Читать книгу: «Qumran», страница 9

Шрифт:

Als vierte Partei nennt Josephus die ZelotenZeloten (Ant. Iud. 18,23); Extremisten, die 66 n. Chr. den Aufstand gegen die Römer anzettelten und schließlich bis 73/74 noch in Masada verharrten. Rowley und jüngst Pfann haben versucht, die Zeloten mit (Teilen der) Qumranrollen in Verbindung zu bringen. Da die Zeloten eine sehr junge Bewegung sind, die meisten Rollen aber auf vorchristliche Zeiten datiert werden, können höchstens einige von denen, die Schriftrollen versteckten, Zeloten gewesen sein; doch niemals die Autoren oder selbst nur die Kopisten. Wer ursprünglich Besitzer des Gros der Schriftrollen war, bliebe damit ungeklärt.

Weit entfernt von Judäa beschreibt Philon in seinem idealisierenden Traktat über das kontemplative Leben (de vita contemplativa) die Therapeuten (therapeutai)Therapeuten (therapeutai), einen streng asketischen und besitzlosen, vegetarischen und zölibatären Orden aus Frauen und Männern, der angeblich überall verbreitet war, aber besonders am See Mareotis in der Nähe Alexandriens konzentriert lebte. Die Haupttätigkeit jedes „Therapeuten“ sind Meditation, Textstudium, Hymnenkomposition und Gebet, und zwar unter der Woche jeder für sich allein, am Schabbat und am „50. Tag“ alle sieben Wochen hingegen gemeinsam. Viele dieser Details erinnern stark an die Essener. Einige Forscher (z.B. Vermes) sehen eine große Nähe oder gar Verwandtschaft zwischen diesen beiden asketischen jüdischen Gruppen, doch unterscheidet Philon selbst sie ganz explizit zu Beginn seiner Schrift.

Ab dem ersten Jahrhundert entstand in Judäa, Galiläa und dann auch in der Peräa und in Syrien ganz allmählich das ChristentumChristentum. |85|Im ersten Jahrhundert ist es mit Sicherheit noch als jüdische Gruppe anzusehen. Immer wieder bringen Historiker christliche Gemeinden mit allen oder einzelnen Qumranrollen in Zusammenhang, oder auch mit in Qumranrollen genannten Figuren (Teicher, Eisenman, Thiering). Die Datierung der für die Argumentation entscheidenden Rollen in vorchristliche Zeit (sowohl Paläographie als auch 14C) macht auch diese These unmöglich.

Die Essenerhypothese, d.h. dass Essener die Bewohner Qumrans, die Besitzer der meisten Schriftrollen und die Verfasser der meisten zentralen Texte waren, kann bislang die besten Argumente aufweisen. Vor allem die zahlreichen Übereinstimmungen zwischen Josephus’ Essenerbeschreibung und 1QS sind anders kaum zu erklären. Auf Archäologie (und Geographie) werden wir noch weiter unten vertieft eingehen. Andersherum sind die Unterschiede zwischen der Gruppe hinter den Qumrantexten und den Sadduzäern und anderen Alternativen zu groß. Darauf werden wir noch verschiedentlich in diesem Buch zurückkommen.

[Zum Inhalt]

|87|Teil 2: Steine, Rollen, Krüge: Archäologie der Texte von Qumran und ihrer Umgebung
|89|6 Grundzüge der Archäologie und Aufteilung in Siedlungsphasen

Vgl. auch Bibliographie zu Kapitel 7 (Reich) und 8 (Collins, Golb)

Ariel, Donald/Fontanille, Jean-Philippe, The Coins of Herod. A Modern Analysis and Die Classification, Leiden 2012.

Cargill, Robert, Qumran through (real) time. A virtual reconstruction of Qumran and the Dead Sea Scrolls, Piscataway 2009.

Donceel-Voute, Pauline, The Archaeology of Khirbet Qumran. In: Wise, Michael/Golb, Norman/Collins, John/Pardee, Dennis (Hgg.), Methods of Investigation of the Dead Sea Scrolls and the Khirbet Qumran Site, New York 1994, 1–36.

