Heiliger Schein

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Es lohnt sich vielleicht hinzuzufügen, dass Victor Stone aus Newmarket berichtet, er habe alle zehn Wörter aus unserer Liste in einem Satz verwendet und dafür, wie er sagt, nicht nur jede Menge ernstes Nicken und gemurmelte verbale Zustimmung geerntet, sondern sogar auch einen Applaus. In Stones Vortrag, bei dem er jedes Schlüsselwort an den Fingern abzählte, als arbeite er sich Schritt für Schritt durch ein kompliziertes, aber hochinteressantes mathematisches Problem, nahm der Satz diese Form an:

»Wenn GNADE und LIEBE durch den GEHORSAM bestätigt werden, stellen wir fest, dass unser GLAUBE die WAHRHEIT erfasst, sodass HOFFNUNG und MUT die EHRFURCHT entwickeln können, die zur DEMUT führt und schließlich den FRIEDEN erlangt.«

Stone hat hier sehr gute Arbeit geleistet, und selbst in einem so langen Satz sehen wir wieder, dass die Schlüsselwörter praktisch austauschbar sind und, wie Sie sehen werden, hervorragend hin und her geschoben werden können.

»Wenn FRIEDE und DEMUT durch die EHRFURCHT bestätigt werden, stellen wir fest, dass unser MUT die HOFFNUNG erfasst, sodass WAHRHEIT und GLAUBE den GEHORSAM entwickeln können, der zur LIEBE führt und schließlich die GNADE erlangt.«

Victor Stone war es auch, der darauf hinwies, dass die Erfindung neuer Wörter für den Gebrauch in Gemeindekreisen mit der Anwendung des Judo verglichen werden könnte, jenem Kampfsport, bei dem das Gewicht und die Wucht des Angriffs des Gegners genutzt werden, um ihn zu überwinden. Stones

Aussage, die einen für Gemeindelebenskünstler geradezu unbehaglich tiefen Sinn hat, ist die, dass in der modernen Gemeinde bereits die Tendenz besteht, religiöse und sogar auch normale Verhaltensweisen in subkulturelle verbale Kapseln zu zwängen. So kann es durchaus passieren und ist auch schon passiert, dass wir Lobpreisleiter ankündigen hören, Gott werde sich im Gottesdienst in Kürze »verpräsenzen«.

Stone hat seine eigene Liste ähnlich neuartiger Wörter zusammengestellt und sie nun auch unseren Mitgliedern zur Verfügung gestellt (die vollständige Liste ist erhältlich beim Institut für Gemeindelebenskunst zum Preis von zwei Pfund einschließlich Porto und Verpackung). Victor Stone betont, dass die Einführung dieser neuen Begriffe in den Wortschatz einer kirchlichen Gemeinschaft ohne Scheu und mit größtem Selbstbewusstsein erfolgen muss. Idealerweise sollten die Gemeindeglieder den Eindruck bekommen, sie seien es, die auf dem Gebiet der geistlichen Ausdrucksformen im Rückstand seien, während der Gemeindelebenskünstler oder die Gemeindelebenskünstlerin lediglich Begriffe verwendet, die in einer jener großen Londoner Gemeinden, von denen offenbar alle neuen Bewegungen und so ausgehen, zum ganz normalen Sprachgebrauch gehören.

Stones Vorschläge, hier zum besseren Verständnis in ihrem angemessenen Kontext wiedergegeben, sind am besten im blumig-volltönenden Tonfall moderner Lobpreisleiter vorzutragen.

Der Herr ruft all diejenigen unter uns, die nicht jede Woche in den Gottesdienst kommen, dazu auf, ihre Verbindlichwerdung zu verfülligen.

Heute Morgen werden wir die Neuvereigentumung seines Volkes durch den Herrn feiern.

Herr, wir beten um Andauerndwerdung in der Verpfingstlichung deiner Gemeinde.

Wir neigen unsere Häupter und gehen nun über in eine Zeit der Bekenntniskundmachung. Lasst uns vor Gott treten und ihn voller Zuversicht darum bitten, unsere Freigesprochenwerdbarkeit zu bestätigen.

Lasst uns versuchen, ob die Innewohnendheit des Lobpreises zu einer Innefließung der Freude führt.

