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Die Elixiere des Teufels

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Die Busse

Eine sanfte Wärme glitt durch mein Inneres. Dann fühlte ich es in allen Adern seltsam arbeiten und prickeln; dies Gefühl wurde zu Gedanken, doch war mein Ich hundertfach zerteilt. Jeder Teil hatte im eignen Regen eignes Bewußtsein des Lebens, und umsonst gebot das Haupt den Gliedern, die wie untreue Vasallen sich nicht sammeln mochten unter seiner Herrschaft. Nun fingen die Gedanken der einzelnen Teile an, sich zu drehen wie leuchtende Punkte, immer schneller und schneller, so daß sie einen Feuerkreis bildeten, der wurde kleiner, so wie die Schnelligkeit wuchs, daß er zuletzt nur eine stillstehende Feuerkugel schien. Aus der schössen rotglühende Strahlen und bewegten sich im farbichten Flammenspiel. "Das sind meine Glieder, die sich regen, jetzt erwache ich!" So dachte ich deutlich, aber in dem Augenblick durchzuckte mich ein jäher Schmerz, helle Glockentöne schlugen an mein Ohr. "Fliehen, weiter fort! – weiter fort!" rief ich laut, wollte mich schnell aufraffen, fiel aber entkräftet zurück. Jetzt erst vermochte ich die Augen zu öffnen. Die Glockentöne dauerten fort – ich glaubte noch im Walde zu sein, aber wie erstaunte ich, als ich die Gegenstände ringsumher, als ich mich selbst betrachtete. In dem Ordenshabit der Kapuziner lag ich in einem hohen, einfachen Zimmer auf einer wohlgepolsterten Matratze ausgestreckt. Ein paar Rohrstühle, ein kleiner Tisch und ein ärmliches Bett waren die einzigen Gegenstände, die sich noch im Zimmer befanden. Es wurde mir klar, daß mein bewußtloser Zustand eine Zeitlang gedauert haben und daß ich in demselben auf diese oder jene Weise in ein Kloster gebracht sein mußte, das Kranke aufnehme. Vielleicht war meine Kleidung zerrissen, und man gab mir vorläufig eine Kutte. Der Gefahr, so schien es mir, war ich entronnen. Diese Vorstellungen beruhigten mich ganz, und ich beschloß abzuwarten, was sich weiter zutragen würde, da ich voraussetzen konnte, daß man bald nach dem Kranken sehen würde. Ich fühlte mich sehr matt, sonst aber ganz schmerzlos. Nur einige Minuten hatte ich so, zum vollkommenen Bewußtsein erwacht, gelegen, als ich Tritte vernahm, die sich wie auf einem langen Gange näherten. Man schloß meine Türe auf, und ich erblickte zwei Männer, von denen einer bürgerlich gekleidet war, der andere aber den Ordenshabit der Barmherzigen Brüder trug. Sie traten schweigend auf mich zu, der bürgerlich Gekleidete sah mir scharf in die Augen und schien sehr verwundert. "Ich bin wieder zu mir selbst gekommen, mein Herr", fing ich mit matter Stimme an, "dem Himmel sei es gedankt, der mich zum Leben erweckt hat – wo befinde ich mich aber? wie bin ich hergekommen?" – Ohne mir zu antworten, wandte sich der bürgerlich Gekleidete zu dem Geistlichen und sprach auf italienisch: "Das ist in der Tat erstaunenswürdig, der Blick ist ganz geändert, die Sprache rein, nur matt … es muß eine besondere Krisis eingetreten sein." –"Mir scheint", erwiderte der Geistliche, "mir scheint, als wenn die Heilung nicht mehr zweifelhaft sein könne." "Das kommt", fuhr der bürgerlich Gekleidete fort, "das kommt darauf an, wie er sich in den nächsten Tagen hält. Verstehen Sie nicht so viel Deutsch, um mit ihm zu sprechen?" "Leider nein", antwortete der Geistliche. – "Ich verstehe und spreche Italienisch", fiel ich ein; "sagen Sie mir, wo bin ich, wie bin ich hergekommen?" – Der bürgerlich Gekleidete, wie ich wohl merken konnte, ein Arzt, schien freudig verwundert. "Ah", rief er aus, "ah, das ist gut. Ihr befindet Euch, ehrwürdiger Herr! an einem Orte, wo man nur für Euer Wohl auf alle mögliche Weise sorgt. Ihr wurdet vor drei Monaten in einem sehr bedenklichen Zustande hergebracht. Ihr wart sehr krank, aber durch unsere Sorgfalt und Pflege scheint Ihr Euch auf dem Wege der Genesung zu befinden. Haben wir das Glück, Euch ganz zu heilen, so könnt Ihr ruhig Eure Straße fortwandeln, denn wie ich höre, wollt Ihr nach Rom?" – "Bin ich denn", frug ich weiter, "in der Kleidung, die ich trage, zu Euch gekommen?" – "Freilich", erwiderte der Arzt, "aber laßt das Fragen, beunruhigt Euch nur nicht, alles sollt Ihr erfahren, die Sorge für Eure Gesundheit ist jetzt das vornehmlichste." Er faßte meinen Puls, der Geistliche hatte unterdessen eine Tasse herbeigebracht, die er mir darreichte. "Trinkt", sprach der Arzt, "und sagt mir dann, wofür Ihr das Getränk haltet." – "Es ist", erwiderte ich, nachdem ich getrunken, "es ist eine gar kräftig zubereitete Fleischbrühe." – Der Arzt lächelte zufrieden und rief dem Geistlichen zu: "Gut, sehr gut!" – Beide verließen mich. Nun war meine Vermutung, wie ich glaubte, richtig. Ich befand mich in einem öffentlichen Krankenhause. Man pflegte mich mit stärkenden Nahrungsmitteln und kräftiger Arzenei, so daß ich nach drei Tagen imstande war aufzustehen. Der Geistliche öffnete ein Fenster, eine warme, herrliche Luft, wie ich sie nie geatmet, strömte herein, ein Garten schloß sich an das Gebäude, herrliche fremde Bäume grünten und blühten, Weinlaub rankte sich üppig