Du bist das Placebo

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Ich zeige Ihnen die Daten, die von meinem wissenschaftlichen Team auf Basis der Gehirn-Scans dieser Menschen gesammelt wurden; dann können Sie selbst sehen, welche Veränderungen wir in Echtzeit während der Workshops miterlebt haben. Das Beste an diesen Daten ist: Sie beweisen, dass man kein Mönch und keine Nonne, kein Gelehrter, kein Wissenschaftler und kein spiritueller Führer sein muss, um so etwas zu erreichen. Man braucht keinen Doktortitel und muss nicht medizinisch ausgebildet sein. Die Menschen, von denen in diesem Buch die Rede ist, sind ganz normale Leute wie Sie und ich.

Nach dem Lesen dieses Kapitels wissen Sie, dass dieser Prozess nichts mit Magie oder Wundertaten zu tun hat. Diese Menschen haben einfach etwas gelernt und erlernbare Fähigkeiten eingesetzt. Und wenn Sie diese Fähigkeiten praktizieren, können auch Sie ähnliche Veränderungen bewirken.

Teil II des Buches dreht sich um Meditation.

In Kapitel 11 werden einige einfache vorbereitende Schritte zur Meditation erklärt und nützliche Techniken vorgestellt.

Kapitel 12 bietet Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die in meinen Workshops vermittelten Meditationstechniken – eben jene Techniken, anhand derer Workshop-Teilnehmer die im Buch beschriebenen bemerkenswerte Ergebnisse erzielt haben.

***

Auch wenn noch viele Fragen über die Anwendungsmöglichkeiten des Placebo-Effekts offen sind, setzen viele Menschen diese Ideen bereits um und bewirken außergewöhnliche Veränderungen in ihrem Leben, die von anderen als praktisch unmöglich angesehen werden. Das freut mich sehr. Die in diesem Buch vorgestellten Techniken dienen nicht nur der physischen Heilung, sondern können genutzt werden, um alle Aspekte des Lebens zu verbessern.

Ich hoffe, dieses Buch inspiriert auch Sie dazu, diese Techniken auszuprobieren und in Ihrem Leben solche scheinbar unmöglichen Veränderungen möglich werden zu lassen.

***

Anmerkung: Die in diesem Buch vorgestellten Geschichten über Teilnehmer meiner Workshops, die sich selbst geheilt haben, entsprechen der Wahrheit; ihre Namen und bestimmte Details, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen, wurden jedoch geändert, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Teil 1

INFORMATION

1. Ist es wirklich möglich?

Sam Londe, ein pensionierter Schuhverkäufer, der Anfang der 1970er-Jahre in der Nähe von St. Louis wohnte, litt unter Schluckbeschwerden.1 Schließlich ging er zum Arzt, der bei ihm metastasierenden Speiseröhrenkrebs diagnostizierte, was damals als unheilbar galt; niemand hatte diese Krankheit jemals überlebt. Es war ein Todesurteil, welches der Arzt seinem Patienten in entsprechend düsterem Tonfall überbrachte.

Der Arzt empfahl Londe die operative Entfernung des Krebsgewebes in der Speiseröhre und der Metastasen im Magen, um seine Lebenszeit so lange wie möglich zu verlängern. Im Vertrauen auf den Arzt willigte Londe ein und ließ sich operieren. Die Operation lief so gut, wie man erwarten konnte, doch schon bald verschlimmerte sich sein Zustand. Eine Untersuchung der Leber zeigte zudem einen ausgedehnten Krebsbefall von Londes gesamtem linkem Leberlappen. Man teilte Londe mit, er habe leider höchstens noch ein paar Monate zu leben.

Londe und seine neue Frau, beide in den Siebzigern, zogen deshalb 300 Meilen nach Nashville, wo Londes Frau Familienangehörige hatte. Schon bald nach seinem Umzug nach Tennessee kam Londe ins Krankenhaus, wo er von dem Internisten Clifton Meador betreut wurde. Bei seiner ersten Visite fand Dr. Meador einen kleinen, unrasierten Mann vor, der sich unter einem ganzen Berg Bettdecken verkrochen hatte und halb tot aussah. Londe war unwirsch und unkommunikativ, und das, wie die Krankenschwestern sagten, schon seitdem er ein paar Tage zuvor ins Krankhaus kam.