Die Macht des Selbstbewusstseins

Selbstbewusstsein ist enorm wichtig. Darley Jameson, einer der großen Gemeindelebenskünstler der Vergangenheit, vertrat nachdrücklich die Auffassung, nahezu jede Aussage oder Ansicht werde von einem kirchlichen Publikum oder einer Gemeinde akzeptiert, solange sie nur mit ausreichender Selbstgewissheit vorgetragen werde. Als ich noch ein junger Mann war, sagte er mir, er habe zwei gänzlich unterschiedliche Ansprachen, die er verwendete, wann immer man ihn bat, über das Buch der Offenbarung zu predigen. Die Einstiegssätze dieser Ansprachen, erklärte er mir, müssten mit einer deklamatorischen, leicht gereizten Intensität vorgetragen werden, die ahnen ließ, welche hart erkämpften Siege in theologischen und intellektuellen Debatten in der Vergangenheit dahinterstünden, und keinerlei Raum für Widerspruch ließ. Die erste begann mit den folgenden Worten:

»Das Buch der Offenbarung handelt nicht vom Gericht, und lassen Sie sich bitte nicht in die Irre führen von jenen, die Ihnen aus ihren eigenen höchst fragwürdigen Beweggründen weismachen wollen, es wäre so.«

Die zweite begann so:

»Das Buch der Offenbarung handelt von nichts anderem als vom Gericht, und lassen Sie sich bitte nicht in die Irre führen von jenen, die Ihnen aus ihren eigenen höchst fragwürdigen Beweggründen weismachen wollen, es wäre nicht so.«

Von da an, sagte Jameson, waren seine Zuhörer Wachs in seinen Händen, selig in dem Glauben, endlich jemanden zu hören, der wusste, wovon er sprach, und sich nicht von der Wahrheit abbringen lassen würde durch die Machenschaften jener nicht näher benannten, aber bedrohlichen Gruppe von Leuten, die ihre Zeit mit dem Versuch verbrachten, aus ihren eigenen höchst fragwürdigen Beweggründen jedermann in die Irre zu führen. Jamesons Herangehensweise hier ist ein unverzichtbares Werkzeug für den viel beschäftigten Gemeindelebenskünstler. Es gibt nur wenige noch bessere Möglichkeiten, eine Aussage glaubhaft zu machen, als eine imaginäre Armee fehlgeleiteter, böswilliger oder dummer Menschen heraufzubeschwören, die den gegenteiligen Standpunkt vertreten, und sie dann mit vernichtender Kritik zu überziehen. Der hier zitierte Satz, den Jameson selbst vorgeschlagen hat, ist fast universell einsetzbar. Vervollständigen Sie einfach das Ende des Satzes mit der gegensätzlichen Ansicht zu der, die Sie propagieren möchten.

»Seien Sie wachsam und auf der Hut, denn zweifellos werden Leute kommen und Ihnen einzureden versuchen, dass …«

Jamesons Auffassung vom Wert selbstbewusst vorgetragener Behauptungen wird von Gemeindelebenskünstlern und -künstlerinnen aller Altersgruppen und Erfahrungsstände bestätigt. Mein eigener Onkel Dexter Caplin, inzwischen Anfang achtzig und immer noch auf Teilzeitbasis begeistert dabei, eine kleine Gemeinde in Dartford zu sabotieren, hat einen sehr nützlichen Rat dazu.

»Ich denke immer an die Trauzeremonie und den Teil, wo der Pfarrer sagt: ›Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.‹ Das ist genau der Tonfall, den man in die betreffende Aussage hineinlegen muss. Nehmen Sie den folgenden Satz als Beispiel:

Offen gesagt, ich mache keine Stille Zeit.

Mit der richtigen Mischung aus Kühnheit und gerechtem Trotz ausgesprochen, ist es möglich, durchblicken zu lassen, in diesem Bereich seien große Probleme bereits gelöst und umfangreiche Fragen längst geklärt. Der Sprecher, so scheint dies anzudeuten, ist zu einer anderen, verfeinerten Dimension geistlichen Lebens übergegangen, die freilich Leute, die noch unter der bleiernen Bürde täglichen Gebets und Bibelstudiums ächzen, unmöglich begreifen können.

Hier sind einige Ausdrucksformen, mit denen ich in der Vergangenheit große Erfolge erzielt habe. Meine Zeit ist fast vorüber, aber ich gebe mich gern der Hoffnung hin, dass neue Generationen von Gemeindelebenskünstlern und -künstlerinnen den Stab von mir übernehmen werden (natürlich nicht ohne ihn von Zeit zu Zeit strategisch fallen zu lassen).

