Eine Spur Von Schwäche

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Из серии: Keri Locke Mystery #3
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Die beiden Männer sahen sich kurz an. Keri spürte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte.

Im Hintergrund sah sie, dass Ray inzwischen das Foto von Lanie bekommen hatte und jetzt zu ihnen herüberkam.

Die beiden übrigen Männer wollten sich ebenfalls in Bewegung setzen, aber Ray warf ihnen einen eisigen Blick zu und sie blieben sofort stehen.

„Die Schlampe ist ziemlich frech“, sagte der Weiße. Etwas Besseres schien ihm nicht einzufallen.

„Vielleicht sollten wir ihr ein paar Manieren beibringen“, sagte der Anführer.

Keri sah, wie der dritte Typ sich daraufhin anspannte. Jetzt war ihr die Dynamik dieser Gruppe vollkommen klar. Der Anführer hatte die größte Klappe. Der Weiße war sein Handlanger und der Dritte war der Friedliche. Er war nicht mitgekommen um sich zu schlagen, er war hier, um die anderen beiden davon abzuhalten. Da er bisher nicht direkt angesprochen wurde, wollte Keri ihn jetzt miteinbeziehen. Mal sehen, wie er reagieren würde.

„Seid ihr vielleicht Zwillinge?“, fragte sie ihn und nickte in Richtung des Weißen.

Er sah sie einen Moment lang, offenbar wusste er nicht genau, was er mit diesem Kommentar anfangen sollte. Keri zwinkerte ihm zu und sofort schien er sich zu entspannen. Jetzt lächelte er fast.

„Eineiige Zwillinge sogar“, antwortete er.

„Yo, Carlos, was redest du? Wir sind doch keine Zwillinge“, sagte der Weiße verwirrt.

„Nee, Mann!“, mischte sich der Anführer wieder ein und lachte. „Die hat schon recht. Nicht leicht, euch auseinanderzuhalten. Wir sollten euch markieren.“

Jetzt lachten alle drei, auch wenn der Weiße nicht zu begreifen schien, warum er lachte.

„Alles okay hier?“, fragte Ray hinter ihnen. Die drei Männer fuhren erschrocken herum.

„Alles okay“; sagte Keri schnell. „Detective Ray Sands, das hier sind Carlos und sein Zwillingsbruder. Und das hier ist ihr Freund… wie heißt du eigentlich?“

„Cecil“, sagte er bereitwillig.

„Aha. Das hier ist Cecil. Sie interessieren sich offensichtlich für Corvettes und fremde Damen. Leider müssen wir uns wieder auf den Weg machen, Gentlemen. Wir würden gerne noch bleiben, aber beim LAPD ist ja immer etwas los. Außer natürlich, es gibt noch etwas Geschäftliches zu besprechen. Cecil?“

Cecil sah Ray von oben bis unten an, dann wieder zu Keri. Seine Kommentare von zuvor waren ihm scheinbar nicht unangenehm, aber er wollte es nicht übertreiben.

„Alles cool, Mann, das LAPD soll man nicht warten lassen. Wir müssen uns sowieso um die Corvette kümmern.“

„Nun, dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend“, sagte Keri und Carlos grinste wieder. Sie nickten und machten sich wieder auf zu ihrer Einfahrt. Keri und Ray stiegen in den Wagen.

„Das hätte ins Auge gehen können“, sagte Ray.

„Hätte es. Ich weiß, dass du dich immer noch nicht ganz von der Schusswunde erholt hast. Ich bin froh, dass du es nicht mit fünf Gangstern gleichzeitig aufnehmen musstest.“

„Rührend, wie du dich um deinen gebrechlichen Partner sorgst“, sagte Ray und fuhr los.

„Nichts zu danken“, entgegnete Keri.

„Hat Edgerton schon etwas herausgefunden?“

„Allerdings. Wir sollten uns die Fox Hills Mall genauer ansehen.“

„Was ist dort?“

„Ich hoffe, dort sind die beiden Mädchen“, sagte Keri. „Aber ich fürchte, dass es uns nicht so leicht gemacht wird.“

KAPITEL VIER

Als Sarah aufwachte, war ihr so schlecht, dass sie sich fast übergeben musste. Sie konnte nur verschwommen sehen und ihr war schwindelig. Ein helles Licht fiel direkt auf ihr Gesicht und es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass sie auf einer schmuddeligen, alten Matratze lag. Abgesehen davon war der Raum leer.