Londes Blutzuckerspiegel war aufgrund seiner Diabeteserkrankung hoch, doch die restlichen Blutwerte waren ziemlich normal, bis auf leicht erhöhte Leberenzymwerte, was bei Leberkrebs zu erwarten war. Zusätzliche medizinische Untersuchungen zeigten keine weiteren Anomalitäten auf – angesichts des desolaten Zustands des Patienten ein Segen. Gemäß den Anweisungen seines neuen Arztes ging Londe widerwillig zur Physiotherapie, erhielt angereicherte Flüssignahrung und wurde gut versorgt und gepflegt. Nach ein paar Tagen war er schon ein bisschen kräftiger, und seine Schroffheit legte sich. Er erzählte Dr. Meador aus seinem Leben.

Londe war bereits einmal verheiratet gewesen; er und seine erste Frau waren echte Seelengefährten gewesen. Sie konnten zwar keine Kinder bekommen, hatten aber ansonsten ein gutes Leben zusammen. Sie fuhren gerne Boot, und deshalb hatten sie nach ihrer Pensionierung ein Haus an einem großen Stausee gekauft. Eines Nachts brach der nahe gelegene Staudamm, und ihr Haus wurde von einer Wasserwand vernichtet und fortgeschwemmt. Wie durch ein Wunder konnte Londe sich an ein Trümmerstück klammern und überlebte, doch der Körper seiner Frau wurde nie gefunden.

»Ich verlor alles, was mir jemals lieb und teuer war«, sagte er zu Dr. Meador. »In jener Nacht verlor ich bei der Überschwemmung mein Herz und meine Seele.«

Nicht einmal sechs Monate nach dem Tod seiner ersten Frau, als Londe noch voller Trauer war und mitten in einer Depression steckte, wurde bei ihm der Speiseröhrenkrebs diagnostiziert und operiert. Zu diesem Zeitpunkt lernte er seine zweite Frau kennen und heiratete sie; sie war eine nette Frau, die über seine tödliche Krankheit Bescheid wusste und bereit war, sich in der Zeit, die ihm noch verblieb, um ihn zu kümmern. Ein paar Monate nach ihrer Hochzeit zogen sie nach Nashville, und der Rest der Geschichte war Dr. Meador bereits bekannt.

Als Londe seine Geschichte beendet hatte, fragte ihn der Arzt voller Mitgefühl: »Was soll ich für Sie tun?«

Der todkranke Mann dachte eine Weile darüber nach. »Ich möchte gerne noch Weihnachten mit meiner Frau und ihrer Familie erleben. Sie waren gut zu mir«, sagte er schließlich. »Helfen Sie mir, es noch bis Weihnachten zu schaffen. Mehr will ich nicht.« Dr. Meador sagte, er wolle sein Bestes versuchen.

Als Londe Ende Oktober aus dem Krankenhaus entlassen wurde, ging es ihm tatsächlich viel besser als bei seiner Ankunft. Dr. Meador war positiv überrascht über Londes gutes Befinden. Danach sah der Arzt seinen Patienten etwa einmal pro Monat, und immer sah Londe gut aus.

Doch genau eine Woche nach Weihnachten (am Neujahrstag) brachte seine Frau ihn wieder ins Krankenhaus. Zu Dr. Meadors-Überraschung sah Londe wieder todkrank aus. Die Untersuchung ergab lediglich ein schwaches Fieber; die Thorax-Röntgenbilder zeigten an einer kleinen Stelle eine Lungenentzündung. Londe schien allerdings keine Atembeschwerden zu haben. Alle Bluttests sahen gut aus, und die vom Arzt angeordneten Zellkulturen waren negativ und ergaben keinerlei Hinweise auf andere Erkrankungen.

Dr. Meador verschrieb Londe Antibiotika, verabreichte ihm Sauerstoff und hoffte, alles würde sich zum Guten wenden, doch innerhalb von 24 Stunden war Sam Londe tot.

Man könnte meinen, diese Geschichte handelt von einer typischen Krebsdiagnose, die zum Tod aufgrund einer tödlichen Erkrankung führte, nicht wahr? Doch langsam, die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Als man im Krankenhaus an Londe eine Autopsie durchführte, wurde etwas Seltsames entdeckt: Die Leber war nicht voller Krebstumore; nur im linken Leberlappen wurde ein winziger Krebsknoten gefunden, des Weiteren ein kleiner Fleck auf der Leber. Nichts davon war groß genug, um zum Tod zu führen. Und der Bereich um Londes Speiseröhre herum war komplett ohne Befund. Die Leberuntersuchung im Krankenhaus in St. Louis hatte offensichtlich ein falsches positives Ergebnis erbracht.