(a) Ich muss Ihnen mit zutiefst gemischten Gefühlen schmerzlicher Traurigkeit und, ja, auch mit einer eigentümlichen Art bebender Freude sagen, dass ich Dritte-Welt6-Projekte nicht mehr unterstützen kann. (Vollkommen unerklärlich, aber wirkungsvoll, hat diese lächerliche Aussage den unglaublichen Effekt, anzudeuten, indem ich Dritte-Welt-Projekte nicht unterstütze, handele ich verantwortungsbewusster und gehorsamer, als wenn ich es tue!)

(b) Ich für mein Teil weigere mich, Außenstehende einzuladen, solange wir nicht wirklich begriffen haben, was es bedeutet, Innenstehende auszuladen. (Erstaunlich eindrucksvoll und scheinbar sehr tiefsinnig; aber gehen Sie lieber, bevor Fragen gestellt werden können, oder aber begegnen Sie ihnen mit bekümmertem, würdevollem Schweigen, so als wäre die Banalität der Frage eine Beleidigung für die Tiefe des Gedankens.)

(c) Schön, wir können entweder mit dem lebenden, atmenden Wort Gottes ringen, oder wir können daraus eine Griechischlektion für Anfänger machen. Ich weiß, Sie werden mir verzeihen,7 wenn ich sage, dass ich weiß, wo mein Herz schlägt. (Sehr nützlich, wenn jemand Sie gerade durch einen Verweis auf die ursprüngliche Bedeutung des Textes widerlegt hat. Bedenken Sie jedoch stets, dass Sie in anderen Situationen vielleicht leidenschaftlich von ›einer gefährlich naiven Sicht der Schrift‹ sprechen müssen, die ›sich scheut, Gebrauch von den Werkzeugen des Wissens und des Verstandes zu machen, die Gott uns zur Verfügung gestellt hat‹. Für jeden Topf einen Deckel, wie man so schön sagt.)

(d) Ich werde nicht die Bibel/​die Gemeinde/​den Pastor/​das Gebet/​die Evangelisation/​das soziale Handeln/​den Zehnten/​die Gemeinschaft zur dritten Person der Dreieinigkeit machen. Ich weigere mich, das zu tun! (Wählen Sie aus oder setzen Sie ein, was immer oder wer immer mehr Wichtigkeit und Bedeutung zu erlangen droht, als Ihnen persönlich lieb ist. Der Vortragsstil sollte irgendwo zwischen Billy Graham und Martin Luther King liegen. Das wird dem Quatsch garantiert ein Ende machen oder ihn zumindest hinauszögern.

 

Die Masche mit dem verworfenen Konzept

Gemeindelebenskünstler oder -künstlerinnen, die es vergessen oder versäumt haben, sich auf eine Ansprache oder Predigt vorzubereiten, werden begierig sein, sich dieses höchst wirkungsvolle Manöver zunutze zu machen, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich damit in ein noch besseres Licht stellen können, als wenn sie sich gewissenhaft Wort für Wort vorbereitet hätten. Die Ausführung ist genial einfach.


Wenn es Zeit ist, dass Sie mit Ihrer Ansprache beginnen, treten Sie mit einem dicken Stapel Notizen ans Rednerpult und blättern Sie, nachdem Sie ihn vor sich hingelegt haben, kurz durch die Seiten, als wollten Sie ein letztes Mal überprüfen, ob alles da und in der richtigen Reihenfolge ist. Nachdem Sie den Kopf geneigt und scheinbar ein stilles Gebet gesprochen haben, heben Sie den Blick und schauen Sie die Versammelten mit einem Ausdruck beunruhigter Inspiration an (siehe Abbildung). Während Sie nun mit der einen Hand Ihre Notizen ergreifen und zur Seite legen, heben Sie mit der anderen eine Bibel auf Brusthöhe und wenden Sie sich mit den folgenden oder ähnlichen Worten an die Gemeinde, in einem Tonfall, der zwar gemessen ist, aber offensichtlich einen vom Geist hervorgerufenen Eifer verbirgt.

»Guten Morgen, liebe Gemeinde. Sie sind hier. Ich bin hier. Meine Predigt (Ansprache/​Botschaft/​Verkündigung/​Vortrag) ist dort drüben. Der Vortrag (Verkündigung/​Botschaft / Ansprache/​Predigt), den ich während der vergangenen Woche viele Stunden lang für Sie vorbereitet habe, ist vielleicht sehr gut. Möglicherweise ist er auch äußerst schlecht. Ich vermute, wahrscheinlich wird er wohl ziemlich durchschnittlich sein. Sei dem wie auch immer, Sie und ich sind nicht die Einzigen, die heute Morgen in dieser Kirche (Schule/​Kapelle/​Wohnzimmer/​Feld/​Halle/​umgebauten Fabrik) anwesend sind. Gott ist ebenfalls hier, und ich muss Ihnen sagen, liebe Freunde, dass ich glaube, er sagt mir, während ich hier vor Ihnen stehe, dass die Verkündigung (Botschaft/​Ansprache/​Predigt/​Vortrag), die ich mitgebracht habe (deuten Sie noch einmal auf den Stapel Papier), nicht die Lektionen enthält, die er uns heute Morgen lehren möchte. Er möchte, dass ich sie zur Seite lege und Ihnen stattdessen eines der bewegendsten, poetischsten und – ja – herausforderndsten Kapitel im ganzen Neuen Testament vorlese.8 Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel dreizehn, ich lese ab Vers eins. (Beginnen Sie in mitreißendem, feierlichem Tonfall mit einer Spur wehmütiger Süße zu lesen.)

»Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle usw. …«

Nachdem Sie die Lesung beendet haben, klappen Sie mit angemessen würdevollem Gestus Ihre Bibel zu, schließen Sie sie nebst Ihren Notizen in die ehrfürchtig vor der Brust verschränkten Arme und kehren Sie mit geneigtem Haupt zurück zu Ihrem Sitzplatz unter den anderen Gemeindegliedern.

Die Vorzüge dieses Manövers sind vielschichtig. Nicht nur hat sich der Gemeindelebenskünstler als wagemutig und gehorsam genug erwiesen, um eine Ansprache beiseitezulegen, mit deren Vorbereitung er viele Stunden verbracht hat, sondern er besitzt auch ein so waches Gespür für den Heiligen Geist, dass er genau heraushören kann, was Gott an diesem Morgen zu den hier Versammelten zu sagen hat. Ein schönes Ergebnis.

Wir vom Institut für Gemeindelebenskunst sind uns natürlich der Tatsache bewusst, dass in solchen Dingen Authentizität gefordert ist, und zu diesem Zweck haben wir unsere eigenen Sets mit (scheinbar) handgeschriebenen Ansprachen auf passend zerknitterten, mit Streichungen und Fußnoten versehenen Papierstapeln verschiedener Dicke produziert. Erhältlich sind folgende Titel:

Vorstoß und Rückzug im Pentateuch – eine Einführung. Maleachi – der Zusammenhang zwischen Verheißung und Streit

Die Wiederherstellung der geistlichen Konsistenz – eine Zusammenfassung zu Zefanja

Wolken, Höhepunkte und Wiederherstellung – die Kernaussage von 2. Chronik 5

Emission und Retention – die wahre Aussage von Johannes 3,16

Ahnungen der Reinheit – Sinnfrage und Friedensstifter in den ersten beiden Evangelien

Alle Titel sind eigens darauf angelegt, den Eindruck zu erwecken, sie verfügten über einen Inhalt, der aus eifrigem intellektuellem Forschen und leidenschaftlicher Auseinandersetzung mit der Schrift hervorgegangen sei, und sind ab sofort beim Institut erhältlich (zum Preis von zwölf Pfund fünfzig pro Stapel einschließlich Porto und Verpackung – siehe Abbildung).


Dritter Teil:
Stars in der Welt der Gemeindelebenskunst

In diesem Abschnitt würdigen wir das Werk von Personen, die die Gemeindelebenskunst auf neue Höhen des Einfallsreichtums und der Wirksamkeit geführt haben. Von wem ließe sich besser lernen als von diesen außergewöhnlich begabten Stars?

Jeremy Crown-Carstairs – Die Kunst, Chorusse mit Bewegungen zu vermeiden

Es ist schon viel Nützliches über die entscheidende Frage gesagt worden, wie man die aktive Teilnahme an jeglichen Aktivitäten vor der Gemeinde vermeidet, wie zum Beispiel an Liedern und Chorussen, die mit peinlichen Bewegungen oder Gesten verbunden sind. In dieser Hinsicht hat noch niemand den Stier so tollkühn bei den Hörnern gepackt wie Jeremy Crown-Carstairs, ein längjähriger bewährter Gemeindelebenskünstler (der, wie er selbst trocken hinzufügt, nichts mit seinen Armen und Beinen anstellt, solange er ein Wörtchen dabei mitzureden hat). Wann immer Crown-Carstairs, wie es häufig geschieht, in eine neue Gemeinde wechselt, legt er Wert darauf, darum zu bitten, an seinem dritten oder vierten Sonntag die Lobpreisleitung übernehmen zu dürfen, da er, wie er behauptet, »ein ganz tolles Lied« kenne, bei dem »alle mitmachen können«. Der Text dieses grauenhaften Liedes ist hier wiedergegeben und steht jedem akkreditierten Gemeindelebenskünstler frei zur Verfügung (erhältlich beim Institut für Gemeindelebenskunst zum Preis von zwei Pfund je Exemplar einschließlich Porto und Verpackung – siehe Abbildung). Eine bestimmte Melodie wird nicht dazu vorgeschlagen, doch Crown-Carstairs weist zu Recht darauf hin, dass im gemeindlichen Äther jede Menge Allzweckmelodien herumschwirren. Da ihr Stil irgendwo zwischen Pantomimenliedern und Anbetungschorussen liegt, darf man wohl davon ausgehen, dass mindestens eine davon einigermaßen zu dem Text passen dürfte.


Wir galoppieren durch den Saal wie aufgeregte Gnus

und hüpfen durch die Kirche wie verrückte Kängurus

den Bauch lassen wir schwabbeln wie grüne Götterspeise

und werfen uns darauf wie Pinguine auf der Reise

wir watscheln langsam durch die Gänge, rückwärts und im Hocken

dann dreh’n wir uns zum Nachbarn und WIR TAUSCHEN UNSRE SOCKEN!

Und sind wir dabei fröhlich? Ja!

Und machen wir das gern? Ja!

Wir kommen uns nicht albern vor

wir tun es für den Herrn!

Wir quietschen wie ein Dudelsack, lassen die Hüften wippen

und machen komische Geräusche mit Fingern und mit Lippen

wir quaken wie die Frösche (quak!) und brummen wie ein Bär (brumm!)

dann wühl’n wir unserm Vordermann in seinen Haaren ’rum.

Wir schnappen uns die Nachbarin wie einen großen Schatz

und hab’n uns alle ganz doll lieb mit EINEM GROSSEN SCHMATZ!

Und sind wir dabei fröhlich? Ja!

Und machen wir das gern? Ja!

Wir kommen uns nicht albern vor

wir tun es für den Herrn!

Jetzt tanzt zusammen Dick und Dünn, habt keine Angst, nur Mut

wir schlagen unsre Bibel auf und tragen sie als Hut

wir klettern auf die Stühle und tun so, als wär’n wir Affen

die Hosen hochgekrempelt, um die Knie zu begaffen

und, wenn alles vorbei ist, das wäre ja gelacht

wird jeder Griesgram durchgekitzelt, DER NICHT MITGEMACHT!

Und sind wir dabei fröhlich? Ja!

Und machen wir das gern? Ja!

Wir kommen uns nicht albern vor

wir tun es für den Herrn!

Einmal habe ich zu Studienzwecken einen dieser Gottesdienste in der Baptistengemeinde North Worthing besucht (selbstverständlich umfassend geschützt durch das mit dem Gemeindelebenskunst-Gütesiegel versehene Krücken-, Gips und Verbandsset – ausleihbar beim Institut gegen eine Gebühr von sieben Pfund pro Tag – siehe Abbildung). Ich konnte nur staunen über die Wirkung dieses Liedes, vorgetragen mit ansteckender Begeisterung und sportlicher Höchstleistung von Crown-Carstairs, der im Normalzustand bekanntlich kaum bei Bewusstsein und körperlich dem Tode nahe ist. Am Ende des Liedes war es, als wäre der Gemeindesaal von einer schrecklichen Naturkatastrophe heimgesucht worden. Eine kleine Anzahl grinsender Personen mit glasigem Blick hatten alle Bewegungen vollzogen oder es zumindest versucht, doch die meisten Leute klammerten sich aneinander wie die Überlebenden der Titanic und versuchten sich bleich und zitternd von dem Schock zu erholen, dass andere Leute versucht hatten, ihnen die Socken auszuziehen, ihre Hosen hochzukrempeln, ihnen einen dicken Schmatz aufzudrücken oder sie durchzukitzeln, weil sie nicht mitgemacht hatten.


Ein junger Mann, lang und schlaksig und mit einem Anzug bekleidet, dessen Ärmel und Hosenbeine ein wenig zu kurz waren, wich rückwärts zur Hintertür hinaus zurück und rannte dann über den Parkplatz davon in die Ferne, in einem Laufstil, der an Forrest Gump erinnerte. Wie ich höre, ist er dann kurz darauf Presbyterianer geworden.

Aus Crown-Carstairs‘ Sicht war das Ganze ein glänzender Erfolg. Versteht sich, dass er nie wieder gebeten wurde, das gemeinsame Singen zu leiten, und er durfte auf seinem Platz hingelümmelt sitzen bleiben, wenn andere Leute Chorusse anleiteten, bei denen die Leute mit Bewegungen mitmachen sollten. Niemand wollte das Risiko eingehen, die Bestie in Crown-Carstairs ein zweites Mal zu wecken.

Extreme Maßnahmen, aber Gemeindelebenskunst der besten Art.

Julius Butterfield – Die Kunst des Expertentums

Butterfield, der noch nie dazu neigte, seine bescheiden geäußerten Ansichten oder pastoralen Ratschläge denjenigen vorzuenthalten, die zu naiv waren, um ihn zu durchschauen, oder zu krank oder gehbehindert, um zu fliehen, bevor er ihnen in den Weg treten konnte, wurde manchmal gefragt, ob er ein ausgebildeter oder ordinierter Geistlicher sei. Seine Antwort darauf war ein Triumph der dualen Kommunikation.

»Was!«, pflegte er mit einem bestürzten Kopfschütteln hervorzustoßen, während seine Miene etwas schockiert über den Gedanken wirkte, dass er so etwas Abwegiges und Kurioses überhaupt in Erwägung ziehen könnte. »Lieber Himmel, nein.«

Wie ist es möglich, in ein und demselben Moment in einem schlichten Satz aus drei Wörtern sowohl Demut als auch Hohn auszudrücken? Butterfield brachte es auf bewundernswerte Weise fertig. Jedenfalls schien sein Tonfall zu implizieren, dass ein so unwichtiger und gewöhnlicher Mensch wie er sich doch niemals ernsthaft zu solchen Höhen der Verantwortung und Autorität aufschwingen könnte. Zugleich jedoch lag darin eine subtile, aber unmissverständliche Andeutung, dass so eine langweilige formale Ausbildung nur dazu geführt hätte, die Spontaneität und reiche Ausdruckskraft von Butterfields unschätzbarem Wirken für die Gemeinde zu ersticken. Da war es doch besser, schien er zu sagen, ein bescheidener, aber begabter Amateur zu bleiben und dafür den Leuten wirklich von Nutzen sein zu können.

 

Wir können und sollten eine Menge von Butterfield lernen. Sein geschickter und bahnbrechender paralleler Gebrauch des Mienenspiels und des gesprochenen Wortes ist eine Lektion und Inspiration für uns alle. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an einen Morgen in einem Gemeindesaal in Staines, wo ihm eine Sachfrage zu einem bestimmten Aspekt der Kirchengeschichte gestellt wurde. Nun war freilich Butterfields Unwissenheit auf diesem und so ziemlich jedem anderen Fachgebiet profund, doch engagierte Vertreter der Gemeindelebenskunst werden sich von solchen unwesentlichen Überlegungen niemals ablenken oder entmutigen lassen. Butterfield handhabte die Situation mit großem Geschick.

»Wissen Sie«, sagte er nachdenklich, nahm seine Unterlippe zwischen die Zähne und starrte mit einem schiefen Lächeln amüsierter Versunkenheit hinauf in die obere linke Ecke des Saals, »ich glaube, auf diese Frage gibt es mehr als eine Antwort.«

Der Eindruck, der dabei entstand, war der, dass Butterfield ein so riesiger Vorrat an möglichen Antworten zugänglich war, dass er sich einfach nicht entscheiden konnte, welche er auswählen sollte. Schließlich wandte er sich einem milde und schüchtern dreinblickenden, gesittet dasitzenden kleinen Mann namens Albert Bidden zu, dessen Kenntnisse über Kirchengeschichte, wie alle wusste, enzyklopädische Ausmaße hatten, und sagte: »Bert, wie sehen Sie das? Würden Sie sich an das Offensichtliche halten?«

