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Die Mohicaner von Paris

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XV
Das Hauswesen des Schulmeisters

Das Haus, dessen Erdgeschoß Justin bewohnte, hatte über dem Erdgeschoße nur einen Stock.

Dieser Stock bestand aus zwei Stuben und einem Cabinet, und dem man eine Küche gemacht hatte.

In diesem ersten Stocke wohnten die Mutter und die Schwester des jungen Mannes.

Das einzeln im Hofe stehende Hündchen, das mit den benachbarten Häusern nur durch eine seiner Seiten zusammenhing, war aller Wahrscheinlichkeit nach gebaut worden, um als Wohnung für den Werkführer der Spinnerei zu dienen, deren Trümmer man einige Schritte von da erblickte.

In diesem finsteren, ungesundeste Winkel, dem sein Licht nur von einem mit hoben Gebäuden umgebenen Hofe zukam, schmachteten eine Mutter. ihre Tochter und ihr Sohn.

Die Mutter, eine von Blindheit geschlagene arme Frau hielt sich im ersten Zimmer auf, wo ihre Kinder sich alle Abende versammelten; sie überschritt vielleicht nicht dreimal im Jahre die Schwelle diesen Zimmers.

Fromm, vereinzelt, des Gesichtes beraubt, war sie geduldig.

Man hatte sie nie klagen hören: sie besaß die erhabene Resignation einer Matrone des Alterthums und übte die strengen Tugenden einer solchen; Sparta hätte sie göttlich verehrt, ein Decret den römischen Senats hätte befohlen, sich vor ihr zu entblößen, wie vor einer Priesterin der großen Göttin.

Die französische Gesellschaft marterte sie.

Ah! die französische Gesellschaft, sie ist es, der wir diesmal zu Leibe gehen.

Wir wissen wohl, daß wir unterliegen werden, wie Jakob in seinem Kampfe mit dem Engel; doch wenn wir einst Gott Rechenschaft ablegen. und Gott spricht zu uns: »Was habt Ihr gethan?« so werden wir ihm antworten: »Es war uns unmöglich, zu siegen; wir haben gekämpft.«

Die Tochter, ein kränkliches, schwächliches Geschöpf, ohne Athem; eine Blume der Felder, eine Maßliebe der Wiesen, ein Maiblümchen des Waldes in einen Keller verpflanzt, die Tochter besaß einige von den soliden Tugenden der Mutter, doch sie hatte entfernt nicht ihre Selbstverleugnungsstärke.

Mit einem Aneurysma behaftet, das sie bei der ersten heftigen Erschütterung zu tödten drohte, instinktartig ihre junge Existenz durch die Mauer eines Kirchhofes geschlossen fühlend, wurde ihre Resignation manchmal zur Verrätherin an ihr; nicht, als ob ihr je ein Wort der Bitterkeit entschlüpft wäre, – sie war zu christlich hierzu – doch sie ließ sich wenn man so sagen darf innerlich brechen; ihre Verzweiflung war in ihr: von Zeit zu Zeit trug ihre elfenbeinfarbige Stirne das Gepräge davon an sich, und ihre Mutter erblickte mit den Augen des Herzens diese düsteren Spuren . . .

Vom Morgen bis zum Abend in seiner Classe beschäftigt, konnte der Sohn selten am Tage zu den zwei Frauen hinaufgehen; diese Freude war ihm nur dann vergönnt, wenn ihn sein alter Professor besuchte und sich herbei ließ, auf eine Stunde seine Stelle in Beaufsichtigung der Kinder einzunehmen.

Die Schule wurde im Sommer um acht Uhr Morgens geöffnet und um sechs Uhr Abends geschlossen, im Winter um neun Uhr geöffnet und um fünf Uhr geschlossen.

Fast alle diese Kinder waren Söhne von Arbeitern der Vorstadt. bestimmt. früher oder später das Handwerk ihres Vaters zu ergreifen; sie halten also nicht nötig, Studien im Lateinischen und Griechischen zu machen.

Es waren aber zwei unter der Zahl, von denen der Vater, der, früher Arbeiter bei einem Mechanikus, ein wohlhabender Meister geworden war, den Einen für die Ecol Polytechnique, den Andern für die Ecol des Arts-et-Métiers bestimmt hatte.

Man sollte sie ins Collége bringen, sobald sie ihr zwölften Jahr erreicht hätten. Sie hatten noch, der Aeltere zwei Jahre, sein Bruder drei Jahre vor sich. Justin, der sie mit wunderbaren Fähigkeiten begabt sah, befruchtete diese guten Keime und theilte ihnen, der arme Prometheus, ein. wenig von dem heiligen Feuer mit, das der alte Professor in ihm entzündet hatte.