Sie schloss die Augen immer wieder, bis sie langsam wieder klar sehen konnte. Neben ihrer Matratze stand ein kleiner Plastikeimer, den sie gerade rechtzeitig heranzog, bevor sie sich übergab. Ihre Augen tränten und ihre Nase lief. Sie hörte ein Geräusch und sah, wie jemand einen schwarzen Vorhang zur Seite zog. Sie war gar nicht in einem kleinen Raum, sondern in einer riesigen, höhlenartigen Lagerhalle. Soweit sie sehen konnte, lagen Matratzen auf dem Boden verteilt. Auf fast jeder Matratze lagen Mädchen die spärlich bekleidet waren oder sogar vollkommen nackt. Alle etwa so alt wie sie selbst.

Die meisten waren alleine, schliefen oder waren bewusstlos. Bei manchen waren aber Männer, die mit ihnen taten, was sie wollten. Einige Mädchen wehrten sich, andere hatten aufgegeben und manche schienen nicht ohnmächtig zu sein, während sich die Männer an ihnen vergingen. Sarahs Verstand war noch etwas benebelt, als sie zwanzig andere Mädchen zählte.

Plötzlich trat jemand in ihr Gesichtsfeld. Es war Chiqy, der dicke Bärtige, den sie in Deans Schlafzimmer getroffen hatte. Sofort begann Sarahs Herz zu rasen. Jetzt hatte sie nicht mehr das Gefühl, dem Geschehen aus der Ferne zuzusehen. Panik machte sich in ihr breit.

Wo bin ich? Was ist das für ein schrecklicher Ort? Warum fühle ich mich so schwach?

Sie versuchte sich aufzusetzen, als Chiqy näher kam, doch ihre Arme gaben unter ihrem Gewicht nach und sie fiel wieder rückwärts auf die Matratze. Chiqy lachte leise.

„Lass es besser bleiben“, sagte er. „Die Drogen machen dich schwerfällig. Ich will nicht, dass du hinfällst und dir etwas brichst. Das wäre nicht gut fürs Geschäft. Der Kunde findet gebrochene Knochen nur dann gut, wenn er sie selbst brechen durfte.“

„Was hast du mir gegeben?“, fragte Sarah heiser und versuchte noch einmal, sich aufzurichten.

Anstatt zu antworten, schlug Chiqy ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Wieder fiel sie auf die Matratze. Auf ihrer Wange explodierte ein Schmerz, der sich bis zu ihrem Ohr ausbreitete. Sie schnappte nach Luft und versuchte, ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Chiqy erschien über ihrem Gesicht.

„Du wirst schon lernen, dass du nur zu sprechen hast, wenn man dich fragt. Keine Frechheiten, außer der Kunde will es so. Keine Fragen. Chiqy kümmert sich schon um dich. Halte dich an die Regeln und alles ist gut. Tust du das nicht – nicht gut. Kapiert?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Sarah nickte benommen.

„Dann hör jetzt gut zu, denn ich sage dir die Regeln nur einmal: Erstens – du bist hier auf meinem Grund und Boden. Damit gehörst du mir. Ich kann dich verleihen, wie ich will, aber vergiss nicht, wem du gehörst. Kapiert?“

Sarahs Wange brannte noch immer. Sie nickte demütig. Auch wenn sie immer noch nicht verstand, wie sie in diese Situation gelangen konnte, wusste sie, dass sie Chiqy in ihrem momentanen Zustand besser nicht herausforderte.

„Zweitens – du wirst meinen Kunden alle Wünsche erfüllen. Es muss dir nicht gefallen, aber wer weiß, vielleicht ist es genau dein Ding. Mir egal. Du machst, was der Kunde sagt, egal was es ist. Wenn du nicht gehorchst, schlage ich dich, bis alles in dir blutet. Ich kenne mich damit bestens aus. Man wird es dir nicht ansehen, die Kunden werden dich trotzdem nehmen, aber in dir drinnen ist alles kaputt. Kapiert?“

Wieder nickte Sarah. Sie versuchte, sich auf die Ellbogen zu stützen und schloss die Augen unter dem grellen Lichtschein. Sie versuchte, die anderen Mädchen besser zu sehen. Keine von ihnen kam ihr bekannt vor. Ein eisiger Schauer schüttelte sie.

Wo ist Lanie?

„Kannst du mir sagen, was mit meiner Freundin passiert ist?“, fragte sie leise.

