Stolz und Vorurteil

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Из серии: Klassiker bei Null Papier
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14. KAPITEL

Wäh­rend des Es­sens hat­te Mr. Ben­net kaum ein­mal sein Schwei­gen ge­bro­chen; aber nach­dem ab­ge­räumt wor­den war, hielt er die Zeit für ge­kom­men, auch et­was zur Un­ter­hal­tung bei­zu­steu­ern, und brach­te da­her das Ge­spräch auf ein The­ma, das, wie er an­nahm, sei­nen Gast zu rhe­to­ri­schen Glanz­leis­tun­gen hin­rei­ßen muss­te. Er warf leicht hin, Mr. Col­lins schei­ne ganz un­ge­wöhn­lich glück­lich in der Wahl sei­ner Gön­ne­rin ge­we­sen zu sein; Lady Ca­the­ri­ne de Bour­ghs Will­fäh­rig­keit ge­gen­über sei­nen Wün­schen, ihre Rück­sicht­nah­me auf sein Wohl­er­ge­hen sei­en doch über­aus be­mer­kens­wert. Er hät­te kei­nen bes­se­ren Ge­sprächss­toff fin­den kön­nen: Mr. Col­lins setz­te sei­ne gan­ze Be­red­sam­keit zu ih­rem Lobe ein. Sei­ne fei­er­li­che Wür­de wur­de noch fei­er­li­cher und wür­di­ger, und mit ei­nem Ge­sicht, als ob er den Schlei­er von den letz­ten Din­gen zu he­ben im Be­griff war, gab er sei­ner Be­geis­te­rung Aus­druck: Er habe in sei­nem gan­zen Le­ben noch nie eine sol­che Be­hand­lung von ei­ner so hoch­ge­stell­ten Dame er­fah­ren. Die­se Güte und die freund­li­che Herab­las­sung, die Lady Ca­the­ri­ne ihm ent­ge­gen­brin­ge! – Sie habe sich auf das gnä­digs­te über die bei­den Pre­dig­ten aus­ge­spro­chen, die er vor ihr zu hal­ten be­reits die Ehre ge­habt habe. Schon zwei­mal sei er zum Es­sen auf Ro­sings ge­la­den ge­we­sen, und erst am ver­gan­ge­nen Sonn­abend habe sie ihn hin­über­ge­be­ten, um die Qua­dril­le voll­zäh­lig zu ma­chen. Es sei ihm wohl zu Ohren ge­kom­men, dass vie­le Men­schen Lady Ca­the­ri­ne für hoch­fah­rend hiel­ten, aber er kön­ne nur von ih­rer großen Lie­bens­wür­dig­keit Zeug­nis ab­le­gen. Sie spre­che zu ihm nicht an­ders als zu den an­de­ren vor­neh­men Her­ren ih­rer Be­kannt­schaft; sie habe nicht den ge­rings­ten Wi­der­spruch da­ge­gen er­ho­ben, dass er sich in der Ge­sell­schaft der Nach­bar­schaft be­we­ge oder dass er hin und wie­der auf ein, zwei Wo­chen sei­ne Ge­mein­de ver­las­se, um zu sei­nen Ver­wand­ten auf Be­such zu fah­ren. Sie habe ihm so­gar in ei­ner höchst freund­schaft­li­chen Wei­se be­deu­tet, dass sie es gern sähe, wenn er bald hei­ra­te, vor­aus­ge­setzt, dass er sei­ne Wahl mit Sorg­falt tref­fe; und sie habe ihn so­gar ein­mal in sei­nem be­schei­de­nen Pfarr­hau­se mit ih­rem Be­such beehrt, in des­sen Ver­lauf sie sich voll­kom­men mit al­len Än­de­run­gen, die er ge­trof­fen hat­te, ein­ver­stan­den er­klär­te, und sie habe selbst noch wei­te­re Vor­schlä­ge vor­ge­bracht, näm­lich ei­ni­ge Bor­de in den Schrän­ken der obe­ren Zim­mer an­zu­brin­gen.

