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Kapitel vier

Raymond stand mit seinen Brüdern an einer Kreuzung, direkt an der Grenze zum Land des ehemaligen Herzoges. Er wusste, dass er voranschreiten sollte, und war doch noch nicht bereit, sich von den anderen zu trennen. Bald würden Lofen, Garet und er sich auf den Weg machen müssen, um alle Dinge einzuleiten, die Royce für seinen Feldzug brauchte; die sie alle brauchten.

„Aufgeregt?“, fragte er die anderen.

„Natürlich nicht“, sagte Lofen, der immer am tapfersten sein musste. Lofen war immer bereit für den Kampf und vielleicht würde ihm das bei der Suche nach den Picti helfen. Und doch ertappte sich Raymond bei dem Gedanken, dass sein Bruder wohl bessere Chancen hätte, würde er über mehr als nur eine Karte und eine ungefähre Ahnung verfügen.

„Ich werden tun, was getan werden muss“, sagte Garet, der natürlich genauso mutig wie seine Brüder wirken wollte. Raymond wollte ihm sagen, dass er wusste wie tapfer Garet war—er hatte gesehen, wie stark die andere gewesen waren, als man sie in Altfors Verlies gefangen gehalten hatte. „Ich bin der Fahnenträger für unsere Sache.“

„Ich finde diejenigen, die euch helfen können“, sagte Moira, deren Pferd neben Garets wartete. Raymond war sich nicht sicher, was er von ihrer Anwesenheit halten sollte. Die Tatsache, dass sie eine Adelige war, würde dabei helfen, andere Adelige auf ihre Seite zu holen, und sie hatte sich freiwillig gemeldet. Doch Raymond sah bereits, welche Blicke ihr Garet zuwarf und er wusste genau, dass es kompliziert werden würde.

„Pass auf dich auf“, sagte Raymond zu seinem jüngsten Bruder. Nun richtete er sich an Moira. Man konnte nicht verleugnen, dass sie wunderschön war, und er würde sie nicht dafür verurteilen, dass die Adeligen sie damals gestohlen hatten. Trotzdem war ihm nicht ganz wohl bei der Art, mit der sie sich freiwillig gemeldet hatte. „Pass du auf ihn auf.“

„Ich bin kein Kind“, mischte sich Garet ein. „Ich bin ein Mann und ich werde die Sache erledigen wie ein Mann.“

„Nur bis du die richtigen Leute gefunden hast“, sagte Raymond.

„Ich habe die einfachste Aufgabe“, beschwichtigte ihn Garet. „Du bist derjenige, der die Bauern dazu bringen muss, sich zur Wehr zu setzen.“

Raymond nickte. „Sie werden sich zur Wehr setzen. Sie werden es für Royce tun.“

Er hatte gesehen, wie sein Bruder die Leute dazu gebracht hatte zu kämpfen und wie Royce die gefährlichsten Gegner besiegt hatte. Die Menschen würden sich in Royces Namen erheben.

„Dann wird es Zeit für ein Lebewohl“, sagte Lofen. In seinen Worten hörte man keine großen Emotionen, doch Raymond wusste, dass sie unter der Oberfläche brodelten. Raymond hoffte nur, dass sein Bruder eine gefühlvollere Bitte hervorbringen würde, sobald er die Picti überzeugen musste. Er hoffte auch, dass sein Bruder sicher sein würde, denn sie alle hatten gesehen, zu was die wilden Stämme in den Bergen im Stande waren.

„Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen“, sagte Raymond. „Denkt einfach daran—“

„Bringt sie zu Graf Undines Schluss, nicht zu dem des alten Herzogs“, sagte Lofen. „Wir wissen Bescheid. Schließlich hast du es uns auf dem Weg hierher schon oft genug gesagt.“

„Ich wollte sagen, denkt daran, dass ich euch beide liebe, meine Brüder“, sagte Raymond. „Selbst wenn du, Lofen, ein Idiot bist und Garet noch grün hinter den Ohren ist.“

„Zumindest sind wir keine brütende Henne, die alle gackernd bemuttern möchte“, schoss Garet zurück. Er zog sein Pferd an den Zügeln und galoppierte vorwärts. „Wir sehen uns bald, Bruder, mit einer Armee!

„Ich sorge für seine Sicherheit“, sagte Moira und drehte ihr Pferd so, dass es Garet folgen konnte.

„Halte dein Wort“, rief ihr Raymond nach.

„Du bist ganz schön streng mit ihr“, sagte Lofen, als die beiden sich entfernten.