Doch bevor sie sich versehen konnte, hatte Chiqy wieder zugeschlagen, diesmal auf die andere Wange. Die Wucht schleuderte sie wieder auf die Matratze.

„Das war noch nicht alles“, hörte sie ihn trotz des lauten Klingelns in ihren Ohren. „Die letzte Regel lautet – Kein Wort, außer ich habe dich etwas gefragt. Wie schon gesagt, du wirst schnell lernen, dass wir hochnäsige Mädchen hier nicht mögen. Kapiert?“

Sarah nickte. Ihr Kopf tat weh.

„Aber diese eine Frage werde ich dir beantworten“, sagte Chiqy grinsend. Er deutete auf eine Matratze, ein paar Meter weiter.

Sarah blickte hinüber und sah einen Mann um die sechzig Jahre, der auf einem Mädchen lag. Ihr Kopf war weggedreht, doch der Mann hob ihr Kinn an, um sie zu küssen.

Sarah musste würgen. Dann erst wurde ihr klar, dass es wirklich Lanie war. Von der Hüfte abwärts hatte man sie ausgezogen und ihr schwarzes Tank-Top war ihr bis zum Hals hochgeschoben, sodass ihr BH zu sehen war. Als der Mann das Interesse an ihrem Gesicht verloren hatte, ließ er ihren Kopf los und er rollte wieder zur Seite, diesmal in Sarahs Richtung.

Sie sah, dass ihre Freundin bei Bewusstsein war, wenn auch nicht ganz. Ihre Augen waren schmale Schlitze und sie schien nicht viel von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Ihr Körper lag schlapp auf der Matratze. Sie wehrte sich nicht gegen das, was ihr gerade angetan wurde.

Sarah sah sich alles an, aber es kam ihr vor, als würde sich dieses unsagbare Schreckensszenario auf einem fernen Planeten abspielen. Vielleicht lag es an den Drogen. Vielleicht lag es daran, dass sie gerade ins Gesicht geschlagen worden war. Sie fühlte sich betäubt.

Vielleicht sollte ich dafür dankbar sein.

„Sie hat sich ziemlich angestellt, also mussten wir ihr die doppelte Dosis geben“, sagte Chiqy. „So könnte es dir auch ergehen. Wenn du brav bist, müssen wir dich nicht ruhigstellen. Ganz wie du willst.“

 

Sarah sah ihn an. Gerade als sie antworten wollte, fiel ihr wieder die letzte Regel ein und sie biss sich auf die Zunge. Chiqy sah es und grinste.

„Gut, du kapierst schnell“, sagte er. „Jetzt darfst du antworten.“

„Bitte nicht ruhigstellen“, flehte sie.

„Okay, wir versuchen es ohne. Aber wenn du dich wehrst, bekommst du die Nadel. Klar?“

Sarah nickte. Chiqy grinste zufrieden und nickte, bevor er ein paar Schritte zurück ging und den Vorhang zuzog.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit ihr noch blieb, also sah sich Sarah verzweifelt um. Sie musste nachdenken. Sarah trug noch immer ihre Jeans und das hellblaue Oberteil, deshalb ging sie davon aus, dass man ihr noch nichts angetan hatte. Schnell tastete sie ihre Taschen ab. Handy, Geldbeutel und Ausweis hatte man ihr abgenommen. Das war keine Überraschung.

Irgendwo begann ein Mädchen laut zu schreien. Als sie hörte, dass jemand näher kam, stieg ihr wieder die Panik in den Hals. Andererseits hatte sie den Eindruck, dass das Adrenalin ihren Verstand schärfte und ihr wieder ein wenig Kontrolle über ihre Gliedmaßen gab.

Denk nach, so lange du noch kannst! Du bist schon lange weg, wahrscheinlich suchen sie nach dir. Mum und Dad haben sicher schon die Polizei alarmiert. Du musst eine Spur hinterlassen, falls etwas passiert.

Sie sah auf ihr Top. Ihre Mutter hatte sie beim Frühstück gesehen, sie würde sich bestimmt daran erinnern, was sie heute trug. Schließlich hatte sie ihr das Outfit beim Cabazon-Outlet selbst gekauft.

Schnell riss sie einen kleinen Streifen aus dem Hüftbereich. Noch während sie überlegte, wo sie ihn verstecken sollte, hörte sie die Männerstimmen. Als der Vorhang zur Seite gezogen wurde, steckte sie den Stofffetzen schnell unter die Matratze. Nur noch eine kleine Ecke schaute heraus.