Sam Londe starb weder an Speiseröhrenkrebs noch an Leberkrebs und auch nicht an der schwachen Lungenentzündung, die bei seiner erneuten Aufnahme im Krankenhaus festgestellt worden war. Er starb ganz einfach, weil alle um ihn herum meinten, er würde im Sterben liegen. Sein Arzt in St. Louis dachte, er würde sterben, und Dr. Meador in Nashville dachte ebenfalls, er würde sterben. Auch seine Frau und seine Familie dachten das. Und was am wichtigsten war: Londe selbst meinte, er werde sterben.

Starb Sam Londe womöglich aufgrund von bloßen Gedanken? Können Gedanken wirklich so mächtig sein? Und wenn ja, ist das ein Einzelfall?

Gibt es eine Placebo-Überdosis?

Der 26 Jahre alte Doktorand Fred Mason litt nach der Trennung von seiner Freundin unter Depressionen.2 Als er eine Anzeige sah, in der für eine klinische Studie Probanden für ein neues Antidepressivum gesucht wurden, beschloss er, daran teilzunehmen. Vier Jahre zuvor hatte ihm sein Arzt das Antidepressivum Amitriptylin (Elavil) verschrieben, als er einen depressiven Anfall hatte, aber Mason musste das Medikament absetzen, weil er davon extrem schläfrig und benommen wurde. Es war für ihn wohl zu stark gewesen, und das neue Medikament würde, wie er hoffte, weniger Nebenwirkungen haben.

Er nahm seit etwa einem Monat an der Studie teil, als er seine Exfreundin anrief. Die beiden stritten sich am Telefon, und als Mason den Hörer auflegte, griff er aus einem Impuls heraus nach seiner Flasche mit den Versuchspillen und schluckte die 29 restlichen Tabletten, um Suizid zu begehen. Doch das bereute er auf der Stelle. Er rannte in die Eingangshalle seines Apartmenthauses, rief verzweifelt um Hilfe und brach zusammen. Eine Nachbarin hörte ihn schreien und fand ihn auf dem Boden.

Er erzählte der Nachbarin, er habe einen schrecklichen Fehler gemacht und alle seine Pillen geschluckt, wolle aber eigentlich gar nicht sterben. Er bat sie darum, ihn ins Krankenhaus zu bringen, was sie auch tat.

 

Als Mason in der Notaufnahme ankam, war er ganz blass und schwitzte; sein Blutdruck war auf 80/40 heruntergegangen, der Puls betrug 140. Er atmete ganz schnell und sagte immer wieder: »Ich will nicht sterben.«

Bei der Untersuchung konnten die Ärzte außer dem niedrigen Blutdruck, dem schnellen Puls und der schnellen Atmung nichts weiter feststellen. Doch Mason wirkte lethargisch und lallte. Also wurde er an einen Infusionsapparat angeschlossen, es wurden Blut- und Urinproben genommen, und man fragte ihn, was er denn eingenommen habe. Doch Mason konnte sich nicht an den Namen des Medikaments erinnern. Er teilte den Ärzten mit, es handele sich um ein Versuchsmedikament gegen Depressionen im Rahmen einer klinischen Studie. Dann übergab er ihnen die leere Flasche, auf deren Etikett auch tatsächlich die entsprechenden Informationen über die Versuchsreihe standen, allerdings nicht der Name des Medikaments. Man konnte jetzt nur die Laborergebnisse abwarten, seine Vitalparameter überwachen, um sicherzustellen, dass sich sein Zustand nicht verschlechterte, und darauf hoffen, dass das Krankenhauspersonal Kontakt mit den Forschern aufnehmen konnte, die die klinische Studie durchführten.

Vier Stunden später, nachdem auch die Labortests vorlagen, die nichts Ungewöhnliches ergeben hatten, war einer der Ärzte zur Stelle, der an der Studie mitarbeitete. Er überprüfte den Code auf dem Etikett von Masons leerer Pillenflasche und warf einen Blick in die Versuchsunterlagen. Wie er daraufhin mitteilte, hatte Mason ein Placebo eingenommen; die Pillen, die er geschluckt hatte, enthielten keinerlei medizinische Wirkstoffe. Und wie durch ein Wunder kehrten Masons Blutdruck und Puls innerhalb weniger Minuten auf die Normalwerte zurück. Auch die Benommenheit verschwand wie durch Zauberhand. Mason war ein Opfer des Nocebo-Effekts geworden: der aufgrund hoher Erwartungen schädlichen Wirkungen einer an sich harmlosen Substanz.

