Atheistischer Glaube

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[3] Fremdbestimmung durch die Religion

Gegenwärtig spitzt sich ein neuer Kultur-Konflikt zu. In unserer Gesellschaft, aber auch darüber hinaus global, zieht wie ein Gewitter eine Auseinandersetzung der säkularen Welt mit der Religion und den Religionen herauf. Das ist überraschend, denn über weite Strecken des 20. Jahrhunderts war das Religiöse bereits weithin totgesagt. Jetzt aber sind Religion und Religionen viel schärfer als ein wesentlicher Bestandteil der Kultur erkannt, ja, geradezu als die integrierende Kraft des kollektiven Bewusstseins. Die Auseinandersetzung mit der Religion, speziell mit Gott als der höchsten Autorität und Fremdbestimmung des Menschen wurde nur partiell geführt, nur von wenigen Pastoren und einigen mutigen Laienchristen. Warum?

Anders als im DDR-Deutschland, wo die Kirche gegenüber dem Staat in den Untergrund gehen musste und dort nicht nur von den Gläubigen allein als Hort des geistigen Widerstandes empfunden wurde, stand die Kirche im BRD-Deutschland wieder einmal dem Staat sehr nahe und verhielt sich machtkonform. Gott war staatstragende Kraft, ihre Religion systemimmanentes Wertesystem – und ist es heute noch mehr als je, obwohl unsere Verfassung die Trennung von Staat und Kirche, von Staat und Religion zwingend vorschreibt. Wer gesellschafts- und autoritätskritisch war, trat in den 70er Jahren aus der Kirche aus.

Es geht dabei um zwei völlig unterschiedliche Problembereiche, die klar auseinandergehalten werden müssen:

– zum einen um die institutionalisierte Religion, um den Missbrauch der Religion durch kirchliche oder weltliche Amtsträger und Machthaber16. Die Religion wird immer wieder gezielt benutzt, um auf die Menschen, auf Gesellschaft und Institutionen Einfluss zu gewinnen und auszuüben. Sie werden damit manipuliert und abhängig gehalten. Keineswegs nur in Deutschland. Auch in Europa, in Amerika, sogar in Russland, wo die Kirche neu Einfluss gewinnt. Besonders im islamischen Machtbereich, allzumal von deren theokratischen Zentren her.

– zum anderen um die Religion als Privatsache des einzelnen Menschen. Auch hier bestehen schwerwiegende Fragen vor allem zur Persönlichkeitsbildung. Denn natürlich vermittelt Religion eine Grundeinstellung, die mit dem transzendenten Faktor Gott den Menschen grundsätzlich aus der Diesseitigkeit wegführt, nicht nur in der Beurteilung der Realität, sondern auch in der Wertebindung und Handlungsmotivation und sonst allen wichtigen Lebensbindungen. Viele Lebensbeschränkungen und psychologische und soziale Schäden liegen ganz direkt in religiösen Fehlleitungen.

Eine klärende Auseinandersetzung zwischen säkularem Autonomiebewusstsein und Religion erscheint mit Blick auf die Zukunft unumgänglich. Denn als Bestandteil der Kultur kommen Religion und Religionen aus der geistigen Hinterwelt. Das beweist sich sofort dadurch, dass sie jeweils schon lange in der Geistesgeschichte der Menschen da sind und deshalb unserem modernen Bewusstsein als Tradition vorauslaufen. Dies umso mehr, als religiös-mythische Wahrheiten in und als Vergangenheit definiert sind. Entsprechend bedeutet religio als Rückbindung zugleich auch immer eine starke wesensmäßige Bindung nach hinten und damit den Drang und die Methode, alles aktuelle Geschehen nach hinten anzubinden und auszurichten, alles Neue in die Geltungshoheit des Alten mit einzubeziehen und dort unterzuordnen. Religion ist deshalb in der Kultur die stärkste Identitätskraft nach hinten.

Dabei ist Religion nirgends einheitlich, nicht nur als Religion gegenüber Religion, sondern als Religion selbst innerhalb ihrer jeweiligen lokalen Untergliederungen. Die Götter- oder Gottvorstellungen sind völlig heterogen. Die Moralprinzipien weichen stark voneinander ab. Die Heilsvorstellungen und Heilsversprechen einschließlich der Todeserwartungen sind völlig verschiedenartig. Die Rituale und Riten sind unterschiedlich. Wahrheit der Religion bedeutet jeweils beliebige Andersartigkeit der Religionen in ihren Wahrheiten.

Dennoch behauptet jede Religion in ihrer jeweiligen Art einen uneingeschränkten Geltungsanspruch. Von ihm her fordert sie von ihren Anhängern totale Bindungsbereitschaft und Unterordnung unter ihre Glaubenssätze und Moralforderungen auf allen Lebensebenen privat und öffentlich.

Zum einen: Religion als Bindung des Ich stellt dem menschlichen Ich mit Gott eine absolute Autorität gegenüber, die in ihrer Jenseitigkeit jeder Kritik entzogen ist. Der Mensch ist dieser Autorität total verpflichtet, hat sich ihrem Willen völlig unterzuordnen. Der Mensch kann nur untertänig beten, ansonsten hat er alles Geschehen bereitwillig hinzunehmen. Gott bedingt die tiefste Unterordnung des Menschen, die Auflösung jeder Selbstbestimmung in religiöse Fremdbestimmung17.

Sodann: Religion als Bindung des Staates und der Gesellschaft leitet alle Macht ab aus der Allmacht des von ihr verkündeten Gottes. Die Verantwortlichen sind Repräsentanten Gottes und damit dessen Stellvertreter mit göttlicher Vollmacht in Pflichten und Rechten. Auch jede sonstige Gemeinschaftsform insgesamt untersteht der göttlichen Absolutheit. Dieser transzendente Machtanspruch dominiert jede gesellschaftliche Souveränität und löst damit jede Selbstbestimmung auf in Fremdbestimmung.

Schließlich: Religion als Bindung der Kultur umgreift im Zusammenschluss eines riesigen sozialen Raumes unter einer Gottautorität alle Lebensbereiche aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Die gemeinsame religiöse Ausrichtung ist für die Masse der Menschen die wesentliche Identitätsbildung und damit zugleich eine geistige Gleichschaltung bis hin zur Unterdrückung von individuellen Abweichungen. Das Fremdbestimmte wird dabei völlig zum Wesen des Ich-Bewusstseins.

Befreiung aus der Bevormundung der Religion

Natürlich hat es schon in den früheren Aufklärungsepochen Religionskritik gegeben. Der Kampf um Freiheit hat die Menschen auch aufstehen lassen gegen die Götter oder gegen Gott. Religiöse Freiheit, politische Freiheit, Denkfreiheit bildeten schon in frühen Kulturepochen einen engen Zusammenhang.

Die erste entscheidende Religionskritik geht zurück auf die frühe klassische Philosophie der griechischen Antike, auf die ionisch-attische Aufklärung seit 550 vor Christus. Die großen Naturphilosophen damals18 entdeckten für sich die weltliche Vernunft und versuchten mit ihr gegen die religiös-mythische Tradition die Welt und das Leben ohne Götter zu erklären. Noch mehr. Mit ihren Beobachtungen der Natur kamen sie zu der Meinung, dass nicht die Götter die Menschen, sondern die Menschen die Götter geschaffen hätten. Das führte zur Kritik des olympischen Götterhimmels und langfristig zur totalen Auflösung der griechischen Götterwelt überhaupt. Diese erste radikale Religionskritik der Menschen ist eng verbunden mit dem Namen des Philosophen Xenophanes von Kolophon19.

Eine entsprechende Bedeutung hatte die Religionskritik in der französischen Aufklärung im 18. Jahrhundert. Auch hier spitzte sich der Denkdruck zu auf die Frage, ob die Welt mit Gott oder ohne Gott zu interpretieren sei. Hat der Geist die Materie geschaffen oder die Materie den Geist? Die Dominanz in diesem Streit erlangten die frühen französischen Materialisten20 Lamettrie, Denis Diderot und Paul d’Holbach, eher noch geistreiches Feuilleton, aber von starker Wirkung als Impuls der französischen Aufklärung. Die erste wissenschaftliche Religionskritik begann dann 1841 mit Ludwig Feuerbach21.

Schließlich entwickelte sich eine immer konsequentere Forschung ohne Gott. Sie setzte sich zunehmend frei von aller religiösen Bevormundung, zum Beispiel auch vom – noch immer gültigen – Antimodernisteneid22, mit dem Papst Pius X. 1910 den katholischen Forschern und Lehrern eine Beteiligung an der gottfeindlichen modernen Forschung und der Verbreitung ihrer Ergebnisse verbot. Jeder dem Katholizismus in Forschung und Lehre Zugehörige muss sich demnach den entscheidenden Erkenntnissen der modernen Wissenschaften nicht nur im Einzelnen, sondern von den Glaubensdogmen her gegen die Vernunft verweigern. Heute aber umfasst diese Forschung der Vernunft weltweit alle Gebiete einschließlich der Biogenetik mit dem Ziel, aus rein menschlichem Wissen Leben herzustellen.

In unseren Tagen nun ist der Atheismus plötzlich hochaktuell.Über 30 Prozent der in Deutschland lebenden Staatsbürger sind konfessionsfrei23, das heißt, nahezu ein Drittel unserer Bürger fühlt sich keiner Religion zugehörig. Keineswegs alle sind Atheisten. Bei weitem nicht. Es sind auch Agnostiker, Freidenker, Humanisten, Pantheisten und immer wieder Indifferente. Doch alle haben sich von Kirche und Religion erklärtermaßen losgesagt.

Auch heute geht es dem Atheismus natürlich um Religionskritik24. Solange die Religion und vor allem die institutionalisierten Religionen eine derartig private und öffentliche Präsenz haben, ist Religionskritik – auch in immer erneutem scharfen Widerspruch – notwendig. Dennoch ist Religionskritik heute eher ein begrenzter Aufgabenbereich im Atheismus.

Dagegen geht es mir primär um die Präsentation der befreienden Kraft des Atheismus selbst. Es geht mir zuallererst darum, was das Denken ohne Gott für den Menschen positiv bewirken kann – völlig unabhängig von jeder Religion. Auf mein Leben als Atheist übt die Religion keinen Einfluss aus. Deren Glaubenssätze, hunderttausendmal verworfen, haben überhaupt nichts zu tun mit dem autonomen Selbstverständnis eines Atheisten.

 

Deshalb: Dem Atheismus heute fällt die Aufgabe zu, mit und für die Menschen für die Zukunft ein sicheres Selbstverständnis zu entwickeln, ein Selbstverständnis ohne Gott:

– Es ist großartig und menschenwürdig, befreit zu sein von einem Glauben an Dinge, die nicht glaubbar sind, und sich auf seinen Verstand verlassen zu können.

– Es ist großartig und menschenwürdig, befreit zu sein von allen Vorschriften des Göttlichen und selbstverantwortlich leben zu können.

– Es ist großartig und menschenwürdig, befreit zu sein von Ängsten vor irgendwelcher religiösen Macht und das Leben – mit allem Risiko – frei gestalten zu können.

Erst ein Mensch, der sich aus der Bevormundung Gottes und der Religion befreit, wird ein autonomer Mensch.

[4] Befreiung als Prinzip der Ich-Werdung

Befreiung aus der Bevormundung der Eltern, aus der Bevormundung der Kultur, aus der Bevormundung der Religion, das bedeutet: Befreiung als Prinzip der Ich-Werdung. Der Mensch findet erst zu sich selbst, indem er sich aus den Zwängen der vielschichtigen Fremdbestimmung von Erziehung, Kultur und Religion befreit.

Ich meine dabei ganz bewusst: Befreiung – nicht Freiheit. Denn Freiheit gibt es nicht wirklich. Freiheit ist eine philosophische Fiktion, die es deshalb im Leben nicht geben kann, weil der Mensch nie losgelöst sein kann von Bedingungen, die ihn halten, ihn verpflichten, für ihn notwendig sind. Deshalb ist der Mensch nie wirklich frei. Der Begriff Freiheit ist eine Sackgasse, eher eine Quizaufgabe für ein Oberseminar Theoretischer Philosophie. Freiheit meint im Konkreten vielmehr Befreiung, also einen ständigen Prozess, keinen dauernden Zustand. Befreiung ist die eigentlich positive Lebenserfahrung, nämlich Loslösung aus Verhältnissen, die man so nicht will; Loslösung aus Abhängigkeiten, die das eigene Leben hindern, etwas anderes zu machen; Loslösungen aus Lebenszwängen, die das eigene Handeln und Verhalten fremdbestimmen.

Im Ersten ist Befreiung also – Loslösung vom Alten. Solche Loslösung kann oft nur unter starker Kraftanstrengung gelingen, weil die Verhältnisse, die den Menschen unfrei halten, ihn gleichsam eng umklammern, fesseln, abschnüren. Loslösung bedarf also einer Sprengkraft, die die unfrei machenden Bindungen aufbricht.

Entsprechend können, ja, müssen die Mittel zur Loslösung oft hart sein. Je stärker die Umklammerung ist, desto härter muss der Befreiungsakt geraten. Meist ist der Mensch erst bereit sich zu verändern, wenn der Leidensdruck unerträglich geworden ist.Dann ist die notwendige Sprengkraft, die die alten Bindungen auseinanderreißt, natürlich äußerst groß.

Im Zweiten bedeutet Befreiung – Freisetzung für etwas Neues. Befreiung fordert also unbedingt als zweiten Schritt die aktive Veränderung auf sich selber zu, einen elementaren Lernprozess mit sich selbst und der ehrlichen Frage: Was will ich eigentlich?

Ist das Leben, das ich führe, mein eigentliches Leben? Ist das alles? Entspricht dieses Leben meinen persönlichen Vorstellungen? Renne ich nicht mit allem, was ich tun muss, vor mir selber weg? Sterbe ich nicht Tag für Tag an Alltagsstress, an Routine, an dem Gefühl, da komme ich nie wieder raus?

Ist vielleicht schon alles verpasst, meine Gefühle verkümmert? Hatte ich nicht Wünsche, Träume, Sehnsüchte? Alles vorbei? Wo gibt es noch jemanden, der mich schützt, ermuntert, zu mir hält, wenn ich zusammenzubrechen drohe? Kann ich noch jubeln, zärtlich sein, lieben? Ist all das in mir schon verklungen?

Was ist an meinem Leben lebenswert? Was ist daran schön und beglückend? Sollte ich nicht viel offener und freier sein, um die Fülle des Erfahrbaren viel tiefer auszuloten? Müsste ich mein Leben als einmalige Kostbarkeit nicht ganz anders gestalten?

Liegt die Antwort auf manche dieser Fragen nicht doch nahe: Ich muss mein Leben überdenken, ändern, einen Ausweg finden, vielleicht sogar den Neubeginn wagen?

Dieser Umbruch, diese Loslösung von fremdbestimmten Zwängen zur selbstbestimmenden Eigenverantwortung, das Prinzip der Befreiung des Ich zu sich selber lässt sich beschreiben als Rationale Geburt.

[5] Atheistisches Manifest 1 – 5

Auf dem Weg zum eigenen Selbst

Natur kontra Kultur

[Zur Frage der Fremdbestimmung]

(1)

1. Mit den ersten Zuwendungen der Eltern zu ihrem Kind beginnt der Einfluss der Kultur auf den Menschen und damit auf sein natürliches Wesen. Die Eltern und die ersten Bezugspersonen tragen für den guten Einstieg des Kindes in sein zukünftiges Leben eine riesige Verantwortung.

2. Das Grundproblem des heranwachsenden Kindes liegt weniger in einzelnen Negativerfahrungen mit den Eltern. Es liegt vielmehr in den permanenten Auseinandersetzungen mit dem elterlichen Überdruck, sei es unter dem Autoritätsgehabe des Vaters oder unter dem Liebesüberschwang der Mutter. Deren permanente Bevormundungen verengen das Selbstständigwerden des Kindes und verfremden die Entfaltung des Selbst in unzulässiger Weise.

3. Erziehung als Orientierungshilfe ist deshalb die elterliche Bereitschaft, das Kind in seinen Begründungen und Meinungen frühzeitig ernst zu nehmen und seine Widersprüche mit Sachüberzeugungen zu steuern mit dem Ziel, seine Fähigkeit zur Selbstständigkeit zu fördern.

4. In der Erziehung geht es nicht um Selbstverwirklichung der Eltern, sondern um Lebensbefähigung des Kindes; nicht um Existenzsicherung der Eltern, sondern um Zukunftssicherung des Kindes; nicht um Lebensqualität der Eltern, sondern um Lebensqualifizierung des Kindes.

5. Allein das Selbstständigwerden des Kindes ist in allem das höchste Ziel und damit gerade auch die prinzipielle Loslösung des Kindes von den Eltern. Die letzte Freisetzung durch die Eltern selbst ist das völlige Loslassen des Kindes in die Eigenständigkeit.

(2)

1. Beginnend mit der Erziehung vermittelt Kultur dem Menschen eine unglaubliche Fülle von Lebensmöglichkeiten, mit denen er sein Ich entfalten kann. Die Kultur als kollektive Geisteswelt ist für jeden Menschen lebensnotwendig und damit etwas grundsätzlich Positives.