Sarah blickte zu den Männern auf. Neben Chiqy stand ein Typ um die vierzig in Anzug und Krawatte. Er nahm gerade seine Brille ab und legte sie in einen seiner Schuhe, die er bereits abgestreift und neben den Vorhang gestellt hatte.

„Wie alt ist sie?“, fragte er.

„Sechzehn“, antwortete Chiqy.

„Etwas überreif für meinen Geschmack, aber von mir aus“, sagte er und näherte sich der Matratze.

„Denk an die Regeln“, sagte Chiqy mit erhobenem Finger zu Sarah.

Sie nickte. Zufrieden drehte er sich um, als der andere Mann etwas Privatsphäre verlangte.“

Langsam zog Chiqy den Vorhang hinter sich zu. Der Mann stand über ihr und starrte ihren Körper an. Sarah wurde schlecht.

Er begann sich auszuziehen und Sarah überlegte krampfhaft, was sie tun sollte. Sie würde es nicht einfach geschehen lassen, so viel stand fest. Und wenn sie sie dafür umbringen würden. Niemals würde sie sich damit abfinden, als Sexsklavin verkauft zu werden. Sie musste die erstbeste Gelegenheit nutzen.

Diese ließ nicht lange auf sich warten.

Der Mann hatte inzwischen seine Hose und Boxer Shorts ausgezogen und kroch jetzt langsam zu ihr. An seinem Blinzeln erkannte sie, dass er ohne seine Brille unsicher war. Kurz darauf war er auf Händen und Knien direkt über ihr.

Jetzt oder nie.

Schnell zog Sarah ihr Bein hoch und trat mit ihrem Schuh so fest in seine Weichteile, wie sie nur konnte. Er japste und brach auf ihr zusammen.

Sarah hatte damit gerechnet und rollte sich zur Seite. Dann rappelte sie sich auf und eilte zum Vorhang. Der Mann hinter ihr wimmerte leise. Schnell steckte sie ihren Kopf heraus und sah sich um.

Der Ausgang aus dieser Hölle war einige Meter entfernt. Zwischen ihr und der Freiheit lagen jedoch zahlreiche Matratzen, auf denen nicht nur mehr oder weniger betäubte Mädchen, sondern auch mindestens eine Handvoll Männer lagen und umhergingen. Sie würde es nie nach draußen schaffen.

Vielleicht konnte sie aber einen Nebenausgang in den Schatten an der Wand finden. Gerade als sie aus dem Vorhang treten wollte, hörte sie hinter sich ein schmerzverzerrtes, aber deutliches „Hilfe!“

Jetzt musste sie sich beeilen. Sie sprang nach links und suchte nach einer Tür, doch schon erschien ein weiterer Mann vor ihr. Sie wirbelte herum und rannte in die entgegengesetzte Richtung, direkt in Chiqys Arme. Er hielt sie so fest, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte.

Weiter weg sah sie den Mann im Anzug. Noch immer war er unten ohne und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Sarah.

„Jetzt will ich sie zum halben Preis!“

Sarah sah, dass Chiqy etwas aus seiner Tasche zog – eine Spritze! Sie versuchte, sich loszureißen, aber es war vergeblich. Sie spürte einen Stich in ihrem Oberarm.

„Ich habe dich gewarnt“, flüsterte er. Es klang fast wie eine Entschuldigung.

Als sich sein Griff lockerte, hatte sie schon keine Kontrolle mehr über ihre Muskeln. Chiqy ließ sie los. Als sie auf dem Boden aufschlug, hatte sie bereits das Bewusstsein verloren.

KAPITEL FÜNF

Unruhig saß Keri im Wartezimmer des Sicherheitsbüros in der Fox Hills Mall. Sie hatte nur einen Gedanken: Das dauert viel zu lange!

Einer der Angestellten suchte nach Aufnahmen im Gastronomiebereich um 14 Uhr, als Lanie das Foto auf Instagram gepostet hatte. Dass es so lange dauerte, konnte nur daran liegen, dass entweder das System sehr alt, oder der Mitarbeiter inkompetent war.

Auf dem Stuhl neben ihr schmatzte Ray an einem Wrap herum, den er sich auf dem Weg durch das Shopping Center gekauft hatte. Keri hatte ihren Wrap kaum angefasst.

Obwohl die Mädchen erst seit etwas länger als vier Stunden unerreichbar waren, hatte Keri das starke Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Sie konnte es nur noch nicht beweisen.