Zeigten sich bei Mason die Symptome womöglich nur, weil er sie erwartet hatte? Haben vielleicht, ähnlich wie bei Sam Londe, Masons Erwartungen eines bestimmten Zukunftsszenarios so sehr die Kontrolle über seinen Körper übernommen, dass er das Szenario zur Realität machte? Konnte sein Denken dabei sogar Funktionen steuern, die normalerweise nicht der Kontrolle des Bewusstseins unterliegen? Und wenn es möglich wäre, dass uns unsere Gedanken krank machen, können wir sie dann womöglich auch dazu nutzen, uns gesund zu machen?

Chronische Depression verschwindet wie von Zauberhand

Janis Schonfeld, eine 46-jährige Innenarchitektin aus Kalifornien, litt schon seit ihren Teenager-Jahren unter Depressionen, hatte aber nie Hilfe gesucht, bis sie 1997 eine Anzeige in einer Zeitung las. Das Institut für Neuropsychiatrie der UCLA (University of California in Los Angeles) suchte nach Freiwilligen für eine klinische Studie zum Testen eines neuen Antidepressivums namens Venlafaxin (Effexor). Schonfeld, Ehefrau und Mutter, hatte wegen ihrer schlimmen Depressionen sogar schon an Selbstmord gedacht und ergriff diese Chance beim Schopf.

Bei ihrem ersten Besuch im Institut wurde Schonfeld von einem Techniker an einen Elektroenzephalografen (EEG) angeschlossen, um circa 45 Minuten lang ihre Gehirnwellenaktivitäten zu überwachen und aufzuzeichnen. Kurz darauf verließ Schonfeld das Institut mit einem Fläschchen voller Pillen aus der Krankenhausapotheke. Wie sie wusste, sollte etwa die Hälfte der Versuchsgruppe, bestehend aus 51 Probanden, das Medikament erhalten und die andere Hälfte ein Placebo. Weder sie noch die für die Studie zuständigen Ärzte wussten, welcher der beiden Gruppen sie zugeordnet worden war; das würde erst nach Abschluss der Studie bekannt gegeben werden. Doch Schonfeld war zu diesem Zeitpunkt vor allem aufgeregt und hoffte auf Unterstützung in ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die Depressionen, die sie manchmal plötzlich und scheinbar grundlos in Tränen ausbrechen ließen.

Schonfeld erklärte sich bereit, während der acht Wochen andauernden Studie einmal wöchentlich ins Institut zu kommen, Fragen über ihr Befinden zu beantworten und sich ein paarmal erneut an das EEG anschließen zu lassen. Schon kurz nachdem sie mit der Einnahme der Pillen begonnen hatte, fühlte Schonfeld das erste Mal in ihrem Leben dramatische Verbesserungen ihres Befindens. Ihr war zwar auch übel, aber das war gut so, denn wie sie wusste, war Übelkeit eine der üblichen Nebenwirkungen des Testmedikaments. Sie dachte, angesichts der Besserung ihrer Depressionen und der Nebenwirkungen habe sie ganz bestimmt die wirksame Droge erhalten. Sogar die Krankenschwester, mit der sie bei ihren wöchentlichen Besuchen sprach, war wegen der Veränderungen überzeugt, Schonfeld nehme das echte Medikament ein.

Doch nach Abschluss der achtwöchigen Studie rückte einer der Forscher mit der schockierenden Wahrheit heraus: Schonfeld, die nicht mehr suizidgefährdet war und sich nach Einnahme der Pillen wie ein neuer Mensch fühlte, war in der Placebo-Gruppe gewesen. Schonfeld war platt. Der Arzt musste sich ganz bestimmt getäuscht haben. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie dem jahrelangen Würgegriff der Depressionen durch die Einnahme von Zuckerpillen entkommen war und sich so viel besser fühlte. Und sogar die Nebenwirkungen waren zutage getreten! Es musste einfach eine Verwechslung sein. Sie bat den Arzt, die Unterlagen noch einmal zu überprüfen. Mit einem gutmütigen Lachen versicherte er ihr: In dem Fläschchen, das sie mit nach Hause genommen und das ihr ihr Leben wiedergegeben hatte, waren lediglich Placebo-Pillen gewesen.

