatte, verwirrt und erschüttert.

Mit flehenden Blicken suchte er unter der Schar der Beamten nach Anton Antonowitsch, um sich noch weiter vor ihm zu rechtfertigen und ihm etwas sehr Schönes von sich selbst zu sagen: was für ein wohlgesinnter und anständiger Mensch er sei … Indessen begann allmählich ein neues Licht durch Herrn Goljadkins Verwirrung hindurchzudringen, ein neues, schreckliches Licht, das ihm plötzlich mit einem Schlage eine ganze lange Reihe völlig unbekannter und sogar nicht einmal geahnter Umstände erhellte … In diesem Augenblicke stieß jemand unsern ganz fassungslosen Helden in die Seite. Er blickte sich um. Vor ihm stand Pisarenko.

„Ein Brief, Euer Wohlgeboren!“

„Ah! … Du bist schon dagewesen, mein Lieber?“

„Nein, dieser ist schon heute morgen um zehn hergebracht. Der Kanzleidiener Sergei Michejew hat ihn von der Wohnung des Gouvernementssekretärs Wachramejew hergebracht.“

„Schön, mein Freund, schön; ich danke dir, mein Lieber.“

Nachdem Herr Goljadkin dies gesagt hatte, steckte er den Brief in die Seitentasche seines Uniformrocks und knöpfte diesen bis oben hinauf zu; dann blickte er um sich und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß er sich schon im Hausflur des Amtsgebäudes befand, mitten in einem Schwarm von Beamten, die sich zum Ausgang drängten, da die Bureaustunden zu Ende waren. Herr Goljadkin hatte diesen letzteren Umstand bisher nicht bemerkt, ja er hatte nicht einmal bemerkt und erinnerte sich nicht, auf welche Weise er sich auf einmal in Mantel und Überschuhen befand und seinen Hut in der Hand hielt. Alle Beamten standen regungslos und in respektvoller Erwartung. Die Sache war die, daß Seine Exzellenz am Fuße der Treppe stehen geblieben war, auf seinen Wagen wartete, der sich aus irgendwelcher Ursache verspätete, und ein sehr interessantes Gespräch mit zwei Räten und mit Andrei Filippowitsch führte. Ein wenig entfernt von den beiden Räten und Andrei Filippowitsch stand Anton Antonowitsch Sjetotschkin und einige andere Beamten, die sehr beflissen lächelten, da sie sahen, daß Seine Exzellenz zu scherzen und zu lachen beliebte. Diejenigen Beamten, die sich am oberen Ende der Treppe zusammendrängten, lächelten ebenfalls und warteten darauf, daß Seine Exzellenz von neuem lachen werde. Nur der dickbäuchige Portier Fedosjeitsch lächelte nicht; er hatte den Türgriff gefaßt, stand hochaufgerichtet da und wartete ungeduldig auf seine tägliche Portion Vergnügen, die darin bestand, daß er auf einmal, mit einem einzigen Schwunge des Arms, den einen Türflügel weit zurückschlug und dann, zu einem Bogen zusammengekrümmt, respektvoll Seine Exzellenz an sich vorbeipassieren ließ. Aber die größte Freude und das größte Vergnügen von allen schien Herrn Goljadkins unwürdiger und unedler Feind zu empfinden. Er vergaß in diesem Augenblicke sogar alle Beamten und unterließ es, nach seiner nichtswürdigen Gewohnheit geschäftig unter ihnen umherzutrippeln und, die Gelegenheit benutzend, sich bei diesem und jenem beliebt zu machen. Er war ganz Auge und Ohr, krümmte sich in einer eigentümlichen Weise zusammen, wahrscheinlich um besser zu hören, und verwandte kein Auge von Seiner Exzellenz; nur bisweilen bewegten sich seine Hände, seine Füße und sein Kopf in leisen, kaum bemerkbaren Zuckungen, die die innerliche, verborgene Aufregung seiner Seele verrieten.

„Er ist ordentlich wie berauscht!“ dachte unser Held; „er sieht aus wie ein Günstling, der Schurke! Ich möchte nur wissen, wodurch er eigentlich so viele hochgestellte Personen für sich einnimmt. Er besitzt weder Verstand, noch Charakter, noch Bildung, noch Gefühl; er hat eben Glück, der Racker! Herr du mein Gott! Wenn man das so bedenkt, wie schnell kann ein Mensch vorwärts kommen und sich mit allen Leuten befreunden! Und er wird vorwärts kommen, dieser Mensch; ich möchte darauf schwören, daß er es weit bringen wird, der Racker, daß er viel erreichen wird; er hat Glück, der Racker! Auch das möchte ich gern wissen, was er ihnen allen eigentlich zuzuflüstern pflegt. Was hat er nur mit all diesem Volke für Geheimnisse, und von was für geheimen Dingen reden sie miteinander? Herr du mein Gott! Ich sollte auch so, hm … und mit ihnen auch ein bißchen … so und so … ich sollte ihn vielleicht bitten … ‚So und so, und ich werde es nicht wieder tun. Ich trage die Schuld, und ein junger Mensch muß in unserer Zeit ein Amt haben, Exzellenz; über meine unklare Lage rege ich mich durchaus nicht auf‘, so müßte ich reden! Irgendwie dort Einspruch erheben, das werde ich auch nicht tun; alles werde ich mit Geduld und Demut ertragen; so müßte ich es machen! Soll ich so vorgehen? Ja, übrigens kommt man mit Worten dem Racker nicht bei und kriegt ihn nicht unter; Vernunft kann man ihm in seinen leichtfertigen Kopf nicht hineinhämmern … Aber ich will es versuchen. Wenn ich eine günstige Stunde abpassen kann, will ich es versuchen …“

In seiner Unruhe, seiner Angst und Verwirrung fühlte unser Held, daß es so nicht bleiben könne, daß der entscheidende Augenblick herannahe, daß er sich mit irgend jemand aussprechen müsse, und so begann er denn sich allmählich nach der Stelle hin zu bewegen, wo sein unwürdiger, rätselhafter Freund stand. Aber gerade in diesem Augenblicke fuhr die langerwartete Equipage Seiner Exzellenz am Portal vor. Fedosjeitsch riß die Tür auf und ließ, sich bogenförmig zusammenkrümmend, Seine Exzellenz an sich vorbei. Alle Wartenden strömten mit einem Male zum Ausgang hin und drängten für einen Augenblick Herrn Goljadkin den älteren von Herrn Goljadkin dem jüngeren ab. „Du entgehst mir nicht!“ sagte unser Held, sich durch die Menge schiebend und den Betreffenden nicht aus den Augen lassend. Endlich zerstreute sich die Menge. Unser Held fühlte sich wieder im Freien und machte sich schleunigst an die Verfolgung seines Feindes.

6Der Held von Louvet de Couvrays (1760-1797) schlüpfrigem Romane Les aventures du chevalier Faublas. Anmerkung des Übersetzers.
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