„Willst du das Ding nicht einfach im Ganzen Verschlingen?“, fragte sie Ray genervt.

Er hörte sofort auf zu kauen und sah sie fragend an. „Was frisst dich denn?“, fragte er mit vollem Mund.

„Tut mir leid, ich sollte meinen Frust nicht an dir auslassen. Was dauert das denn so lange? Wenn diese Mädchen wirklich entführt wurde, vergeuden wir hier wertvolle Zeit.“

„Wir geben ihnen noch zwei Minuten. Wenn sie bis dahin nichts gefunden haben, treten wir ihnen auf die Füße. Fair?“

„Fair“, antwortete Keri und nahm einen kleinen Biss von ihrem Wrap.

„Ich weiß, dass du nicht besonders geduldig bist, aber da ist doch noch etwas anderes los mit dir. Das habe ich vorhin auf dem Revier schon bemerkt. Wir haben noch zwei Minuten, also raus mit der Sprache.“

Keri sah ihn an. Ein Stück Salat klemmte zwischen zwei Zähnen. Sie hätte gelacht, wenn die Situation nicht so ernst wäre.

Dieser Mann steht dir näher als irgendjemand sonst auf dieser Welt. Sag es ihm, er hat es verdient.

„Okay“, begann sie. „Gleich.“

Sie holte einen Überwachungsdetektor aus der Handtasche, den sie seit einer Weile mit sich führte und gab Ray ein Zeichen, ihr in den Gang zu folgen.

Das Gerät war ihr von einem Sicherheitsexperten empfohlen worden, dem sie bei einem Fall geholfen hatte. Er schien Recht zu behalten, das Gerät war handlich, zuverlässig und preiswert.

Seit dieser Anwalt Jackson Cave ihr gedroht hatte, dass er sie nicht mehr aus dem Augen lassen wollte, hatte sie mehrere Abhörgeräte entdeckt. Eine Wanze hatte sie in ihrer Schreibtischlampe auf dem Revier gefunden. Wie es dort hinkam, wusste sie nicht genau. Vielleicht hatte er ein Mitglied des Reinigungspersonals bestochen.

Außerdem hatte sie eine Kamera und eine Wanze in ihrer neuen Wohnung gefunden – im Wohnzimmer und im Schlafzimmer, sowie im Steuerrad ihres Dienstwagens und hinter der Sonnenblende in Rays Auto.

Edgerton hatte sich darum gekümmert, dass ihr Computer vor jeglichen Cyberangriffen geschützt war. Bisher sah es so aus, als wäre nichts versucht worden, aber sicherheitshalber benutzte sie den Computer nur noch für offizielle Angelegenheiten.

Ihr Handy war bisher clean geblieben, wahrscheinlich weil sie es immer bei sich trug. Es war das einzige Gerät, das sie für die Kommunikation mit dem Sammler benutzt hatte, deswegen wollte sie es nie unbeobachtet lassen.

Als sie nun mit Ray im Gang stand, überprüfte sie zuerst sich selbst, dann Ray und schließlich sein Handy nach Überwachungsgeräten.

Ray hatte sich in den vergangenen Wochen an diese Prozedur gewöhnt. Anfangs hatte er sich dagegen gesträubt, aber nachdem Keri auch in seinem Auto eine Wanze gefunden hatte, wehrte er sich nicht mehr dagegen. Im Gegenteil, er war ebenso aufgebracht darüber und wollte sicher sein, dass man ihn nicht abhörte. Am liebsten hätte er sie sofort herausgerissen, aber Keri hatte ihn überzeugt, sich nichts anmerken zu lassen. Wenn Cave mitbekam, dass sie ihm auf die Schliche gekommen waren, würde er vielleicht den Sammler warnen.

Cave hatte bereits den Verdacht, dass Keri seine Daten gestohlen hatte, aber er hatte keine Beweise dafür. Und er konnte nicht wissen, ob Keri seine Sicherheitsbarrieren überwunden hatte und jetzt vielleicht ihn überwachte. Daher vermutete sie, dass er sich nur an den Sammler wenden würde, wenn es absolut nötig wäre.

Er dachte, dass sie in einer Art Pattsituation steckten und da er weit mehr Informationen hatte als sie, wollte sie ihn in dem Glauben lassen.