Schockiert saß sie da; der Arzt versichert ihr: Auch wenn sie kein wirksames Medikament eingenommen hatte, bedeutete das keineswegs, dass sie sich ihre depressiven Symptome und deren Besserung nur eingebildet habe. Die Besserung ihres Zustands war lediglich nicht auf Effexor zurückzuführen.

Und sie war nicht die Einzige: Laut den Studienergebnissen fühlten sich 38 Prozent der Placebo-Gruppe besser, verglichen mit 52 Prozent der Gruppe, die tatsächlich Effexor eingenommen hatten. Doch auch den Forschern stand eine Überraschung bevor: Wie die Auswertung der restlichen Daten offenbarte, hatten sich Patienten wie Schonfeld, deren Depression sich durch das Placebo gebessert hatte, dieses Gefühl keineswegs nur eingebildet; ihre Gehirnwellenmuster hatten sich verändert. Die EEG-Aufzeichnungen während der klinischen Studie zeigten eine signifikant erhöhte Aktivität im präfrontalen Kortex, welche bei Patienten mit Depressionen normalerweise sehr niedrig ist.3

Der Placebo-Effekt hatte also nicht nur Schonfelds Geist verändert, sondern auch echte physische, biologische Veränderungen bewirkt. Anders ausgedrückt, fand die Veränderung nicht nur in ihrem Geist, sondern auch in ihrem Gehirn statt. Sie fühlte sich nicht nur gut – ihr ging es tatsächlich besser. Ohne ein Medikament einzunehmen oder sich anders zu verhalten, hatte Schonfeld nach Abschluss der Studie buchstäblich ein anderes Gehirn. Ihr Geist hatte ihren Körper verändert. Über zwölf Jahre später fühlte sich Schonfeld immer noch viel besser.

Wie konnte eine Zuckerpille nicht nur die Symptome einer tiefsitzenden Depression zum Verschwinden bringen, sondern auch Nebenwirkungen wie Übelkeit hervorrufen? Und was bedeutet es, dass eine wirkungslose Substanz die Macht hat, die Aktivität der Gehirnwellen zu verändern und den Teil des Gehirns anzuregen, der bei Depressionen am meisten beeinträchtigt ist? Kann der subjektive Geist wirklich solche messbaren, objektiven physiologischen Veränderungen bewirken? Was geht in Geist und Körper vor, damit ein Placebo ein echtes Medikament so perfekt nachahmen kann? Könnte dieselbe phänomenale Heilwirkung womöglich nicht nur bei chronischen psychischen Krankheiten, sondern auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs auftreten?

Eine »Wunderheilung«: Mal sind die Tumore da, mal sind sie verschwunden

1957 publizierte der Psychologe Bruno Klopfer von der UCLA in einem Artikel in einer von Experten gegengeprüften Zeitschrift die Geschichte eines Mannes, den er als »Mr. Wright« bezeichnete und der unter einem fortgeschrittenen Lymphom, einer Krebserkrankung der Lymphdrüsen, litt.4 Er hatte riesige, teilweise orangengroße Tumore am Nacken, in der Leistengegend und in den Achseln. Der Krebs sprach auf konventionelle Behandlungen überhaupt nicht an. Mr. Wright lag wochenlang im Bett, »fiebrig, nach Luft schnappend, völlig bettlägerig«.

Sein Arzt, Philip West, hatte die Hoffnung aufgegeben – Wright allerdings nicht. Als er erfuhr, dass sein Krankenhaus (in Long Beach, Kalifornien) zufällig eines der zehn Hospitäler und Forschungszentren im Land war, welches mit einem aus Pferdeblut hergestellten Medikament namens Krebiozen experimentierte, erfasste ihn die Aufregung. Tagelang redete er auf Dr. West ein, bis der Arzt ihm schließlich das neue Heilmittel verabreichte (obwohl Wright nicht offiziell an der Studie teilnehmen konnte, weil die Voraussetzung für die Teilnahme eine mindestens dreimonatige Lebenserwartung war).

An einem Freitag wurde Wright das Krebiozen injiziert; am darauffolgenden Montag lief er herum, lachte und scherzte mit dem Pflegepersonal und verhielt sich wie ein ganz neuer Mensch. Laut Berichten von Dr. West waren die Tumore »wie Schneebälle auf einem heißen Herd weggeschmolzen«. Innerhalb von drei Tagen waren sie nur noch halb so groß wie am Anfang. Nach weiteren zehn Tagen wurde Wright als geheilt nach Hause geschickt. Es war wie ein Wunder.