Diese zwei Knaben ausgenommen, welche die hohen Studien ein wenig in ihm zurückriefen, wollten die anderen Kinder nur die im Programme ausgesprochenen, einfachen Elemente lernen, und ihre Eltern wollten nicht, daß man sie etwas Anderes lehre.

Durch diese geringe Anforderung. hinsichtlich des Unterrichtes, erfolgte, daß die Mutter und die Schwester den jungen Mann unterstützen und im Nothfall ersetzen konnten.

Befand sich die Schwester wohl, so ging sie in die Stube von Justin hinab, welche, wie gesagt, als Schule diente, und während der Sohn einige Augenblicke, der Mutter Gesellschaft leistete, ließ sie die Kinder lesen und lehrte sie dieselben bis hundert zählen. indem sie die Ziffern mit einem Stück Kreide auf die Tafel zeichnete.

Jeden Tag empfing die Mutter in ihrer Stube das Drittel der Classe, sechs kleine Kinder, das war die Verthältlichung des sinite parvulos ad me venire. Die sechs Kinder knieten um den Strohstuhl, wo sie saß, lehrte sie ihr Gebet sprechen und erzählte ihnen eine rührende Episode aus dem Alten Testament.

Das war ein anbetungswürdiges Schauspiel, diese sechs blonden Köpfe und diese zwölf rosigen Lippen, gleichförmig geöffnet, um Gebete zu murmeln.

Man hätte glauben sollen, so knieend verbinden sie ihre Herzen, um Gott zu bitten, daß er der armen Bresthaften das Gesicht wiedergebe.

So war bis zum Monat Juni des Jahres 1821 das einsiedlerische, traurige Leben, das diese kleine Familie führte.

Den alten Professor ausgenommen. der oft einige Stunden bei ihnen zubrachte, störte nichts den Lauf dieses friedlichen Daseins, das so flach wie eine Ebene, so monoton wie sie.

Zuweilen im Sommer erlaubte man sich einen Spaziergang: in diesem Falle wandte man sich gewöhnlich gegen Montrouge.

Ach! man hatte von den Wäldern von Meudon, Versailles und Montmorency. von den grünen Teppichen Abschied genommen, um dem Rande ausgetrockneter, kreidiger Gräben zu folgen; die Mutter und die Tochter konnten nicht, die Eine blind, die Andere schwach und kränklich, die langen Spaziergänger unternehmen, welche ein Mann von fünfundvierzig Jahren und ein Knabe von zwölf machten.

Bei den großen Gängen erreichte man Montrouge, in der Regel hielt man aber bei zwei Dritteln oder auf der Hälfte des Weges an; man setzte sich an den Rand der Straße, und ein paar Stunden lang entlehnte man von der Sonne Licht und Wärme für den Rest des Tages.

Im Winter setzte man sich an einen kleinen Porzellanofen und in diesen legte man gewissenhaft zwei kleine Scheiter für den ganzen Abend, der bis neun Uhr dauerte.

Es war wohl ein Kamin da, doch ein ungeheurer, in welchem man alle acht Tage eine Fahre Holz verbrannt hätte.

Man hatte ihn verstopft: wenn die Kamine nicht warm halten, so halten sie kalt.

Kam Herr Müller um neun Uhr, so machte man unabänderlich den Vorschlag, ein Scheit in das Feuer zu legen; aber ebenfalls unabänderlich schlug es der gute Professor aus, unter dem Vorwande, er sei in vollem Schweiße, und von diesem Augenblick rückte man ein wenig näher um den unnützen Ofen zusammen.

Um den Mangel des Feuers vergessen zu machen, erzählte der wackere Mann sodann eine lustige Geschichte, – wie sie die Witwe von Scarron erzählte, um die Abwesenheit des Bratens vergessen zu machen, – und seine Heiterkeit erwärmte seine Zuhörer wie ein wohlthätiger Strahl.

Die Heiterkeit ist die Sonne, welche von Zeit zu Zeit auf den Winter der Armuth scheint!

Während dieser zwei letzten Jahre besonders schätzte Justin die Wohlthaten der Musik.

Sobald es neun Uhr geschlagen und man sich durch das letzte Vibriren der Glocke von Saint-Jacques-du-Haut-Pas versichert hatte, der Abend werde ohne den Besuch von Herrn Müller vorübergehen. küßte Justin seine Mutter und seine Schwester und. ging in sein Zimmer hinab.