Sie musste Ray jedoch versprechen, dass sie die Wanzen sofort entfernen würde, wenn sich daraus ein Nachteil ergab. Sie hatten sich sogar ein geheimes Codewort überlegt, wenn es soweit kommen sollte. „Bondi Beach“, ein berühmter Strand im australischen Sydney, den Keri eines Tages besuchen wollte. Wenn sie eines Tages diese beiden Worte sagte, könnte er endlich jegliche Überwachungsgeräte herausreißen.

„Zufrieden?“, fragte er, als sie ihren Sicherheitscheck abgeschlossen hatte.

„Ja. Sorry. Also, ich habe heute früh eine E-Mail von unserem Freund bekommen“, sagte sie und vermied damit, etwas auszuplaudern, das niemand hören sollte. „Er hat angedeutet, dass er sich bald wieder treffen will. Vielleicht bin ich deswegen etwas reizbar. Immer wenn sich etwas auf meinem Handy regt, denke ich, dass er es ist.“

„Hat er angedeutet, wann es soweit ist?“, fragte Ray.

„Nein. Er hat nur gesagt, dass er sich bald meldet; sonst nichts.“

„Kein Wunder, dass du so geladen bist. Ich dachte, dass du wegen des Mädchens überreagierst.“

Keri spürte, wie in ihr die Hitze aufkochte. Sie starrte ihren Partner wütend an. Auch Ray merkte, dass er mit seinem Kommentar zu weit gegangen war. Gerade als er etwas sagen wollte, winkte der Sicherheitsangestellte sie in den Computerraum.

„Ich habe etwas gefunden“, rief er.

„Dein Glück“, knurrte Keri und stürmte voran. Ray folgte mit etwas Abstand.

Als sie den Computerraum betraten, zeigte das Video 2 Uhr 5. Sarah und Lanie saßen gut sichtbar an einem kleinen Tisch. Lanie machte ein Foto mit ihrem Handy. Höchstwahrscheinlich das Bild, das Edgerton bei Instagram gefunden hatte. Keine zwei Minuten später näherte sich ihnen ein großer, dunkelhaariger, tätowierter Typ. Er küsste Lanie und nach ein paar Minuten standen sie zusammen auf und gingen.

Der Mann stoppte das Video und sah zu Ray und Keri. Auf seinem Namensschild stand ‚Keith‘. Er war um die dreiundzwanzig, hatte fettige, pickelige Haut und eine schlechte Körperhaltung, die Keri irgendwie an Quasimodo erinnerte.

Schnell vertrieb sie diesen Gedanken.

„Ich habe ein paar Screenshots, auf denen man den Typen gut erkennen kann. Ich habe sie abgespeichert und kann sie Ihnen jederzeit schicken.“

Ray sah Keri mit hochgezogenen Augenbrauen an. Vielleicht war dieser Kerl doch nicht so inkompetent, wie sie dachten. Keri war jedoch immer noch wütend über seinen Kommentar und ignorierte seinen Blick.

„Das wäre wunderbar“, sagte Ray zu dem jungen Mann. „Konnten Sie auch herausfinden, wo sie dann hingegangen sind?“

„Ja“, sagte Keith stolz und drehte sich wieder zu dem Bildschirm um. Er zeigte die Aufnahmen einiger anderer Kameras, die den Dunkelhaarigen, Lanie und Sarah zeigten. Nachdem sie durch das Shopping Center gegangen waren, sah man sie in einen Trans A steigen und Richtung Norden aus dem Parkplatz fahren.

 

„Ich habe versucht das Nummernschild näher heranzuholen, aber unsere Kameras sind zu hoch angebracht um einen verwendbaren Winkel zu bekommen.“

„Schon gut, Keith, Sie haben uns wirklich sehr geholfen. Ich gebe Ihnen jetzt unsere Handynummern, damit Sie uns die Aufnahmen schicken können. Könnten Sie sie vielleicht auch an unseren Kollegen auf dem Revier schicken, damit er sie durch die automatische Gesichtserkennung jagen kann?“

„Natürlich“, sagte Keith. „Ich werde mich sofort darum kümmern. Könnte ich Sie vielleicht auch um einen Gefallen bitten?“

Keri und Ray tauschten einen skeptischen Blick aus. Dann nickten sie. Keith zögerte einen Augenblick.