Doch zwei Monate darauf berichteten die Medien, Krebiozen habe sich bei den zehn Versuchspersonen als Fehlschlag erwiesen. Als Wright dies las, sich die Ergebnisse klarmachte und den Gedanken akzeptierte, dass das Medikament wirkungslos war, erlitt er auf der Stelle einen Rückfall, und schon bald tauchten die Tumore wieder auf. Wie Dr. West vermutete, war Wrights anfängliche positive Reaktion auf den Placebo-Effekt zurückzuführen. Der Arzt wusste um die tödliche Erkrankung seines Patienten und hatte, wie er meinte, nichts zu verlieren, Wright dagegen alles zu gewinnen – wenn er seine Theorie auf den Prüfstand stellte. Also sagte er Wright, er solle nicht glauben, was in den Zeitungen stand, und er habe einen Rückfall erlitten, weil das Krebiozen, welches ihm injiziert worden war, zu einer Fehlcharge gehörte. Eine »neue, superwirksame, doppelt so starke« Version des Medikaments sei auf dem Weg ins Krankenhaus, und Wright könne damit behandelt werden, sobald sie da sei.

In Erwartung seiner bevorstehenden Heilung fasste Wright wieder Mut, und ein paar Tage darauf erhielt er die Injektion. Doch dieses Mal enthielt die Spritze keinerlei wirksame Arzneistoffe, sondern lediglich destilliertes Wasser.

Und erneut verschwanden Wrights Tumore wie durch ein Wunder. Er kehrte glücklich nach Hause zurück, zwei Monate lang ging es ihm gut, er hatte keine Tumore im Körper. Doch dann meldete die American Medical Association, also die amerikanische Ärztekammer, dass Krebiozen tatsächlich wirkungslos war. Die Ärzteschaft war übertölpelt worden. Die »Wunderdroge« war ein Schwindel, nur Mineralöl mit einer einfachen Aminosäure. Als Wright das hörte, erlitt er einen letzten Rückfall – er glaubte nicht mehr an eine mögliche Gesundung, kehrte ohne Hoffnung ins Krankenhaus zurück und war zwei Tage später tot.

Hat Wright womöglich seinen Seinszustand nicht nur ein-, sondern zweimal dahingehend verändert, dass er zu einem Mann wurde, der einfach keinen Krebs hatte – und zwar innerhalb von wenigen Tagen? Und hat sein Körper damit automatisch auf einen neuen Geist reagiert? Konnte er sich wirklich wieder in einen krebskranken Mann zurückverwandeln, nachdem er von der Wirkungslosigkeit des Medikaments gehört hatte, indem sein Körper genau diese chemischen Verbindungen produzierte und in die vertraute Befindlichkeit des Krankseins zurückkehrte? Ist es wirklich möglich, anders als durch Einnahme einer Pille, durch eine Spritze oder gar durch einen invasiven operativen Eingriff in einen solchen neuen biochemischen Zustand zu gelangen?

Die Knieoperation, die gar keine war

1996 publizierte der Orthopäde Bruce Moseley vom Baylor College of Medicine, einer von Houstons führenden Spezialisten für orthopädische Sportmedizin, eine klinische Fallstudie über seine Erfahrungen mit zehn freiwilligen Probanden – lauter Männer, die beim Militär waren und an einer Knie-Arthrose litten.5 Manche der Männer hinkten aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung, gingen am Stock oder brauchten zum Laufen eine Gehhilfe.

Die Studie befasste sich mit den häufig durchgeführten arthroskopischen Eingriffen. Dem narkotisierten Patienten wird dabei über einen kleinen Schnitt ein faseroptisches Instrument, ein sogenanntes Arthroskop, für eine Gelenkspiegelung eingeführt. Damit schaut sich der Chirurg das Knie des Patienten genauer an. Während der OP kratzt und spült der Chirurg das Gelenk aus, um eventuell vorhandene Fragmente von degeneriertem Knorpelgewebe zu entfernen, die als Ursache für die Entzündung und die Schmerzen gelten. Zum Zeitpunkt der Studie unterzogen sich jährlich etwa eine Dreiviertelmillion Patienten einer solchen Operation.