Eshel, Hanan, Qumran. Scrolls, Caves, History, Jerusalem 2009.

Frey, Jörg/Claußen, Carsten/Kessler, Nadine (Hgg.), Qumran und die Archäologie. Texte und Kontexte, Tübingen 2011.

Galor, Katharina/Humbert, Jean-Baptiste/Zangenberg, Jürgen (Hgg.), Qumran – The Site of the Dead Sea Scrolls. Archaeological Interpretations and Debates, Leiden/Boston 2006.

Hirschfeld, Yizhar, Qumran. Die ganze Wahrheit, Gütersloh 2006.

Humbert, Jean-Baptiste/Gunneweg, Jan (Hgg.), Khirbet Qumrân et ʿAïn Feshkha. II, Etudes d’anthropologie, de physique et de chimie = Studies of anthropology, physics and chemistry, Göttingen 2003.

Humbert, Jean-Baptiste/Chambon, Alain (Hgg.), Fouilles de Khirbet Qumran et de Aïn Feshkha. I, Album de photographies, répertoire du fonds photographique, synthèse des notes de chantier du Père Roland de Vaux OP, Göttingen 1994.

Laperrousaz, Ernest, Qumrân. L’établissement essénien des bords de la mer Morte, Paris 1976.

Magen, Yizhak/Peleg, Yuval, The Qumran Excavations 1993–2004. Preliminary Report, Jerusalem 2007.

Magness, Jodi, The Archaeology of Qumran and the Dead Sea Scrolls, Grand Rapids 2002.

Meshorer, Yaacov, A Treasury of Jewish Coins. From the Persian Period to Bar-Kokhba, Jerusalem 2001.

Mizzi, Dennis, „Qumran Period I Reconsidered. An Evaluation of Several Competing Theories“, Dead Sea Discoveries 22 (2015) 1–42.

Taylor, Joan/Gibson, Shimon, Qumran connected. The Qumran Pass and Paths of the North-Western Dead Sea, in: Frey/Claußen/Kessler 2011, 147–162.

Taylor, Joan, The Essenes, the Scrolls and the Dead Sea, Oxford 2012.

de Vaux, Roland, Archaeology and the Dead Sea Scrolls, London 1973.

de Vaux, Roland, Die Ausgrabungen von Qumran und En Feschcha. IA Die Grabungstagebücher, Göttingen 1996.

Zias, Joseph/Tabor, James/Harter-Lailheugue, Stephanie, „Toilets at Qumran, the Essenes, and the Scrolls: New Anthropological Data and Old Theories“, Revue de Qumran 22 (2006) 631–640.

|90|Qumran ist ein wissenschaftsgeschichtlich höchst interessanter Fall, denn die Interpretationen der Beziehung der Siedlung zu den in den Höhlen entdeckten Fragmenten sind z.T. diametral verschieden. Was war die Siedlung?Was war die Siedlung? Handelt es sich um das Hauptquartier der Essener (de Vaux), eine ihrer Nebenstellen (Stegemann) oder um eine Festung (Golb), eine Landvilla (Donceel und Voute), eine Töpferei (Magen und Peleg), eine Karawanserei (Cansdale), eine Produktionsstätte für Balsam (Hirschfeld) oder vielleicht um eine Sukzession zweier dieser Vorschläge (Humbert, Cargill, Collins)? Gehören die Stätte und die Rollen wirklich zusammen? Wenn ja, seit wann? Wie viele Leute lebten in Qumran? Wie wohnten sie? Woran arbeiteten sie? Wie wuschen sie sich, schliefen und aßen sie? Wie wurden sie begraben? Auf all diese Fragen können wir mit Hilfe der Archäologie versuchen, eine Antwort zu finden.

