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Die Elixiere des Teufels

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Euphemiens Blicke, die ich immer richtig zu deuten wußte, sagten mir, daß irgend etwas vorgegangen, wovon sie sich besonders aufgeregt fühlte, doch war es den ganzen Tag unmöglich, uns unbemerkt zu sprechen.

In tiefer Nacht, als alles im Schlosse längst schlief, öffnete sich eine Tapetentüre in meinem Zimmer, die ich selbst noch nicht bemerkt, und Euphemie trat herein mit einem zerstörten Wesen, wie ich sie noch niemals gesehen. "Viktorin", sprach sie, "es droht uns Verrat, Hermogen, der wahnsinnige Hermogen ist es, der, durch seltsame Ahnungen auf die Spur geleitet, unser Geheimnis entdeckt hat. In allerlei Andeutungen, die gleich schauerlichen, entsetzlichen Sprüchen einer dunklen Macht, die über uns waltet, lauten, hat er dem Baron einen Verdacht eingeflößt, der, ohne deutlich ausgesprochen zu sein, mich doch auf quälende Weise verfolgt. – Wer du bist, daß unter diesem heiligen Kleide Graf Viktorin verborgen, das scheint Hermogen durchaus verschlossen geblieben; dagegen behauptet er, aller Verrat, alle Arglist, alles Verderben, das über uns einbrechen werde, ruhe in dir, ja wie der Widersacher selbst sei der Mönch in das Haus getreten, der, von teuflischer Macht beseelt, verdammten Verrat brüte. – Es kann so nicht bleiben, ich bin es müde, diesen Zwang zu tragen, den mir der kindische Alte auferlegt, der nun mit kränkelnder Eifersucht, wie es scheint, ängstlich meine Schritte bewachen wird. Ich will dies Spielzeug, das mir langweilig worden, wegwerfen, und du, Viktorin, wirst dich um so williger meinem Begehren fügen, als du auf einmal selbst der Gefahr entgehst, endlich ertappt zu werden und so das geniale Verhältnis, das unser Geist ausbrütete, in eine gemeine verbrauchte Mummerei, in eine abgeschmackte Ehestandsgeschichte herabsinken zu sehen! Der lästige Alte muß fort, und wie das am besten ins Werk zu richten ist, darüber laß uns zu Rate gehen, höre aber erst meine Meinung. Du weißt, daß der Baron jeden Morgen, wenn Reinhold beschäftigt, allein hinausgeht in das Gebürge, um sich an den Gegenden nach seiner Art zu erlaben. – Schleiche dich früher hinaus und suche, ihm am Ausgange des Parks zu begegnen. Nicht weit von hier gibt es eine wilde, schauerliche Felsengruppe; wenn man sie erstiegen, gähnt dem Wandrer auf der einen Seite ein schwarzer, bodenloser Abgrund entgegen, dort ist, oben über den Abgrund herüberragend, der sogenannte Teufelssitz. Man fabelt, daß giftige Dünste aus dem Abgrunde steigen, die den, der vermessen hinabschaut, um zu erforschen, was drunten verborgen, betäuben und rettungslos in den Tod hinabziehen. Der Baron, dieses Märchen verlachend, stand schon oft auf jenem Felsstück über dem Abgrund, um die Aussicht, die sich dort öffnet, zu genießen. Es wird leicht sein, ihn selbst darauf zu bringen, daß er dich an die gefährliche Stelle führt; steht er nun dort und starrt in die Gegend hinein, so erlöst uns ein kräftiger Stoß deiner Faust auf immer von dem ohnmächtigen Narren." – "Nein, nimmermehr", schrie ich heftig, "ich kenne den entsetzlichen Abgrund, ich kenne den Sitz des Teufels, nimmermehr! Fort mit dir und dem Frevel, den du mir zumutest!" Da sprang Euphemie auf, wilde Glut entflammte ihren Blick, ihr Gesicht war verzerrt von der wütenden Leidenschaft, die in ihr tobte. "Elender Schwächling", rief sie, "du wagst es in dumpfer Feigheit, dem zu widerstreben, was ich beschloß? Du willst dich lieber dem schmachvollen Joche schmiegen, als mit mir herrschen? Aber du bist in meiner Hand, vergebens entwindest du dich der Macht, die dich gefesselt hält zu meinen Füßen! – Du vollziehst meinen Auftrag, morgen darf der, dessen Anblick mich peinigt, nicht mehr leben!"

