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Der Wolfsführer

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Erster Band

Wer Mocquet war, und wie diese Geschichte zur Kenntniß des Erzählers gelangt ist

I

Warum haben sich in den ersten zwanzig Jahren meines Literatenlebens, d. h. von 1827 bis: 1847, meine Blicke: und meine Erinnerungen nur so selten nach meiner kleinen Geburtsstadt, sowie nach den umliegenden Wäldern und Dörfern zurückgewandt?

Warum war meine ganze Jugendwelt für mich wie verschwunden und von einer Wolke umhüllt, während mir die Zukunft, der ich entgegenging, klar und leuchtend erschien, gleich jenen Zauber-Inseln, welche Columbus und seine Genossen für schwimmende Blumenkörbe ansahen?

Daran war wohl der leidige Umstand Schuld, daß man in seinen zwanzig ersten Lebensjahren die Hoffnung und in den zwanzig letzten die Wirklichkeit zur Führerin hat.

Erst wenn man, ein milder Pilger, seinen Stab fallen läßt, den Gürtel lockerer schnallt und sich am Rand der Straße niedersetzt, dann erst blickt man auf die zurückgelegte Bahn zurück, und da jetzt die Zukunft sich umnebelt, so beginnt man in die Tiefen der Vergangenheit zu schauen.

Erst wenn man im Begriff steht in die Sandmeere einzufahren, da sieht man mit Staunen auf dem bereits zurückgelegten Weg allmälig wundersame Oasen, voll Schatten und herrlichem Grüne, auftauchen, an denen man vorübergegangen ist, ohne Halt: zu machen, ja sogar ohne sie nur zu sehen.

Man ging damals so schnell voran; man hatte solche Eile beim ewig Unerreichbaren anzulangen, beim Glück!

Jetzt steht man ein, daß man blind und undankbar gewesen; jetzt sagt man’s sich, daß man, wenn man je wieder einmal ans einen solchen grünen Hain fließe, sein Zelt da ausschlagen und den Rest seiner Lebenszeit da verbringen würde.

Aber da der Leib nicht rückwärts schreitet, so muß das Gedächtniß allein diese fromme Pilgerfahrt nach den ersten Tagen antreten und zur Quelle des Lebens zurückgehen, jenen weißbesegelten Schiffchen gleicht, welche die Flüsse aufwärts fahren.

Dann seht der Leib seinen Weg fort, aber ohne – das Gedächtniß – Dies ist wie eine Nacht ohne Stern: wie eine Lampe ohne Flamme.

Der Leib und das Gedächtniß schlagen dann entgegengesetzte Wege ein.

Der Leib geht aufs Gerathewohl dem Unbekannten zu.

Das Gedächtniß, ein schimmerndes Irrlicht hüpft über die auf dem Weg zurückgebliebenen Fußstapfen hin; es allein weiß, daß es nicht fehl geht.

Hat es dann jede Oase besucht, jede Erinnerung aufgegriffen, so fliegt es schnell zu dem immer müder gewordenen Leib zurück, und wie Bienengesumme, wie Vogelfang, wie Quellengeplätscher, erzählt es ihm, was es gesehen hat.

Und bei dieser Kunde belebt sich des Pilgers Auge von Neuem, sein Mund lächelt, fein Angesicht leuchtet.

Gestattet doch die Vorsehung in ihrer Güte, daß die Jugend zu ihm zurückkomme, wenn er auch nicht zur Jugend zurückkehren kann.

Und nun ist es ihm Freude laut zu erzählen, was das Gedächtniß ihm ganz leise zuflüstern.

Sollte etwa das Leben rund sein wie die Erde? Sollte man, ohne es zu bemerken, einen Kreislauf um das Leben machen? Sollte man, indem man dem Grabe näher kommt, auch seiner Wiege wieder näher rücken?

II

Ich weiß es nicht, aber das weiß ich, was mir zugestoßen ist.

An meinem ersten Haltepunkt auf dem Lebensweg, bei meinem ersten Rückblick in die Vergangenheit habe ich vor allen Dingen von Bernard und seinem Ohm Berthelin, sodann von Auge Pitou und seiner Braut, von Tante Angélique, von Conscience dem unschuldigen und seiner Braut Mariette, hierauf von Catherine Blum und dem alten Watrin erzählt.