„Mir macht eher Sorge, dass Garet so sanft mit ihr ist“, erwiderte Raymond.

Er sah, wie sein Bruder mit den Schultern zuckte. „So hat er zumindest eine schöne Frau bei sich, die die Adeligen bereits kennt. Warum Neave nicht mit mir mitkommen konnte…“

Raymond lachte darüber. „Denkst du, sie wäre an dir interessiert? Du hast sie doch auch mit Mathilde gesehen. Abgesehen davon werden die Picti leichter zu finden sein. Marschiere einfach durch die Wildnis, bis dir einer etwas nachschießt.“

Lofen musste schlucken. „Jetzt lachst du noch, aber du wirst dich richtig schlechtfühlen, wenn ich mit lauter Pfeilen in der Brust zurückkomme. Aber ich werde es machen und komme zurück mit meiner eigenen Truppe. Ich bin gespannt, wie es den Leuten gefallen wird, gegen das wilde Volk anzukämpfen.“

Er drehte sich um und ritt in die Richtung, in der er die Ländereien der Picti erahnte. Raymond blieb alleine auf der Kreuzung zurück. Im Vergleich zu seinen Brüdern schien es ihm, als hätte er die einfachste Aufgabe: Er musste nur die Menschen für seine Sache überzeugen, die sich bereits von dem Königreich gelöst hatten. Nachdem sie so viele Jahre von den Adeligen misshandelt worden waren, die unter der Führung von König Carris standen, sollten der Funke seiner Worte bereits ausreichen, um das Feuer in ihnen zu entfachen.

Und trotzdem wünschte er sich, seine Brüder an seiner Seite zu haben, als er sein Pferd in Richtung des nächsten Dorfes ausrichtete und losgaloppierte.

* * *

Das erste Dorf war so klein, dass es auf den meisten Landkarten wahrscheinlich gar nicht angeschrieben war. Es trug den Namen Byesby und bestand aus wenigen Häusern. Es war kaum mehr als ein besserer Landhof und verfügte nicht einmal über ein Gasthaus, in dem er die Anwohner versammeln konnte. Aber immerhin gab es keine Wächter in der Umgebung, die einem lokalen Herrscher dienten und ihn dabei aufhalten würden, Raymonds Nachricht an die Menschen weiterzugeben.

Er ritt zum Zentrum des Platzes, der durch einen niedrigen Holzpfahl für Nachrichten markiert war und neben einem sanierungsbedürftigen Brunnen stand. Auf der Straße sah er ein paar Menschen beim Arbeiten und ein paar weitere kamen aus ihren Häusern, als sie Raymond auf seinem Pferd erspähten. Hier sah man wohl nur selten Männer in Rüstungen. Vielleicht dachten sie sogar, dass er von einem der Adeligen gesandt wurde, um das Dorf für sich zu beanstanden.

„Hört mir zu“, rief Raymond vom Rücken seines Pferdes. „Versammelt euch alle!“

Langsam kamen immer mehr Leute dazu. Raymond hatte schon deutlich mehr Menschen in Schlachten geführt, doch als sich die Menge langsam versammelte, wurde ihm klar, dass er noch nie vor so vielen gesprochen hatte. Jetzt fühlten sich sein Mund trocken und seine Hände feucht am.

„Wer bist du?“, forderte ihn ein Mann auf, der kräftig genug wirkte, um ein Hufschmied zu sein. „Wir haben keine Zeit für Räuber und Banditen.“

Er hievte einen Hammer hoch, um klarzustellen, dass sie nicht wehrlos waren.

„Das ist gut, denn die habe ich auch nicht!“, rief Raymond zurück. „Ich bin hier, um euch zu helfen.“

„Falls du nicht vorhast, uns bei der Ernte behilflich zu sein, wüsste ich nicht, wie du helfen kannst“, sagte ein anderer Mann.

Eine der älteren Frauen ließ ihre Augen von oben bis unten über Raymond gleiten. „Ich wüsste da schon ein paar Sachen.“

Die Betonung ihrer Worte reichte aus, um Raymond die Schamesröte ins Gesicht steigen zu lassen. Er kämpfte dagegen an und es schien mindestens so schwer zu sein, wie der Kampf gegen einen Fechtmeister.

„Habt ihr noch nicht davon gehört, dass der alte Herzog und sein Sohn Altfor gestürzt worden sind?“, rief Raymond.