an der Mauer empor, vor allem aber war mir der dunkelblaue, duftige Himmel eine Erscheinung aus ferner Zauberwelt. "Wo bin ich denn", rief ich voll Entzücken aus, "haben mich die Heiligen gewürdigt, in einem Himmelslande zu wohnen?" Der Geistliche lächelte wohlbehaglich, indem er sprach: "Ihr seid in Italien, mein Bruder! in Italien!" – Meine Verwunderung wuchs bis zum höchsten Grade, ich drang in den Geistlichen, mir genau die Umstände meines Eintritts in dies Haus zu sagen, er wies mich an den Doktor. Der sagte mir endlich, daß vor drei Monaten mich ein wunderlicher Mensch hergebracht und gebeten habe, mich aufzunehmen; ich befände mich nämlich in einem Krankenhause, das von Barmherzigen Brüdern verwaltet werde. Sowie ich mich mehr und mehr erkräftigte, bemerkte ich, daß beide, der Arzt und der Geistliche, sich in mannigfache Gespräche mit mir einließen und mir vorzüglich Gelegenheit gaben, lange hintereinander zu erzählen. Meine ausgebreiteten Kenntnisse in den verschiedensten Fächern des Wissens gaben mir reichen Stoff dazu, und der Arzt lag mir an, manches niederzuschreiben, welches er dann in meiner Gegenwart las und sehr zufrieden schien. Doch fiel es mir oft seltsamlich auf, daß er, statt meine Arbeit selbst zu loben, immer nur sagte: "In der Tat … das geht gut … ich habe mich nicht getäuscht! … wunderbar … wunderbar!" Ich durfte nun zu gewissen Stunden in den Garten hinab, wo ich manchmal grausig entstellte, totenblasse, bis zum Geripp ausgetrocknete Menschen, von Barmherzigen Brüdern geleitet, erblickte. Einmal begegnete mir, als ich schon im Begriff stand, in das Haus zurückzukehren, ein langer, hagerer Mann, in einem seltsamen erdgelben Mantel, der wurde von zwei Geistlichen bei den Armen geführt, und nach jedem Schritt machte er einen possierlichen Sprung und pfiff dazu mit durchdringender Stimme. Erstaunt blieb ich stehen, doch der Geistliche, der mich begleitete, zog mich schnell fort, indem er sprach: "Kommt, kommt, lieber Bruder Medardus! das ist nichts für Euch." – "Um Gott", rief ich aus, "woher wißt Ihr meinen Namen?" – Die Heftigkeit, womit ich diese Worte ausstieß, schien meinen Begleiter zu beunruhigen. "Ei", sprach er, "wie sollten wir denn Euern Namen nicht wissen? Der Mann, der Euch herbrachte, nannte ihn ja ausdrücklich, und Ihr seid eingetragen in die Register des Hauses: Medardus, Bruder des Kapuzinerklosters zu B." – Eiskalt bebte es mir durch die Glieder. Aber mochte der Unbekannte, der mich in das Krankenhaus gebracht hatte, sein, wer er wollte, mochte er eingeweiht sein in mein entsetzliches Geheimnis: er konnte nicht Böses wollen, denn er hatte ja freundlich für mich gesorgt, und ich war ja frei.

Ich lag im offnen Fenster und atmete in vollen Zügen die herrliche, warme Luft ein, die, durch Mark und Adern strömend, neues Leben in mir entzündete, als ich eine kleine, dürre Figur, ein spitzes Hütchen auf dem Kopfe und in einen ärmlichen, erblichenen Überrock gekleidet, den Hauptgang nach dem Hause herauf mehr hüpfen und trippeln als gehen sah. Als er mich erblickte, schwenkte er den Hut in der Luft und warf mir Kußhändchen zu. Das Männlein hatte etwas Bekanntes, doch konnte ich die Gesichtszüge nicht deutlich erkennen, und er verschwand unter den Bäumen, ehe ich mit mir einig worden, wer es wohl sein möge. Doch nicht lange dauerte es, so klopfte es an meine Türe, ich öffnete, und dieselbe Figur, die ich im Garten gesehen, trat herein. "Schönfeld", rief ich voll Verwunderung, "Schönfeld, wie kommen Sie her, um des Himmels willen?" – Es war jener närrische Friseur aus der Handelsstadt, der mich damals rettete aus großer Gefahr. "Ach – ach, ach!" seufzte er, indem sich sein Gesicht auf komische Weise weinerlich verzog, "wie soll ich denn herkommen, ehrwürdiger Herr, wie soll ich denn herkommen anders als geworfen – geschleudert, von dem bösen Verhängnis, das alle Genies verfolgt! Eines Mordes wegen mußte ich fliehen … " "Eines Mordes wegen?" unterbrach ich ihn heftig. – "Ja, eines Mordes wegen", fuhr er fort, "ich hatte im Zorn den linken Backenbart des jüngsten Kommerzienrates in der Stadt getötet und dem rechten gefährliche Wunden beigebracht." – "Ich bitte Sie", unterbrach ich ihn aufs neue, "lassen Sie die Possen, sein Sie einmal vernünftig und erzählen Sie im Zusammenhange oder verlassen Sie mich." – "Ei, lieber Bruder Medardus", fing er plötzlich sehr ernst an; "du willst mich fortschicken, nun du genesen, und mußtest mich doch in deiner Nähe leiden, als du krank dalagst und ich dein Stubenkamerad war und in jenem Bette schlief." – "Was heißt das", rief ich bestürzt aus, "wie kommen Sie auf den Namen Medardus?" – "Schauen Sie", sprach er lächelnd, "den rechten Zipfel Ihrer Kutte gefälligst an." Ich tat es und erstarrte vor Schreck und Erstaunen, denn ich fand, daß der Name Medardus hineingenäht war, so wie mich, bei genauerer Untersuchung, untrügliche Kennzeichen wahrnehmen ließen, daß ich ganz un-bezweifelt dieselbe Kutte trug, die ich auf der Flucht aus dem Schlosse des Barons von F. in einen hohlen Baum verborgen hatte. Schönfeld bemerkte meine innere Bewegung, er lächelte