Heute will ich euch von Thibault dem Wolfsführer, und von dem edlen Herrn von Vez berichten.

Wie sind aber die Ereignisse, die ich euch vor Augen zu führen gedenke, zu meiner Kenntniß gelangt?

Ich wills euch sagen.

Habt ihr meine Memoiren gelesen?

Wenn ihr sie gelesen habt, so erinnert ihr euch doch wohl eines Waldschützen Namens Mocquet, den mein Vater in seinen Diensten hatte.

Wenn ihr sie gelesen habt, so erinnert ihr euch seiner dunkel.

Wenn ihr sie nicht gelesen habt, so erinnert ihr euch seiner gar nicht.

Im einen wie im andern Falle ist es von wesentlicher Wichtigkeit, daß ich euch Mocquet vor die Augen führe.

Zufolge meiner längsten Erinnerung, die bis in mein drittes Jahr zurückgreift, bewohnten meine Eltern mit mir ein Schlößlein auf der Grenze des Aisne- und des Oise-Departements, zwischen Haramont und Longpré.

Dieses Schlößlein hieß Fossés, die Gräben, ohne Zweifel, weil es von großen und vollen Wassergräben umschlossen war.

Ich spreche nicht von meiner Schwester: – sie war in einer Pension in Paris, und wir sahen sie bloß einen Monat im Jahr, nämlich in der Vacanz.

Das Personal des Hauses bestand außer Vater, Mutter und Sohn:

1) Aus einem großen, schwarzen Hund, genannt Trüsse, der überall willkommen war, da ich ihn zu meinem gewöhnlichen Reittier ausersehen hatte.

2) Aus einem Gärtner Namens Pierre, der mir im Garten eine Menge Frösche und Schlangen zusammen suchte, da ich an diesen Thierchen eine ausnehmende Freude bezeugte.

3) Aus einem Neger Namens Hippolyte, der den Kammerdiener meines Vaters vorstellte, einem schwarzen Einfaltpinsel, dessen Naivitäten sprichwörtlich geworden waren, und den mein Vater, glaube ich, bloß behielt, um eine Anekdotensammlung voll zu machen, die er den Brunetschen Schänken mit Glück hätte entgegenstellen können.

4) Aus einem Waldschützen Namens Mocquet, dem ich mit großer Bewunderung zugethan war, weil er jeden Abend prächtige Geschichten von Gespenstern und Währwölfen zu erzählen wußte, worin er sich jedoch sogleich unterbrach, wenn der General, wie er meinen Vater nannte, zum Vorschein kam.

5) Endlich aus einer Köchin Namens Marie. Diese letztgenannte Person verliert sich für mich gänzlich in den Dämmerungsnebeln meines Lebens; ich habe diesen Namen einer Gestalt geben gehört, die ganz unklar in meinem Geist zurückgeblieben ist, aber, so weit ich mich erinnern kann, nichts sehr Poetisches hatte.

Übrigens haben wir uns heute nur mit Mocquet zu beschäftigen.

Versuchen wir seine physische und moralische Erscheinung klar darzustellen.

III

Physisch war Mocquet ein Vierziger; kurz, untersetzt, breitschulterig und starkknochig.

Er war sonnverbrannt, hatte kleine stechende Augen, graumelierte Haare und euren schwarzen Backenbart, der am Hals zusammen lief.

Er erscheint mir im Hintergrund meiner Erinnerungen mit einem Dreispitz, einem grünen Wamms mit Silberknöpfen, kurzen Sammthosen, langen ledernen Gamaschen, einer Jagdtasche über der Schulter, einer Flinte im Arm und einem kurzen Thonpfeifchen im Mund.

Verweilen wir einen Augenblick bei diesem Pfeifchen. Dasselbe war kein bloß zufälliges Anhängsel, sondern ein integrierender Bestandteil von Mocquet geworden.

Nie konnte Jemand sagen, daß er Mocquet ohne sein Pfeifchen gesehen habe.

Wenn Mocquet sein Pfeifchen zufällig einmal nicht im Munde hatte, so hielt er es in der Hand.