Indem Euphemie die Worte sprach, durchdrang mich die tiefste Verachtung ihrer armseligen Prahlerei, und im bittern Hohn lachte ich ihr gellend entgegen, daß sie erbebte und die Totenblässe der Angst und des tiefen Grauens ihr Gesicht überflog. – "Wahnsinnige", rief ich, "die du glaubst über das Leben zu herrschen, die du glaubst, mit seinen Erscheinungen zu spielen, habe acht, daß dies Spielzeug nicht in deiner Hand zur schneidenden Waffe wird, die dich tötet! Wisse, Elende, daß ich, den du in deinem ohnmächtigen Wahn zu beherrschen glaubst, dich wie das Verhängnis selbst in meiner Macht festgekettet halte, dein frevelhaftes Spiel ist nur das krampfhafte Winden des gefesselten Raubtiers im Käfig! – Wisse, Elende, daß dein Buhle zerschmettert in jenem Abgrunde liegt und daß du statt seiner den Geist der Rache selbst umarmtest! – Geh und verzweifle!"

Euphemie wankte; im konvulsivischen Erbeben war sie im Begriff, zu Boden zu sinken, ich faßte sie und drückte sie durch die Tapetentüre den Gang hinab. – Der Gedanke stieg in mir auf, sie zu töten, ich unterließ es, ohne mich dessen bewußt zu sein, denn im ersten Augenblick, als ich die Tapetentüre schloß, glaubte ich die Tat vollbracht zu haben! – Ich hörte einen durchdringenden Schrei und Türen zuschlagen. Jetzt hatte ich mich selbst auf einen Standpunkt gestellt, der mich dem gewöhnlichen menschlichen Tun ganz entrückte; jetzt mußte Schlag auf Schlag folgen, und, mich selbst als den bösen Geist der Rache verkündend, mußte ich das Ungeheuere vollbringen. – Euphemiens Untergang war beschlossen, und der glühendste Haß sollte, mit der höchsten Inbrunst der Liebe sich vermählend, mir den Genuß gewähren, der nun noch dem übermenschlichen mir inwohnenden Geiste würdig. – In dem Augenblick, daß Euphemie untergegangen, sollte Aurelie mein werden.

Ich erstaunte über Euphemiens innere Kraft, die es ihr möglich machte, den ändern Tag unbefangen und heiter zu scheinen. Sie sprach selbst darüber, daß sie vorige Nacht in eine Art Somnambulismus geraten und dann heftig an Krämpfen gelitten, der Baron schien sehr teilnehmend, Reinholds Blicke waren zweifelhaft und mißtrauisch. Aurelie blieb auf ihrem Zimmer, und je weniger es mir gelang, sie zu sehen, desto rasander tobte die Wut in meinem Innern. Euphemie lud mich ein, auf bekanntem Wege in ihr Zimmer zu schleichen, wenn alles im Schlosse ruhig geworden. – Mit Entzücken vernahm ich das, denn der Augenblick der Erfüllung ihres bösen Verhängnisses war gekommen. – Ein kleines, spitzes Messer, das ich schon von Jugend auf bei mir trug und mit dem ich geschickt in Holz zu schneiden wußte, verbarg ich in meiner Kutte, und so, zum Morde entschlossen, ging ich zu ihr. "Ich glaube", fing sie an, "wir haben beide gestern schwere ängstliche Träume gehabt, es kam viel von Abgründen darin vor, doch das ist nun vorbei!" –Sie gab sich darauf wie gewöhnlich meinen frevelnden Liebkosungen hin, ich war erfüllt von entsetzlichem, teuflischen Hohn, indem ich nur die Lust empfand, die mir der Mißbrauch ihrer eignen Schändlichkeit erregte. Als sie in meinen Armen lag, entfiel mir das Messer, sie schauerte zusammen, wie von Todesangst ergriffen, ich hob das Messer rasch auf, den Mord noch verschiebend, der mir selbst andere Waffen in die Hände gab. – Euphemie hatte italienischen Wein und eingemachte Früchte auf den Tisch stellen lassen. – "Wie so ganz plump und verbraucht", dachte ich, verwechselte geschickt die Gläser und genoß nur scheinbar die mir dargebotenen Früchte, die ich in meinen weiten Ärmel fallen ließ. Ich hatte zwei, drei Gläser von dem Wein, aber aus dem Glase, das Euphemie für sich hingestellt, getrunken, als sie vorgab, Geräusch im Schlosse zu hören, und mich bat, sie schnell zu verlassen. – Nach ihrer Absicht sollte ich auf meinem Zimmer enden! Ich schlich durch die langen, schwach erhellten Korridore, ich kam bei Aureliens Zimmer vorüber, wie festgebannt blieb ich stehen. – Ich sah sie, es war, als schwebe sie daher, mich voll Liebe anblickend wie in jener Vision, und mir winkend, daß ich ihr folgen sollte. – Die Türe wich durch den Druck meiner Hand, ich stand im Zimmer, nur angelehnt war die Türe des Kabinetts, eine schwüle Luft wallte mir entgegen, meine Liebesglut stärker entzündend, mich betäubend; kaum konnte ich atmen. – Aus dem Kabinett quollen die tiefen angstvollen Seufzer der vielleicht von Verrat und Mord Träumenden, ich hörte sie im Schlafe beten! – "Zur Tat, zur Tat, was zauderst du, der Augenblick entflieht", so trieb mich die unbekannte Macht in meinem Innern. – Schon hatte ich einen Schritt ins Kabinett getan, da schrie es hinter mir: "Verruchter, Mordbruder! nun gehörst du mein!" und ich fühlte mich mit Riesenkraft von hinten festgepackt. – Es war Hermogen, ich wand mich, alle meine Stärke aufbietend, endlich von ihm los und wollte mich fortdrängen, aber von neuem packte er mich hinterwärts und zerfleischte meinen Nacken mit wütenden Bissen! – Vergebens rang ich, unsinnig vor Schmerz und Wut, lange mit ihm, endlich zwang ihn ein kräftiger Stoß, von mir abzulassen, und als er von neuem über mich herfiel, da zog ich mein Messer; zwei Stiche, und er sank röchelnd zu Boden, daß es dumpf im Korridor widerhallte. – Bis heraus aus dem Zimmer hatten wir uns gedrängt im Kampfe der Verzweiflung.