»Sehr freund­lich und äu­ßerst lie­bens­wür­dig«, mein­te Mrs. Ben­net, »sie muss eine un­ge­wöhn­lich an­ge­neh­me Dame sein. Zu scha­de, dass nicht alle vor­neh­men Da­men ihr ähn­lich sind. Wohnt sie in Ih­rer Nähe?«

»Nur ein schma­ler Weg trennt den Gar­ten, in dem mein be­schei­de­nes Häu­schen steht, von Ro­sings Park, dem Be­sitz­tum Lady Ca­the­ri­nes.«

»Sag­ten Sie nicht, sie sei ver­wit­wet? Wie groß ist ihre Fa­mi­lie?«

»Sie hat eine ein­zi­ge Toch­ter, die Er­bin von Ro­sings und ei­nes be­trächt­li­chen Ver­mö­gens.«

»Ach«, seufz­te Mrs. Ben­net und schüt­tel­te den Kopf, »dann ist sie al­ler­dings be­deu­tend bes­ser ge­stellt als vie­le an­de­re Kin­der. Und wie ist das jun­ge Fräu­lein? Sieht sie gut aus?«

»Das jun­ge Fräu­lein ist eine ganz rei­zen­de jun­ge Dame. Lady Ca­the­ri­ne selbst meint, dass Miss de Bour­gh den schöns­ten ih­rer Al­ters­ge­nos­sin­nen über­le­gen sei. Denn au­ßer Schön­heit zeigt ihr Ge­sicht auch noch die un­ver­kenn­ba­ren Zei­chen ih­rer vor­neh­men Her­kunft. Lei­der krän­kelt sie leicht, wo­durch es ihr un­mög­lich ge­macht wird, die Voll­kom­men­heit in den ver­schie­de­nen weib­li­chen Küns­ten zu er­lan­gen, die zu er­rei­chen sie sonst ge­wiss nicht ver­fehlt ha­ben wür­de. Die­ses er­fuhr ich von der Dame, in de­ren Hän­den Miss de Bour­ghs Er­zie­hung lag und die noch auf Ro­sings wohnt. Aber sie ist eine sehr lie­bens­wer­te jun­ge Dame und er­weist mir oft die Ehre, in ih­rem klei­nen Pony­wa­gen an mei­ner be­schei­de­nen Be­hau­sung vor­über­zu­fah­ren.«

»Ist sie bei Hofe vor­ge­stellt? Ich er­in­ne­re mich nicht, ih­ren Na­men in der ›Ti­mes‹ ge­le­sen zu ha­ben.«

»Nein, ihre an­ge­grif­fe­ne Ge­sund­heit ver­bie­tet ihr ja den Auf­ent­halt in Lon­don; und da­durch ist – wie ich mich ge­le­gent­lich Lady Ca­the­ri­ne ge­gen­über aus­drück­te – der bri­ti­sche Hof sei­nes leuch­tends­ten Schmuckes ver­lus­tig ge­gan­gen. Lady Ca­the­ri­ne schi­en Ge­fal­len an die­ser Wen­dung zu fin­den. Und Sie kön­nen sich wohl den­ken, wel­che Freu­de es mir macht, bei al­len Ge­le­gen­hei­ten solch fein­sin­ni­ge klei­ne Kom­pli­men­te zu äu­ßern, die ih­ren Ein­druck bei den Da­men nie ver­feh­len. Mehr als ein­mal habe ich mir er­laubt, Lady Ca­the­ri­ne zu ver­si­chern, dass ihre ent­zücken­de Toch­ter zur Her­zo­gin ge­bo­ren scheint und dass sie dem höchs­ten Ti­tel nicht nur kei­ne Uneh­re be­rei­ten, son­dern im Ge­gen­teil er­höh­ten Glanz ver­lei­hen wür­de. – Sol­che klei­nen Ar­tig­kei­ten be­rei­ten Lady Ca­the­ri­ne ein großes Ver­gnü­gen, und ich füh­le in mir die Be­ga­bung, sie auf das de­li­ka­tes­te prä­sen­tie­ren zu kön­nen.«