Dieses Pfeifchen, das die Bestimmung hatte, Mocquet bis ins dichteste Gebüsch zu begleiten, durfte den festen Körpern, die seine Vernichtung herbei: führen konnten, so wenig als möglich Blöße bieten.

Nun war die Vernichtung einer gut angerauchten Pfeife für Mocquet ein Verlust, den nur die Jahre ersetzen konnten.

Darum war auch das Rohr an Mocquets Pfeifchen nie über fünf bis sechs Linien lang, und von diesen fünf oder sechs Linien konnte man immer drei auf eine Federröhre rechnen.

Diese Gewohnheit, seine Pfeife, die sich zwischen dein vierten Schneidezahn und dein ersten Mahlzahn links eine gewisse Höhlung gegraben hatte und die beiden Hundszähne beinahe gänzlich verschwinden machte, niemals wegzulegen, hatte bei Mocquet eine andere Gewohnheit mit sich geführt, nämlich mit verschlossenen Zähnen zu sprechen, was seinem ganzen Gerede eine eigentümliche Verbissenheit gab.

Dieser Charakter der Verbissenheit wurde noch auffallender, wenn er seine Pfeife auf Augenblicke aus dem Munde nahm, denn dann konnten seine Kinnbacken zusammenfallen, und seine Zähne schlossen sich so, daß sie die Worte nur noch als ein unverständliches Gezische durchließen.

So viel von Mocquets physischer Erscheinung.Die nächstfolgenden Zeilen sollen seinen sittlichen Menschen schildern.

IV

Eines Tages kam Mocquet in aller Frühe ins Schlafzimmer meines Vaters, der noch im Bette lag, und stellte sich steif und gerade wie ein Laternenpfahl vor ihm auf.

»Nun, Mocquet!« fragte mein Vater, »was verschafft mir das sonderbare Vergnügen, Dich so früh bei mir zu sehen?«

»Herr General,« antwortete Mocquet mit grobem Ernst, »drum werde ich gealbt.«

Mocquet hatte, ohne es zu ahnen, seine Muttersprache mit einem doppelten activen und passiven Zeitwort bereichern.

»Du wirst gealpt?« sagte mein Vater, indem er sich auf seinen Ellbogen aufrichtete, »ei, ei, mein Junge, das ist freilich etwas Arges.«

»Es ist so, mein General« Und Mocquet nahm fein Pfeifchen aus dem Mund, was er nur selten und bei wichtigen Veranlassungen that.

»Und seit wann wirst Du gealpt, mein guter Mocquet?« fragte mein Vater.

»Seit acht Tagen.«

»Und von wem?«

»O ich weiß; wohl von wem,« antwortete Mocquet, indem er seine Zähne um so fester zusammenbiß, als er das Pfeifchen in seiner Hand hatte, die er hinter den Rücken hielt.

»Nun, darf man es erfahren?«

»Von der alten Durand aus Haramont, die eine alte Hexe ist, wie Ihnen nicht unbekannt sein kann.«

»Doch, Mocquet, das war mir unbekannt, auf Ehre.«

»Aber ich weiß es ganz genau; ich habe sie auf einem Besenstiel zum Hexensabbat reiten gesehen.«

 

»Du hast sie reiten gesehen, Mocquet?

« »So gut als ich Sie sehe, mein General; überdies hat sie einen alten schwarzen Bock bei sich, den sie anbetet.«

»Und warum alpt sie Dich?«

»Aus Rache, weil ich sie einmal Nachts zwölf Uhr auf der Heide von Gondreville erwischt habe, als sie gerade ihren Teufelsreigen tanzte.«

»Mein lieber Mocquet, Du erhebst da eine schwere Anklage, und bevor Du laut wiederholst, was Du mir leise gesagt hast, möchte ich Dir rathen, einige Beweise herzuschaffen.«

»Beweise! Warum nicht gar? Als ob nicht jedes Kind im Dorf wüßte, daß sie in ihrer Jugend die Zuhälterin des Wolfsführers Thibault gewesen ist!«

»Ei der Teufel, Mocquet, da mußt Du Dich wohl in Acht nehmen.«

»Das tue ich auch, und sie soll mirs büßen, der alte Maulwurf.«

Alter Maulwurf war ein Ausdruck, den Mocquet von seinem Freund, dem Gärtner Pierre, entlehnte, der keinen ärgern Feind hatte als den Maulwurf und deßwegen Alles, er verabscheute, mit diesem Namen belegte.