Natürlich sind es die Texte der Qumranrollen, die das Hauptinteresse der Qumranologen, der Judaisten, Alt- und Neutestamentler und Religionswissenschaftler anziehen. Viele lesen Berichte über die Archäologie nur flüchtig, wenn überhaupt. Steine sprechen doch nicht. Dabei kann man diese Texte und das Leben und die Vorstellungen der Personen hinter diesen Texten nur im Zusammenhang der Gesamtsammlung der Rollen und nur in ihrem archäologischen Kontext wirklich verstehen. Ja, es ist in Wahrheit eine unglaubliche Chance, altjüdische Texte mit den Gebäuden, in denen einige ihrer Leser und wahrscheinlich auch Schreiber oder gar Autoren gelebt haben, analysieren zu dürfen. Viele Neutestamentler träumen von einer ähnlichen Situation. Viele Spezialisten für rabbinische Literatur gäben viel, die Akademie in Tiberias untersuchen zu können oder zu wissen, in welcher Synagoge Rabbi Akiva betete.

Der nächste Abschnitt ist eine grundlegende Einführung in archäologische Arbeitsweise, bevor die zentralen Punkte der wichtigsten Theorien zu Geschichte und Funktion der Befunde (Gebäude) und der Funde (Objekte) knapp dargestellt werden. Methodologisch werden wir die archäologischen Diskussionen soweit es geht von den Texten und von ihren Deutungen trennen, auch wenn die Qumranrollen selbst archäologische Objekte sind – ein zu oft vergessenes „Detail“.

6.1 Wie funktioniert eine Ausgrabung?

Im Vergleich zu Philologie oder Geschichte ist Archäologie eine weitaus jüngere wissenschaftliche Disziplin. Die westlichen Missionen des 19. Jahrhunderts im Orient speisten die stetig wachsende Neugier Europas – und ihre Museen als nationale Prestigeobjekte – |91|mit der Enthüllung sagenhafter Städte wie Babylon, Theben oder Troja. Doch waren diese „Ausgrabungen“ noch keine Archäologie im eigentlichen Sinne, die sich für den Kontext eines Objektes und seine wissenschaftliche Bedeutung ebenso interessierte wie für seinen Sammlerwert.

Ein Objekt ohne seinen archäologischen KontextKontext ähnelt einem Zitat, das aus dem Zusammenhang gerissen ist. Man kann es beliebig drehen und wenden, aber über den ursprünglichen Sitz im Leben kann man nur noch spekulieren. Ein in situin situ (am Originalort) gefundenes Objekt enthüllt uns ungleich mehr über seine Nutzer und seinen Zweck, da alle mit ihm zusammen entdeckten Objekte und Gebäude bei der Entschlüsselung helfen. Daher kann man die den SchwarzmarktSchwarzmarkt beliefernden Raubgrabungen, aus denen viele Sensationsfunde der letzten Jahrzehnte stammen, nur mit kulturzerstörenden Hooligans vergleichen. Wer auf dem Schwarzmarkt eine Münze oder eine Öllampe kauft, unterstützt diese Zerstörung. Wer Sammlern hilft, Objekte ihrer Sammlung zu „authentifizieren“, trägt oft mehr zur Zerstörung von Wissen bei als zur Erweiterung.

Eine archäologische Stätte ähnelt einem Schichtenkuchen, wobei die jüngste Schicht obenauf liegt, die älteste ganz unten. Sie sind chronologisch geordnet, ohne dass die Dicke eines Stratums mit der Dauer der ihm zugeordneten Periode oder mit deren Bedeutung zusammenhängt. Der in einem ZerstörungshorizontZerstörungshorizont festgehaltene Moment entspricht der letzten Nutzung stärker als den Jahren zuvor. Bewohner eines Ortes, die seine Zerstörung vorhersehen (z.B. in einem Krieg), verstecken Schätze oder verbarrikadieren Fenster und Türen. Bei einem Ort, der durch eine unvorhersehbare Zerstörung heimgesucht wird (z.B. Erdbeben, Vulkanausbruch), ist die Chance größer, dass die Elemente unter dem Zerstörungshorizont eine länger andauernde Periode widerspiegeln.