Albert Bidden, der, wie ich zuverlässig weiß, noch nie zuvor in seinem Leben als »Bert« angesprochen oder bekannt gewesen war, hielt sich in der Tat bereitwillig, wenn auch leicht stockend, an die offensichtliche und wahrscheinlich einzig mögliche Antwort auf die Frage, die gestellt worden war. Doch es bestand kein Zweifel, dass Butterfield mächtig Punkte gemacht hatte. In den Augen aller Anwesenden hatten er und Albert Bidden sich als Brüder und gleichrangige Gelehrte erwiesen, als zwei Männer, die so unermesslich viel über alles wussten, dass sie sich gegenseitig aushelfen mussten, wenn es darum ging, all dieses Wissen zu einem schlichten, leicht zugänglichen Faktum zu destillieren.

Durham Steadman (1) – Die Kunst des Ausredenerfindens

Eines unserer talentiertesten Mitglieder in den vergangenen Jahren war Durham Steadman (siehe auch den folgenden Abschnitt über Die Kunst der besonderen Beziehungen). Er hat der Gemeindelebenskunst eine dramatische und kreative Qualität injiziert, die es zu einem Vergnügen macht, ihn bei seinen Manövern zu beobachten oder davon zu hören. Bei einer Gelegenheit zum Beispiel, als er einer kleinen Dorfgemeinde in einem Winkel der Downs in der Nähe von Alfriston in Sussex angehörte, begegnete Steadman unerwartet an einem Montagmorgen in der malerischen Geschäftsstraße des Dorfes William Burrows, dem Gemeindepfarrer, und das hier wiedergegebene Gespräch, so berichtet er, fand statt, während die beiden Männer an der Delikatessentheke am Ende des Geschäfts anstanden und darauf warteten, das letzte Stück von der hoch gerühmten, köstlichen kalten Steakpastete zu erwerben.

PFARRER: Schön, Sie zu sehen, Durham. (Freundlich nach einer Pause) Ich habe Sie gestern in der Kirche vermisst – ist alles in Ordnung?

STEADMAN: (sieht dem Pfarrer direkt in die Augen und spricht in einem Tonfall, der Kummer, Schmerz und eine gewisse glorreiche Tapferkeit verkörpert) Ja, William, alles ist in bester Ordnung, und ich möchte im besten Wohlwollen andeuten, dass Sie mich wohl gestern Morgen deshalb in der Kirche vermisst haben, weil Ihre Augen und Ihr Herz gefangen waren hinter den festen, unbeugsamen Gitterstäben einer verarmten Erwartung.

PFARRER: Den festen, unbeugsamen Gitterstäben einer …?

STEADMAN: (starrt mit visionärem Gestus in die Ferne) Gestern Morgen, William, habe ich in einer Kathedrale angebetet, prächtiger als jede, die je mit besudelten Menschenhänden errichtet wurde, wo das Dach über mir eine riesige, glänzende Kuppel von funkelndem Azurblau und der Teppich unter meinen Füßen eine weiche, unendliche smaragdgrüne Fläche war.

PFARRER: Sie meinen …?

STEADMAN: (jetzt richtig in Fahrt) Wo der Chor aus den größten musikalischen Naturtalenten der Schöpfung besteht und seine Bewunderung und Anbetung für ihn hinausjubelt, der die sanft hügelige Landschaft geformt und dem purpurn-dunstigen Horizont gebot, den Himmel sanft zu küssen.

PFARRER: Sie meinen, Sie waren oben auf den …?

STEADMAN: Und dort war es, William, dort, wo ein Mann laut die Finsternis hinausschreien kann, die in seiner Seele wohnt, wo er seine elenden Sünden abwerfen kann wie Schlacke auf das fruchtbare, ächzende Land, wo er lachen kann vor lauter Freude über die Erlösung und seine Fürbitten ausschütten kann für eine Welt, die zerrissen ist und zittert unter der Qual der Trennung von Gott – dort war es, sage ich, dass ich spürte, wie mich die Essenz des Numinosen erfüllte. Es war, als sei Gott in die Sonne selbst eingedrungen, und Scherben des Lichts aus jenem leuchtenden Herzen der Liebe seien herabgedrungen, um mein Herz zu durchbohren und es zu erfüllen. Gestern Morgen, William, war ich in der Kirche. Meine Frage ist: Waren Sie auch dort?