Sowie Hermogen gefallen, rannte ich in wilder Wut die Treppe herab, da riefen gellende Stimmen durch das ganze Schloß: "Mord! Mord!" – Lichter schweiften hin und her, und die Tritte der Herbeieilenden schallten durch die langen Gänge, die Angst verwirrte mich, ich war auf entlegene Seitentreppen geraten. – Immer lauter, immer heller wurde es im Schlosse, immer näher und näher erscholl es gräßlich: "Mord, Mord!" Ich unterschied die Stimme des Barons und Reinholds, welche heftig mit den Bedienten sprachen. – Wohin fliehen, wohin mich verbergen? – Noch vor wenig Augenblicken, als ich Euphemien mit demselben Messer ermorden wollte, mit dem ich den wahnsinnigen Hermogen tötete, war es mir, als könne ich, mit dem blutigen Mordinstrument in der Hand, vertrauend auf meine Macht, keck hinaustreten, da keiner, von scheuer Furcht ergriffen, es wagen würde, mich aufzuhalten; jetzt war ich selbst von tödlicher Angst befangen. Endlich, endlich war ich auf der Haupttreppe, der Tumult hatte sich nach den Zimmern der Baronesse gezogen, es wurde ruhiger, in drei gewaltigen Sprüngen war ich hinab, nur noch wenige Schritte vom Portal entfernt. Da gellte ein durchdringender Schrei durch die Gänge, dem ähnlich, den ich in voriger Nacht gehört. – "Sie ist tot, gemordet durch das Gift, das sie mir bereitet", sprach ich dumpf in mich hinein. Aber nun strömte es wieder hell aus Euphemiens Zimmern. Aurelie schrie angstvoll um Hilfe. Aufs neue erscholl es gräßlich: "Mord, Mord!" – Sie brachten Hermogens Leichnam! – "Eilt nach dem Mörder", hört' ich Reinhold rufen. Da lachte ich grimmig auf, daß es durch den Saal, durch die Gänge dröhnte, und rief mit schrecklicher Stimme: "Wahnwitzige, wollt ihr das Verhängnis fahen, das die frevelnden Sünder gerichtet?" – Sie horchten auf, der Zug blieb wie festgebannt auf der Treppe stehen. – Nicht fliehen wollt' ich mehr – ja ihnen entgegenschreiten, die Rache Gottes an den Frevlern in donnernden Worten verkündend. Aber – des gräßlichen Anblicks! – vor mir! – vor mir stand Viktorins blutige Gestalt, nicht ich, er hatte die Worte gesprochen. – Das Entsetzen sträubte mein Haar, ich stürzte in wahnsinniger Angst heraus, durch den Park! – Bald war ich im Freien, da hörte ich Pferdegetrappel hinter mir, und indem ich meine letzte Kraft zusammennahm, um der Verfolgung zu entgehen, fiel ich, über eine Baumwurzel strauchelnd, zu Boden. Bald standen die Pferde bei mir. Es war Viktorins Jäger. "Um Jesus willen, gnädiger Herr", fing er an, "was ist im Schlosse vorgefallen, man schreit Mord! Schon ist das Dorf im Aufruhr. – Nun, was es auch sein mag, ein guter Geist hat es mir eingegeben, aufzupacken und aus dem Städtchen hieher zu reiten; es ist alles im Felleisen auf Ihrem Pferde, gnädiger Herr, denn wir werden uns doch wohl trennen müssen vorderhand, es ist gewiß recht was Gefährliches geschehen, nicht wahr?" – Ich raffte mich auf, und mich aufs Pferd schwingend, bedeutete ich den Jäger, in das Städtchen zurückzureiten und dort meine Befehle zu erwarten. Sobald er sich in der Finsternis entfernt hatte, stieg ich wieder vom Pferde und leitete es behutsam in den dicken Tannenwald hinein, der sich vor mir ausbreitete.