»Und Ihr Ge­fühl täuscht Sie wahr­lich nicht«, sag­te Mr. Ben­net. »Sie kön­nen sich glück­lich prei­sen, die­ses Ta­lent, Schmei­che­lei­en nur zart an­zu­deu­ten, in so ho­hem Maße zu be­sit­zen. Darf ich fra­gen, ob die­se an­ge­neh­men klei­nen Auf­merk­sam­kei­ten der Re­gung des Au­gen­blicks ent­sprin­gen, oder sind sie das Er­geb­nis ei­nes ein­ge­hen­den Stu­di­ums?«

»Im All­ge­mei­nen las­se ich mich von mei­ner Ein­ge­bung lei­ten, aber es macht mir auch bis­wei­len Ver­gnü­gen, ele­gan­te Wen­dun­gen für mich aus­zu­den­ken und zu­recht­zu­le­gen, wenn ich auch im­mer be­müht bin, sie in ei­ner mög­lichst na­tür­li­chen Wei­se, so­zu­sa­gen aus dem Steg­reif, vor­zu­brin­gen.«

Mr. Ben­nets Er­war­tun­gen wur­den noch über­trof­fen: sein Vet­ter war weitaus ko­mi­scher, als er ihn sich vor­ge­stellt hat­te, und er hat­te sei­nen Spaß an ihm, ohne sei­ne Mie­ne in­des an­de­res als kor­rek­tes­te Höf­lich­keit ver­ra­ten zu las­sen. Nur hin und wie­der schweif­te sein Blick für einen Au­gen­blick zu Eli­sa­beth hin­über, sonst brauch­te er kei­nen Ge­fähr­ten in sei­nem Ver­gnü­gen.

Spä­ter je­doch, als der Tee ser­viert wur­de, freu­te er sich fast eben­so über die will­kom­me­ne Un­ter­bre­chung: für den ers­ten Tag, fand er, reich­te es ihm. Da­her be­eil­te er sich auch, nach dem Tee sei­nen Gast zu bit­ten, den Da­men et­was vor­zu­le­sen. Mr. Col­lins er­klär­te sich gern dazu be­reit, und Ly­dia hol­te ein Buch. Als er es aber in die Hand nahm, ver­wan­del­te sich sein Ei­fer in Be­stür­zung, und er bat, ihn ent­schul­di­gen zu wol­len, aber Ro­ma­ne lese er grund­sätz­lich nicht. Kit­ty sah ihn ent­geis­tert an, und Ly­dia konn­te einen er­staun­ten Aus­ruf nicht un­ter­drücken. Man leg­te ihm dann an­de­re Bü­cher vor, und nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung ent­schied er sich für eine Samm­lung ›Er­bau­li­cher Ge­sprä­che‹. Ly­dia riss Au­gen und Mund vor Ent­set­zen auf, als er den Band öff­ne­te, und un­ter­brach ihn schon, be­vor er noch drei Sei­ten mit ein­tö­ni­ger Fei­er­lich­keit hat­te zu Ende le­sen kön­nen.

»Weißt du was, Mut­ter? On­kel Phi­lips wird viel­leicht Richard ent­las­sen. Und wenn er es tut, möch­te Oberst Fors­ter ihn bei sich an­stel­len. Tan­te hat es mir selbst am Sonn­abend er­zählt. Ich will gleich mor­gen früh nach Me­ry­ton hin­über­ge­hen, um zu hö­ren, was wei­ter ge­sche­hen ist; viel­leicht kann ich auch in Er­fah­rung brin­gen, ob Mr. Den­ny bald aus Lon­don zu­rück­kommt.«

Ly­dia wur­de von ih­ren bei­den äl­te­ren Schwes­tern ge­be­ten, den Mund zu hal­ten; aber Mr. Col­lins leg­te schon das Buch schwer ge­kränkt bei­sei­te und sag­te:

»Ich habe schon häu­fig die Ge­le­gen­heit ge­habt, das ge­rin­ge In­ter­es­se jun­ger Da­men für Bü­cher ernst­haf­ten In­halts zu be­mer­ken, ob­gleich sol­che doch ge­ra­de für sie ge­schrie­ben sind. Es er­staunt mich, ich muss es of­fen ge­ste­hen; denn wahr­lich, was könn­te mehr in ih­rem In­ter­es­se lie­gen, als ihre Bil­dung zu för­dern? Aber ich möch­te mei­nen jun­gen Cou­si­nen nicht län­ger läs­tig fal­len.«