Eine archäologische Ausgrabungarchäologische Ausgrabung zerstört ihr Untersuchungsobjekt. Daher muss ein Archäologe seine Arbeit in Zwischenberichten und einem detaillierten Endbericht genau dokumentieren, damit die Fundobjekte und ihre Position und die daraus gezogenen Schlüsse voneinander getrennt werden können und durch andere Experten nachprüfbar sind. Oft werden später bei anderen Ausgrabungen gewonnene Erkenntnisse Rückwirkungen auf die Interpretation früherer Grabungen haben, z.B. wenn zu den Objekten, auf denen die Datierung basiert, anderenorts Parallelen gefunden werden, die offenkundig anders datiert werden müssen. Ein guter Bericht ermöglicht anderen Experten, die ursprünglichen Thesen anhand einer Neuinterpretation der Fakten zu modifizieren. Diese Art von Archäologie ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und nach und nach verfeinert worden.

|92|Vielfach werden zuerst Sondierungsgrabungen ausgeführt. Man wählt mehrere Stellen aus, an denen ein tiefer Graben ausgehoben wird, um eine vorläufige Übersicht über die Stratigraphie„Stratigraphie“, die Zahl und Abfolge der Schichten („Straten“), zu erhalten. Dann wird entschieden, wo größere Flächen ausgegraben werden. Heutzutage wird meistens ein RasterRaster aus gleichmäßigen 5 m x 5 m oder 10 m x 10 m großen Quadraten aufgelegt, deren Mitte ausgehoben wird. Die Ränder bleiben stehen und ermöglichen später die Verifizierung der Stratigraphie. Jeder Kontext enthält eine Identifizierungsnummer, um ihm die hier gefundenen Objekte eindeutig zuordnen zu können. Wenn man z.B. in einem Quadrat L1 (von lat. locuslocus = Ort) zu graben beginnt und nach einiger Zeit auf ein andersartig zusammengesetztes Stratum stößt, wird das Sigel für die Funde im neuen Stratum in L2 geändert. Stößt man dann wiederum z.B. auf eine Mauer, wird der Bereich auf der einen Seite dieser Mauer mit L3 bezeichnet, der auf der anderen Seite mit L4. Je nach Größe vermuteter Funde arbeitet man mit Spaten, Bürste, Pinsel oder Zahnarztgeräten. Jedes Objekt wird in situ fotografiert oder gezeichnet, mit einer Nummer identifiziert und eingetütet. Später wird es gesäubert, sortiert und eventuell wieder fotografiert. Alle Arbeitsschritte, Beobachtungen und Funde werden sorgsam in einem Grabungstagebuch festgehalten.

Was dem Polizisten die Fingerabdrücke, ist dem Archäologen die KeramikKeramik. Überall zu finden – jeder braucht Teller, Töpfe und Öllampen – und leicht zerbrechlich überdauert sie doch die Zeiten (im Gegensatz zu Holz). Andererseits war sie nicht so wertvoll, dass sie wie Metall wieder umgegossen wurde, sondern als Schutt oder Füllmittel liegen blieb. Schließlich folgte Gebrauchskeramik wie heutzutage Kleidung wechselnden Moden. Ein erfahrener Keramikspezialist braucht zur zeitlichen Einordnung kein vollständiges Gefäß, sondern nur charakteristische Scherben (Henkel, Randstücke, Tüllen, Bemalung), die die für die Mode relevanten Informationen enthalten. Vollständige Gefäße stammen zumeist aus dem der Zerstörung unmittelbar vorausgehenden Moment. Scherben sind gerade deswegen wertvoll, weil sie besser als vollständige Gefäße über eine längere Periode vor der Zerstörung Auskunft geben. De Vaux erwähnt in seinen Veröffentlichungen hauptsächlich vollständige Gefäße.

Datierungen können durch Funde mit Daten oder Namen, d.h. Inschriften oder Dokumente, weiter präzisiert werden. MünzenMünzen sind haltbarer als Dokumente aus organischen Materialien und gehen durch ihre geringe Größe häufig verloren. NumismatikerNumismatiker können sie bestimmten Ländern, Städten oder Prägestätten und den Regierungszeiten von Herrschern, manchmal sogar bestimmten |93|Jahren zuordnen. Allerdings gibt eine Münze immer nur einen terminus a quo (Anfangszeitpunkt für eine mögliche Datierung), da Münzen oft länger im Umlauf bleiben. Wertvolle Münzen aus Silber oder Gold waren länger im Gebrauch als Bronzemünzen, sind also unzuverlässige Datierungshilfen. Aber gerade in Qumran sieht man, dass auch Bronzemünzen lange im Umlauf bleiben konnten. Da Straten selten hermetisch voneinander abgeschlossen sind, ist für die Datierung eines Ensembles das Altersprofil aller in einem Zusammenhang gefundenen Objekte entscheidend. Eine alte Münze in einem ansonsten „jungen“ Stratum besagt nicht viel.