 

Die Abenteuer der Reise

Als die ersten Strahlen der Sonne durch den finstern Tannenwald brachen, befand ich mich an einem frisch und hell über glatte Kieselsteine dahinströmenden Bach. Das Pferd, welches ich mühsam durch das Dickicht geleitet, stand ruhig neben mir, und ich hatte nichts Angelegentlicheres zu tun, als das Felleisen, womit es bepackt war, zu untersuchen. – Wäsche, Kleidungsstücke, ein mit Gold wohlgefüllter Beutel fielen mir in die Hände. – Ich beschloß, mich sogleich umzukleiden; mit Hülfe der kleinen Schere und des Kamms, den ich in einem Besteck gefunden, verschnitt ich den Bart und brachte die Haare, so gut es gehen wollte, in Ordnung. Ich warf die Kutte ab, in welcher ich noch das kleine verhängnisvolle Messer, Viktorins Portefeuille sowie die Korbflasche mit dem Rest des Teufels-elixiers vorfand, und bald stand ich da, in weltlicher Kleidung mit der Reisemütze auf dem Kopf, so daß ich mich selbst, als mir der Bach mein Bild heraufspiegelte, kaum wiedererkannte. Bald war ich am Ausgange des Waldes, und der in der Ferne aufsteigende Dampf sowie das helle Glockengeläute, das zu mir herübertönte, ließen mich ein Dorf in der Nähe vermuten. Kaum hatte ich die Anhöhe vor mir erreicht, als ein freundliches, schönes Tal sich öffnete, in dem ein großes Dorf lag. Ich schlug den breiten Weg ein, der sich hinabschlängelte, und sobald der Abhang weniger steil wurde, schwang ich mich aufs Pferd, um soviel möglich mich an das mir ganz fremde Reiten zu gewöhnen. – Die Kutte hatte ich in einen hohlen Baum verborgen und mit ihr all die feindseligen Erscheinungen auf dem Schlosse in dem finstern Wald gebannt; denn ich fühlte mich froh und mutig, und es war mir, als habe nur meine überreizte Phantasie mir Viktorins blutige, gräßliche Gestalt gezeigt und als wären die letzten Worte, die ich den mich Verfolgenden entgegenrief, wie in hoher Begeisterung, unbewußt aus meinem Innern hervorgegangen und hätten die wahre geheime Beziehung des Zufalls, der mich auf das Schloß brachte und das, was ich dort begann, herbeiführte, deutlich ausgesprochen. –Wie das waltende Verhängnis selbst trat ich ein, den boshaften Frevel strafend und den Sünder in dem ihm bereiteten Untergange entsündigend. Nur Aureliens holdes Bild lebte noch wie sonst in mir, und ich konnte nicht an sie denken, ohne meine Brust beengt, ja physisch einen nagenden Schmerz in meinem Innern zu fühlen. – Doch war es mir, als müsse ich sie vielleicht in fernen Landen wiedersehen, ja, als müsse sie, wie von unwiderstehlichem Drange hingerissen, von unauflöslichen Banden an mich gekettet, mein werden.