2. Mit der Kultur lernt der Mensch geltende Wertigkeiten in ihrer inneren Logik und in ihren Zusammenhängen zu verstehen und in ihren äußeren Folgen und Konsequenzen einzuschätzen. Sie gibt ihm zugleich die Rahmenbedingungen für sein Zusammenleben mit den anderen Menschen, nicht nur mit jenen, die in seinem ständigen direkten Umfeld leben, sondern auch mit jenen, die ihm entfernt sind oder gar völlig fremd.

3. Dennoch ist der einzelne Mensch in seinen individuellen Bedürfnissen durch die Kultur bedroht. Der Einzelne prallt mit seinen Bedürfnissen und Wünschen immer wieder auf die kollektiven Normen der Gesellschaft und wird dabei in seiner persönlichen Entfaltung auf ein gewolltes Maß beschränkt, gar mit Gewalt unterdrückt, verfolgt oder eliminiert.

4. Die Loslösung von einem derart überspitzten Kulturdruck auf den Einzelnen ist gesellschaftspolitisch ein höchst komplizierter und langwieriger sozialer Wandlungsprozess. Auf Dauer zermürbt die Natur des Ich eine Kultur, in der sich das Ich immer weniger entfalten kann, sie bricht sich neue Bahnen, schafft neue Theorien zur Korrektur der Kultur und damit zur Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse.

5. Ein solcher Durchbruch ereignete sich in der Bundesrepublik durch die Jugendbewegung der Flower-Power-Generation und der daraus hervorgehenden 68er-Bewegung. In ihr entstand die Dynamik eines geistigen Aufbruchs, die Freiheit, völlig anders zu denken als bisher und damit das kritische Ich-Bewusstsein des Einzelnen in unserer Gesellschaft heute. Dass es heute keine Autoritäten mehr gibt, die sich nicht erklären müssen, ist unbestreitbar Verdienst der 68er-Bewegung.

(3)

1. Die Religion ist nicht ein Fremdteil innerhalb der Kultur. Anders als im 20. Jahrhundert wird die Religion heute als ein wesentlicher Bestandteil der Kultur gesehen und damit als eine integrative Kraft des kollektiven Bewusstseins.

2. In der Religion geht es gesellschaftlich um zwei völlig unterschiedliche Problembereiche:

– zum einen um die institutionalisierte Religion, um den Missbrauch der Religion durch kirchliche und politische Amtsträger und Machthaber. Die Religion wird immer wieder gezielt benutzt, um auf die Menschen, auf Gesellschaft und Institutionen Einfluss zu gewinnen und auszuüben.

– zum anderen um die Religion als Privatsache des einzelnen Menschen. Die Religion übt eine starke Persönlichkeitsbildung auf den Menschen aus, wobei viele Lebensbeschränkungen, psychologische und soziale Schäden ganz direkt in religiösen Fehlleitungen begründet liegen.

(4)

1. Gegenwärtig spitzt sich ein neuer Kulturkonflikt zu, eine Auseinandersetzung der säkularen Welt mit der Religion und den Religionen. In ihm geht es prinzipiell um den Primat der Deutungshoheit in unserer naturwissenschaftlich-technischen Welt zwischen wissenschaftlichem Vernunftdenken und religiösem Glauben.

2. Schon seit 2600 Jahren hat eine dezidierte Religionskritik nachgewiesen, dass alles Reden des Menschen von Göttern und von Gott nur Reden des Menschen über Gott ist. Gott ist nur subjektive Spekulation, kein transzendentes Sein an sich.

3. Parallel dazu hat die Vernunftphilosophie in endloser Kette von Beweisen die Evidenz immanenter Kausalität aufgedeckt. Die Machbarkeit des Lebens ist ein letzter Schritt in die säkulare Objektivität naturwissenschaftlichen Erkennens.

(5)

1. Die Bedrohung des Menschen liegt nicht in der Tatsache, dass es Religion überhaupt gibt. Sie gibt es einfach. Die Bedrohung liegt vielmehr in der Tatsache, dass der Mensch sich nicht von deren Bevormundung befreit oder befreien will.

2. Das Überschreiten der Grenzen religiöser Fremdbestimmung zielt auf die Autonomie des Ich. In der Befreiung zur Selbstbestimmung liegt die Kraft des Atheismus.

3. Die atheistische Aufklärung ist gerade heute das Angebot an die Menschen zur Befreiung von überholten Vorstellungen der Wirklichkeit und des Lebens. Erst ein Mensch, der sich aus der Bevormundung Gottes und der Religion befreit, wird ein autonomer, ein mündiger Mensch. Ich nenne diesen Befreiungsakt:

Rationale Geburt.

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