Manchmal werden Straten durch spätere Interventionen durcheinander gebracht. Z.B. wurde in Qumran ein Graben ausgehoben, in dem sich die Objekte genau umgekehrt zu ihrer Chronologie fanden. Die jüngsten Objekte waren zuunterst, die ältesten zuoberst. Hier hatte offenbar jemand in der Antike einen Raum gesäubert. In den Graben fielen als erstes die Dinge, die sich im Raum zuoberst fanden. Dieser Fall ist nicht die Norm, aber auch nicht selten.

Heutzutage wird die Archäologie durch die ArchäometrieArchäometrie unterstützt. Radiokarbonuntersuchungen (14C) ermöglichen die ungefähre Datierung organischer Funde; DNA-Untersuchungen erlauben, genetische Zusammenhänge von Tier-, Menschen- oder Pflanzenfunden zu erkennen; die Röntgenfluoreszenzanalyse (engl. XRF) detailliert die chemische Zusammensetzung eines Materials; Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) gibt Rückschlüsse über die Herkunft bestimmter Materialien. Trotzdem ist Archäologie nicht so objektiv, wie es scheint. Die meisten Gebäude identifizieren sich nicht selbst, sondern müssen anhand der in ihnen gefundenen Objekte und im Vergleich mit anderen Bauwerken interpretiert werden. Die Identifikation eines Gebäudes als antike Synagoge z.B. ist alles andere als leicht. Auch können Gebäude ihre Funktion im Laufe ihrer Existenz ändern.

Man kann die Geschichte eines Bauwerkes auch durch genaue Studien des Mauerwerks eruieren. Ähnlich wie Glossen in einem Text hinterlassen Anbauten senkrechte Fugen, wo die neue Mauer auf eine bereits bestehende Mauer stößt. Türen oder Fenster werden zugemauert, Materialien oder Techniken geändert. Baufugen sind in den detaillierten Plänen erkennbar, die jeden einzelnen Stein maßstabsgetreu abbilden. Derartig detaillierte Zeichnungen von Couasnon wurden erst in Humbert und Chambons Edition von de Vaux’ Tagebuch veröffentlicht. Jean-Baptiste Humbert betont völlig zu Recht, dass diese „vertikale Stratigraphievertikale Stratigraphie“ vernachlässigt worden ist (Khirbet, 422). Allerdings kann man mit ihr viel schwieriger datieren als mit echter, d.h. horizontaler Stratigraphie, da wir |94|kaum Münzen oder Keramik zwischen den „vertikalen Schichten“ finden. Ein Anbau kann ein Jahrzehnt oder eine Woche später errichtet worden sein.

Um die Funktion eines Gebäudes oder eines Objekts zu klären, wird es mit zeitlich, geographisch und soziologisch analogen Befunden und Funden verglichen. Bei archäologischen Arbeiten gilt dabei das gleiche Prinzip wie in der Geschichtsforschung oder der Philologie. VergleicheVergleiche von Qumran mit nachweislich jüdischen Strukturen aus Palästina aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. bis etwa zum zweiten Jahrhundert n. Chr. sind stringenter, als wenn das Vergleichsobjekt eisenzeitlich, byzantinisch, ägyptisch oder kleinasiatisch ist. Desweiteren reicht es nicht, wenn nur ein Charakteristikum analog ist. Die Bezüge müssen möglichst zahlreiche Aspekte betreffen und möglichst eng sein.