Ich bemerkte, daß die Leute, welche mir begegneten, stillstanden und mir verwundert nachsahen, ja daß der Wirt im Dorfe vor Erstaunen über meinen Anblick kaum Worte finden konnte, welches mich nicht wenig ängstigte. Während daß ich mein Frühstück verzehrte und mein Pferd gefüttert wurde, versammelten sich mehrere Bauern in der Wirtsstube, die, mit scheuen Blicken mich anschielend, miteinander flüsterten. – Immer mehr drängte sich das Volk zu, und mich dicht umringend, gafften sie mich an mit dummem Erstaunen. Ich bemühte mich, ruhig und unbefangen zu bleiben, und rief mit lauter Stimme den Wirt, dem ich befahl, mein Pferd satteln und das Felleisen aufpacken zu lassen. Er ging zweideutig lächelnd hinaus und kam bald darauf mit einem langen Mann zurück, der mit finstrer Amtsmiene und komischer Gravität auf mich zuschritt. Er faßte mich scharf ins Auge, ich erwiderte den Blick, indem ich aufstand und mich dicht vor ihn stellte. Das schien ihn etwas außer Fassung zu setzen, indem er sich scheu nach den versammelten Bauern umsah. "Nun, was ist es", rief ich, "Ihr scheint mir etwas sagen zu wollen." Da räusperte sich der ernsthafte Mann und sprach, indem er sich bemühte, in den Ton seiner Stimme recht viel Gewichtiges zu legen: "Herr! Ihr kommt nicht eher von hinnen, bis Ihr Uns, dem Richter hier am Orte, umständlich gesagt, wer Ihr seid, mit allen Qualitäten, was Geburt, Stand und Würde anbelangt, auch woher Ihr gekommen und wohin Ihr zu reisen gedenkt, nach allen Qualitäten, der Lage des Ortes, des Namens, Provinz und Stadt und was weiter zu bemerken, und über das alles müßt Ihr Uns, dem Richter, einen Paß vorzeigen, geschrieben und unterschrieben, untersiegelt nach allen Qualitäten, wie es recht ist und gebräuchlich!" – Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, daß es nötig sei, irgendeinen Namen anzunehmen, und noch weniger war mir eingefallen, daß das Sonderbare, Fremde meines Äußern – welches durch die Kleidung, der sich mein mönchischer Anstand nicht fügen wollte, sowie durch die Spuren des übelverschnittenen Bartes erzeugt wurde – mich jeden Augenblick in die Verlegenheit setzen würde, über meine Person ausgeforscht zu werden. Die Frage des Dorfrichters kam mir daher so unerwartet, daß ich vergebens sann, ihm irgendeine befriedigende Antwort zu geben. Ich entschloß mich, zu versuchen, was entschiedene Keckheit bewirken würde, und sagte mit fester Stimme: "Wer ich bin, habe ich Ursache zu verschweigen, und deshalb trachtet Ihr vergeblich, meinen Paß zu sehen, übrigens hütet Euch, eine Person von Stande mit Eueren läppischen Weitläuftigkeiten nur einen Augenblick aufzuhalten." – "Hoho!" rief der Dorfrichter, indem er eine große Dose hervorzog, in die, als er schnupfte, fünf Hände der hinter ihm stehenden Gerlchtsschöppen hineingriffen, gewaltige Prisen herausholend, "hoho, nur nicht so barsch, gnädigster Herr! – Ihre Exzellenz wird sich gefallen lassen müssen, Uns, dem Richter, Rede zu stehen und den Paß zu zeigen, denn, nun gerade herausgesagt, hier im Gebürge gibt es seit einiger Zeit allerlei verdächtige Gestalten, die dann und wann aus dem Walde gucken und wieder verschwinden, wie der Gottseibeiuns selbst, aber es ist verfluchtes Diebs- und Raubgesindel, die den Reisenden auflauern und allerlei Schaden anrichten durch Mord und Brand, und Ihr, mein gnädigster Herr, seht in der Tat so absonderlich aus, daß Ihr ganz dem Bilde ähnlich seid, das die hochlöbliche Landesregierung von einem großen Räuber und Hauptspitzbuben, geschrieben und beschrieben nach allen Qualitäten, an Uns, den Richter, geschickt hat. Also nur ohne alle weitere Umstände und zeremonische Worte, den Paß oder in den Turm!" – Ich sah, daß mit dem Mann so nichts auszurichten war, ich schickte mich daher an zu einem ändern Versuch. "Gestrenger Herr Richter", sprach ich, "wenn Ihr mir die Gnade erzeigen wolltet, daß ich mit Euch allein sprechen dürfte, so wollte ich alle Eure Zweifel leicht aufklären und im Vertrauen auf Eure Klugheit Euch das Geheimnis offenbaren, das mich in dem Aufzuge, der Euch so auffallend dünkt, herführt." – "Ha, ha! Geheimnisse offenbaren", sprach der Richter, "ich merke schon, was das sein wird; nun geht nur hinaus, ihr Leute, bewacht die Türe und die Fenster und laßt niemanden hinein und heraus!" – Als wir allein waren, fing ich an: "Ihr seht in mir, Herr Richter, einen unglücklichen Flüchtling, dem es endlich durch seine Freunde glückte, einem schmachvollen