»Du mußt Dich in Acht nehmen,« hatte mein Vater gesagt.

V

Nicht als ob mein Vater an Mocquets Alp oder überhaupt an einen Alp geglaubt und im speciellen Fall angenommen hätte, daß die alte Durand seinen Waldschützen gealpt habe; nein, aber er kannte die Vorurtheile unserer Bauern und wußte, daß der Glaube an Hexerei auf dem Lande noch sehr gang und gäbe ist. Er hatte von verschiedenen furchtbaren Racheacten von Seiten solcher Behexten gehört, welche durch Ermordung des betreffenden Hexenmeisters oder der betreffenden Hexe den Zauber zu brechen geglaubt hatten, und Mocquet hatte, als er die alte Durand bei meinem Vater verklagte, einen solch drohenden Ton in seine Stimme gelegt und dabei seine Flintenläufe so fest zusammengedrückt, daß mein Vater ihm Recht geben zu müssen glaubte, nur um so viel Einfluß aus ihn zu behalten, daß er Nichts unternehmen sollte, ohne ihn um Rath zu fragen.

Nachdem er nun diesen Einfluß festgestellt glaubte, wagte er ihm folgende Vorstellung zu machen:

»Aber, lieber Mocquet, bevor Du Deine Rache an ihr nimmst, solltest Du Dich genau versichern ob man Dich nicht von Deinem Alp curiren kann«

»Nein, Herr General, das kann man nicht,« antwortete Morguet in zuversichtlichem Tone.

»Warum denn nicht?«

»Ich habe bereits das Unmögliche gethan.«

»Nun was denn?«

»Fürs Erste habe ich eine große Bowle Glühwein getrunken, ehe ich mich schlafen legte.«

»Wer hat Dir dieses Mittel angerathen? Herr Lecosse?«

Herr Lecosse war der berühmteste Arzt von Villers-Coterets.

»Herr Lecosse!« machte Mocquet; »Warum nicht gar? Als ob der Etwas vom Hexenwesen verstände! Nein bei Gott, Herr Lecosse war es nicht.«

»Wer sonst denn?«

»Der Schäfer von Longpré.«

»Also eine Bowle Glühwein, dummer Kerl! Da mußt Du ja einen schändlichen Rausch bekommen haben«

»Der Schäfer hat die Hälfte getrunken.«

»Nun dann begreife ich das Recept. Und die Bowle Glühwein hat nicht gewirkt?«

»Nein, Herr General. Die Hexe hat mir in jener Nacht auf der Brust herum gestampft, wie wenn ich gar Nichts zu mir genommen hätte«

»Und was hast Du sonst noch gethan, denn ohne Zweifel hast Du es bei Deiner Bowle Glühwein nicht bewenden lassen?«

»Ich« habe das gethan, was ich thue, wenn ich ein Rothwild fangen will.«

Mocquet hatte seine eigene Phraseologie, wofür er oft Gründe von überraschender Genialität anzuführen wußte, und an der er starrköpfigst festhielt; Nichts in der Welt, selbst sein tief eingepflanzter Respect vor dem General nicht, hätte ihn jemals dazu gebracht, Rothwild zu sagen.

VI

»Nun, was thust Du. denn, Mocquet, wenn Du ein Rothwild fangen willst? fragte mein Vater.

»Ich lege eine Schlincke.«

»Wie? Was? Du hast der alten Durand eine Schlinge gelegt?«

Mocquet liebte es nicht, daß man die Worte anders aussprach, als er; er versetzte daher:

»Ja, Herr General, ich habe der alten Durand eine Schlincke gelegt.«

»Und wo hast Du Deine Schlincke gelegt? vor Deiner Thür?

« Mein Vater war, wie man steht, ein Mann, der mit sich sprechen ließ.