„Ich wollte mich schon seit einiger Zeit bei der Polizeiakademie bewerben, aber ich fürchte, dass ich den körperlichen Anforderungen nicht gewachsen bin. Ich dachte, dass Sie mir vielleicht ein paar Tipps geben könnten – natürlich erst, wenn sie den Fall gelöst haben.“

„Wenn es weiter nichts ist“, sagte Keri und zog eine Visitenkarte aus der Tasche. „Diese Leute können Ihnen bei der Vorbereitung helfen, und mich können Sie anrufen, wenn Sie mentale Unterstützung brauchen.“ Dann sah sie ihn noch einmal an. „Übrigens, wenn Sie schon ein Namensschild tragen müssen, lassen Sie sich eins mit Ihrem Nachnamen geben. Das wird professioneller.“

Dann stand sie auf und verließ den Raum. Sollte Ray sich doch um den Rest kümmern, das hatte er verdient.

Sowie sie die Fotos bekam, schickte sie sie an Joanie Hart und die Caldwells weiter, für den Fall, dass sie irgendetwas über diesen Typen wussten. Als Ray sie schließlich einholte, hatte er einen reumütigen Gesichtsausdruck.

„Hör zu, Keri, ich hätte nicht sagen dürfen, dass du überreagierst. Da läuft wirklich irgendeine krumme Sache.“

„Soll das eine Entschuldigung sein? Denn ich habe das Wort irgendwie nicht gehört. Und wo wir gerade beim Thema sind: Hatten wir nicht inzwischen genug Fälle, die für alle anderen harmlos aussahen, bei denen ich aber am Ende recht hatte? Solltest du nicht langsam wissen, dass du mir Zweifelsfall lieber einmal zu viel vertraust?“

„Ja, aber nicht bei allen…“, begann er, entschied sich dann aber anders. „Es tut mir leid.“

„Danke. Entschuldigung angenommen“, sagte Keri und beschloss, über den ersten Teil des Satzes hinwegzusehen.

Ihr Handy summte. Keri erschrak. Doch es war nicht der Sammler, sondern Joanie Hart, die Keri mitteilte dass sie den jungen Mann noch nie gesehen hatte.

Sie zeigte Ray die Mitteilung und schüttelte den Kopf darüber, dass diese Frau kaum am Wohlergehen ihrer Tochter interessiert war. Dann ging ein Anruf ein. Es war Mariela Caldwell.

„Detective Locke, hallo Mrs. Caldwell.“

„Hi Detective, ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Ed und ich den Mann auf den Fotos noch nie gesehen haben, aber Sarah hat erwähnt, dass Lanie über ihren neuen Freund gesagt hat, er sähe aus wie ein Rockstar. Ich denke, das könnte er sein.“

„Das ist durchaus möglich“, sagte Keri. „Hat Sarah auch seinen Namen erwähnt?“

„Ich bin ziemlich sicher, dass er Dean heißt. An einen Nachnamen kann ich mich aber nicht erinnern. Ich denke nicht, dass sie ihn weiß.“

„Vielen Dank für diese Informationen, Mrs. Caldwell.“

„Können Sie damit denn etwas anfangen?“, fragte die Frau in einem Tonfall, der ihre ganze Sorge ausdrückte.

„Das ist gut möglich. Leider habe ich zu diesem Zeitpunkt nichts Neues für Sie. Ich verspreche Ihnen aber, dass wir weiterhin alles tun werden, um Sarah bald zu finden. Ich melde mich, sobald es neue Hinweise gibt.“

„Danke, Detective. Wissen Sie, nachdem Sie bei uns waren ist mir aufgefallen, dass Sie vor ein paar Monaten diese junge Surferin gerettet haben. Und ich weiß auch… nun… die Sache mit Ihrer eigenen Tochter…“, sie brach mitten im Satz ab und Keri glaubte ein leises Weinen zu hören.

„Bleiben Sie ganz ruhig, Mrs. Caldwell“, sagte Keri. Sie musste sich bemühen, nicht selbst die Fassung zu verlieren.

„Es tut mir so leid mit ihrem kleinen Mädchen…“

„Denken Sie jetzt nicht darüber nach. Wir wollen uns jetzt darauf konzentrieren, Ihre Tochter zu finden. Versuchen Sie nur, optimistisch zu bleiben. Lenken Sie sich ab, lassen Sie sich nicht verrückt machen. Wir kümmern uns um alles Weitere.“

„Danke, Detective“, flüsterte Mariela Caldwell kaum hörbar.

Keri legte auf und sah Ray an. Auch er sah besorgt aus.

„Keine Sorge, Partner, ich breche nicht zusammen. Zuerst finden wir dieses Mädchen“, versicherte sie ihm.