Hier zündete er eine Kerze an, welche von einem an einem Pulte befestigten Leuchter getragen wurde, öffnete auf diesem Pulte ein altes Musikbuch, schaute es einen Augenblick an, nahm das Violoncell aus seinem Kasten, stäubte es sorgfältig mit seinem Taschentuche ab und schloß es wie einen Freund in seine Arme.

E! mein Gott! war es nicht in der That ein Freund? war es nicht die göttliche Stimme, welche, sie harmonisch formend, alle innerste Klagen des jungen Mannes aushauchte, diese Klagen, die, die ganze übrige Zeit stumm, nur zwei Stunden Zeit hatten, um sich zu ergießen? war es, nicht die wohlthätige Quelle, woran sich das durstige Herz tränkte? war es nicht ein anderes Er selbst, ein sprechender Spiegel, dieses sonore Instrument, dem er seine Leiden erzählte, und das sie wie ein getreues Echo wiederholte?

Da seine ganze Familie nur aus einer blinden Mutter und einer kranken Schwester bestand, da er zum einzigen Gefährten nur seinen alten Professor, zu Zeugen nur die kahlen Wände seiner Stube hatte, so hatte er sie aus seinem Violoncell einen jungen Freund, eine Familie, ein Vaterland gemacht.

Er athmete auch am Abend zwei Stunden lang die belebende Luft ein, die ihm den ganzen Tag gefehlt hatte.

allmählich aber wurde seine Atmosphäre, trotz der harmonischen Schwingungen des wohlthätigen Instruments, schwerfälliger; es fing an ihm an Luft zu fehlen; er versank ohne sein Wissen, in eine tiefe Melancholie, der ihn Herr Müller, welcher dies bald gewahr wurde, hartnäckig zu entziehen suchte.

»Du wirst vor der Zeit alt werden,«. sagte er zu ihm; »Du wirst in Deinen besten Jahren verwelken; Du mußt ausgehen, ein wenig Menschen sehen, das Leben wenigstens mit dem Ellenbogen berühren, wenn Du Dich nicht darein mischen kannst. Die Ferienzeit rückt heran, wir müssen einen Ausflug mit einander machen. Triff Deine Anstalten: am 15. August werde ich Dich abholen.

Er verwelkte in der That in seinen schönsten Jahren, der arme Schullehrer! sein Auge wurde trübe, seine Wangen höhlten sich aus, seine Stirne bedeckte sich mit Falten, seine Haut vergelbte, wie das Pergament an seinen alten Büchern; man hätte glauben sollen, er habe dreißig Jahre zurückgelegt, und er trat doch kaum in sein dreiundzwanzigstes Jahr ein; es trug aber auch Alles dazu bei, ihn alt zu machen: die Leute, mit denen er lebte, die Stube, wo er wohnte; sein Gesicht, seine Haltung, sein Gang, seine Stimme, kurz seine ganze Person entlehnte von denjenigen, welche ihn umgaben, und von allen Gegenständen, die er vor Augen hatte, ihr Alter und ihre Armuth.

 

Er wäre sicherlich unterlegen, hätte ihn nicht ein neuer Kummer erschüttert und ihn homöopathisch. – das Wort war noch nicht erfunden, doch Alles was erfunden werden soll, existiert zum Voraus, – hätte ihn nicht ein neuer Kummer, sagen wir, homöopathisch dem Leben zurückgegeben.

Ach! es ist mit dem Schmerze wie mit gewissen Krankheiten: man heilt die einen durch die andern . . .

Justin verdiente, wie man weiß, tausend und achtzig Franken jährlich, und mit dieser geringfügigen Summe vermochte er die dringendsten Bedürfnisse zu bestreiten; konnte er aber etwas von einem so dürftigen Einkommen ersparen? Trieb er die Sparsamkeit nicht schon bis zur Entbehrung?

»Du mußt die Welt, wenn nicht sehen, doch wenigstens mit dem Ellenbogen berühren,« sagte der alte Meister.

Das ließ sich leicht sagen! – War es aber möglich, dies zu thun mit der fadenscheinigen Kleidung, die man seit vier Jahren im Sommer wie im Winter trug? —

Ueberdies war die ganze Ausstattung des Hauses zu erneuern wie die von Justin.