»Warum nicht gar vor meiner Thüre?« erwiederte Mocquet; »als ob die alte Hexe zu meiner Thür hereinkäme! Sie kommt in mein Zimmer, ohne daß ich weiß, woher sie kommt«

»Vielleicht zum Kamin herab?«

»Es ist keines da; überdieß sehe ich sie erst, wenn ich sie spüre.«

»Du siehst sie?«

»So gut als ich Sie sehe.«

»Und was thut sie?«

»O wahrhaftig, nichts Gutes; sie stampft mir auf der Brust herum: bam, bam, bam!«

»Wo hast Du also die Schlinge gelegt?«

»Die Schlincke!Ich habe sie auf meinen Magen gelegt.«

»Und was für eine Schlincke hast Du gelegt?«

»O eine famöse Schlincke.«

»Was für eine denn?«

»Dieselbe, die ich dem grauen Wolf legte, der dem Herrn Destournelles seine Schafe erwürgte.«

»Die war aber nicht sehr famös, Mocquet der graue Wolf hat ja Deinen Köder gefressen und sich nicht fangen lassen.«

»Sie wissen wohl, warum er sich nicht fangen ließ, Herr General.«

»Nein, ich weiß es nicht.«

»Er hat sich nicht fangen lassen, weil er der schwarze Wolf des Holzschuhmachers Thibault ist.«

»Es kann aber doch nicht der schwarze Wolf des Holzschuhmachers Thibault sein, denn Du gibst ja selbst zu, daß der Wolf, der die Schafe des Herrn Destournelles erwürgte, grau war.«

»Er ist allerdings jetzt grau, Herr General; aber zur Zeit: des Holzschuhmachers Thibault, d. h. vor dreißig Jahren war er schwarz; sehen Sie, vor dreißig Jahren war ich auch rabenschwarz, und jetzt bin ich so grau wie der Doctor.«

Der Doctor war eine Katze, der ich in meinen Memoiren eine beziehungsweise Berühmtheit zu schaffen versucht habe; man nannte sie Doctor wegen des prächtigen Pelzes, womit die Natur sie ausgestattet hatte.

»Ja,« sagte mein Vater, »ich kenne Deine Geschichte von dem Holzschuhmacher Thibault. Aber, Mocquet, wenn der schwarze Wolf der Teufel ist, wie Du behaupten, so kann er sich nicht verändern.«

»Doch, Herr General; nur braucht er hundert Jahre, bis er ganz weiß wird, und Nachts um zwölf Uhr, wenn das hundertste Jahr anfängt, wird er wieder kohlschwarz.«

»Das will ich gelten lassen, Mocquet; nur bitte ich Dich, daß Du diese schöne Geschichte da meinem Sohne nicht erzählst, ehe er wenigstens fünfzehn Jahre alt ist.«

»Warum das, Herr General?«

»Weil es unnöthig ist, daß man ihm solche Dummheiten in den Kopf setzt, ehe er groß genug ist, um sich über alle Arten von Wölfen, seien sie nun weiß, grau oder schwarz, lustig zu machen.«

»Seht wohl, Herr General, man wird ihm also Nichts davon sagen.«

»Fahre fort.«

»Wo sind wir stehen geblieben, Herr General?«

»Bei der Schlincke, die Du auf Deinen Magen legtest und für so famös hieltest.«

»Ja, meiner Treu, Herr General, es war eine famöse Schlincke. Sie wog gewiß zehn Pfund; was sage ich? wenigstens fünfzehn Pfund mit ihrer Kette. Die Kette hatte ich um mein Faustgelenk geschlungen.«

»Und in jener Nacht?«

»O, in jener Nacht ging es noch toller her. Sonst trat sie mir doch nur mit Galloschen auf der Brust herum; aber in jener Nacht ist sie mit Holzschuhen gekommen«

»Und sie kommt noch immer?«

»Jede Nacht, die der liebe Gott gibt; ich magere deßhalb ganz ab; Sie sehen ja, Herr General, daß ich die Schwindsucht bekomme; aber heute früh habe ich meinen Entschluß gefaßt« «

»Und was für einen Entschluß hast Du gefaßt, Mocquets?«

»Ich habe beschlossen, sie todtzuschießen.«

»Das ist das Gescheidteste, was Du thun kannst. Und wann gedenkst Du Dich ans Werk zu machen?«

»Heute Abend oder morgen«

»Ei der Teufel! ich hätte Dich gern nach Villers-Hellon geschickt.«

»Das macht nichts, Herr General. Ist es pressant?«

»Sehr pressant.«

»Nun ja, so kann ich nach Villers-Hellon gehen, es sind ja bloß vier Stunden durch den Wald, und auf den Abend wieder da sein; das sind weiter nichts als acht Stunden; wir haben auf unseren Jagden schon ganz andere Touren gemacht, Herr General«