PFARRER: (kratzt sich am Kopf) Nun ja, ich dachte, ich wäre dort gewesen …

An dieser Stelle wurde das Gespräch zwischen den beiden

Männern vom spontan plätschernden Applaus der anderen Kunden in dem Geschäft unterbrochen, die in dem, was sie gerade getan hatten, innegehalten hatten, um zuzuhören. Steadman, der die Gelegenheit nutzte, um rasch das letzte Stück Steakpastete zu kaufen, hatte ganze Arbeit geleistet. Irgendwie hatte er es geschafft, die methodistische Kirche von Rattlington neben der »Kathedrale des Himmels« wie eine elende, glaubenslose kleine Bruchbude wirken zu lassen.

Tatsächlich war es so gewesen, dass Steadman an jenem Sonntagmorgen zu spät aufgestanden war, um in die Kirche zu gehen, da er vergessen hatte, seinen Wecker zu stellen. Daraufhin war er hinauf zum Butt’s Brow gefahren und hatte einen kurzen, gemütlichen Spaziergang hinüber zum »The Eight Bells« in Jevington gemacht, wo er ein paar Kumpels traf, mit denen er in aller Ruhe ausgiebig zu Mittag aß und sich ein paar Bierchen genehmigte, bevor er sich auf den Rücksitz eines Taxis lümmelte und nach Hause fahren ließ.

Es waren immer große Biere. Halbe Sachen hat Durham Steadman nie gemacht.

Durham Steadman (2) – Die Kunst der besonderen Beziehungen

Die Geschichte der Gemeindelebenskunst hat gewissermaßen ihren Höhepunkt im Auftreten derer, die anerkannte Experten auf ihrem eigenen Fachgebiet sind. Wie wir in dem vorigen Abschnitt über Die Kunst des Ausredenerfindens gesehen haben, war Durham Steadman ein solcher. Dennoch sind seine Manöver auf dem Gebiet der Kunst der besonderen Beziehungen in ihrer exquisiten Subtilität ebenso denkwürdig, wenn nicht noch denkwürdiger.

Ich hatte einmal das Vorrecht, bei einer Gemeindeveranstaltung in Caterham dabei zu sein, bei der Steadman zugegen war. Die Versammlung war (unter anderem) einberufen worden, um die wichtige Frage zu klären, ob die Gemeinde um neunzig Grad gedreht werden sollte, sodass sie mit Blick auf die Seitenwand der Kirche sitzen würde statt mit Blick auf die Stirnwand. Ich wusste, dass Steadman gegen eine solche Veränderung war, da sie automatisch dazu geführt hätte, dass sein Platz in der letzten Reihe viel weiter nach vorne rückte, was für ihn alle möglichen unangenehmen Eventualitäten mit sich gebracht hätte (siehe Abbildung).

Wie es seine Art war, saß Durham Steadman ernst und leicht besorgt dreinblickend da, während die anderen einer nach dem anderen ihre Ansichten äußerten. Schließlich wurde deutlich, dass sein Schweigen in dieser Diskussion bei den anderen ein Gefühl besorgter Unsicherheit auslöste. Warum hatte Steadman noch nichts gesagt? Warum blickte Steadman so grimmig drein? Was würde Steadman sagen, wenn er denn schließlich das Wort ergriff? Steadman, Steadman, Steadman. In jeder unausgesprochenen Frage schien der Name Steadman widerzuhallen.


Schließlich plätscherte die Situation dahin und verlor sich im Schweigen. Alle Augen ruhten nun auf Steadman, doch er schüttelte nur müde den Kopf und sagte immer noch nichts. Endlich musste wohl der Diskussionsleiter zu dem Schluss gekommen sein, es sei nun Zeit, die Debatte zusammenzufassen, und nun entspann sich, nach meiner besten Erinnerung wiedergegeben, der folgende Dialog.

LEITER: Nun, ich glaube, was die Änderung der Sitzordnung angeht, haben wir nun alle Aspekte erschöpfend diskutiert. Die allgemeine Ansicht hier und in der Gemeinde insgesamt scheint zu sein, dass wir es ruhig einmal versuchen und sehen sollten, wie das funktioniert. Schließlich … (hält inne, als Steadman ein schwaches, aber deutlich hörbares seufzendes Ächzen der Niedergeschlagenheit und Bestürzung von sich gibt, und fährt dann unsicher fort) Mr. Steadman, Sie, äh, Sie haben Ihre Sichtweise noch nicht geäußert. Sind Sie mit dem Gesagten einverstanden, oder …?

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