 

Im Rahmen von Dr. Moseleys Studie sollte an zweien der zehn Männer eine Standardoperation ausgeführt werden, die sogenannte Wundausschneidung (dabei kratzt der Chirurg Knorpelstränge vom Kniegelenk). Drei der Versuchspersonen sollten eine Spülung erhalten (d.h. es wird Wasser unter Hochdruck in das Kniegelenk injiziert und verschlissenes arthritisches Gewebe ausgespült). An fünf Männern wurde eine Scheinoperation durchgeführt; dabei wurde die Haut mit einem Skalpell geschickt aufgeschnitten und dann einfach wieder zusammengenäht, ohne einen medizinischen Eingriff durchzuführen. Diese fünf Männer wurden weder mit dem Arthroskop untersucht, noch wurde ihr Gelenk ausgekratzt. Es wurden auch keine Knochenfragmente entfernt oder ausgewaschen – es wurde nur ein Schnitt getätigt und dann wieder zugenäht.

Bei allen zehn Probanden wurde anfangs gleich vorgegangen: Der Patient wurde im Rollstuhl in den Operationssaal gefahren und erhielt ein Narkosemittel, während Dr. Moseley sich die Hände schrubbte. Wenn der Chirurg dann den OP-Saal betrat, wartete dort ein versiegelter Umschlag auf ihn mit Informationen darüber, welcher der drei Gruppen der jeweilige Patient auf dem OP-Tisch randomisiert zugewiesen worden war. Erst wenn Dr. Moseley den Umschlag aufriss, wusste er, was darin stand. Vorher hatte er keine Ahnung.

Nach der Operation waren alle zehn Patienten laut eigenen Aussagen mobiler und hatten weniger Schmerzen. Den Männern, die »scheinoperiert« worden waren, ging es genauso gut wie den Patienten, die eine Wundausschneidung bzw. eine Spülung erhalten hatten. Selbst sechs Monate nach der OP unterschieden sich die Ergebnisse nicht. Und sechs Jahre später sagten zwei der Männer, an denen die Placebo-Operation ausgeführt worden war, sie könnten nach wie vor ganz normal und ohne Schmerzen laufen, seien mobiler und könnten all die alltäglichen Dinge tun, die sie vor der Operation sechs Jahre zuvor nicht mehr tun konnten.6 Sie hatten das Gefühl, sie hätten ihr Leben wiedergewonnen.

Dr. Moseley war von diesen Ergebnissen fasziniert und veröffentlichte 2002 eine weitere Studie mit 180 Patienten, die man zwei Jahre lang nach ihrer Operation begleitete.7 Und wieder zeigten sich bei allen drei Gruppen Besserungen; die Patienten konnten direkt nach der Operation schmerzfrei gehen und hinkten nicht mehr. Und wieder konnten bei den beiden Gruppen, die tatsächlich operiert worden waren, keine stärkeren Verbesserungen festgestellt werden als bei den Patienten, die scheinoperiert worden waren – selbst nach zwei Jahren war das noch der Fall.

Ging es diesen Patienten womöglich einfach deshalb besser, weil sie dem Können des Chirurgen, dem Krankenhaus und auch dem glänzenden, modernen Operationssaal vertrauten und fest daran glaubten? Stellten sie sich vielleicht ein Leben mit einem vollkommen gesunden Knie vor, ließen sich auf dieses potenzielle Resultat ein und liefen dann buchstäblich genau in dieses Potenzial hinein? War Dr. Moseley eigentlich nichts weiter als ein moderner Medizinmann in einem weißen Laborkittel? Und ist es möglich, solche Heilerfolge auch bei bedrohlicheren Krankheiten, zum Beispiel einer riskanten Herzoperation, zu erzielen?

Die Herzoperation, die keine war

Ende der 1950er-Jahre, lange vor der Entwicklung der heute üblichen koronaren Bypass-Operationen, führten zwei Forschergruppen Studien zum Vergleich der damals vielfach praktizierten Angina-Operation mit einer Placebo-Operation durch.8 Zu jener Zeit wurden die meisten Herzpatienten durch Ligatur einer Brustwandarterie behandelt, wobei die geschädigten Arterien freigelegt und dann gezielt abgebunden wurden, in der Meinung, ein so blockierter Blutfluss würde den Körper dazu veranlassen, neue Blutgefäße hervorzubringen und so den Blutfluss zum Herzen zu verstärken. Für die große Mehrheit der Patienten war das eine sehr erfolgreiche Operation; sie ließen sich auf diese Weise behandeln, obwohl es medizinisch keinen handfesten Beweis für die Bildung neuer Blutgefäße gab – das war auch der Grund für die oben genannten Vergleichsstudien.

Beide Forschergruppen, eine in Kansas City und eine in Seattle, gingen gleich vor: Sie teilten die Probanden in zwei Gruppen auf, von denen eine mit der standardmäßigen Ligatur der Brustwandarterie und die andere mit einer Scheinoperation behandelt wurde. Dabei wurden den Patienten die gleichen kleinen Einschnitte in der Brust wie bei der richtigen OP zugefügt und die Arterien freigelegt; doch danach wurden sie ohne irgendwelche weitere Behandlung einfach wieder zugenäht.

Beide Studien kamen zu auffallend ähnlichen Resultaten: 67 Prozent der Patienten, die tatsächlich operiert worden waren, hatten nicht mehr so starke Schmerzen und brauchten weniger Medikamente – ebenso wie 83 Prozent der scheinoperierten Patienten. Die Placebo-OP war also tatsächlich sogar erfolgreicher als die wirkliche Operation!

Glaubten die scheinoperierten Patienten womöglich so fest an eine Besserung, dass es ihnen wirklich besser ging – nur indem sie etwas erwarteten, das für sie dem bestmöglichen Resultat entsprach? Und wenn das möglich ist: Was sagt das über die Auswirkungen unserer positiven wie negativen alltäglichen Gedanken auf unseren Körper und unsere Gesundheit aus?

Die Einstellung ist alles

Wie Unmengen an Forschungsarbeiten inzwischen belegen, wirkt sich unsere Einstellung tatsächlich auf unsere Gesundheit und sogar auf unsere Lebenserwartung aus. 2002 veröffentlichte beispielsweise die Mayo-Klinik eine Studie, bei der 447 Probanden über 30 Jahre lang begleitet wurden und die aufzeigte, dass Optimisten sowohl körperlich als auch geistig gesünder waren.9 Der Begriff Optimist leitet sich von lateinisch »optimum«, deutsch »das Beste«, ab. Optimisten beschäftigen sich also vermutlich mit dem besten Zukunftsszenario. Der Studie zufolge hatten sie aufgrund ihres körperlichen und geistigen Befindens meistens weniger Probleme mit ihrem Alltag, litten seltener unter Schmerzen, fühlten sich energiegeladener, hatten es im sozialen Leben einfacher und fühlten sich glücklicher, ruhiger und mehr im Frieden. Diese Studie kam direkt nach einer anderen Studie der Mayo-Klinik heraus, welche über 800 Menschen 30 Jahre lang begleitet hatte und nachwies, dass Optimisten länger leben als Pessimisten.10

Forscher der Yale-Universität begleiteten bis zu 23 Jahre lang 660 Menschen im Alter von 50 Jahren und älter. Ihre Erkenntnis: Diejenigen mit einer positiven Einstellung zum Älterwerden lebten über sieben Jahre länger als jene, die das Altern eher negativ betrachteten.11 Die Einstellung hatte auf die Langlebigkeit mehr Einfluss als der Blutdruck, der Cholesterinspiegel, Rauchen, Körpergewicht oder sportliche Betätigung.

Andere Studien konzentrierten sich speziell auf den Zusammenhang zwischen Einstellung und der Gesundheit des Herzens. Ungefähr zur selben Zeit berichtete eine Studie der Duke University, an der 866 Herzpatienten teilnahmen, dass diejenigen, die normalerweise eher positive Emotionen verspürten, eine um 20 Prozent höhere Chance hatten, weitere elf Jahre zu leben, als diejenigen, die gewohnheitsmäßig eher negative Emotionen verspürten.12 Noch auffälliger sind die Ergebnisse einer Studie mit 255 Medizinstudenten des Medical College of Georgia, die 25 Jahre lang begleitet wurden: Jene, die am ablehnendsten waren, hatten ein fünffach höheres Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu bekommen.13 Und wie eine Studie der Johns Hopkins Universität aufzeigte, die 2001 anlässlich der »Scientific Sessions« der American Heart Association vorgelegt wurde, bietet eine positive Zukunftserwartung bei Erwachsenen, die aufgrund ihrer Familiengeschichte entsprechend gefährdet sind, womöglich den stärksten bekannten Schutz vor Herzkrankheiten.14 Die richtige Einstellung, so die Annahme dieser Studie, kann genauso gut (oder sogar noch besser) funktionieren wie die richtige Ernährung, die richtige Menge an sportlicher Betätigung und Idealgewicht.

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