»Es bleibt dabei, Mocquet ich gebe Dir einen Brief an Herrn Collard, und Du gehst sogleich ab.«

»Sehr wohl, Herr General!«

Mein Vater stand auf und schrieb an Herrn Collard,

Der Brief lautete folgendermaßen:

»Lieber Collard!«

»Ich schicke Ihnen meinen Einfaltspinsel von Waldschützen, den Sie schon kennen; er bildet sich ein, ein altes Weib alpe ihn die ganze Nacht, und um sich seinen Vampyr vom Hals zu schaffen, will er ihn ganz einfach umbringen. Da aber die Justiz mit dieser neuen Methode, seine Beklemmungen zu curiren, nicht einverstanden sein möchte, so schicke ich den Burschen unter irgend einem Vorwand Ihnen zu. Schicken Sie ihn unter irgend einem beliebigen Vorwand zu Dauré von Boaty, dieser mag ihn zu Dulauloy schicken, und dieser, mit oder ohne Vormund, zum Teufel, wenn er will.

»Kurz und gut, seine Rundreise muß wenigstens vierzehn Tage dauern. Bis dahin sind wir nach Antilly gezogen, und da er also nicht mehr in der Nähe von Haramont sein, da ferner sein Alp ihn höchst wahrscheinlich unterwegs verlassen wird, so wird die alte Durand ruhig schlafen können, was ich ihr nicht rathen möchte, wenn Mocquet in der Gegend bliebe.

»Er bringt Ihnen ein Dutzend Heerschnepfen und einen Hasen, den Ertrag unserer gestrigen Jagd in dem Moor von Wallue.

»Herzliche Grüße an Ihre schöne Hermine, und tausend Küsse Ihrem lieben Carolinchen.

»Ihr Freund

»Alex. Dumas.«

Mocquet ging eine Stunde nach Abfassung des Briefes ab und kam nach drei Wochen in Antilly wieder zu uns.

»Nun,« fragte mein Vater, als er ihn ganz munter und wohlbehalten wieder erblickte, »nun, wie stehts mit der Durand?«

»Herr General« antwortete Mocquet seelenvergnügt, »der alte Maulwurf ist von mir gewichen; es scheint, daß die Hexe bloß im Canton Gewalt hatte.«

VII

Zwölf Jahre waren seit Mocquets Alpbeängstigungen verflossen. Ich ging in mein sechzehntes.

Es war im Winter von 1817 aus 1818.

Mein Vater war leider schon seit zehn Jahren todt.

Wir hatten keinen Gärtner Piere, keinen Kammerdiener Hippolyte, keinen Waldschützen Mocquet mehr.

Wir bewohnten weder das Grabesschloß, noch die Villa in Antilly mehr, sondern ein Häuschen auf dem Marktplatz von Villers-Coterets, dem Brunnen gegenüber, wo meine Mutter einen Tabakkram betrieb.

Sie verband damit einen Handel mit Jagdpulver, Kugeln und Blei.

Trotz meiner Jugend war ich, wie ich in meinen Memoiren erzählt habe, bereits ein leidenschaftlicher Jäger.

Nur jagte ich, im eigentlichen Sinne des Wortes, bloß dann, wenn mein Vetter, Herr Deviolaine, der Waldinspector von Villers-Coterets, die Güte hatte, mich abzuholen und mir bei meiner Mutter die Erlaubniß zu erbitten.

In der übrigen Zeit verlegte ich mich aufs Wildern.

Ich besaß zu diesem gedoppelten Jägers- und Wilderer-Beruf eine allerliebste einläufige Flinte, die früher der Fürstin Borghese gehört hatte, deren Namen auch eingraviert war.

Ich wer noch ein ganz kleiner Junge gewesen, als Mein Vater sie mir geschenkt hatte, und bei der Auction nach seinem Tod hatte ich sie mit solchem Eifer in Anspruch genommen, daß sie nicht mit den übrigen Waffen, sowie den Pferden und Wagen verkauft wurde. Die Zeit meiner Freuden war der Winter.