Und da­mit wand­te er sich an Mr. Ben­net und for­der­te ihn zu ei­ner Par­tie Dame auf. Mr. Ben­net nahm die Auf­for­de­rung an und be­merk­te da­bei, Mr. Col­lins tue gut dar­an, die Mäd­chen ih­ren ei­ge­nen kin­di­schen Ver­gnü­gun­gen zu über­las­sen. Mrs. Ben­net und ihre an­de­ren Töch­ter ba­ten sehr herz­lich für die er­lit­te­ne Stö­rung um Ent­schul­di­gung und ver­spra­chen, es sol­le nicht wie­der vor­kom­men, wenn er die Lie­bens­wür­dig­keit habe, mit dem Vor­le­sen fort­zu­fah­ren. Aber Mr. Col­lins ver­si­cher­te, dass er sei­ner jun­gen Cou­si­ne nichts nach­tra­ge und nicht dar­an den­ke, ihr Be­tra­gen als per­sön­li­che Krän­kung auf­zu­fas­sen. Er setz­te sich dann mit Mr. Ben­net an einen an­de­ren Tisch, an dem sie un­ge­stört Dame spie­len konn­ten.

15. KAPITEL

Mit Mr. Col­lins’ Ver­stand war es von Ge­burt an nicht weit her ge­we­sen, und die­se stief­müt­ter­li­che Be­hand­lung sei­tens der Na­tur war durch sei­ne Er­zie­hung und sei­nen spä­te­ren Um­gang nur un­merk­lich be­rich­tigt wor­den. Den größ­ten Teil sei­nes Le­bens hat­te er un­ter der Auf­sicht sei­nes un­ge­bil­de­ten und gei­zi­gen Va­ters ver­bracht. Und wenn er auch eine Uni­ver­si­tät be­sucht hat­te, zu mehr als den not­wen­digs­ten Vor­le­sun­gen war er nie ge­gan­gen, noch hat­te er die Ge­le­gen­heit be­nutzt, sich ei­nem an­re­gen­den und ge­bil­de­ten Krei­se an­zu­schlie­ßen. In­fol­ge der klei­nen Ver­hält­nis­se, in de­nen er auf­ge­wach­sen war, zeich­ne­te er sich zu­nächst durch eine große Be­schei­den­heit aus. Aber ein Schwach­kopf, der fern­ab von der Welt lebt, bil­det sich leicht et­was ein; und ge­sellt sich dazu noch eine früh­zei­ti­ge und un­ge­wohn­te Wohl­ha­ben­heit, um das Ge­fühl der ei­ge­nen Be­deu­tung zu stär­ken, dann wird die Be­schei­den­heit einen sehr schwe­ren Stand ha­ben. Mr. Col­lins’ Be­schei­den­heit war es je­den­falls so er­gan­gen. Ein glück­li­cher Zu­fall hat­te ihn Lady de Bour­gh emp­foh­len, als ge­ra­de die Pfarr­stel­le frei war; und die Hochach­tung, die er ih­rer Vor­nehm­heit zoll­te, und die Ehr­er­bie­tung, die er ihr ge­gen­über emp­fand, zu­sam­men mit sei­ner ho­hen Mei­nung von sich selbst und sei­ner geist­li­chen Wür­de zei­tig­ten in ihm eine ei­gen­ar­ti­ge Mi­schung von Un­ter­wür­fig­keit und Stolz, von Über­heb­lich­keit und Be­schei­den­heit.

 

Er be­saß jetzt ein schö­nes Haus; sein Ein­kom­men war reich­lich – also be­schloss er, zu hei­ra­ten. Als er der Fa­mi­lie in Long­bourn den Öl­zweig an­bot, hat­te er das im Sin­ne ge­habt; denn er be­ab­sich­tig­te, eine sei­ner Cou­si­nen zur Frau zu neh­men, wenn er sie so lie­bens­wert und hübsch fin­den soll­te, wie sie ihm all­ge­mein ge­schil­dert wor­den wa­ren. Das war es auch, was er mit der Ent­schä­di­gung für sein Erbe und ei­ner Wie­der­gut­ma­chung mein­te, und sei­ner An­sicht nach war der Plan ganz vor­züg­lich, nicht nur pas­send und an­ge­mes­sen, son­dern über­dies höchst edel­mü­tig und selbst­los.