„Was hat das mit uns zu tun?“, grölte der Hufschmied zurück. So wie die anderen Menschen zustimmend nickten, schien er derjenige zu sein, auf den alle hörten. „Wir sind auf dem Land von Fürst Harrish.“

„Fürst Harrish, der euch alles nimmt, so wie es die Adeligen tun“, sagte Raymond. Er wusste, dass es auch bessere, gütigere Adelige gab, wie den Grafen Undine, aber so viel er über ihren Herrscher wusste, war er keiner davon. „Wie oft sollen sie in eure Dörfer kommen und von euch stehlen, bevor ihr ihnen zeigt, dass es genug ist?“

„Das wäre ziemlich dumm von uns“, rief der Hufschmied zurück. „Er hat Soldaten.“

„Und wir haben eine Armee!“, erwiderte Raymond. „Ihr habt davon gehört, dass der alte Herzog gestürzt wurde? Nun, das waren wir, im Namen des rechtmäßigen Königs, Royce!“

In seiner Vorstellung hatte seine Stimme über den ganzen Platz gehallt. In der Praxis sah dies etwas anders aus und er konnte sehen, wie sich einige Menschen im Hintergrund bemühten, ihn zu verstehen.

„Du bist Royce?“, rief der Hufschmied. „Du behauptest also, der Sohn des alten Königs zu sein?“

„Nein, nein“, erklärte Raymond rasch. „Ich bin sein Bruder.“

„Also bist du auch ein Sohn des alten Königs?“, schlussfolgerte der Schmied.

„Nein, bin ich nicht“, sagte Raymond. „Ich bin der Sohn von Dorfleuten, aber Royce ist—“

„Nun, entscheide dich“, sagte die alte Frau, die ihn verlegen gemacht hatte. „Wenn Royce dein Bruder ist, dann kann er nicht der Sohn des alten Königs sein. Das ergibt keinen Sinn.“

„Nein, das habt ihr falsch verstanden“, sagte Raymond. „Bitte, hört mir zu, gebt mit eine Chance alles zu erklären und—“

„Und was?“, erwiderte der Hufschmied. „Dann wirst du uns sagen, warum wir Royce folgen sollen? Du wirst uns sagen, warum wir uns auf den Weg machen und in dem Krieg eines anderen sterben sollen?“

„Ja!“, sagte Raymond und realisierte schnell, wie das wohl klingen musste. „Nein, ich meine… es ist nicht der Krieg eines anderen. Es ist der Krieg von uns allen.“

Der Schmied schien davon nicht besonders überzeugt zu sein. Er kam nach vorne, um sich gegen den Brunnen zu lehnen. Jetzt war er kein Teil der Masse mehr, sondern richtete sich an die anderen.

„Wirklich?“, sagte er und blickte in die Menge. „Ihr alle kennt mich und ich kenne euch. Und wir wissen alle, wie die Adeligen kämpfen. Sie kommen und rekrutieren uns für ihre Armeen, dann versprechen sie uns alle möglichen Dinge, aber wenn alles vorbei ist, sind es wir, die tot sind. Und sie machen einfach wieder weiter mit dem, worauf sie Lust haben.“

 

„Royce ist anders!“, pochte Raymond.

„Warum ist er anders?“, konterte der Schmied.

„Weil er einer von uns ist“, sagte Raymond. „Er wurde im Dorf großgezogen. Er weiß, wie es hier ist. Ihm ist es nicht egal.“

Der Schmied spottete darüber. „Wenn es ihm nicht egal ist, wo ist er dann? Warum ist er nicht hier, anstelle des Jungen, der behauptet sein Bruder zu sein?“

Raymond wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiterzusprechen. Die Menschen würden ihm nicht zuhören, egal, was er sagte. Sie hatten bereits zu viele Versprechen von zu vielen anderen gehört, damals noch, bevor König Carris seinen Adeligen verboten hatte zu kämpfen. Das einzige, was sie vielleicht überzeugen konnte, war der Gedanke, dass Royce sich für sie einsetzen würde, und der Schmied hatte recht: Sie hatten keinen Grund ihm zu glauben, wenn er nicht einmal hier war.

Raymond zog sein Pferd an den Zügeln und ritt mit so viel Würde aus dem Dorf, wie er aufbringen konnte. Es war nicht viel.

Er machte sich auf den Weg zum nächsten Dorf und versuchte dabei nachzudenken, während er den Regen ignorierte, der immer stärker wurde.

Er liebte seinen Bruder, aber er wünschte sich, Royce hätte ihn nicht verlassen, um seinen Vater zu suchen. Zwar konnte Raymond verstehen, dass es ihrer Sache helfen würde, den alten König zu finden, doch Royce war derjenige, dem die Menschen folgten, und sie mussten ihn sehen, um sich ihm anzuschließen.