Im Winter bedeckt sich die Erde mit Schnee, und die Vögel, die kein Futter mehr aufzufinden wissen, sammeln sich da, wo man ihnen Körner hinwirft.

Einige alte Freunde meines Vaters, die große und schöne Gärten besaßen, erlaubten mir dann in diesen Gärten Vögel zu schießen.

Ich fegte den Schnee weg, streute einen langen Streifen Körner hin und feuerte dann aus irgend einem Versteck in halber Flintenschußweite; ich tödtete manchmal sechs, acht, ja zehn Vögel auf einen Schuß.

Wenn dann der Schnee länger liegen blieb, so winkte mir eine andere Hoffnung: die Aussicht, daß ein Wolf aufgetrieben werden könnte.

Der aufgetriebene Wolf gehört Jedermann.

Er ist ein öffentlicher Feind, ein Mörder, der außer dem Schutze des Gesetzes steht. Jeder kann aus ihn schießen. Man braucht nicht zu fragen, ob ich dann, trotz der Wehklagen meiner Mutter, die eine doppelte Gefahr für mich fürchtete, man braucht, sage ich, nicht zu fragen, ob ich dann nach meiner Flinte griff und der Erste auf dem Posten war.

Der Winter von 1817 auf 1818 war rauh gewesen.

» Es war ein fußhoher Schnee gefallen, und es hatte darüberhin gefroren, so daß der Schnee schon seit etwa vierzehn Tagen lag.

 

« Und dennoch hörte man von Nichts.

Eines Abends gegen vier Uhr kam Mocquet ins Haus.

Er kaufte Pulver ein.

Während des Einkaufens winkte er mir mit dem Auge. Er ging hinaus. Ich folgte ihm.

»Nun, Mocquet,« fragte ich, »was gibts?« »Errathen Sie’s nicht, Herr Alexander?« »Nein.«

»Errathen Sie nicht, daß ichs, wenn ich bei der Frau Generalin Pulver kaufe, statt es ganz einfach in Haramont zu holen, d.h. wenn ich eine ganze Stunde gehe statt einer Viertelstunde, daß ich Ihnen dann eine Partie vorzuschlagen habe?

»Ach, mein lieber Mocquet! Und was denn?«

»Es Ist Ein Wolf da, Herr Alexander.«

»Wirklich?«

»Er hat heute Nacht dem Herrn Destournelles ein Schaf gestohlen, und ich bin ihm bis in den Wald von Tillet nachgelaufen.«

»Und nun?«

»Heute Nacht werde ich ihn ganz gewiß wieder sehen, ich werde ihn auftreiben, und morgen früh wollen wir ihm dann seinen Denkzettel geben.«

»O welch ein Glück!«

»Nur bedarf es der Erlaubniß . . .

»Von wem, Mocquet?«

»Von der Frau Generalin.«

»Komm wieder mit mir herein, Mocquet, wir wollen sie darum ersuchen.«

Meine Mutter betrachtete uns durch die Fensterscheiben hindurch.

Sie dachte sichs sogleich, daß irgend ein Complott geschmiedet wurde. Wir kamen herein.

»He, Mocquet,« sagte Sie, »Du gefällst mir gar nicht mehr.«

»Warum, Frau Generalin?« fragte er.

»Nun, weil Du dem Jungen immer den Kopf warm machst; er denkt bereits nur zu viel an Deine verdammte Jagd.«

»Ei, Frau Generalin, das ist wie mit den Hunden von guter Race: sein Vater war ein Jäger, er ist ein Jäger, sein Sohn wird ein Jäger werden; darein müssen Sie sich zu finden wissen.« »Und wenn ihm ein Unglück zustößt!«

»Bei mir! Ein Unglück! Ein Unglück bei Mocquet! Was fällt Ihnen ein? Ich bürge mit Leib und Seele für Herrn Alexander. Ihm ein Unglück zustoßen, dem Sohn des Generals! Nein, nein, nimmermehr!«

Meine arme Mutter schüttelte den Kopf.

Ich hing mich ihr an den Hals.