Die Archäologie Qumrans ist das Problemkind der Qumranforschung. Qumran wurde zu Beginn der fünfziger Jahre ausgegraben, als sich die beschriebenen archäologischen Methoden gerade erst ausbildeten. Insofern muss man Verständnis dafür haben, dass nicht alles heutigen Standards entspricht. De Vaux hat seine Locus-Nummern nicht von Stratum zu Stratum geändert, sondern dieselbe Locus-Nummer für alle Straten beibehalten. Auch gibt es nur wenige Profilzeichnungen. Es ist daher oft unmöglich festzustellen, in welchem Stratum ein aufgeführter Fund entdeckt worden ist. Schließlich sind die Daten lückenhaft publiziert: Wir haben zwar (1) die relativ detaillierten Zwischenberichte von de Vaux, (2) seine Synthese von 1959 (besser ist die überarbeitete englische Version von 1973), (3) ein Fotoalbum von den Ausgrabungen, (4) eine edierte Version seines Tagebuchs. Dazu hat Jean-Baptiste Humbert in mehreren Sammelbänden Studien z.B. zu Wasserinstallationen, Ostraka, Textilien und Gebäuden herausgegeben. Doch fehlt uns ein archäologischer Endbericht von de Vaux oder einem seiner Nachfolger. Viele Objekte bleiben nur vorläufig oder gar nicht publiziert. Dies gilt vor allem für die Keramik, die für die Datierung so unentbehrlich ist. Von 1993–2004 haben Yitzhak Magen und Yuval Peleg neue Ausgrabungen in einigen von de Vaux unberührt gelassenen Zonen durchgeführt. Leider fehlt bislang auch ihr Endbericht.

De Vaux’ epochemachende Synthese beschränkt die Diskussion auf bestimmte Funde, während andere völlig übergangen wurden. Das Fotoalbum ist nur mit professioneller Anleitung verständlich und die Qualität der Fotos zudem oft nicht ausreichend. Die deutsche Übersetzung des GrabungstagebuchGrabungstagebuchs enthält wertvolle Lagepläne und eine Liste der Objektfunde. Das Tagebuch bietet viele zuvor unbekannte Informationen und sei allen zum Nachschlagen |95|ans Herz gelegt (zum Durchlesen ist es etwas zu trocken und detailreich). Die folgenden Kapitel sollten idealerweise nicht nur mit Plänen der Siedlung für jede Periode studiert werden, sondern auch mit einer begleitenden Lektüre dieses Grabungstagebuchs sowie einem Besuch der virtuellen Qumrantour des Orion-Zentrums (virtualqumran.huji.ac.il), welche einen guten Einblick in einige der archäologischen Aspekte verschafft.

In jüngerer Zeit haben einige dreidimensionale Rekonstruktionsversuche, vor allem der Entwurf von Robert Cargill, für viel Aufsehen gesorgt. Allerdings sollte man sich von den optischen Effekten, die vorgaukeln, eine „Re“-konstruktion entspräche der Realität, nicht täuschen lassen. Jodi Magness hat in ihrer Rezension klar herausgestellt, dass manche Punkte richtig, andere umstritten und viele andere unmöglich sind. Dem besonders Interessierten sei eine parallele kritische Lektüre der Synthesen von Roland de Vaux, Jodi Magness, Jean-Baptiste Humbert und Yizhar Hirschfeld mit den jeweiligen Rezensionen von Magness und Hirschfeld zu den Werken der anderen empfohlen.

2 548,77 ₽

Начислим

+76

Покупайте книги и получайте бонусы в Литрес, Читай-городе и Буквоеде.

Участвовать в бонусной программе
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
673 стр. 39 иллюстраций
ISBN:
9783846346815
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
Входит в серию "Jüdische Studien"
Все книги серии
Черновик
Средний рейтинг 4,8 на основе 295 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,1 на основе 1061 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,7 на основе 328 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,6 на основе 1095 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,4 на основе 139 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4,8 на основе 5278 оценок
Аудио
Средний рейтинг 4 на основе 57 оценок
Текст, доступен аудиоформат
Средний рейтинг 4,9 на основе 242 оценок
Черновик
Средний рейтинг 4,8 на основе 297 оценок
Аудио
Средний рейтинг 3,2 на основе 31 оценок
Текст
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок