Der Eid Der Brüder

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Из серии: Ring der Zauberei #14
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KAPITEL ZWEI

Gwendolyn stand auf dem Gipfel des Hügels und starrte im Licht des anbrechenden Tags zum Himmel über der Wüste hinauf. Ihr Herz pochte vor Erwartung während sie sich gedanklich auf den Angriff vorbereitete. Während sie selbst den Zusammenstoß des Empire mit den Dorfbewohnern aus der Ferne beobachtete, hatte sie ihre Männer losgeschickt, das Schlachtfeld weiträumig zu umgehen und sie hinter den Linien des Empire positionier. Die Empire-Krieger, konzentriert auf die Schlacht, hatten nie mit ihnen gerechnet. Und jetzt, wo die Dorfbewohner ihnen nicht mehr standhalten konnten, und die ersten von ihnen starben, war es an der Zeit, sie dafür bezahlen zu lassen.

Seitdem Gwen sich entschieden hatte, ihre Männer umkehren zulassen und den Dorfbewohnern zu helfen, hatte sie das überwältigende Gefühl, dass das ihr Schicksal war. Ob sie nun siegten oder verloren, sie wusste, dass es richtig war, es zu tun. Sie hatte von hoch oben im Gebirgszug beobachtet, wie sich die Konfrontation entfaltete, hatte gesehen, wie die Armee des Empire mit ihren Zertas und ausgebildeten Kriegern immer näher kam, und es hatte Erinnerungen an Andronicus Invasion und später Romulus Überfall geweckt. Sie hatte zugesehen, wie der junge Darius allein vorgetreten war, und ihr Herz hatte einen Sprung gemacht, als sie mitangesehen hatte, wie er diesen Kommandanten getötet hatte. Das war etwas, was Thor getan hätte – was sie selbst genauso getan hätte.

Nun stand Gwendolyn da, Krohn knurrte leise an ihrer Seite, Kendrick, Steffen, Brandt, Atme und dutzende von Silver und hunderte ihrer Männer hinter ihr, alle in den massiven Rüstungen aus Stahl, die sie kaum abgelegt hatten, seit sie den Ring verlassen hatten, alle mit ihren schweren Waffen aus Stahl, und alle erwarteten ihr Kommando. Ihre Armee war eine mindestens ebenso gut ausgebildete Armee wie die des Empire, und sie hatten nicht mehr gekämpft, seitdem sie aus ihrer Heimat vertrieben worden waren.

Die Zeit war gekommen.

„Jetzt!“, schrie Gwen.

Lautes Kampfgeschrei erhob sich, als alle ihre Männer, angeführt von Kendrick, den Hügel hinunter rannten, während das Echo ihrer Stimmen wie tausend Löwen im frühen Morgendlich erklang.

Gwendolyn sah zu, wie ihre Männer die Linien des Empire erreichten, und wie sich die Empire-Krieger, die damit beschäftigt waren, gegen die Dorfbewohner zu kämpfen, langsam umdrehten, offensichtlich verdutzt, und nicht wussten, wer sie angreift oder warum. Offensichtlich waren diese Krieger nie zuvor derart überrascht worden, und schon gar nicht von gut ausgebildeten Kriegern mit Waffen, die ihren ebenbürtig waren.

Kendrick gab ihnen keine Zeit sich zu sammeln oder zu verarbeiten, was Geschah. Er stürzte sich vor, erstach den ersten Mann, dem er begegnete, und Brandt, Atme und Steffen, und die dutzenden von Silver an ihrer Seite gesellten sich schreiend zu ihm, während sie ihre Waffen in die feindlichen Krieger stießen.

Alle ihre Männer trugen unbändige Wut in sich, alle hatten sich nach einem Kampf gesehen, nach Rache gegen das Empire, und waren viel zu lange tatenlos in einer engen Höhle herumgesessen. Gwendolyn wusste, dass sie sich gesehnt hatten, ihren Zorn am Empire auszulassen, seitdem sie den Ring aufgegeben hatten – und in diesem Kampf fanden sie das perfekte Ventil. In den Augen ihrer Leute brannte ein Feuer, ein Feuer, das von den Seelen all jener anfacht wurde, die sie im Ring und auf den Oberen Inseln verloren hatten. Es war das Bedürfnis nach Rache, das sie auf dem Meer am Leben erhalten hatte. Gwen erkannte, dass das Anliegen der Dorfbewohner, selbst auf der anderen Seite der Welt, in vielerlei Hinsicht ihr eigenes Anliegen war. Die Männer schrien im Kampf Mann gegen Mann, Kendrick und die anderen nutzten ihren Schwung, um sich ihren Weg mitten ins Getümmel zu bahnen, und schalteten ganze Reihen von Empire-Kriegern aus, bevor diese wussten, was geschah. Gwendolyn war so stolz, als sie zusah, wie Kendrick zwei Schläge mit seinem Schild abwehrte, dann herumwirbelte, und einem Krieger damit das Gesicht zertrümmerte und dem anderen mit dem Schwert die Brust aufschlitzte. Sie beobachtete, wie Brandt einem Krieger in die Knie wegtrat und ihn dann direkt durch die Rüstung auf seinem Rücken ins Herz stach. Sie sah Steffen, der sein kurzes Schwert schwang und einem Krieger ein Bein abschlug, dann vortrat und im in die Leiste trat und ihm einen Kopfstoß versetzte. Atme schwang seinen Kriegsflegel und schaltete zwei Krieger mit einem Schlag aus.

„Darius!“, schrie eine Stimme.

Gwendolyn blickte zu Sandara, die neben ihr Stand und aufs Schlachtfeld deutete.

„Mein Bruder!“, schrie sie.

Gwendolyn sah Darius am Boden, auf dem Rücken liegend von Empire-Kriegern umringt, die schnell näher kamen. Ihr Herz zog sich vor Sorge zusammen, doch dann beobachtete sie zufrieden, wie Kendrick vorstürmte und mit seinem Schild einen Axthieb direkt über Darius Gesicht abwehrte.

Sandara schrie auf, und Gwendolyn konnte ihre Erleichterung sehen und wie sehr sie ihren Bruder liebte.

Gwendolyn nahm einer der Wachen neben ihr einen Bogen ab. Sie legte einen Pfeil an, spannte den Bogen und zielte.

„BOGENSCHÜTZEN!“, rief sie.

Um sie herum nahmen ein Dutzend ihrer Bogenschützen ein Ziel auf, spannten die Bögen, und erwarteten ihren Befehl.

„FEUER!“

Gwendolyn schoss ihren Pfeil hoch in den Himmel, über ihre Männer hinweg, und ihre Bogenschützen taten es ihr nach.

Die Salve landete mitten unter den übrigen Empire Kriegern, und Schreie erklangen, als ein Dutzend Krieger in die Knie gingen.

„FEUER!“, schrie sie wieder, gefolgt von einer weiteren Salve und der nächsten.

Kendrick und seine Männer stürmten vor und töteten die Männer, die, von den Pfeilen getroffen, in die Knie gegangen waren.

Die Empire-Krieger waren gezwungen, ihren Angriff auf die Dorfbewohner abzubrechen und stattdessen Kendricks Männer abzuwehren.

Das gab den Dorfbewohnern Luft zu atmen. Sie stießen einen lauten Schrei aus, während sie vorstürmten, und den Empirekriegern ihre Holz-Spieße in die Rücken rammten.

Die Empire-Krieger wurden nun von beiden Seiten abgeschlachtet. Die Zahl der Krieger, die zwischen zwei feindlichen Mächten eingeklemmt waren, nahm rasch ab, und sie erkannten schließlich dass sie keine Chance hatten. Ihre Zahl schwand schnell von Hunderten zu Dutzenden, und die, die übrig waren, suchten ihr Heil in der Flucht zu Fuß, denn ihre Zertas waren entweder getötet oder eingefangen worden.

Doch sie kamen nicht weit, bevor sie zur Strecke gebracht und getötet wurden.

Unter den Dorfbewohnern und Gwendolyns Männern erhob sich lauter Jubel. Sie kamen jubelnd zusammen, und umarmten sich als Brüder. Gwendolyn eilte gefolgt von Krohn den Hügel hinab mitten unter ihre Leute. Der Gestank von Schweiß und Angst lag schwer in der Luft, frisches Blut tränkte den Wüstenboden. Gwendolyn spürte trotz allem, was im Ring geschehen war, hier, an diesem Tag, einen Augenblick des Triumphs. Es war ein glorreicher Sie hier in der Wüste. Die Dorfbewohner und die Exilanten aus dem Ring, vereint im Widerstand gegen den gemeinsamen Feind.

Die Dorfbewohner hatten viele gute Männer verloren, und auch Gwendolyn hatte einige ihrer Leute eingebüßt. Doch Gwendolyn war erleichtert zu sehen, dass zumindest Darius am Leben war, und ihm jemand auf die wackligen Beine half.