Gefängnis und der Gefahr, auf ewig ins Kloster gesperrt zu werden, zu entgehen. Erlaßt mir die näheren Umstände meiner Geschichte, die das Gewebe von Ränken und Bosheiten einer rachsüchtigen Familie ist. Die Liebe zu einem Mädchen niedern Standes war die Ursache meiner Leiden. In dem langen Gefängnis war mir der Bart gewachsen und man hatte mir schon die Tonsur geben lassen, wie Ihr's bemerken könnet, so wie ich auch in dem Gefängnisse, in dem ich schmachtete, in eine Mönchskutte gekleidet gehen mußte. Erst nach meiner Flucht, hier im Walde, durfte ich mich umkleiden, weil man mich sonst ereilt haben würde. Ihr merkt nun selbst, woher das Auffallende in meinem Äußern rührt, das mich bei Euch in solch bösen Verdacht gesetzt hat. Einen Paß kann ich Euch, wie Ihr seht, nun nicht vorzeigen, aber für die Wahrheit meiner Behauptungen habe ich gewisse Gründe, die Ihr wohl für richtig anerkennen werdet." – Mit diesen Worten zog ich den Geldbeutel hervor, legte drei blanke Dukaten auf den Tisch, und der gravitätische Ernst des Herrn Richters verzog sich zum schmunzelnden Lächeln. "Eure Gründe, mein Herr", sagte er, "sind gewiß einleuchtend genug, aber nehmt es nicht übel, mein Herr! es fehlt Ihnen noch eine gewisse überzeugende Gleichheit nach allen Qualitäten! Wenn Ihr wollt, daß ich das Ungerade für gerade nehmen soll, so müssen Eure Gründe auch so beschaffen sein." – Ich verstand den Schelm und legte noch einen Dukaten hinzu. "Nun sehe ich", sprach der Richter, "daß ich Euch mit meinem Verdacht unrecht getan habe; reiset nur weiter, aber schlagt, wie Ihr es wohl gewohnt sein möget, hübsch die Nebenwege ein, haltet Euch von der Heerstraße ab, bis Ihr Euch des verdächtigen Äußern ganz entledigt." – Er öffnete die Tür nun weit und rief laut der versammelten Menge entgegen: "Der Herr da drinnen ist ein vornehmer Herr, nach allen Qualitäten, er hat sich Uns, dem Richter, in einer geheimen Audienz entdeckt, er reiset inkognito, das heißt unbekannterweise, und daß ihr alle davon nichts zu wissen und zu vernehmen braucht, ihr Schlingel! – Nun, glückliche Reise, gnäd'ger Herr!" Die Bauern zogen, ehrfurchtsvoll schweigend, die Mützen ab, als ich mich auf das Pferd schwang. Rasch wollte ich durch das Tor sprengen, aber das Pferd fing an, sich zu bäumen, meine Unwissenheit, meine Ungeschicklichkeit im Reiten versagte mir jedes Mittel, es von der Stelle zu bringen, im Kreise drehte es sich mit mir herum und warf mich endlich unter dem schallenden Gelächter der Bauern dem herbeieilenden Richter und dem Wirte in die Arme. "Das ist ein böses Pferd", sagte der Richter mit unterdrücktem Lachen. – "Ein böses Pferd!" wiederholte ich, mir den Staub abklopfend. Sie halfen mir wieder herauf, aber von neuem bäumte sich schnaubend und prustend das Pferd, durchaus war es nicht durch das Tor zu bringen. Da rief ein alter Bauer: "Ei seht doch, da sitzt ja das Zeterweib, die alte Liese, an dem Tor und läßt den gnädigen Herrn nicht fort, aus Schabernack, weil er ihr keinen Groschen gegeben." – Nun erst fiel mir ein altes, zerlumptes Bettelweib ins Auge, die dicht am Torwege niedergekauert saß und mich mit wahnsinnigen Blicken anlachte. "Will die Zeterhexe gleich aus dem Weg!" schrie der Richter, aber die Alte kreischte: "Der Blutbruder hat mir keinen Groschen gegeben, seht ihr nicht den toten Menschen vor mir liegen? Über den kann der Blutbruder nicht wegspringen, der tote Mensch richtet sich auf, aber ich drücke ihn nieder, wenn mir der Blutbruder einen Groschen gibt." Der Richter hatte das Pferd bei dem Zügel ergriffen und wollte es, ohne auf das wahnwitzige Geschrei der Alten zu achten, durch das Tor ziehen, vergeblich war indessen alle Anstrengung, und die Alte schrie gräßlich dazwischen: "Blutbruder, Blutbruder, gib mir Groschen, gib mir Groschen!" Da griff ich in die Tasche und warf ihr Geld in den Schoß, und jubelnd und jauchzend sprang die Alte auf in die Lüfte und schrie: "Seht die schönen Groschen, die mir der Blutbruder gegeben, seht die schönen Groschen!" Aber mein Pferd wieherte laut und kurbettierte, von dem Richter losgelassen, durch das Tor. "Nun geht es gar schön und herrlich mit dem Reiten, gnädiger Herr, nach allen Qualitäten", sagte der Richter, und die Bauern, die mir bis vors Tor nachgelaufen, lachten noch einmal über die Maßen, als sie mich unter den Sprüngen des muntern Pferdes so auf und nieder fliegen sahen, und riefen: "Seht doch, seht doch, der reitet •wie ein Kapuziner!"