So gut sein Plan ihm schon von vorn­her­ein er­schie­nen war, beim An­blick sei­ner schö­nen Cou­si­nen fand er ihn ge­ra­de­zu un­über­treff­lich. Ja­nes lieb­li­ches Ge­sicht be­kräf­tig­te ihn in sei­nem Edel­mut und ent­hob ihn zu­dem noch der Schwie­rig­keit, sei­ner Über­zeu­gung von den Vor­rech­ten der Äl­tes­ten zu­wi­der­han­deln zu müs­sen. Jane war die fes­te Wahl sei­nes ers­ten Abends auf Long­bourn, und dar­an soll­te sich für alle Zei­ten nichts mehr än­dern. Wi­der Er­war­ten muss­te er sich in­des­sen be­reits am nächs­ten Mor­gen zu ei­ner Än­de­rung be­que­men: ein vier­tel­stün­di­ges Ge­spräch un­ter vier Au­gen mit Mrs. Ben­net, das sei­nen na­tür­li­chen Gang von den Vor­zü­gen sei­nes be­schei­de­nen Heims bis zur mehr oder we­ni­ger of­fe­nen Er­klä­rung sei­ner Hoff­nun­gen auf eine aus Long­bourn stam­men­de Haus­frau nahm, gip­fel­te un­ter bil­li­gen­dem Kopf­ni­cken und er­mun­tern­dem Lä­cheln in ei­ner War­nung vor eben der Jane sei­ner Wahl. Was ihre jün­ge­ren Töch­ter be­trä­fe – so kön­ne sie na­tür­lich noch nicht ja oder nein sa­gen – doch be­stän­den ih­res Wis­sens da kei­ne Bin­dun­gen; – ihre äl­tes­te Toch­ter aber – das wol­le sie ihm lie­ber gleich an­ver­trau­en – sie emp­fin­de es als ihre Pf­licht, es ihm we­nigs­tens an­zu­deu­ten – wer­de sich vor­aus­sicht­lich schon bin­nen kur­z­em ver­lo­ben!

Es blieb Mr. Col­lins da­her nichts wei­ter üb­rig, als Jane zu ver­ges­sen und durch Eli­sa­beth zu er­set­zen. Das war denn auch schnell ge­tan – Mr. Col­lins brauch­te dazu we­ni­ger Zeit, als Mrs. Ben­net ge­brauch­te, um ein neu­es Scheit in das Feu­er zu le­gen. Eli­sa­beth kam dem Al­ter und Äu­ße­ren nach an zwei­ter Stel­le; Mr. Col­lins wur­de also die nächst­fol­gen­de Wahl nicht schwer.

Das Ge­spräch war so recht nach Mrs. Ben­nets Her­zen ge­we­sen; sie wieg­te sich jetzt in der Hoff­nung, in Bäl­de zwei ver­hei­ra­te­te Töch­ter zu ha­ben. Und der Mann, von dem sie tags zu­vor nichts hat­te hö­ren wol­len, war jetzt hoch in ih­rer Ach­tung ge­stie­gen.