Gwendolyn war sich der Tatsache vollkommen bewusst, dass das Empire Millionen von Kriegern hatte. Sie wusste, dass der Tag der Abrechnung kommen würde. Doch dieser Tag war nicht heute. Heute hatte sie vielleicht nicht die weiseste Entscheidung getroffen – doch die tapferste. Die richtige. Sie spürte, dass es die Entscheidung war, die ihr Vater getroffen hätte. Sie hatte den schwersten Pfad gewählt. Der Pfad dessen, was richtig war. Der Pfad der Gerechtigkeit. Der Pfad des Heldenmuts. Und egal was kommen würde, heute hatte sie gelebt.

Sie hatte wirklich gelebt.

KAPITEL DREI

Volusia stand auf dem steinernen Balkon und blickte herunter in den gepflasterten Hof von Maltolis, der sich unter ihr ausbreitete, und unten, auf dem Platz sah sie den leblosen Körper des Prinzen, dessen Gliedmaßen grotesk verbogen waren. Er schien so weit weg von hier oben, so winzig, so machtlos, und Volusia staunte, dass er nur Augenblicke zuvor einer der mächtigsten Herrscher des Empire gewesen war. Es traf sie tief, wie zerbrechlich das Leben war, welch große Illusion Macht war – um am meisten, wie sie, eine wahre Göttin grenzenloser Macht, die Macht über jedermanns Tod und Leben in Händen hielt. Jetzt konnte sie niemand mehr aufhalten, nicht einmal ein großer Prinz.

Während sie dastand und nach unten blickte, erhoben sich die Schreie von tausenden von Menschen, der verwirrten Bürger von Maltolis, die Stöhnten und jammerten. Ihre Schreie füllten den Hof und stiegen auf wie eine Heuschreckenplage. Sie heulten und schrien und schlugen ihre Köpfe gegen die Steinmauern; sie sprangen auf dem Boden herum wie zornige Kinder und rissen sich die Haare aus. Wenn sie sie so sah, überlegte Volusia, musste man denken, dass Maltolis ein wohlwollender Anführer gewesen war.

„UNSER PRINZ!“, schrie einer von ihnen, ein Schrei, der von vielen aufgenommen wurde. Unzählige Bürger stürmte vor und stürzten sich auf den Körper des verrückten Prinzen, heulend, schluchzend und zuckend, während sie sich an ihm festklammerten.

„UNSER GELIEBTER VATER!“

Plötzlich schallten Glocken durch die ganze Stadt, eine lange Folge von Geläut, das sich zu antworten schien. Volusia hörte einen Tumult, und sie hob ihren Blick um zu sehen, dass hunderte von Maltolis Kriegern in Zweierreihen eilig durch die Stadttore marschierten und den Hof zu füllen begannen. Sie marschierten auf Maltolis Schloss zu.

Volusia wusste, dass sie ein Ereignis ausgelöst hatte, das diese Stadt für immer verändern würde.

 

Ein plötzliches beharrliches Pochen an der dicken Kammertür ließ sie aufschrecken. Es war ein unaufhörliches Donnern, der Klang von Dutzenden von Kriegern mit klirrenden Rüstungen, die einen Rammbock gegen die dicke Tür aus Eichenholz schlugen. Volusia hatte die Tür, die fast einen halben Meter dick war, und dazu gedacht war, einer Belagerung standzuhalten, natürlich verbarrikadiert. Trotzdem verbogen sich die Scharniere und die Schrei der Männer draußen wurden immer lauter. Mit jedem Schlag verbogen sie sich weiter.

Rums rums rums.

Die Kammer bebte, und der alte eiserne Kronleuchter, der hoch an einem hölzernen Balken hing, schaukelte wild bevor er krachend zu Boden fiel.

Volusia stand ruhig da und beobachtete alles. Sie hatte damit gerechnet. Sie wusste natürlich, dass sie kommen würden, um an ihr Rache zu üben – und sie würden sie nie entkommen lassen.

„Öffne die Tür!“, schrie einer seiner Generäle.

Sie erkannte die Stimme – er war der Anführer von Maltolis Armee, ein humorloser Mann, dem sie nur kurz begegnet war, mit einer tiefen, heiseren Stimme. Als Mann unfähig, doch ein gut ausgebildeter Krieger mit zweihunderttausend Mann, die seinen Befehlen folgten.

Und doch betrachtete Volusia ruhig und unbeeindruckt die Tür, und wartete darauf, dass sie sie einschlugen. Sie hätte sie natürlich für sie öffnen können, doch diese Befriedigung würde sie ihnen nicht geben.

Schließlich ertönte ein letztes ohrenbetäubendes Krachen, und die Angeln der dicken Holztür gaben nach. Dutzende von Kriegern stürmten mit klirrenden Rüstungen in den Raum. Maltolis Kommandant in seiner reich verzierten Rüstung und goldenem Zepter, das ihn dazu berechtigte, die Armee zu führen, ging allen voran.

Er starrte sie hasserfüllt an, während seine Männer hinter ihm diszipliniert auf seinen Befehl warteten.

Volusia stand ruhig da und erwiderte seinen Blick mit einem leichten Lächeln. Sie erkannte, dass ihre Haltung ihn irritiert haben mussten, denn er schien verwirrt zu sein.

„Was hast du getan, Weib?“, spie er aus und umklammerte sein Schwer. „Du bist als Gast in unsere Stadt gekommen und hast unseren Herrscher getötet. Den Auserwählten. Den Einen, der nicht zu töten war.“

Volusia lächelte ihn an und antwortete ruhig.

„Da liegst du falsch, General“, sagte sie. „Ich bin die Eine, die nicht zu töten ist, was ich hier und heute bewiesen habe.“

Er schüttelte wütend den Kopf.

„Wie konntest du nur so dumm sein?“, sagte er. „Sicherlich muss du gewusst haben, dass wir dich und deine Männer umbringen würden. Du kannst nirgendwohin fliehen, es gibt keinen Weg, aus diesem Palast zu fliehen. Hier bist du von hunderttausenden unserer Bürger umringt. Sicherlich musst du gewusst haben, dass deine Tat heute deinen Tod bedeutet – und noch viel Schlimmeres: Gefangennahme und Folter. Wir behandeln unsere Feinde alles andere als freundlich, falls du das noch nicht bemerkt hast.“

„Das habe ich in der Tat bemerkt General, und ich bewundere es“, antwortete sie. „Und doch wirst du nicht Hand an mich legen. Keiner deiner Männer wird es tun.“

Er schüttelte verärgert den Kopf.

„Du bist dümmer als ich dachte“, sagte er. „Ich trage das goldene Zepter. Meine Männer werden tun was ich sage. Genau was ich sage.“

„Werden sie das?“, fragte sie langsam mit einem Lächeln im Gesicht.

Langsam drehte sich Volusia um und blickte durch das Fenster hinab auf den toten Körper des Prinzen, den die Wahnsinnigen nun auf ihre Schultern hoben und wie einen Märtyrer durch die Stadt trugen.

Sie hatte ihm den Rücken zugewandt als sie sich räusperte und fortfuhr.

„Ich zweifle nicht daran, dass deine Männer gut ausgebildet sind. Oder dass sie demjenigen folgen, der das Zepter in der Hand hält. Ihr Ruf eilt ihnen voraus. Ich weiß auch, dass eure Armee weitaus grösser ist als meine. Und dass es keinen Weg gibt, von diesem Ort zu fliehen. Doch du musst wissen, ich habe nicht vor zu fliehen. Ich muss nicht fliehen.“ E sah sie irritiert an und Volusia blickte weiter aus dem Fenster und ließ den Blick über den Hof wandern. In der Ferne sah sie Koolian, ihren Zauberer, der in der Menge stand und sie mit seinen leuchtend grünen Augen aus seinem warzigen Gesicht anstarrte. Er trug seinen schwarzen Mantel und war damit unverwechselbar in der Menge bunt gekleideter Irrer. Seine Arme ruhig vor der Brust gefaltet, erwartete er ihren Befehl. Er schien das einzige ruhige und gefasste Wesen in dieser chaotischen Stadt zu sein.

Volusia nickte ihm kaum wahrnehmbar zu, und er nickte sofort zurück.

Langsam drehte sich Volusia um und blickte, immer noch lächelnd, den General an.

„Du darfst mir das Zepter nun übergeben“, sagte sie. „oder ich töte euch alle und nehme es mir.“

Er sah sie sprachlos an, dann schüttelte er den Kopf und lächelte zum ersten Mal.

„Ich kenne viele wahnhafte Menschen“, sagte er. „Ich habe jahrelang einem gedient. Doch du… du bist eine Klasse für sich. Nun gut. Wenn du so sterben möchtest, dann soll es so sein.“

Er trat vor und zog sein Schwert.

Ich werde es genießen, dich zu töten“, fügte er hinzu. „Vom ersten Augenblick, als ich deine Visage gesehen habe wollte ich es tun. Deine Arroganz macht mich krank!“

Er trat auf sie zu, und als er es tat, drehte sich Volusia um und sah Koolian, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war.

Koolian wandte sich ihm zu und starrte den General an, der von seinem plötzlichen Auftauchen erschrocken war.

Koolian zog seine Kapuze zurück und sah ihn mit seinem grotesken Gesicht an – viel zu blass, mit Augen, die zurück in seinen Schädel rollten und schneeweiß waren. Langsam hob er seine Hände und plötzlich fielen der Kommandant und seine Männer auf die Knie. Sie schien und hoben die Hände an die Ohren.

„Mach, dass es aufhört!“, schrie der General.

Blut begann, aus ihren Ohren zu laufen, und einer nach dem anderen fiel bewegungslos zu Boden.

Tot.

Volusia trat langsam und ruhig vor, bückte sich und nahm dem toten General das goldene Zepter aus der Hand.

Sie hob es hoch und betrachtete es im Licht, bewunderte sein Gewicht und seinen Glanz. Sie spürte, dass es böse war.

Sie lächelte über das ganze Gesicht.

Es war noch schwerer, als sie es erwartet hatte.

*

Volusia stand auf der anderen Seite des Grabens, außerhalb der Stadtmauern von Maltolis. Ihr Zauberer Koolian, ihr Assassine Aksan und der Kommandant der volusianischen Armee, Soku, hinter ihr und betrachtete die riesige maltolisianische Armee, die vor ihr versammelt war. Soweit das Auge reichte war die Ebene der Wüste voll mit Maltolis Männern, eine größere Armee, als sie je gesehen hatte. Selbst für sie ein furchteinflößender Anblick.

Sie standen geduldig und führerlos da, und blickte sie, Volusia an, die auf einem Podium stand und sie ansah. Die Anspannung lag dick in der Luft, und Volusia konnte spüren, dass sie abwarteten und darüber nachgrübelten, ob sie sie töten oder ihr dienen sollten.

Volusia sah sie stolz an, spürte ihr Schicksal vor sich, und hob langsam das goldene Zepter über ihren Kopf. Ebenso langsam drehte sie sich in alle Richtungen, damit alle sie sehen konnten, sie und ihr Zepter, das in der Sonne glänzte.

„MEIN VOLK!“, rief sie. „Ich bin die Göttin Volusia. Euer Prinz ist tot. Ich bin jetzt diejenige, die das Zepter trägt; ich bin diejenige, der ihr folgen werdet. Folgt mir, und ihr werde Ruhm und Reichtum erwerben und alles, was euer Herz begehrt. Bleibt hier, und ihr werdet an diesem Ort im Schatten dieser Mauern verrotten, im Schatten des Leichnams eines Anführers, der euch nie geliebt hat. Ihr habt nur seinem Wahn gedient; mir sollt ihr in Ruhm und Eroberung dienen, und mit mir endlich den Anführer haben, den ihr verdient.“

Volusia hob das Zepter höher, ließ den Blick über sie schweifen, begegnete ihren disziplinierten Augen und fühlte ihr Schicksal. Sie fühlte sich unbesiegbar, als ob nichts ihr im Weg stehen konnte, nicht einmal diese riesige Armee. Sie wusste, dass sie, wie die ganze Welt, sich vor ihr verbeugen würden. Sie konnte es vor ihrem inneren Auge sehen – schließlich war sie eine Göttin. Sie lebte in einem Reich über den Männern. Welche Wahl würden sie haben?

So wie sie es sich vorgestellt hatte, hörte sie das Klirren der Rüstungen, und einer nach dem anderen gingen die Männer auf die Knie und Staub wirbelte über der ganzen Ebene auf.

„VOLUSIA!“, begannen sie zu singen, immer wieder.

„VOLUSIA!“

„VOLUSIA!“

KAPITEL VIER

Godfrey spürte den Schweiß, der seinen Hals herunterlief, als er sich unter der Gruppe der Sklaven versteckte und versuchte nicht gesehen zu werden, als sie durch die Straßen von Volusia gingen. Ein weiterer Peitschenhieb zischte durch die Luft und Godfrey schrie vor Schmerz auf, als die Spitze der Peitsche seinen Rücken traf. Die Sklavin neben ihm schrie noch lauter, denn der Schlag war für sie bestimmt und traf sie quer über den Rücken. Sie wimmerte und stolperte weiter.

Godfrey hielt sie fest und fing sie auf, bevor sie zusammenbrach, und wusste dass er damit sein Leben riskierte. Sie fing such und wandte sich ihm mit Panik und Angst im Blick zu. Als sie ihn sah, riss sie überrascht die Augen auf. Offensichtlich hatte sie nicht mit seinem Anblick gerechnet: Ein hellhäutiger Mensch, der ohne Fesseln frei neben ihr herging. Godfrey schüttelte schnell den Kopf, legte einen Finger auf seine Lippen und betete, dass sie schweigen würde. Zum Glück tat sie es.

Godfrey hörte die Peitsche wieder knallen, sah sich um und sah die Zuchtmeister, die sich die Karawane entlangarbeiteten und gedankenlos auf die Sklaven eindroschen. Sie wollten sich lediglich Respekt verschaffen. Als er sich umsah, bemerkte er direkt hinter sich die panischen Gesichter von Akorth und Fulton, deren Augen nervös hin und her wanderten, und neben ihnen die gefassten Mienen von Merek und Ario. Godfrey staunte, dass die beiden Jungen mehr Fassung und Mut zeigten als Akorth und Fulton, zwei ausgewachsenen, wenn auch betrunkene, Männer.

Sie marschierten immer weiter, und Godfrey ahnte, dass sie sich ihrem Ziel näherten, was immer es auch sein mochte. Natürlich konnte er nicht dorthin gehen: Er musste bald etwas tun. Er hatte sein Ziel erreicht – sie waren in Volusia, doch nun mussten sie sich von dieser Gruppe entfernen, bevor man sie entdeckte.

Godfrey sah sich um und bemerkte etwas, das er freudig wahrnahm: Die Zuchtmeister sammelten sich nun  weitestgehend vor der Karawane der Sklaven. Das war natürlich sinnvoll. Nachdem alle Sklaven aneinander gefesselt waren, konnten sie offensichtlich nirgendwo hin fliehen und die Zuchtmeister sahen keine Notwendigkeit, das Ende des Zuges zu bewachen. Abgesehen von einem einsamen Zuchtmeister, der peitschend neben der Karawane herlief, gab es niemanden, der sie davon abhalten würde, sich nach hinten davonzustehlen. Sie konnten fliehen und lautlos in den Straßen Volusias verschwinden.

Godfrey wusste, dass sie schnell handeln sollten, und doch pochte sein Herz jedes Mal, wenn er es in Erwägung zog. Sein Verstand sagte ihm, dass er gehen sollte, doch sein Körper zögerte immer wieder – er konnte nie den Mut zusammenkratzen, es zu tun.

Godfrey konnte immer noch nicht glauben, dass sie hier waren, dass sie es wirklich in die Stadt geschafft hatten. Es war wie ein Traum – doch ein Traum, der immer schlimmer wurde. Der Schwips vom Wein ließ nach, und je mehr er nachließ, desto mehr erkannte er, dass all das eine grundlegend schlechte Idee gewesen war.

„Wir müssen hier raus.“ Merek beugte sich vor und flüsterte drängend. „Wir müssen los.“

Godfrey schüttelte den Kopf und schluckte schwer. Schweiß brannte in seinen Augen. Ein Teil von ihm wusste, dass er Recht hatte, ein anderer Teil von ihm wollte auf den richtigen Moment warten.

„Nein“, antwortete er. „Noch nicht.“

Godfrey sah sich um und sah alle möglichen Sklaven die gefesselt durch die Straßen von Volusia gezerrt wurden, nicht nur jene mit dunkler Haut. Es sah aus, als ob es dem Empire gelungen war, die unterschiedlichsten Rassen aus allen Ecken und Winkeln des Empire zu versklaven – alles und jeden, der nicht der Rasse des Empire angehörte, jeden, der nicht ihre leuchtend gelbe Haut, ihre Größe, die breiten Schultern und die kleinen Hörner hinter den Ohren besaß.

„Worauf warten wir?“, fragte Ario.

„Wenn wir einfach so mitten auf die Straße laufen“, sagte Godfrey, „erwecken wir womöglich Aufmerksamkeit. Vielleicht fangen sie uns sogar. Wir müssen warten.“

„Warten worauf?“, drängte Merek frustriert.

Godfrey schüttelte ratlos den Kopf. Er hatte das Gefühl, dass sich sein Plan in Wohlgefallen auflöste.

 

„Ich weiß es nicht“, sagte er.

Sie bogen um eine weitere Kurve, hinter der sich die ganze Stadt Volusia vor ihnen ausbreitete. Godfrey nahm ehrfürchtig den Anblick in sich auf.

Es war die unglaublichste Stadt, die er je gesehen hatte. Godfrey, der Sohn eines Königs, war schon zuvor in großen und eindrucksvollen, reichen und gut befestigten Städten gewesen. Er hatte einige der schönsten Städte der Welt gesehen. Nur wenige Städte konnten es mit Savaria, Silesia oder gar mit King’s Court aufnehmen. Er ließ sich nicht so leicht beeindrucken.

Doch er hatte noch nie etwas wie das hier gesehen. Eine Kombination aus Schönheit, Ordnung, Macht und Reichtum. Der Reichtum dominierte offensichtlich. Das erste, was Godfrey auffiel, waren all die Götterbilder. Überall in der Stadt standen Statuen, Bildnisse von Göttern, die Godfrey fremd waren. Einer schien ein Meeresgott zu sein, der andere ein Gott des Himmels, einem dritten schienen die Hügel geweiht zu sein… Und vor allen standen Gruppen von Menschen, die sie anbeteten. In der Ferne, überragte eine riesige goldene Statue, die sich mehr als dreißig Meter erhob, die Stadt – es war die Statue von Volusia. Horden von Menschen verneigten sich vor ihr.

Was Godfrey als nächstes überraschte waren die Straßen, die mit Gold gepflastert waren, glänzend, makellos, alles außergewöhnlich ordentlich und sauber. Alle Gebäude waren aus perfekt behauenen Steinen erbaut, nicht einer war krumm. Die Straßen zogen sich unendlich lange hin, die Stadt selbst schien bis zum Horizont zu reichen. Was ihn noch sprachloser machte waren die Kanäle und Wasserstraßen, die sich mit den Straßen verwoben und das azurblaue Wasser des Meeres als Lebensadern benutzten, um alles in der Stadt fließen zu lassen. Diese Wasserstraßen waren voller reich verzierter goldener Boote, die geräuschlos auf ihnen auf und abfuhren und unter den Straßen hindurch glitten.

Die Stadt strahlte im Licht, das vom Hafen reflektiert wurde, dominiert vom allgegenwärtigen Rauschen der Wellen, da sich die hufeisenförmige Stadt um den Hafen an die Küste schmiegte, und die Wellen sich an ihrem goldenen Meereswall brachen. Das glitzernde Licht des Meeres, die Strahlen der beiden Sonnen und die reichen goldenen Verzierungen blendeten die Augen. Gerahmt wurde alles von den beiden gigantischen Säulen an der Hafeneinfahrt, die hoch in den Himmel ragten, eine Bastion der Stärke.

Godfrey erkannte, dass die Stadt mit dem Ziel einzuschüchtern und Reichtum auszustrahlen erbaut worden war, und sie erfüllte ihren Zweck gut. Es war eine Stadt die Fortschritt und Zivilisation ausstrahlte, und wenn Godfrey nicht über die Grausamkeit ihrer Bewohner Bescheid gewusst hätte, wäre es eine Stadt gewesen, in der er selbst gerne gelebt hätte. Sie war so anders als alles, was der Ring zu bieten hatte. Die Städte des Rings waren erbaut um zu beschützen und zu verteidigen. Sie waren bescheiden und unaufdringlich, wie ihre Bewohner. Die Städte des Empire andererseits waren offen, furchtlos, und erbaut, um Reichtum zur Schau zu stellen. Godfrey erkannte, dass das durchaus einen Sinn ergab: Schließlich mussten sich die Städte des Empire nicht vor Angriffen fürchten.

Godfrey hörte vor sich lauten Aufruhr, und als sie um eine weitere Ecke bogen öffnete sich plötzlich ein riesiger Platz vor ihnen, und dahinter lag der Hafen. Es war ein großer, mit Steinen gepflasterter Platz, eine der großen Kreuzungen der Stadt, vom dem ein Dutzend Straßen in alle Richtungen führten. All das konnte er nur bruchstückhaft durch einen großen steinernen Bogen der zwanzig Meter vor ihnen lag erkennen. Godfrey wusste, dass sie, sobald ihre Karawane hindurch war, auf einer offenen Fläche waren und nicht mehr entkommen konnten. Was noch beunruhigender war, war dass Godfrey sah, wie aus allen Richtungen Sklaven aus allen Winkeln des Empire von Zuchtmeistern hierher geführt wurden. Alle waren gefesselt und wurden auf eine hohe Plattform am Rande des Meers gezerrt. Die Sklaven standen oben, während reiche Bürger des Empire sie betrachteten und ihre Gebote abgaben. Es sah aus wie ein Versteigerungspodest.

Jubel brandete auf, und Godfrey beobachtete, wie ein Adliger des Empire den Kiefer eines Sklaven untersuchte, eines Sklaven mit weißer Haut und strähnigem braunem Haar. Der Adlige nickte zufrieden, und ein Zuchtmeister kam und legte dem Sklaven Fesseln an, als ob damit das Geschäft abgeschlossen war. Der Zuchtmeister ergriff den Sklaven beim Hemd und warf ihn mit dem Gesicht voran von der Plattform auf den Boden. Der Mann schlug hart auf dem Boden auf und die Menge jubelte zufrieden, als mehrere Krieger kamen und ihn davonzerrten.

Eine weitere Sklavenkarawane kam aus einer anderen Ecke der Stadt und Godfrey sah zu, wie der größte Sklave vorgeschoben wurde. Er war mehr als einen Kopf grösser als die anderen, stark und gesund. Ein Empire-Krieger hob seine Axt und der Sklave duckte sich.

Doch der Zuchtmeister schlug seine Fesseln durch und das Klirren der Axt hallte über den Platz.

Der Slave sah den Zuchtmeister verwirrt an.

„Bin ich frei?“, fragte er.

Doch mehrere Krieger kamen herbeigeeilt, ergriffen die Arme des Sklaven und zerrten ihn zum Sockel einer großen Statue im Hafen, eine weitere Statue von Volusia, deren Finger hinaus aufs Meer wies. Wellen brachen sich unter ihren Füssen.

Die Menge versammelte sich dicht um sie herum, als die Krieger den Mann festhielten und seinen Kopf mit dem Gesicht voran auf den Fuß der Statue drückten.

„NEIN!“, schrie der Mann.

Der Empirekrieger mit der Axt trat wieder vor, schwang sie erneut, und diesmal enthauptete er den Mann.

Die Menge jubelte verzückt, und ging auf die Knie, um der Statue zu huldigen während das Blut über ihre Füße floss.

„Ein Opfer für unsere große Göttin!“, rief der Krieger. „Wir widmen dir die besten unserer Früchte.“

Die Menge jubelte erneut.

„Ich weiß nicht, wie es mit dir steht“, flüsterte Merek drängend in Godfreys Ohr, „doch ich habe keine Lust mich irgendeinem Idol opfern zu lassen. Nicht heute.“

Ein weiterer Peitschenhieb, und Godfrey konnte sehen, dass der Eingang zum Platz näher kam. Sein Herz pochte, während er über Mereks Worte nachdachte – er hatte Recht. Er wusste, dass sie etwas tun mussten, und zwar schnell.

Eine plötzliche Bewegung ließ Godfrey herumfahren. Aus dem Augenwinkel sah er fünf Männer in leuchtendroten Umhängen mit Kapuzen, die schnell die Straße hinunter in die andere Richtung gingen. Er bemerkte, dass sie weiße Haut, Hände und Gesichter hatten, sah dass sie zierlicher waren, als die muskelbepackten Rohlinge der Rasse des Empire und wusste sofort, wer sie waren: Finianer. Die einzige Ausnahme. Ihnen war erlaubt, frei zu leben, Generation um Generation, denn sie waren zu reich, um sie zu töten, hatten zu gute Verbindungen, und waren zu fähig, sich unabdingbar zu machen und mit ihrer Macht zu verhandeln. Sie waren leicht zu erkennen, hatte man ihm gesagt – an ihrer schneeweißen Haut, an ihren scharlachroten Umhängen und dem kupferroten Haar.

Godfrey hatte eine Idee. Jetzt oder nie.

„BEWEGT EUCH!“, rief er seinen Freunden zu.

Godfrey drehte sich um und rannte hinten aus der Karawane heraus, vorbei an den überraschten Sklaven, dicht gefolgt von den anderen.

Godfrey rannte keuchend, beladen mit den schweren Goldsäcken an seinem Gürtel, die bei jedem Schritt klirrten. Vor sich sah er die fünf Finianer in eine schmale Gasse einbiegen; Er rannte direkt auf sie zu und betete, dass sie die Gasse erreichten, bevor sie jemand entdeckte.

Godfrey, dessen Ohren rauschten, bog um die Ecke, und als er die Finianer vor sich sah, sprang er ohne weiter nachzudenken hoch und warf sich von hinten auf die Gruppe.

Er warf drei der Männer zu Boden, und seine Rippen schmerzten, als er mit ihnen auf dem Steinboden aufschlug. Er blickte auf und sah Merek, der seinem Beispiel folgte, einen weiteren angreifen, während Akorth sich auf einen weiteren stürzte und Fulton den letzten, den kleinsten der Gruppe angriff. Godfrey sah entnervt, wie Fulton sein Ziel verfehlte und stattdessen stöhnend zu Boden stolperte.

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