 

Der ganze Vorfall im Dorfe, vorzüglich die verhängnisvollen Worte des wahnsinnigen Weibes, hatten mich nicht wenig aufgeregt. Die vornehmsten Maßregeln, die ich jetzt zu ergreifen hatte, schienen mir, bei der ersten Gelegenheit alles Auffallende aus meinem Äußern zu verbannen und mir irgendeinen Namen zu geben, mit dem ich mich ganz unbemerkt in die Masse der Menschen eindrängen könne. – Das Leben lag vor mir wie ein finstres, undurchschauliches Verhängnis, was konnte ich anders tun, als mich in meiner Verbannung ganz den Wellen des Stroms überlassen, der mich unaufhaltsam dahinriß. Alle Faden, die mich sonst an bestimmte Lebensverhältnisse banden, waren zerschnitten und daher kein Halt für mich zu finden. Immer lebendiger und lebendiger wurde die Heerstraße, und alles kündigte schon in der Ferne die reiche, lebhafte Handelsstadt an, der ich mich jetzt näherte. In wenigen Tagen lag sie mir vor Augen; ohne gefragt, ja ohne einmal eben genau betrachtet zu werden, ritt ich in die Vorstadt hinein. Ein großes Haus mit hellen Spiegelfenstern, über dessen Türe ein goldner geflügelter Löwe prangte, fiel mir in die Augen. Eine Menge Menschen wogte hinein und hinaus, Wagen kamen und fuhren ab, aus den untern Zimmern schallte mir Gelächter und Gläserklang entgegen. Kaum hielt ich an der Türe, als geschäftig der Hausknecht herbeisprang, mein Pferd bei dem Zügel ergriff und es, als ich abgestiegen, hineinführte. Der zierlich gekleidete Kellner kam mit dem klappernden Schlüsselbunde und schritt mir voran die Treppe herauf; als wir uns im zweiten Stock befanden, sah er mich noch einmal flüchtig an und führte mich dann noch eine Treppe höher, wo er mir ein mäßiges Zimmer öffnete und mich dann höflich frug, was ich vorderhand beföhle, um zwei Uhr würde gespeiset im Saal No. 10, erster Stock usw. "Bringen Sie mir eine Flasche Wein!" Das war in der Tat das erste Wort, das ich der dienstfertigen Geschäftigkeit dieser Leute einschieben konnte.