Ohne ihn wusste Raymond nicht, ob er tatsächlich eine Armee für seinen Bruder zusammenstellen konnte.

Das bedeutete aber auch, dass es nur die Streitkräfte von Grad Undine gab, die sich der gesamten königlichen Armee entgegenstellen mussten, wenn König Carris zurückschlagen würde. Raymond wusste nicht, wie groß die Armee sein würde, aber da sie aus den Männern aller Fürsten im Land bestünde… sie hatten keine Chance.

Wäre Royce hier, so war sich Raymond sicher, dass er eine eigene Truppe zusammenstellen könnte. Aber so wie es war, hoffte er bitterlich darauf, dass Lofen und Garet mehr Glück hatten.

„Wir können es nicht dem Glück überlassen“, sagte Raymond zu sich selbst. „Nicht wenn es um so viele Leben geht.“

Er hatte bereits aus erster Hand miterlebt, zu was die Adeligen im Stande waren, wenn man sich ihnen widersetzte. Da waren die Galgen, die Folterungen auf dem Berg der Verräter und Schlimmeres. Auf jeden Fall würden sie jedes Dorf plündern und verwüsten, was den wenigen Überlebenden nur noch mehr Grund geben würde, sich der Revolte anzuschließen.

Raymond seufzte. Es gab keinen Weg das Unmögliche möglich zu machen: Sie brauchten Royce, konnten ihn jedoch nicht haben, während er nach seinem Vater suchte. Außer…

„Nein, das kann nicht funktionieren“, sprach Raymond zu sich selbst.

Aber vielleicht könnte es das. Es war nicht so, dass irgendjemand hier wusste, wie Royce wirklich aussah. Sie hatten vielleicht von ihm gehört und eine ungefähre Beschreibung bekommen, doch jeder wusste, dass solche Geschichten übertrieben waren.

„Das ist eine dumme Idee“, sagte Raymond.

Das Problem war, dass es seine einzige Idee war. Ja, es wäre gefährlich, denn Royce wurde von vielen gejagt. Ja, es würde später zu Problemen führen: Die Menschen würden sich hintergangen fühlen, wenn sie es herausfanden, manche würden sogar desertieren. Aber viele würden bleiben. Sie würden sich bereits zu verbunden mit ihrer Sache fühlen, sobald sie Teil einer Armee sind oder wären zu beschäftigt damit zu kämpfen, um darüber nachzudenken.

„Sie würden Royce vielleicht niemals aus der Nähe sehen“, grübelte Raymond.

Ihm wurde klar, dass er bereits eine Entscheidung getroffen hatte, ohne sie wirklich zu fällen, und er machte sich weiter auf den Weg zum nächsten Dorf. Er wählte eines, das ein paar Dörfer weiterlag, denn er wollte nicht, dass sich die Geschichte von Byesby verbreiten und sein Vorhaben verderben würde. Dieses Dorf war größer, besaß ein Gasthaus und einen großen Schuppen, der als Gemischtwarenladen diente. Es war so groß, dass die Ankunft eines Reiters nicht die Aufmerksamkeit des ganzen Dorfes auf sich zog und die Menschen vor Erstaunen aus ihren Häusern trieb. Das bedeutete, dass Raymond sich auf seinem Pferd in die Mitte des Dorfplatzes stellen und solange rufen musste, bis die Leute zu ihm kamen.

„Kommt her. Hört mir zu! Ich bringe Neuigkeiten!“

Er wartete, bis sich die Menschen versammelt hatten, bevor er anfing zu sprechen.

„Es wird Krieg geben!“, sagte er. „Ihr habt die Geschichten gehört: Der Sohn des wahren Königs ist zurückgekehrt und hat den Herzog gestürzt, der seine eigenen Leute ausbeutet! Nun, es ist die Wahrheit und ich weiß, was ihr denken müsst. Ihr glaubt, dies ist nur ein weiterer Streit zwischen den Adeligen, der euch nichts angeht. Aber ich bin hier, um euch zu sagen, dass es euch sehr wohl etwas angeht. Das es diesmal anders ist.“

„Und warum soll das so sein?“, forderte ihn ein Mann aus der raunenden Menge heraus. Raymond spürte bereits, wie sich die Situation zu wiederholen begann.