Ly­di­as Spa­zier­gang nach Me­ry­ton wur­de zu ei­nem Spa­zier­gang al­ler Schwes­tern au­ßer Mary. Auch Mr. Col­lins folg­te der über­aus lie­bens­wür­di­gen Auf­for­de­rung Mr. Ben­nets, der sei­ne Biblio­thek end­lich wie­der für sich al­lein ha­ben woll­te, und schloss sich sei­nen Cou­si­nen an. Seit dem Früh­stück hat­te Mr. Ben­net es sich ge­fal­len las­sen müs­sen, von sei­nem Vet­ter, der zum Schein den um­fang­reichs­ten Band aus der gan­zen Samm­lung vor sich hat­te, end­lo­se Be­schrei­bun­gen sei­nes Hau­ses und Gar­tens an­zu­hö­ren. Mr. Ben­nets Gleich­mut war be­denk­lich ins Wan­ken ge­ra­ten: er war es ge­wohnt, in sei­ner Biblio­thek un­ge­stört und in Ruhe zu ar­bei­ten und zu le­sen; er wol­le es gern auf sich neh­men, wie er ein­mal zu Eli­sa­beth sag­te, in je­dem an­de­ren Zim­mer sei­nes Hau­ses aus­schließ­lich Dumm­heit und Ein­bil­dung an­zu­tref­fen, aber sei­ne Biblio­thek wol­le er da­von frei wis­sen. Sei­ne höf­li­che Auf­for­de­rung an sei­nen Vet­ter ent­sprang also ei­nem über­vol­len Her­zen, das sich end­lich Luft ma­chen konn­te. Und Mr. Col­lins, der sei­ner­seits weit mehr ein Spa­zier­gän­ger als ein Bü­cher­freund war, ver­schob sei­ne wei­te­ren Stu­di­en auf einen spä­te­ren Zeit­punkt, schloss sein ge­wich­ti­ges Buch und folg­te sei­nen Cou­si­nen auf die Land­stra­ße.

Mit hoch­tra­bend klin­gen­den Nich­tig­kei­ten von sei­ner Sei­te und ein­sil­bi­gen Ent­geg­nun­gen ih­rer­seits ver­ging die Zeit, bis sie in Me­ry­ton an­lang­ten. Nun konn­te nicht ein­mal das Ge­bot der Höf­lich­keit die jün­ge­ren Schwes­tern län­ger zwin­gen, ihm zu­zu­hö­ren. Ihre Au­gen wan­der­ten hier­hin und dort­hin, in der Hoff­nung, einen ro­ten Of­fi­ziers­rock zu ent­de­cken.

Sie wa­ren die Haupt­stra­ße noch nicht weit ent­lang­ge­gan­gen, als der An­blick ei­nes un­be­kann­ten Herrn, der an der Sei­te ei­nes Of­fi­ziers ging, die Neu­gier­de al­ler Schwes­tern er­reg­te. Der Of­fi­zier war eben je­ner Mr. Den­ny, nach des­sen Ver­bleib Ly­dia sich hat­te er­kun­di­gen wol­len, und er ver­beug­te sich höf­lich, als er ih­rer an­sich­tig wur­de. Aber alle Auf­merk­sam­keit hat­te sich dem Frem­den zu­ge­wandt; alle hät­ten gar zu gern ge­wusst, wer er wohl sein kön­ne. Fest ent­schlos­sen, wenn mög­lich nicht zu lan­ge in Un­ge­wiss­heit zu blei­ben, kreuz­ten Ly­dia und Kit­ty, ge­folgt von den an­de­ren, die Stra­ße und tra­fen am ge­gen­über­lie­gen­den Bür­ger­steig zu ih­rer großen Freu­de in dem­sel­ben Au­gen­blick ein wie die bei­den Her­ren, die den Weg wie­der zu­rück­ge­gan­gen wa­ren. Mr. Den­ny be­grüß­te sie und bat um die Er­laub­nis, sei­nen Freund, Mr. Wick­ham, vor­stel­len zu dür­fen, der am Tage zu­vor mit ihm von Lon­don ein­ge­trof­fen sei, um, wie er sich freue ih­nen mit­tei­len zu kön­nen, in sein Re­gi­ment ein­zu­tre­ten.