Kaum war ich allein, als es klopfte und ein Gesicht zur Türe hereinsah, das einer komischen Maske glich, wie ich sie wohl ehemals gesehen. Eine spitze rote Nase, ein paar kleine funkelnde Augen, ein langes Kinn und dazu ein aufgetürmtes gepudertes Toupet, das, wie ich nachher wahrnahm, ganz unvermuteterweise hinten in einen Titus ausging, ein großes Jabot, ein brennendrotes Gilet, unter dem zwei starke Uhrketten hervorhingen, Pantalons, ein Frack, der manchmal zu enge, dann aber auch wieder zu weit war, kurz mit Konsequenz überall nicht paßte! – So schritt die Figur in der Krümmung des Bücklings, der in der Türe begonnen, herein, Hut, Schere und Kamm in der Hand, sprechend: "Ich bin der Friseur des Hauses und biete meine Dienste, meine unmaßgeblichen Dienste gehorsamst an." – Die kleine winddürre Figur hatte so etwas Possierliches, daß ich das Lachen kaum unterdrücken konnte. Doch war mir der Mann willkommen, und ich stand nicht an, ihn zu fragen, ob er sich getraue, meine durch die lange Reise und noch dazu durch übles Verschneiden ganz in Verwirrung geratene Haare in Ordnung zu bringen! Er sah meinen Kopf mit kunstrichterlichen Augen an und sprach, indem er die rechte Hand, graziös gekrümmt, mit ausgespreizten Fingern auf die rechte Brust legte: "In Ordnung bringen? – O Gott! Pietro Belcampo, du, den die schnöden Neider schlechtweg Peter Schönfeld nennen, wie den göttlichen Regimentspfeifer und Hornisten Giacomo Punto Jakob Stich, du wirst verkannt. Aber stellst du nicht selbst dein Licht unter den Scheffel, statt es leuchten zu lassen vor der Welt? Sollte der Bau dieser Hand, sollte der Funke des Genies, der aus diesem Auge strahlt und wie ein lieblich Morgenrot die Nase färbt im Vorbeistreifen, sollte dein ganzes Wesen nicht dem ersten Blick des Kenners verraten, daß der Geist dir einwohnt, der nach dem Ideal strebt? – In Ordnung bringen! – ein kaltes Wort, mein Herr!"

Ich bat den -wunderlichen kleinen Mann, sich nicht so zu ereifern, indem ich seiner Geschicklichkeit alles zutraue. "Geschicklichkeit?" fuhr er in seinem Eifer fort, "was ist Geschicklichkeit? – Wer war geschickt? – Jener, der das Maß nahm nach fünf Augenlängen und dann springend dreißig Ellen weit in den Graben stürzte? – Jener, der ein Linsenkorn auf zwanzig Schritte weit durch ein Nähnadelöhr schleuderte? – Jener, der fünf Zentner an den Degen hing und so ihn an der Nasenspitze balancierte sechs Stunden, sechs Minuten, sechs Sekunden und einen Augenblick? – Ha, was ist Geschicklichkeit! Sie ist fremd dem Pietro Belcampo, den die Kunst, die heilige, durchdringt. – Die Kunst, mein Herr, die Kunst! – Meine Phantasie irrt in dem wunderbaren Lockenbau, in dem künstlichen Gefüge, das der Zephyrhauch in Wellenzirkeln baut und zerstört. – Da schafft sie und wirkt und arbeitet. – Ha, es ist was Göttliches um die Kunst, denn die Kunst, mein Herr, ist eigentlich nicht sowohl die Kunst, von der man so viel spricht, sondern sie entsteht vielmehr erst aus dem allen, was man die Kunst heißt! – Sie verstehen mich, mein Herr, denn Sie scheinen mir ein denkender Kopf, wie ich aus dem Löckchen schließe, das sich rechter Hand über Dero verehrte Stirn gelegt." – Ich versicherte, daß ich ihn vollkommen verstände, und indem mich die ganz originelle Narrheit des Kleinen höchlich ergötzte, beschloß ich, seine gerühmte Kunst in Anspruch nehmend, seinen Eifer, seinen Pathos nicht im mindesten zu unterbrechen. "Was gedenken Sie denn", sagte ich, "aus meinen verworrenen Haaren herauszubringen?" – "Alles, was Sie wollen", erwiderte der Kleine, "soll Pietro Belcampo des Künstlers Rat aber etwas vermögen, so lassen Sie mich erst in den gehörigen Weiten, Breiten und Längen Ihr wertes Haupt, Ihre ganze Gestalt, Ihren Gang, Ihre Mienen, Ihr Gebärdenspiel betrachten, dann werde ich sagen, ob Sie sich mehr zum Antiken oder zum Romantischen, zum Heroischen, Großen, Erhabenen, zum Naiven, zum Idyllischen, zum Spöttischen, zum Humoristischen hinneigen; dann werde ich die Geister des Caracalla, des Titus, Karls des Großen, Heinrich des Vierten, Gustav Adolfs oder Virgils, Tassos, Boccaccios heraufbeschwören. – Von ihnen beseelt, zucken die Muskeln meiner Finger, und unter der sonoren, zwitschernden Schere geht das Meisterstück hervor. Ich werde es sein, mein . Herr, der Ihre Charakteristik, wie sie sich aussprechen soll im Leben, vollendet. Aber jetzt bitte ich, die Stube einigemal auf und ab zu schreiten, ich will beobachten, bemerken, anschauen, ich bitte!"

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