„Weil wir diesmal wirklich etwas verändern können. Weil es kein Streit zwischen Adeligen ist, sondern die Chance, eine Welt zu erschaffen, in der die Adeligen nicht mehr an der Macht sind und uns unterdrücken. Weil Menschen wie ihr denjenigen, die diesen Kampf begonnen haben, nicht egal seid. Menschen wie wir alle.“

„Ach ja?“, fragte der Mann. „Nun dann, Fremder, wer bist du und woher weißt du so viel darüber?“

Raymond holte tief Luft und wusste, dass er sich in diesem Moment entscheiden musste, ob er es tun wollte oder nicht. Sobald er seine Wahl getroffen hatte, konnte er sie nicht mehr rückgängig machen.

„Na komm“, verlangte der Mann. „Wie kommst du dazu zu behaupten, ein Adeliger aus der Ferne würde sich um uns scheren?“

„Das ist einfach“, sagte Raymond und dieses Mal schallte seine Stimme so laut über das Dorf, dass ihn jeder hören konnte. „Mein Name ist Royce und ich bin der Sohn von König Philip, dem wahren und rechtmäßigen König dieses Landes!“

Kapitel fünf

Royce kämpfte sich durch einen Wald und die Bäume begannen immer mehr ineinander zu verschwimmen, sodass es unmöglich war, einen Weg zu erkennen. Er hatte sich verlaufen und wusste genau, dass es den sicheren Tod bedeutete, hier verloren zu gehen.

Er schritt vorwärts, denn er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Die Bäume um ihn wurden immer enger. Ihre Äste peitschten in einem Wind, den er nicht spüren konnte und schlugen auf Royce ein. Sie zerkratzen seine Haut und nun folgten Äste, die mit Dornen bestückt waren und sich in seinem Fleisch vergruben. Er musste all seine Kraft zusammennehmen, um weiterzukommen.

Warum wollte er eigentlich weiter? Er wusste nicht, wo er war, also warum sollte er sich weiter durch die Dunkelheit und die Unsicherheit des Waldes drängen? Seine Energie ließ nach, also warum sollte er sich nicht auf einem der Baumstämme niederlassen und sich ausruhen, bis—

„Wenn du stehen bleibst, stirbst du, Sohn.“ Die Stimme kam durch die Bäume und obwohl er sie nur in seinen Träumen gehört hatte, erkannte Royce sie sofort als die seines Vaters. Er drehte sich zur Stimme und folgte ihr.

„Vater, wo bist du?“, rief er und kämpfte sich weiter in die Richtung, aus der sie zu kommen schien.

Der Weg war hier noch härter. Es lagen umgefallene Bäume auf dem Boden und Royce fand es bei jedem Mal schwieriger, über sie zu springen. Aus dem Waldboden ragten Felsen heraus und nun musste er genauso viel klettern wie rennen, um sie zu überwinden. Die Strecke, die vor ihm lag, ließ sich nicht vom restlichen Wald unterscheiden und die Unwissenheit darüber, was dahinterlag, brachte Royce zur Verzweiflung.

Dann endlich sah er den weißen Hirsch, der ihn erwartungsvoll ansah und wartete. Mit derselben unerklärlichen Gewissheit, die er vorher schon gespürt hatte, wusste Royce, dass ihm das Tier den Weg zeigen würde. Er drehte sich um und folgte ihm.

Der weiße Hirsch war schnell und Royce musste seine ganze Kraft sammeln, um ihn nicht zu verlieren. Es fühlte sich an, als würden seinen Lungen explodieren und seinen Glieder von innen brennen. Doch er lief immer weiter durch das peitschende Geäst, bis er einen Platz erreichte, an dem der weiße Hirsch verschwand und durch eine Figur in einer Rüstung ersetzt wurde, die von weißem Licht umrandet war.

„Vater“, keuchte Royce. Es fühlte sich, als hätte er keinen Atem und keine Zeit mehr.

Sein Vater nickte und lächelte, dann deutete er aus unerfindlichem Grund empor. „Du musst jetzt gehen, Royce. Kämpfe, kämpfe dich zum Licht.“

Als er nach oben blickte, sah Royce ein Licht über sich und als er versuchte zu tun, was sein Vater ihm gesagt hatte, wurde es größer und größer…

* * *

Royce kam mit einem hustenden Atemzug zu sich, der gleichermaßen aus Wasser und Luft bestand. Er erbrach das Meerwasser und begann sich aufzurappeln, doch ein paar vorsichtige Hände hielten ihn davon ab. Royce kämpfte einen Moment lang dagegen an, bevor ihm klar wurde, dass Mark an seiner Seite war und seine Hände das Wasser aus Royce Magen pumpten.