Das hät­te auch gar nicht an­ders sein dür­fen: eine Uni­form war näm­lich ge­nau das, was dem jun­gen Mann noch fehl­te, um ihn voll­kom­men zu ma­chen. Aus­se­hen, Hal­tung und Ma­nie­ren schie­nen sonst ta­del­los zu sein. Er knüpf­te so­gleich mit größ­ter Selbst­ver­ständ­lich­keit ein Ge­spräch an, ohne je­doch den Ein­druck zu er­we­cken, sich vor­drän­gen zu wol­len. Und so stand die gan­ze Ge­sell­schaft in leb­haf­tes­ter Un­ter­hal­tung bei­ein­an­der, als Pfer­de­ge­trap­pel laut wur­de und Dar­cy und Bingley aus ei­ner Sei­ten­stra­ße auf­tauch­ten. Als sie die Da­men er­kann­ten, rit­ten sie an die Grup­pe her­an und be­tei­lig­ten sich mit den üb­li­chen höf­li­chen Re­dens­ar­ten am Ge­spräch. Bingley führ­te da­bei das Wort, und sei­ne Wor­te gal­ten in der Haupt­sa­che Jane. Er sei ge­ra­de auf dem Wege nach Long­bourn be­grif­fen, um sich nach ih­rem Be­fin­den zu er­kun­di­gen. Dar­cy be­stä­tig­te dies mit ei­ner schwei­gen­den Ver­beu­gung, wäh­rend er sich selbst in­ner­lich er­mahn­te, Eli­sa­beth nicht all­zu viel Auf­merk­sam­keit zu schen­ken. Als er sei­nen Au­gen dar­auf­hin eine an­de­re Rich­tung zu ge­ben ver­such­te, fiel sein Blick un­will­kür­lich auf den Frem­den, und Eli­sa­beth, die zu­fäl­lig die Ge­sich­ter der bei­den Her­ren be­trach­te­te, er­staun­te höch­lich über bei­der Mie­nen­spiel: bei­de ver­färb­ten sich, der eine wur­de rot, der an­de­re blass. Mr. Wick­ham fass­te zö­gernd wie zum Gruß an sei­nen Hut, eine Ges­te, die Dar­cy nur sehr knapp er­wi­der­te. Was moch­te da­hin­ter ste­cken? Un­mög­lich, es zu er­ra­ten – un­mög­lich auch, es nicht bren­nend gern in Er­fah­rung brin­gen zu wol­len. Gleich dar­auf ver­ab­schie­de­te sich Bingley, der an­schei­nend nichts be­merkt hat­te, und die bei­den Freun­de setz­ten ih­ren Ritt fort.

Mr. Den­ny und Mr. Wick­ham be­glei­te­ten die jun­gen Da­men bis vor On­kel Phi­lips’ Haus; dort trenn­ten sie sich von ih­nen, ob­gleich Ly­dia sie auf das herz­lichs­te auf­for­der­te, doch mit ein­zu­tre­ten, und Mrs. Phi­lips vom Wohn­zim­mer­fens­ter aus laut und nicht min­der herz­lich die Ein­la­dung ih­rer Nich­ten un­ter­stütz­te.

Mrs. Phi­lips sah ihre Nich­ten im­mer gern bei sich; über den Be­such der bei­den äl­te­ren, die so lan­ge ab­we­send ge­we­sen wa­ren, freu­te sie sich jetzt be­son­ders, und sie wür­de ih­rem leb­haf­ten Er­stau­nen über die plötz­li­che Rück­kehr nach Long­bourn noch des län­ge­ren Aus­druck ge­ge­ben ha­ben, wenn sie sich nicht ge­nö­tigt ge­se­hen hät­te, sich Mr. Col­lins zu­zu­wen­den, den Jane ihr eben vor­stell­te. Sie emp­fing ihn mit größ­ter Freund­lich­keit, die er mit ver­dop­pel­ter Ar­tig­keit er­wi­der­te, in­dem er für sein Ein­drin­gen um Ver­ge­bung bat, das – ob­wohl er ein Frem­der sei – doch in­so­fern eine ge­wis­se Be­rech­ti­gung habe – we­nigs­tens schmei­che­le er sich, so fol­gern zu dür­fen –, als er sich eben­falls ei­ner nä­he­ren Ver­wandt­schaft zu die­sen jun­gen Da­men rüh­men dür­fe.