ganz seltsam; den Zeigefinger an die Nase gelegt, sich auf den Fußspitzen erhebend, schaute er mir ins Auge; ich blieb sprachlos, da fing er leise und bedächtig an: "Ew. Ehrwürden wundem sich merklich über das schöne Kleid, das Ihnen angelegt worden, es scheint Ihnen überall wunderbar anzustehen und zu passen, besser als jenes nußbraune Kleid mit schnöden besponnenen Knöpfen, das mein ernsthafter, vernünftiger Dämon Ihnen anlegte … Ich … ich … der verkannte, verbannte Pietro Belcampo war es, der Eure Blöße deckte mit diesem Kleide. Bruder Medardus! Ihr wart nicht im sonderlichsten Zustande, denn als Überrock – Spenzer – englischen Frack trugt Ihr simplerweise Eure eigne Haut, und an schickliche Frisur war nicht zu denken, da Ihr, eingreifend in meine Kunst, Euern Karakalla mit dem zehnzahnichten Kamm, der Euch an die Fauste gewachsen, selbst besorgtet." – "Laßt die Narrheiten", fuhr ich auf, "laßt die Narrheiten, Schönfeld" … "Pietro Belcampo heiße ich", unterbrach er mich in vollem Zorne, "ja Pietro Belcampo, hier in Italien, und du magst es nur wissen, Medardus, ich selbst, ich selbst bin die Narrheit, die ist überall hinter dir her, um deiner Vernunft beizustehen, und du magst es nun einsehen oder nicht, in der Narrheit findest du nur dein Heil, denn deine Vernunft ist ein höchst miserables Ding und kann sich nicht aufrecht erhalten, sie taumelt hin und her wie ein gebrechliches Kind und muß mit der Narrheit in Kompanie treten, die hilft ihr auf und weiß den richtigen Weg zu finden nach der Heimat – das ist das Tollhaus, da sind wir beide richtig angelangt, mein Brüderchen Medardus." – Ich schauderte zusammen, ich dachte an die Gestalten, die ich gesehen, an den springenden Mann im erdgelben Mantel, und konnte nicht zweifeln, daß Schönfeld in seinem Wahnsinn mir die Wahrheit sagte. "Ja, mein Brüderchen Medardus", fuhr Schönfeld mit erhobener Stimme und heftig gestikulierend fort, "ja, mein liebes Brüderchen, die Narrheit erscheint auf Erden wie die wahre Geisterkönigin. Die Vernunft ist nur ein träger Statthalter, der sich nie darum kümmert, was außer den Grenzen des Reichs vorgeht, der nur aus Langerweile auf dem Paradeplatz die Soldaten exerzieren läßt, die können nachher keinen ordentlichen Schuß tun, wenn der Feind eindringt von außen. Aber die Narrheit, die wahre Königin des Volks, zieht ein mit Pauken und Trompeten: hussa hussa! – hinter ihr her Jubel – Jubel –

 

Die Vasallen erheben sich von den Plätzen, wo sie die Vernunft einsperrte, und wollen nicht mehr stehen, sitzen und liegen, wie der pedantische Hofmeister es will; der sieht die Nummern durch und spricht: >Seht, die Narrheit hat mir meine besten Eleven entrückt – fortgerückt – verrückt – ja sie sind verrückt worden.< Das ist ein Wortspiel, Brüderlein Medardus – ein Wortspiel ist ein glühendes Lockeneisen in der Hand der Narrheit, womit sie Gedanken krümmt." – "Noch einmal", fiel ich dem albernen Schönfeld in die Rede, "noch einmal bitte ich Euch, das unsinnige Geschwätz zu lassen, wenn Ihr es vermöget, und mir zu sagen, wie Ihr hergekommen seid und was Ihr von mir und von dem Kleide wißt, das ich trage." – Ich hatte ihn mit diesen Worten bei den Händen gefaßt und in einen Stuhl gedrückt. Er schien sich zu besinnen, indem er die Augen niederschlug und tief Atem schöpfte. "Ich habe Ihnen", fing er dann mit leiser, matter Stimme an, "ich habe Ihnen das Leben zum zweitenmal gerettet, ich war es ja, der Ihrer Flucht aus der Handelsstadt behilflich war, ich war es wiederum, der Sie herbrachte." – "Aber um Gott, um der Heiligen willen, wo fanden Sie mich?" – So rief ich laut aus, indem ich ihn losließ, doch in dem Augenblick sprang er auf und schrie mit funkelnden Augen: "Ei, Bruder Medardus, hätt' ich dich nicht, klein und schwach, wie ich bin, auf meinen Schultern fortgeschleppt, du lägst mit zerschmetterten Gliedern auf dem Rade." – Ich erbebte – wie vernichtet sank ich in den Stuhl, die Türe öffnete sich, und hastig trat der mich pflegende Geistliche herein. "Wie kommt Ihr hieher? wer hat Euch erlaubt, dies Zimmer zu betreten?" So fuhr er auf Belcampo los, dem stürzten aber die Tränen aus den Augen, und er sprach mit flehender Stimme: "Ach, mein ehrwürdiger Herr! nicht länger konnte ich dem Drange widerstehen, meinen Freund zu sprechen, den ich dringender Todesgefahr entrissen!" Ich ermannte mich. "Sagt mir, mein lieber Bruder", sprach ich zu dem Geistlichen, "hat mich dieser Mann wirklich hergebracht?" – Er stockte. – "Ich weiß jetzt, wo ich mich befinde", fuhr ich fort, "ich kann vermuten, daß ich im schrecklichsten Zustande war, den es gibt, aber Ihr merkt, daß ich vollkommen genesen, und so darf ich wohl nun alles erfahren, was man mir bis jetzt absichtlich verschweigen mochte, weil man mich für reizbar hielt." "So ist es in der Tat", antwortete der Geistliche, "dieser Mann brachte Euch, es mögen ungefähr drei bis viertehalb Monate her sein, in unsere Anstalt. Er hatte Euch, wie er erzählte, für tot in dem Walde, der vier Meilen von hier das … sehe von unserm Gebiet scheidet, gefunden und Euch für den ihm früher bekannten Kapuzinermönch