„Vorsichtig“, sagte sein Freund. „Du wirst das Floß zum Kippen bringen.“

Das „Floß“, von dem die Rede war, bestand aus einem Teil des Schiffsmasts, der im Chaos abgebrochen war und sich mit anderen Stücken Treibholz verwickelt hatte. Nun bildete er eine Art schwimmende Plattform, die in den Wellen aufgetrieben wurde.

Bolis, Neave und Mathilde knieten auf dem provisorischen Schiff, während Gwylim in etwas Entfernung am Rand lag und Ember über ihnen flog. Mathilde hatte eine offene Wunde an ihrer Seite, die von einem Messer oder einem Stück Holz stammen konnte. Das Blut lief ins Wasser, während Neave sie versorgte und Stücke des zerrissenen Segels zu Verbänden schnitt. Sir Bolis war damit beschäftigt, hastig ein Stück Metall an einem passenden Holz zu befestigen und eine einfache Harpune zu bauen. Von seiner eigenen Rüstung und seinen Waffen fehlte jede Spur.

Royce blickte schnell an sich herab und sah, dass er das Kristallschwert immer noch bei sich hatte, während er auch noch die Rüstung trug, die er aus dem Turm von Graf Undine genommen hatte.

„Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, darin zu schwimmen“, sagte Mark, „aber du hast es geschafft. Du bist wie ein Korken herausgeploppt und ich konnte dich herausziehen.“

„Danke“, sagte Royce und streckte seinem Freund die Hand entgegen.

Mark drückte sie fest. „Nach den unzähligen Malen, bei denen du mich gerettet hast, brauchst du dich nicht zu bedanken. Ich bin nur froh, dass du überlebt hast.“

„Zumindest bisher“, sagte Bolis vom Bug ihres notdürftigen Floßes aus. „Wir sind immer noch in Gefahr.“

Royce sah sich um und versuchte zu erkennen, was außerhalb des Floßes geschehen war. Er konnte sehen, dass sie wieder aufs Meer zurückgewaschen worden waren, sodass die Sieben Inseln erneut nur als kleiner Punkt in der Ferne erschienen. Der Ozean brodelte, als würde ein Sturm aufkommen. Ihr Floß knarrte unter den Strapazen.

„Vergiss den Speer“, sagte Royce. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, das Floß zusammenzubinden.“

„Du hast das menschenfressende Monster nicht gesehen“, sagte Bolis. „Es muss so ziemlich jeden Seemann umgebracht haben, der im Schiffswrack gefangen war. Dieser Seeschlange will ich nicht unbewaffnet begegnen.“

„Und willst du ihr im Wasser begegnen, wenn unser Floß zerfällt und absinkt?“, erwiderte Royce. Er hatte die Kreatur gesehen, vor der Bolis Angst hatte, und wusste wie gefährlich sie war, doch in diesem Moment könnte sie der Ozean genauso gut umbringen.

An den Masten waren Seile befestigt und Royce deutete auf eines von ihnen. „Jeder schnappt sich ein Stück Seil, das noch nicht mit anderen Dingen verworren ist, und bindet damit das Floß zusammen. Das ist unsere Priorität, dann paddelt solange, bis wir an Land sind, dann kommen die Waffen.“

„Das sagst du so leicht“, beschwerte sich Bolis, doch er folgte seinen Anweisungen. Neave und Mark taten es ihm gleich. Als Mathilde versuchte zu helfen, sackte sie in sich zusammen und verzog das Gesicht schmerzvoll.

„Wir schaffen das alleine“, sagte Royce. „Wie schlimm ist es?“

„Ich werde es überleben“, sagte Mathilde. „Zumindest… glaube ich das.“

„Warum darf sie sich hinsetzen und ausruhen?“, fragte Bolis.

Neave war in Sekundenschnelle vor ihm und hielt einen Dolch in der Hand. „Nenn mir einen Grund, weshalb ich dich nicht ausweiden und den Fischen zum Fraß vorwerfen sollte, Eindringling.“

 

Royce wollte sich bereits zwischen sie stellen, doch Gwylin war schneller. Die Masse des Bhargirs drängte die beiden auseinander.

„Wir können es uns nicht leisten zu kämpfen“, sagte Royce. „Wir müssen zusammenarbeiten oder wir werden ertrinken.“

Sie murrten, doch sie widmeten sich wieder der Arbeit und schon bald wirkte das Floß deutlich stabiler als zuvor. Mathilde war bereits im Sitzen dabei, eine Planke mit einem längeren Stück Holz zu verknüpfen, um eine Art Ruder zu bauen. Royce tat es ihr gleich und schon bald hatten sie für jeden ein eigenes Ruder.