„Aber gerne. Und wie?“

„Ich denke, es ist Zeit mit Edgerton zu reden. Er hat vielleicht Neuigkeiten über die Handydaten. Außerdem wissen wir jetzt, dass der Mann aus dem Shopping Center Dean heißt. Vielleicht hat Lanie ihn bei Facebook und Co. erwähnt. Ihre Mutter mag nichts über ihn wissen, aber ich habe das Gefühl, dass das eher an ihrem Desinteresse liegt als daran, dass Lanie ihn verstecken will.“

Als sie das Shopping Center verließen und auf ihren Wagen zugingen, rief Keri Edgerton an und stellte ihr Handy auf Lautsprecher, damit Ray mithören konnte.

Edgerton meldete sich auf das erste Klingeln.

„Dean Chisolm“, sagte er ohne sie zu begrüßen.

„Was?“

„Der Mann auf den Fotos heißt Dean Chisolm. Das war auch ohne Gesichtserkennung nicht schwer. Die kleine Joseph hat ihn auf hundert Facebook-Fotos getagt. Er trägt fast immer Kapuze oder Sonnenbrille, als wollte er nicht erkannt werden, aber er ist nicht besonders gut darin. Er trägt immer das gleiche Shirt und die Tattoos sind ziemlich auffällig.“

„Gute Arbeit, Kevin“, sagte Keri. Wie immer war sie beeindruckt von der Effektivität des jungen Technikers. „Was wissen wir noch über ihn?“

„Er hat eine ziemlich dicke Akte bei uns, wegen Drogenbesitzes und Drogenhandels musste er vier Monate absitzen.“

„Klingt nach einem soliden Mitbürger“, murmelte Ray.

„Das ist noch nicht alles. Er steht außerdem in Verdacht, in einem Pornoring mit Minderjährigen beteiligt zu sein. Das konnte ihm aber noch nicht nachgewiesen werden.“

Keri sah Ray mit großen Augen an. Auch sein Blick veränderte sich schlagartig. Bis jetzt hatte er immer noch vermutet, dass diese Mädchen einfach einen kleinen Ausflug machten. Aber nach dem, was sie gerade über diesen Dean erfahren hatten, war nun auch er sichtbar beunruhigt.

„Was wissen wir über diesen Pornoring?“, fragte Keri.

„Unser Hauptverdächtiger ist ein besonders sympathischer Zeitgenosse namens Ernesto ‚Chiqy‘ Ramirez.“

„Chiqy?“, fragte Ray.

„Ein Spitzname. Chiquito bedeutet ‚winzig‘. Dem Foto nach zu schließen ist dieser Mann ein Brocken von einem Kerl. Ich vermute, der Spitzname ist ein Scherz.“

„Und wo finden wir diesen Scherzkeks Chiqy?“, fragte Keri ernst.

„Da muss ich euch leider enttäuschen. Er hat keine offizielle Adresse. Er bewegt sich in verlassenen Lagerhäusern und Hallen, wo er provisorische Zwangsbordelle betreibt, bis sie hochgenommen werden, dann zieht er weiter. Aber eine gute Nachricht habe ich noch.“

„Immer her damit“, sagte Ray und stieg in seinen Wagen.

„Wir haben die Adresse von Dean Chisolm. Und rein zufällig liegt die bei den gleichen Koordinaten, an denen die Handys der Mädchen zum letzten Mal aktiv waren. Ich schicke sie euch, zusammen mit einem Foto von Chiqy.“

„Dank‘ dir, Kevin“, sagte Keri. „Wir sind übrigens soeben einem Kevin-Junior begegnet. Er arbeitet beim Sicherheitsdienst im Shopping Center. Ein aufgeweckter junger Mann. Ich kann euch in Verbindung bringen, wenn du willst.“

„Klar, gerne. Wie ich immer sage – Computerfreaks dieser Welt, vereinigt euch!“

„Ach ja, das sagst du immer?“, neckte Keri ihn.

„Na gut, das denke ich jedenfalls immer“, gab er zu und legte schnell auf, bevor sie ihn noch weiter aufziehen konnten.

„Deine Laune ist überraschend gut, wenn man bedenkt, was uns gerade mitgeteilt wurde“, bemerkte Ray überrascht.

„Ich versuche so lange wie möglich locker zu bleiben“, sagte Keri. „Ich habe das Gefühl, dass ich das nicht mehr lange schaffen werde. Aber keine Sorge, sobald wir Chisolm finden, kann ich meine Nerven beruhigen, indem ich mit einem stumpfen Messer ein paar Tattoos entferne.“

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