Medardus aus dem Kloster zu B. erkannt, der auf einer Reise nach Rom durch den Ort kam, wo er sonst wohnte. Ihr befandet Euch in einem vollkommen apathischen Zustande. Ihr gingt, wenn man Euch führte, Ihr bliebt stehen, wenn man Euch losließ, Ihr setztet, Ihr legtet Euch nieder, wenn man Euch die Richtung gab. Speise und Trank mußte man Euch einflößen. Nur dumpfe, unverständliche Laute vermochtet Ihr auszustoßen, Euer Blick schien ohne alle Sehkraft. Belcampo verließ Euch nicht, sondern war Euer treuer Wärter. Nach vier Wochen fielt Ihr in die schrecklichste Raserei, man war genötiget, Euch in eins der dazu bestimmten abgelegenen Gemächer zu bringen. Ihr wäret dem wilden Tier gleich – doch nicht näher mag ich Euch einen Zustand schildern, dessen Erinnerung Euch vielleicht zu schmerzlich sein würde. Nach vier Wochen kehrte plötzlich jener apathische Zustand wieder, der in eine vollkommene Starrsucht überging, aus der Ihr genesen erwachtet." – Schönfeld hatte sich während dieser Erzählung des Geistlichen gesetzt und, wie in tiefes Nachdenken versunken, den Kopf in die Hand gestützt. "Ja", fing er an, "ich weiß recht gut, daß ich zuweilen ein aberwitziger Narr bin, aber die Luft im Tollhause, vernünftigen Leuten verderblich, hat gar gut auf mich gewirkt. Ich fange an, über mich selbst zu räsonieren, und das ist kein übles Zeichen. Existiere ich überhaupt nur durch mein eignes Bewußtsein, so kommt es nur darauf an, daß dies Bewußtsein dem Bewußten die Hanswurstjacke ausziehe, und ich selbst stehe da als solider Gentleman. – O Gott! – ist aber ein genialer Friseur nicht schon an und vor sich selbst ein gesetzter Hasenfuß? – Hasenfüßigkeit schützt vor allem Wahnsinn, und ich kann Euch versichern, ehrwürdiger Herr! daß ich auch bei Nordnordwest einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl genau zu unterscheiden vermag." – "Ist dem wirklich so", sprach ich, "so beweisen Sie es dadurch, daß Sie mir ruhig den Hergang der Sache erzählen, wie Sie mich fanden und wie Sie mich herbrachten." "Das will ich tun", erwiderte Schönfeld, "unerachtet der geistliche Herr hier ein gar besorgliches Gesicht schneidet; erlaube aber, Bruder Medardus, daß ich dich als meinen Schützling mit dem vertraulichen Du anrede. – Der fremde Maler war den ändern Morgen, nachdem du in der Nacht entflohen, auch mit seiner Gemäldesammlung auf unbegreifliche Weise verschwunden. Sosehr die Sache überhaupt anfangs Aufsehen erregt hatte, so bald war sie doch im Strome neuer Begebenheiten untergegangen. Nur als der Mord auf dem Schlosse des Barons F. bekannt wurde, als die … sche Gerichte durch Steckbriefe den Mönch Medardus aus dem Kapuzinerkloster zu B. verfolgten, da erinnerte man sich daran, daß der Maler die ganze Geschichte im Weinhause erzählt und in dir den Bruder Medardus erkannt hatte. Der Wirt des Hotels, wo du gewohnt hattest, bestätigte die Vermutung, daß ich deiner Flucht förderlich gewesen war. Man wurde auf mich aufmerksam, man wollte mich ins Gefängnis setzen. Leicht war mir der Entschluß, dem elenden Leben, das schon längst mich zu Boden gedrückt hatte, zu entfliehen. Ich beschloß, nach Italien zu gehen, wo es Abbates und Frisuren gibt. Auf meinem Wege dahin sah ich dich in der Residenz des Fürsten von ***. Man sprach von deiner Vermählung mit Aurelien und von der Hinrichtung des Mönchs Medardus. Ich sah auch diesen Mönch – Nun! – dem sei, wie ihm wolle, ich halte dich nun einmal für den wahren Medardus. Ich stellte mich dir in den Weg, du bemerktest mich nicht, und ich verließ die Residenz, um meine Straße weiterzuverfolgen. Nach langer Reise rüstete ich mich einst in frühster Morgendämmerung, den Wald zu durchwandern, der in düstrer Schwärze vor mir lag. Eben brachen die ersten Strahlen der Morgensonne hervor, als es in dem dicken Gebüsch rauschte und ein Mensch mit zerzaustem Kopfhaar und Bart, aber in zierlicher Kleidung, bei mir vorübersprang. Sein Blick war wild und verstört, im Augenblick war er mir aus dem Gesicht verschwunden. Ich schritt weiter fort, doch wie entsetzte ich mich, als ich dicht vor mir eine nackte menschliche Figur, ausgestreckt auf dem Boden, erblickte. Ich glaubte, es sei ein Mord geschehen und der Fliehende sei der Mörder. Ich bückte mich herab zu dem Nackten, erkannte dich und wurde gewahr, daß du leise atmetest. Dicht bei dir lag die Mönchskutte, die du jetzt trägst; mit vieler Mühe kleidete ich dich darin und schleppte dich weiter fort. Endlich erwachtest du aus tiefer Ohnmacht, du bliebst aber in dem Zustande, wie ihn dir der ehrwürdige Herr hier erst beschrieben. Es kostete keine geringe Anstrengung, dich fortzuschaffen, und so kam es, daß ich erst am Abende eine Schenke erreichte, die mitten im Walde liegt. Wie schlaftrunken ließ ich dich auf einem Rasenplatze zurück und ging hinein, um Speise und Trank zu holen. In der Schenke saßen ***sche Dragoner, die sollten, wie die Wirtin sagte, einem Mönch bis an die Grenze nachspüren, der auf unbegreifliche Weise in dem Augenblicke entflohen sei, als er schwerer Verbrechen halber in *** hätte hingerichtet werden sollen. Ein Geheimnis war es mir, wie du aus der Residenz in den Wald kamst, aber die Überzeugung, du seist eben der Medardus, den man suche, hieß mich alle Sorgfalt anwenden, dich der Gefahr, in der du mir zu schweben schienst, zu entreißen. Durch Schleichwege schaffte ich dich fort, über die Grenze, und kam endlich mit dir in dies Haus, wo man dich und auch mich aufnahm, da ich erklärte, mich von dir nicht trennen zu wollen. Hier warst du sicher, denn in keiner Art hätte man den aufgenommenen Kranken fremden Gerichten ausgeliefert. Mit deinen fünf Sinnen war es nicht sonderlich bestellt, als ich hier im Zimmer bei dir wohnte und dich pflegte. Auch die Bewegung deiner Gliedmaßen war nicht zu rühmen, Noverre und Vestris hätten dich tief verachtet, denn dein Kopf hing auf die Brust, und wollte man dich gerade aufrichten, so stülptest du um, wie ein mißratner Kegel. Auch mit der Rednergabe ging es höchst traurig, denn du warst verdammt einsilbig und sagtest in aufgeräumten Stunden nur >Hu hu< und >Me … me … <, woraus dein Wollen und Denken nicht sonderlich zu vernehmen und beinahe zu glauben, beides sei dir untreu worden und vagabondiere auf seine eigene Hand oder seinen eignen Fuß. Endlich wurdest du mit einemmal überaus lustig, du sprangst hoch in die Lüfte, brülltest vor lauter Entzücken und rissest dir die Kutte vom Leibe, um frei zu sein von jeder naturbeschränkenden Fessel – Dein Appetit… " "Halten Sie ein, Schönfeld", unterbrach ich den entsetzlichen Witzling, "halten Sie ein! Man hat mich schon von dem fürchterlichen Zustande, in den ich versunken, unterrichtet. Dank sei es der ewigen Langmut und Gnade des Herrn, Dank sei es der Fürsprache der Gebenedeiten und der Heiligen, daß ich errettet worden bin!" – "Ei, ehrwürdiger Herr!" fuhr Schönfeld fort, "was haben Sie denn nun davon! ich meine von der besonderen Geistesfunktion, die man Bewußtsein nennt und die nichts anders ist als die verfluchte Tätigkeit eines verdammten Toreinnehmers – Akziseoffizianten – Oberkontrollassistenten, der sein heilloses Comptoir im Oberstübchen aufgeschlagen hat und zu aller Ware, die hinaus will, sagt: >Hei … hei … die Ausfuhr ist verboten… im Lande, im Lande bleibt's.< – Die schönsten Juwelen werden wie schnöde Saatkörner in die Erde gesteckt, und was emporschießt, sind höchstens Runkelrüben, aus denen die Praxis mit tausend Zentner schwerem Gewicht eine Viertelunze übelschmeckenden Zucker preßt… Hei hei … und doch sollte jene Ausfuhr einen Handelsverkehr begründen mit der herrlichen Gottesstadt da droben, wo alles stolz und herrlich ist. – Gott im Himmel! Herr! Allen meinen teuer erkauften Puder à la Maréchal oder à la Pompadour oder à la reine de Golconde hätte ich in den Fluß geworfen, wo er am tiefsten ist, hätte ich nur wenigstens durch Transito-Handel ein Quentlein Sonnenstäubchen von dorther bekommen können, um die Perücken höchst gebildeter Professoren und Schulkollegen zu pudern, zuvörderst aber meine eigne! – Was sage ich? Hätte mein Dämon Ihnen, ehrwürdigster aller ehrwürdigen Mönche, statt des flohfarbnen Fracks einen Sonnenmatin umhängen können, in dem die reichen, übermütigen Bürger der Gottesstadt zu Stuhle gehen, wahrhaftig, es wäre, was Anstand und Würde betrifft, alles anders gekommen; aber so hielt Sie die Welt für einen gemeinen glebae adscriptus und den Teufel für Ihren Cousin germain" – Schönfeld war aufgestanden und ging oder hüpfte vielmehr, stark gestikulierend und tolle Gesichter schneidend, von einer Ecke des Zimmers zur ändern. Er war im vollen Zuge, wie gewöhnlich sich in der Narrheit durch die Narrheit zu entzückend, ich faßte ihn daher bei beiden Händen und sprach: "Willst du dich denn durchaus statt meiner hier einbürgern? Ist es dir denn nicht möglich, nach einer Minute verständigen Ernstes das Possenhafte zu lassen?" Er lächelte auf seltsame Weise und sagte: "Ist wirklich alles so albern, was ich spreche, wenn mir der Geist kommt?" "Das ist ja eben das Unglück", erwiderte ich, "daß deinen Fratzen oft tiefer Sinn zum Grunde liegt, aber du vertrödelst und verbrämst alles mit solch buntem Zeuge, daß ein guter, in echter Farbe gehaltener Gedanke lächerlich und unscheinbar wird, wie ein mit scheckigen Fetzen behängtes Kleid. – Du kannst wie ein Betrunkener nicht auf gerader Schnur gehen, du springst hinüber und herüber – deine Richtung ist schief!" – "Was ist Richtung", unterbrach mich Schönfeld leise und fortlächelnd mit bittersüßer Miene. "Was ist Richtung, ehrwürdiger Kapuziner? Richtung setzt ein Ziel voraus, nach dem wir unsere Richtung nehmen. Sind Sie Ihres Zieles gewiß, teurer Mönch? – Fürchten Sie nicht, daß Sie bisweilen zu wenig Katzenhirn zu sich genommen, statt dessen aber im Wirtshause neben der gezogenen Schnur zu viel Spirituöses genossen und nun wie ein schwindliger Turmdecker zwei Ziele sehen, ohne zu wissen, welches das rechte? – Überdem, Kapuziner! vergib es meinem Stande, daß ich das Possenhafte als eine angenehme Beimischung, spanischen Pfeffer zum Blumenkohl, in mir trage. Ohne das ist ein Haarkünstler eine erbärmliche Figur, ein armseliger Dummkopf, der das Privilegium in der Tasche trägt, ohne es zu nutzen zu seiner Lust und Freude." Der Geistliche hatte bald mich, bald den grimassierenden Schönfeld mit Aufmerksamkeit betrachtet; er verstand, da wir deutsch sprachen, kein Wort; jetzt unterbrach er unser Gespräch. "Verzeihet, meine Herren! wenn es meine Pflicht heischt, eine Unterredung zu enden, die euch beiden unmöglich wohltun kann. Ihr seid, mein Bruder, noch zu sehr geschwächt, um von Dingen, die wahrscheinlich aus Euerm frühern Leben schmerzhafte Erinnerungen aufregen, so anhaltend fortzusprechen; Ihr könnet ja nach und nach von Euerm Freunde alles erfahren, denn wenn Ihr auch ganz genesen unsere Anstalt verlasset, so wird Euch doch wohl Euer Freund weiter geleiten. Zudem habt Ihr (er wandte sich zu Schönfeld) eine Art des Vertrags, die ganz dazu geeignet ist, alles das, wovon Ihr sprecht, dem Zuhörer lebendig vor Augen zu bringen. In Deutschland muß man Euch für toll halten, und selbst bei uns würdet Ihr für einen guten Buffone gelten. Ihr könnt auf dem komischen Theater Euer Glück machen." Schönfeld starrte den Geistlichen mit weit aufgerissenen Augen an, dann erhob er sich auf den Fußspitzen, schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief auf italienisch: "Geisterstimme! … Schicksalsstimme, du hast aus dem Munde dieses ehrwürdigen Herrn zu mir gesprochen! … Belcampo … Belcampo … so konntest du deinen wahrhaften Beruf verkennen … es ist entschieden!" – Damit sprang er zur Türe hinaus. Den ändern Morgen trat er reisefertig zu mir herein. "Du bist, mein lieber Bruder Medardus", sprach er, "nunmehr ganz genesen, du bedarfst meines Beistandes nicht mehr, ich ziehe fort, wohin mich mein innerster Beruf leitet … Lebe wohl! … doch erlaube, daß ich zum letztenmal meine Kunst, die mir nun wie ein schnödes Gewerbe vorkommt, an dir übe." Er zog Messer, Schere und Kamm hervor und brachte unter tausend Grimassen und possenhaften Reden meine Tonsur und meinen Bart in Ordnung. Der Mensch war mir trotz der Treue, die er mir bewiesen, unheimlich worden, ich war froh, als er geschieden. Der Arzt hatte mir mit stärkender Arznei ziemlich aufgeholfen; meine Farbe war frischer worden, und durch immer längere Spaziergänge gewann ich meine Kräfte wieder. Ich war überzeugt, eine Fußreise aushaken zu können, und verließ ein Haus, das dem Geisteskranken wohltätig, dem Gesunden aber unheimlich und grauenvoll sein mußte. Man hatte mir die Absicht untergeschoben, nach Rom zu pilgern, ich beschloß, dieses wirklich zu tun, und so wandelte ich fort auf der Straße, die als dorthin führend mir bezeichnet worden war. Unerachtet mein Geist vollkommen genesen, war ich mir doch selbst eines gefühllosen Zustande? bewußt, der über jedes im Innern aufkeimende Bild einen düstern Flor warf, so daß alles farblos, grau in grau erschien. Ohne alle deutliche Erinnerung des Vergangenen, beschäftigte mich die Sorge für den Augenblick ganz und gar. Ich sah in die Ferne, um den Ort zu erspähen, wo ich würde einsprechen können, um mir Speise oder Nachtquartier zu erbetteln, und war recht innig froh, wenn Andächtige meinen Bettelsack und meine Flasche gut gefüllt hatten, wofür ich meine Gebete mechanisch herplapperte. Ich war selbst im Geist zum gewöhnlichen stupiden Bettelmönch herabgesunken. So kam ich endlich an das große Kapuzinerkloster, das, wenige Stunden von Rom, nur von Wirtschaftsgebäuden umgeben, einzeln daliegt. Dort mußte man den Ordensbruder aufnehmen, und ich gedachte, mich in voller Gemächlichkeit recht auszupflegen. Ich gab vor, daß, nachdem das Kloster in Deutschland, worin ich mich sonst befand, aufgehoben worden, ich fortgepilgert sei und in irgendein anderes Kloster meines Ordens einzutreten wünsche. Mit der Freundlichkeit, die den italienischen Mönchen eigen, bewirtete man mich reichlich, und der Prior erklärte, daß, insofern mich nicht vielleicht die Erfüllung eines Gelübdes weiterzupilgern nötige, ich als Fremder so lange im Kloster bleiben könne, als es mir anstehen würde. Es war Vesperzeit, die Mönche gingen in den Chor, und ich trat in die Kirche. Der kühne, herrliche Bau des Schiffs setzte mich nicht wenig in Verwunderung, aber mein zur Erde gebeugter Geist konnte sich nicht erheben, wie es sonst geschah, seit der Zeit, als ich, ein kaum erwachtes Kind, die Kirche der heiligen Linde geschaut hatte. Nachdem ich mein Gebet am Hochaltar verrichtet, schritt ich durch die Seitengänge, die Altargemälde betrachtend, welche, wie gewöhnlich, die Martyrien der Heiligen, denen sie geweiht, darstellten. Endlich trat ich in eine Seitenkapelle, deren Altar von den durch die bunten Fensterscheiben brechenden Sonnenstrahlen magisch beleuchtet wurde. Ich wollte das Gemälde betrachten, ich stieg die Stufen hinauf. – Die heilige Rosalia – das verhängnisvolle Altarblatt meines Klosters – Ach! – Aurelien erblickte ich! Mein ganzes Leben – meine tausendfachen Frevel – meine Missetaten – Hermogens – Aureliens Mord – alles – alles nur ein entsetzlicher Gedanke, und der durchfuhr wie ein spitzes glühendes Eisen mein Gehirn. – Meine Brust – Adern und Fibern zerrissen im wilden Schmerz der grausamsten Folter! – Kein lindernder Tod! – Ich warf mich nieder – ich zerriß in rasender Verzweiflung mein Gewand – ich heulte auf im trostlosen Jammer, daß es weit in der Kirche nachhallte: "Ich bin verflucht, ich bin verflucht! – Keine Gnade – kein Trost mehr, hier und dort! – Zur Hölle – zur Hölle – ewige Verdammnis über mich verruchten Sünder beschlossen!" – Man hob mich auf – die Mönche waren in der Kapelle, vor mir stand der Prior, ein hoher, ehrwürdiger Greis. Er schaute mich an mit unbeschreiblich mildem Ernst, er faßte meine Hände, und es war, als halte ein Heiliger, von himmlischem Mitleid erfüllt, den Verlornen in den Lüften über dem Flammenpfuhl fest, in den er hinabstürzen wollte. "Du bist krank, mein Bruder!" sprach der Prior, "wir wollen dich in das Kloster bringen, da magst du dich erholen." Ich küßte seine Hände, sein Kleid, ich konnte nicht sprechen, nur tiefe, angstvolle Seufzer verrieten den fürchterlichen, zerrissenen Zustand meiner Seele. – Man führte mich in das Refektorium, auf einen Wink des Priors entfernten sich die Mönche, ich blieb mit ihm allein. "Du scheinst, mein Bruder!" fing er an, "von schwerer Sünde belastet, denn nur die tiefste, trostloseste Reue über eine entsetzliche Tat kann sich so gebärden. Doch groß ist die Langmut des Herrn, stark und kräftig ist die Fürsprache der Heiligen, fasse Vertrauen – Du sollst mir beichten, und es wird dir, wenn du büßest, Trost der Kirche werden!" In dem Augenblick schien es mir, als sei der Prior jener alte Pilger aus der heiligen Linde, und nur der sei das einzige Wesen auf der ganzen weiten Erde, dem ich mein Leben voller Sünde und Frevel offenbaren müsse. Noch war ich keines Wortes mächtig, ich warf mich vor dem Greise nieder in den Staub. "Ich gehe in die Kapelle des Klosters", sprach er mit feierlichem Ton und schritt von dannen. – Ich war gefaßt – ich eilte ihm nach, er saß im Beichtstuhl, und ich tat augenblicklich, wozu mich der Geist unwiderstehlich trieb; ich beichtete alles – alles! – Schrecklich war die Buße, die mir der Prior auflegte. Verstoßen von der Kirche, wie ein Aussätziger verbannt aus den Versammlungen der Brüder, lag ich in den Totengewölben des Klosters, mein Leben kärglich fristend durch unschmackhafte, in Wasser gekochte Kräuter, mich geißelnd und peinigend mit Marterinstrumenten, die die sinnreichste Grausamkeit erfunden, und meine Stimme erhebend nur zur eigenen Anklage, zum zerknirschten Gebet um Rettung aus der Hölle, deren Flammen schon in mir loderten. Aber wenn das Blut aus hundert Wunden rann, wenn der Schmerz in hundert giftigen Skorpionstichen brannte und dann endlich die Natur erlag, bis der Schlaf sie wie ein ohnmächtiges Kind schützend mit seinen Armen umfing, dann stiegen feindliche Traumbilder empor, die mir neue Todesmarter bereiteten. – Mein ganzes Leben gestaltete sich auf entsetzliche Weise. Ich sah Euphemien, wie sie in üppiger Schönheit mir nahte, aber laut schrie ich auf: "Was willst du von mir, Verruchte! Nein, die Hölle hat keinen Teil an mir." Da schlug sie ihr Gewand auseinander, und die Schauer der Verdammnis ergriffen mich. Zum Gerippe eingedorrt war ihr Leib, aber in dem Gerippe wanden sich unzählige Schlangen durcheinander und streckten ihre Häupter, ihre rotglühenden Zungen mir entgegen. "Laß ab von mir! … Deine Schlangen stechen hinein in die wunde Brust … sie wollen sich mästen von meinem Herzblut … aber dann sterbe ich … dann sterbe ich … der Tod entreißt mich deiner Rache." So schrie ich auf, da heulte die Gestalt: – "Meine Schlangen können sich nähren von deinem Herzblut … aber das fühlst du nicht, denn das ist nicht deine Qual – deine Qual ist in dir und tötet dich nicht, denn du lebst in ihr. Deine Qual ist der Gedanke des Frevels, und der ist ewig!" – Der blutende Hermogen stieg auf, aber vor ihm floh Euphemie, und er rauschte vorüber, auf die Halswunde deutend, die die Gestalt des Kreuzes hatte. Ich wollte beten, da begann ein sinnverwirrendes Flüstern und Rauschen. Menschen, die ich sonst gesehen, erschienen zu tollen Fratzen verunstaltet. – Köpfe krochen mit Heuschreckenbeinen, die ihnen an die Ohren gewachsen, umher und lachten mich hämisch an – seltsames Geflügel – Raben mit Menschengesichtern rauschten in der Luft – Ich erkannte den Konzertmeister aus B. mit seiner Schwester, die drehte sich in wildem Walzer, und der Bruder spielte dazu auf, aber auf der eigenen Brust streichend, die zur Geige worden. – Belcampo, mit einem häßlichen Eidechsengesicht, auf einem ekelhaften geflügelten Wurm sitzend, fuhr auf mich ein, er wollte meinen Bart kämmen mit eisernem glühendem Kamm – aber es gelang ihm nicht. – Toller und toller wird das Gewirre, seltsamer, abenteuerlicher werden die Gestalten, von der kleinsten Ameise mit tanzenden Menschenfüßchen bis zum langgedehnten Roßgerippe mit funkelnden Augen, dessen Haut zur Schabracke worden, auf der ein Reuter mit leuchtendem Eulenkopfe sitzt. – Ein bodenloser Becher ist sein Leibharnisch – ein umgestülpter Trichter sein Helm! – Der Spaß der Hölle ist emporgestiegen. Ich höre mich lachen, aber dies Lachen zerschneidet die Brust, und brennender wird der Schmerz, und heftiger bluten alle Wunden. – Die Gestalt eines Weibes leuchtet hervor, das Gesindel weicht – sie tritt auf mich zu! – Ach, es ist Aurelie! "Ich lebe und bin nun ganz dein!" spricht die Gestalt. – Da wird der Frevel in mir wach. – Rasend vor wilder Begier, umschlinge ich sie mit meinen Armen. – Alle Ohnmacht ist von mir gewichen, aber da legt es sich glühend an meine Brust -rauhe Borsten zerkratzen meine Augen, und der Satan lacht gellend auf: "Nun bist du ganz mein!" – Mit dem Schrei des Entsetzens erwache ich, und bald fließt mein Blut in Strömen von den Hieben der Stachelpeitsche, mit der ich mich in trostloser Verzweiflung züchtige. Denn selbst die Frevel des Traums, jeder sündliche Gedanke fordert doppelte Buße. –Endlich war die Zeit, die der Prior zur strengsten Buße bestimmt hatte, verstrichen, und ich stieg empor aus dem Totengewölbe, um in dem Kloster selbst, aber in abgesonderter Zelle, entfernt von den Brüdern, die nun mir auferlegten Bußübungen vorzunehmen. Dann, immer in geringern Graden der Buße, wurde mir der Eintritt in die Kirche und in den Chor der Brüder erlaubt. Doch mir selbst genügte nicht diese letzte Art der Buße, die nur in täglicher gewöhnlicher Geißelung bestehen sollte. Ich wies standhaft jede bessere Kost zurück, die man mir reichen wollte, ganze Tage lag ich ausgestreckt auf dem kalten Marmorboden vor dem Bilde der heiligen Rosalia und marterte mich in einsamer Zelle selbst auf die grausamste Weise, denn durch äußere Qualen gedachte ich, die innere gräßliche Marter zu übertäuben. Es war vergebens, immer kehrten jene Gestalten, von dem Gedanken erzeugt, wieder, und dem Satan selbst war ich preisgegeben, daß er mich höhnend foltere und verlocke zur Sünde. Meine strenge Buße, die unerhörte Weise, wie ich sie vollzog, erregte die Aufmerksamkeit der Mönche. Sie betrachteten mich mit ehrfurchtsvoller Scheu, und ich hörte es sogar unter ihnen flüstern: "Das ist ein Heiliger!" Dies Wort war mir entsetzlich, denn nur zu lebhaft erinnerte es mich an jenen gräßlichen Augenblick in der Kapuzinerkirche zu B., als ich dem mich anstarrenden Maler in vermessenem Wahnsinn entgegenrief: "Ich bin der heilige Antonius!" – Die letzte von dem Prior bestimmte Zeit der Buße war endlich auch verflossen, ohne daß ich davon abließ, mich zu martern, unerachtet meine Natur der Qual zu erliegen schien. Meine Augen waren erloschen, mein wunder Körper ein blutendes Gerippe, und es kam dahin, daß, wenn ich stundenlang am Boden gelegen, ich ohne Hilfe anderer nicht aufzustehen vermochte. Der Prior ließ mich in sein Sprachzimmer bringen. "Fühlst du, mein Bruder!" fing er an, "durch die strenge Buße dein Inneres erleichtert? Ist Trost des Himmels dir worden?" – "Nein, ehrwürdiger Herr", erwiderte ich in dumpfer Verzweiflung. "Indem ich dir", fuhr der Prior mit erhöhter Stimme fort, "indem ich dir, mein Bruder! da du mir eine Reihe entsetzlicher Taten gebeichtet hattest, die strengste Buße auflegte, genügte ich den Gesetzen der Kirche, welche wollen, daß der Übeltäter, den der Arm der Gerechtigkeit nicht erreichte und der reuig dem Diener des Herrn seine Verbrechen bekannte, auch durch äußere Handlungen die Wahrheit seiner Reue kundtue. Er soll den Geist ganz dem Himmlischen zuwenden und doch das Fleisch peinigen, damit die irdische Marter jede teuflische Lust der Untaten aufwäge. Doch glaube ich, und mir stimmen berühmte Kirchenlehrer bei, daß die entsetzlichsten Qualen, die sich der Büßende zufügt, dem Gewicht seiner Sünden auch nicht ein Quentlein entnehmen, sobald er darauf seine Zuversicht stützt und der Gnade des Ewigen deshalb sich würdig dünkt. Keiner menschlichen Vernunft erforschlich ist es, wie der Ewige unsere Taten mißt, verloren ist der, der, ist er auch von wirklichem Frevel rein, vermessen glaubt, den Himmel zu erstürmen durch äußeres Frommtun, und der Büßende, welcher nach der Bußübung seinen Frevel vertilgt glaubt, beweiset, daß seine innere Reue nicht wahrhaft ist. Du, lieber Bruder Medardus, empfindest noch keine Tröstung, das beweiset die Wahrhaftigkeit deiner Reue, unterlasse jetzt, ich will es, alle Geißelungen, nimm bessere Speise zu dir und fliehe nicht mehr den Umgang der Brüder. – Wisse, daß dein geheimnisvolles Leben mir in allen seinen wunderbarsten Verschlingungen besser bekannt worden als dir selbst. – Ein Verhängnis, dem du nicht entrinnen konntest, gab dem Satan Macht über dich, und indem du freveltest, warst du nur sein Werkzeug. Wähne aber nicht, daß du deshalb weniger sündig vor den Augen des Herrn erschienest, denn dir war die Kraft gegeben, im rüstigen Kampf den Satan zu bezwingen. In wessen Menschen Herz stürmt nicht der Böse und widerstrebt dem Guten; aber ohne diesen Kampf gäb' es keine Tugend, denn diese ist nur der Sieg des guten Prinzips über das böse, so wie aus dem umgekehrten die Sünde entspringt. – Wisse fürs erste, daß du dich eines Verbrechens anklagst, welches du nur im Willen vollbrachtest. – Aurelie lebt, in wildem Wahnsinn verletztest du dich selbst, das Blut deiner eigenen Wunde war es, was über deine Hand floß … Aurelie lebt … ich weiß es."

 
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