„Welche Richtung?“, fragte Bolis und Royce zeigte in die Ferne. Es gab nur eine mögliche Richtung für einen provisorischen Untersatz wie ihren.

„Zurück zu den Inseln“, sagte er.

„Und dem Monster“, fügte Mark hinzu.

„Vielleicht haben wir Glück und kommen unbemerkt an ihm vorbei“, sagte Royce.

„Vielleicht hat es sich schon satt gefressen“, sagte Neave und ihrem Blick zu Folge hoffte sie, dass alle auf dem Schiff Teil der Mahlzeit geworden waren.

Royce wusste nicht, wie wahrscheinlich das war, doch es schien keinen anderen Weg zu geben; sie mussten versuchen, wieder zu den Inseln zu gelangen.

„Lasst uns gemeinsam rudern“, sagte er. „Bereit?“

Sie paddelten das Floß in Richtung der Inseln. Alle halfen mit, sogar Mathilde. Aber auch mit der Hilfe von allen war es schwierig, denn ihre Ruder waren nicht für den Zweck geeignet und die Wellen versuchten, sie immer weiter auf die hohe See zu ziehen. Royce wusste, dass das nicht passieren durfte. Da draußen würden sie entweder absinken, verdursten oder einer anderen Kreatur aus der Tiefe zum Opfer fallen. Ihre einzige Chance war an Land.

„Rudert stärker“, reif Royce und versuchte sie anzufeuern. „Wir machen Fortschritte.“

Das taten sie, aber nur langsam. Blickte er durch Embers Augen, so waren sie nur ein kleiner Punkt auf dem gigantischen Ozean. Der kleine Punkt bewegte sich in Richtung der Inseln, wenn auch kaum schneller, als er durch die Gezeiten bewegt worden wäre. Dennoch waren sie auf dem Weg und kamen immer näher an den Nebel und die Felsen und die restlichen Gefahren heran.

„Wir sind fast da“, sagte Mark und klang hoffnungsvoll. Aus der Vogelperspektive durch Embers Augen konnte Royce immer noch das zerklüftete Labyrinth sehen, das die Inseln umgab. Die wirbelnden Fluten wirkten festentschlossen, jedes Schiff zu verschlingen, das ihnen zu nahe kam.

Die erste Insel hatte eine sandige Küste, doch die Stränge waren umringt von Steinen und Riffen, mit einer Flut, die zu schnell hereinkam. Nachdem er alles gesehen hatte, dachte Royce, dass es wohl besser war, zu einer anderen Insel zu rudern und die erste komplett auszulassen, trotz der Gefahr, in der sie sich befanden.

Dann heulte Gwylim auf und seine lange, tiefe Warnung beunruhigte Royce. Er holte Ember zurück zu ihrem Floß und nutzte ihren Blick, um die Situation von oben zu begutachten. Jetzt konnte Royce einen Schatten im Wasser sehen, der auf sie zu kam…

„Das Monster!“, schrie er auf und kam wieder in seinen eigenen Verstand zurück, als das Biest aus dem Wasser stieg. Sein Körper wand sich wie ein Aal mit messerscharfen Flossen und seine Zähne leuchteten in der Sonne.

Direkte neben dem Floß ließ es sich ins Wasser fallen und die Welle traf sie so hart, dass das kleine Gefährt beinahe umkippte. Ein Teil von Royce vermutete, dass die Kreatur genau diese Absicht hatte; vielleicht hatte es herausgefunden, dass man die Menschen einfacher fressen konnte, sobald sie im Wasser waren.

Er zog sein Kristallschwert, denn er wusste nicht, was er sonst tun sollte.

Die Kreatur bäumte sich erneut im Wasser auf und Royce schlug nach ihr. Er konnte sie nur streifen, während sie über ihm thronte und nun blickte sie zu ihm herab, als wollte sie herausfinden, woher der plötzliche Schmerz kam. Mit knirschendem Kiefer ließ sie sich auf Royce herunter und er sprang soweit zurück, wie es das Floß erlaubte, während er zuschlug. Gwylim war an seiner Seite, sprang auf das Biest zu und verbiss sich in ihm.

Es griff erneut an und Royce wurde mit der enormen Kraft seiner Flossen weggeschleudert. Ohne die Rüstung wäre er wohl in zwei Stücke gerissen worden, aber auch so zwang ihn der Angriff in die Knie und raubte ihm den Atem.