Mrs. Phi­lips hat­te nicht Zeit ge­nug, sich von ei­ner sol­chen Wohl­er­zo­gen­heit so er­schla­gen zu füh­len, wie sie es für pas­send emp­fun­den hät­te; denn die im­mer dring­li­cher klin­gen­den Aus­ru­fe und Fra­gen ih­rer Nich­ten lenk­ten ihre Auf­merk­sam­keit von die­sem Frem­den auf je­nen an­de­ren, über den sie al­ler­dings lei­der auch nichts wei­ter zu be­rich­ten wuss­te, als wir schon er­fah­ren ha­ben: dass er mit Mr. Den­ny aus Lon­don an­ge­kom­men sei und das Leut­nant­spa­tent des in Me­ry­ton lie­gen­den Re­gi­ments er­wer­ben wol­le. Sie habe ihn ge­ra­de eine Stun­de lang mit Den­ny die Stra­ße auf- und ab­ge­hen se­hen, sag­te sie, und wäre Mr. Wick­ham noch zu ent­de­cken ge­we­sen, hät­ten Ly­dia und Kit­ty sie si­cher­lich in die­ser Be­schäf­ti­gung ab­ge­löst; aber zu ih­rem Leid­we­sen pas­sier­ten jetzt nur ver­ein­zel­te Of­fi­zie­re das Haus, die im Ver­gleich zu dem Neu­an­kömm­ling zu ›blö­den, un­sym­pa­thi­schen Ker­len‹ de­gra­diert wur­den. Ei­ni­ge von die­sen ›Ker­len‹ wa­ren am fol­gen­den Abend bei den Phi­lips zu Gast, und Tan­te Phi­lips ver­sprach, da­für Sor­ge zu tra­gen, dass ihr Mann noch vor­her Mr. Wick­ham sei­ne Auf­war­tung ma­che, um die Ein­la­dung auch auf ihn aus­zu­deh­nen; selbst­ver­ständ­lich soll­ten sich die Nich­ten eben­falls dazu ein­fin­den. Die Schwes­tern stimm­ten die­sem Vor­schlag be­geis­tert zu, und Mrs. Phi­lips mein­te, man kön­ne sich zu­erst mit ei­ni­gen Par­ti­en Lot­to ver­gnü­gen, bei de­nen es im­mer lus­tig und ein we­nig aus­ge­las­sen zu­ging, und da­nach wer­de sie für ein klei­nes war­mes Es­sen Sor­ge tra­gen. Die Aus­sicht auf ein der­ar­ti­ges Fest weck­te Be­geis­te­rungs­stür­me, und man schied von­ein­an­der in auf­ge­räum­tes­ter Lau­ne. Mr. Col­lins trug noch ein­mal sei­ne Ent­schul­di­gun­gen vor, zu de­nen gar kein An­lass vor­lag, wie ihm auf das herz­lichs­te ver­si­chert wur­de. Auf dem Heim­weg be­rich­te­te Eli­sa­beth Jane von dem Zwi­schen­fall, des­sen Zeu­ge sie ge­wor­den war; auch Jane hat­te kei­ne be­frie­di­gen­de­re Er­klä­rung zur Hand als ihre Schwes­ter.

Mr. Col­lins’ be­wun­dern­de Schil­de­rung von Mrs. Phi­lips’ Le­bens­art und Zu­vor­kom­men­heit ließ ihn noch hö­her in Mrs. Ben­nets An­se­hen stei­gen. Er er­klär­te, au­ßer Lady Ca­the­ri­ne und de­ren Toch­ter noch nie­mals in sei­nem gan­zen Le­ben eine fei­ne­re Dame ge­trof­fen zu ha­ben; denn nicht ge­nug da­mit, dass sie ihn mit der größ­ten Lie­bens­wür­dig­keit emp­fing, habe sie ihn auch noch aus­drück­lich in ihre Ein­la­dung für den nächs­ten Abend mit ein­ge­schlos­sen un­ge­ach­tet der Tat­sa­che, dass er ihr voll­kom­men fremd sei. Zu ei­nem ge­wis­sen Teil, glau­be er an­neh­men zu kön­nen, möch­te dies auf sei­ne nahe Ver­wandt­schaft zu Mr. Ben­net zu­rück­zu­füh­ren sein, aber selbst das mit in Be­tracht ge­zo­gen, wis­se er nicht, wann er in sei­nem gan­zen Le­ben mit so viel Auf­merk­sam­keit be­dacht wor­den sei.

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