»Liebes Mütterchen,« sagte ich, »laß Dich erbitten.« »Aber Du mußt ihm seine Flinte laden, Mocquet.«

»Seien Sie doch ruhig! Sechzig Körner Pulver, keins mehr, keins weniger, und eine Kugel, wovon zwanzig auf das Pfund gehen«

»Du darfst ihn nicht verlassen.«

»So wenig als sein Schatten«

»Du mußt ihn neben Dich stellen.«

»Zwischen meine Beine.«

»Mocquet! Dir allein vertraue ich ihn an.«

»Und Sie sollen ihn unversehrt zurückerhalten. Kommen Sie, Herr Alexander, nehmen Sie Ihre Siebensachen zusammen und lassen Sie uns gehen.

Die Frau Generalin erlaubt es.

»Ei wie? Du willst ihn schon heute Abend mitnehmen, Mocquet?«

»Natürlich, denn morgen wäre es zu spät, um ihn abzuholen; dem Wolf muß man mit Tagesanbruch zu Leibe gehen.«

»Also zu einer Wolfsjagd willst Du ihn mithaben?«

»Fürchten Sie etwa gar, der Wolf könnte ihn fressen?

»Mocquet! Mocquet!«

»Wenn ich Ihnen doch sage, daß ich für Alles gutstehe!«

»Und wo soll er übernachten, der unglückliche Junge?

»Beim alten Mocquet! Er bekommt eine gute Matratze auf dem Boden, Betttücher so weiß, wie diejenigen, welche der liebe Gott über die Ebene hingebreitet hat, und zwei gute warme Decken. Er soll sich gewiß nicht erkälten, seien Sie ganz ruhig.«

»Ach ja, liebe Mutter, sei doch ruhig. Komm jetzt, Mocquet, ich bin bereit.«

»Und Du gibst mir nicht einmal einen Kuß, unglückliches Kind?«

»O freilich, liebes Mütterchen, lieber zwei als einen.«

Und ich warf mich meiner Mutter an den Hals und erdrückte sie beinahe in meinen Armen.

»Und wann wird man Dich wieder zu sehen bekommen?«

»Machen Sie sich keine Sorgen, wenn er erst morgen Abend zurückkommt.«

»Wie so? morgen Abend! Du sagtest doch von Tagesanbruch.«

»Mit Tagesanbruch geht es auf den Wolf los; aber wenn wir das Nest leer finden, so wird der junge Herr doch wenigstens im Moor von Wallu ein Paar Enten schießen dürfen.«

»Du wirst machen, daß er ertrinkt.«

»Ei zum Teufel,« sagte Mocquet, »wenn ich nicht die Ehre hätte, mit der Frau meines Generals zu sprechen, so würde ich sagen . . .

»Was würdest Du sagen, Mocquet?

« »Daß Sie einen Hasenfuß aus Ihrem Sohn machen wollen. Aber wenn die Mutter: des Generals hinter ihm gestanden und ihn an seinen Rockschößen gezupft hätte, so wäre er seiner Lebtage nie übers Meer her nach Frankreich gekommen.«

»Du hast Recht, Mocquet, nimm ihn mit; ich bin unvernünftige.«

Und meine Mutter wandte sich ab, um sich eine Thräne aus dem Auge zu wischen.«

Einer Mutter Thräne ist ein Herzdiamant, köstlicher als eine Perle von Ophir.«

Ich sah sie fließen.

Ich ging zur armen Frau hin und sagte ganz leise zu ihr:

»Wenn Du willst, Mutter, so bleibe ich.«

»Nein, nein, mein Junge, geh’ nur,« sagte sie; »Mocquet hat Recht; Du mußt einmal ein Mann werden.«

Ich umarmte sie noch ein letztes Mal.

Dann eilte ich Mocquet nach, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte.

Nach etwa hundert Schritten wandte ich mich um.

Meine Mutter war bis mitten in die Straße herausgegangem um mir so lang als möglich mit ihren Blicken zu folgen.

Jetzt kam die Reihe an mich, eine Thräne aus meiner Wimper zu wischen.

»Nun das ist sauber,« sagte Mocquet zu mir, »jetzt weinen Sie also auch Herr Alexander!«

»Was fällt Dir ein, Mocquet? Das kommt blos von der Kälte her.«

Du, der Du mir diese Thränen gegeben hattest, o mein Gott, Du weißt wohl, daß ich nicht vor Kälte weinte.

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