Die Kreatur holte erneut aus und Royce wusste, dass er diesmal keine Chance hatte auszuweichen.

Dann war Bolis bei ihm und hielt seinen improvisierten Speer bereit. Er warf ihn wie eine Harpune auf einen Wal und zielte auf den Kopf der Bestie. Er traf die Seeschlage in einem ihrer massiven Augen und sie gab einen lauten Schrei von sich, der über den Ozean hallte. Als Reaktion darauf schlug sie auf Bolis ein und katapultierte ihn vom Floß.

Zu Royces Überraschung warf sich Neave auf den Boden, streckte ihm den Arm entgegen und versuchte ihn wieder auf ihr provisorisches Boot zu hieven.

Mark eilte ebenfalls zu den beiden und sie konnten den blutenden Ritter gerade noch aus dem Wasser ziehen, bevor das große Gebiss unter ihm hervorschoss. Royce kam herüber und stach mit seinem Kristallschwert wieder und wieder auf die Bestie ein, bis weiteres Blut floss.

Es war nicht genug; die Seeschlange war einfach zu groß, um mit ein paar Hieben getötet zu werden, selbst mit einem Schwert wie seinem.

Nun tauchte sie unter und Royce konnte sehen, wie sie sich zurückzog. Die Windungen ihres Körpers formten gleichmäßige Wölbungen im Wasser, als sie von Welle zu Welle schwamm.

„Das Biest flüchtet“, keuchte Bolis, der auf die Wunden an seiner Brust drückte.

Royce schüttelte den Kopf. „Es wird nicht so einfach aufgeben.“

„Aber es zieht sich zurück“, erwiderte der Ritter. „Wir haben gekämpft und es verwundet und nun sucht es sich eine leichtere Beute.“

„Royce schüttelte den Kopf. „Hier gibt es keine andere Beute und wir haben es nicht so stark verletzt. Es läuft nicht davon; es tankt nur neue Kräfte.“

Und tatsächlich sah Royce, wie sich das Biest umdrehte und aus der Ferne wieder in ihre Richtung kam.

„Rudert!“, sagte Royce. „Unsere einzige Chance ist zu rudern!“

Er schob das Kristallschwert in seine Halterung, griff nach dem Ruder und begann zum Ufer der ersten Insel zu paddeln. Jetzt war es ihm egal, ob sie von der Strömung mitgerissen werden würden. Die anderen rund um ihn schienen die Botschaft zu verstehen und ruderten um ihr Leben, egal wie verletzt sie waren.

Royce spürte den Moment, in dem die Strömung ihr Floß aufnahm und sie in Richtung des Ufers zog. Hinter ihnen brach der Kopf der Seeschlange durch die Wasseroberfläche und riss sein Maul weit auf, bereit sie zu verschlingen.

Er blickte durch Embers Augen herab und entdeckte einen Freiraum zwischen den Felsen, der von oben offensichtlich war, vom Floss aus jedoch von den Wellen verdeckt wurde. Royce deutete darauf.

„Rechts!“

Alle gaben ihr Bestes und sandten das Floß nach rechts, während die Strömung es nach vorne zog. Sie umschifften die Steine haarscharf und Royce spähte zurück. Die Seeschlange hatte sich in ihnen verfangen und wand sich zwischen den Felsen heraus, bevor sie umdrehte und wieder in der Tiefe verschwand.

In der Zwischenzeit sah sich Royce nach weiteren Steinen um. Sie waren bereits so nahe an der Insel, dass es keine Hoffnung mehr gab, irgendwo anders hinzugehen, und die Strömung zog sie unaufhaltsam voran. Ihre einzige Chance war es, den Felsen so gut es ging auszuweichen.

„Links!“, rief Royce.

Sie vergruben ihre Ruder in den Fluten und schafften es, weitere Felsen zu umschiffen, doch nun lag das Riff vor ihnen und Royce sah keinen Weg daran vorbei.

„Haltet euch fest!“, rief er den anderen zu und sah, wie sie sich am Floss anhielten, bevor sie auf die ersten Spitzen am Untergrund aufschlugen. Royce wurde vorwärts geschleudert und bereits zum zweiten Mal befand er sich heute im Wasser und kämpfte damit zu schwimmen.

Mark hatte recht gehabt, was die Rüstung betraf – es sollte unmöglich sein, darin zu schwimmen, und doch erschien es nicht schwieriger als in normaler Kleidung. Er schwamm an die Oberfläche und schaffte es, sie zu durchbrechen, während ihn die Strömung weiterzog.

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