Die Schwester hatte Wunder der Flickerei an altem Weißzeug vollbracht; die Strümpfe des Bruders waren vom Saume bis zur Fußspitze eine herrliche Mosaikarbeit. Wohl hatte man sich gelobt. nur in der äußersten Noth etwas zu kaufen, doch so weit war man gekommene alle diese ausgebesserte, gestickte Wäsche, welche die armen Leute nie verlassen hätten, sie verließ sie; denn es ist mit der Wäsche wie mit den Freunden. hatte der alte Professor den so bekannten Vers:

Donec eris felix, multos numerabis amicos! citirend bemerkt.

»So lange Ihr keine Strümpfe nötig habt, habt Ihr!« hatte er gesagt, »und habt Ihr nötig, so fehlt es Euch daran!«

Man hatte bei dieser Bemerkung des alten Müller gelächelt«, jedoch traurig.

Man mußte also einen neuen Erwerbszweig aufsuchen, und besonders mußte man sich beeilen, denn der Augenblick sollte kommen, wo er zu schlecht gekleidet wäre, um ihm nachzugehen.

Und warten bis er käme, hieß Gefahr laufen, zu lange zu warten.

Justin klopfte aufs Neue an alle Thüren.

Die Mehrzahl der Thüren blieb verschlossen, einige öffneten sich. um eine Abweisung passieren zu lassen.

Man ging am Abend spazieren, da man nicht mehr bei Tage spazieren zu gehen wagte.

Als sich Justin eines Abends bei der Barrière du Maine befand und auf seinen alten Professor wartete, mit dem er zu einer Dame gehen sollte, deren Sohn eine Repitition verlangte, hörte er über seinem Kopfe einen Streit zwischen dem Contrabassisten und dem zweiten Violinisten.

Woher kam dieser Streits aus welcher Quelle entsprang er? die Sache blieb Justin unbekannt, und dieser schenkte ihr auch nicht mehr Aufmerksamkeit als irgend einer Sache, die für ihn ohne Interesse, – als folgende Worte an sein Ohr trafen:

»Herr Duruflé,« sagte der Contrabassist, »nach dem, was vorgefallen, schwöre ich, daß ich nie mehr einen Fuß in dasselbe Haus mit Ihnen setze, und zum Beweise gehe ich auf der Stelle von hier weg!«

Der Contrabassist kam in der That mit raschen Schritten. seinen Contrabaß unter dem Arm und mit seinem Bogen wie mit einem Flamberg fechtend, heraus.

Es mußte etwas sehr Ernstes zwischen dem zweiten Violinisten und ihm vorgefallen sein.

»Oh!« machte plötzlich Justin, »oh! . . . «

Und er schlug sich vor die Stirne.

Es war ihm ein Gedanke gekommen«

Zu gleicher Zeit, da dieser Gedanke zu Justin durch das Fenster der Schenke kam, kam Herr Müller seinerseits vom Ende der Straße herbei.

XVI
Vom Musiker Spielmann

Justin erwartete seinen Professor, ohne einen Schritt zu thun. um ihm entgegen zu gehen; man hätte glauben sollen, seinen Platz verlassend, befürchte er seinen Gedanken zu verlieren.

Er erzählte dem Greise, was vorgefallen war.

»Ah! Ah!« sagte dieser, »eine erledigte Stelle!«

Und plötzlich kam ihm auch ein Gedanke: dieser Platz des Contrabassisten in einer Schenke, so widrig er wäre, hätte den Vortheil, daß er die Eintönigkeit des Lebens des jungen Mannes bräche.

Ueberdies wäre der Ertrag eine große Erleichterung für die arme Familie.

»Aber,« fügte er bei, »wird man ihn Dir geben wollen?«

»Ich hoffe es,« erwiderte bescheiden Justin.

»Ich glaube es,« sprach Müller, »aber sie müßten teufelsmäßig schwierig sein.«

»Nun, ich will hineingeben und mich erkundigen.«

»Ich gehe mit Dir hinein und erkundige mich mit Dir,« versetzte der gute Professor.

Justin hütete sich wohl, das Anerbieten auszuschlagen.«

Es läßt sich leicht begreifen, welche Wirkung in einer solchen Kneipe der Eintritt dieses ernsten jungen Mannes und dieses ruhigen Greises, – Beide schwarz gekleidet, – hervorbrachte.

Die Tänzer zeigten sie mit dem Finger ihren Tänzerinnen und schlugen ein Gelächter auf.

Die zwei Freunde bemerkten diese Heiterkeit nicht, so allgemein sie war, oder thaten nicht, als bemerkten sie dieselbe.

Sie fragten bei einem der Kellner nach dem Herrn der Anstalt.

Ein dicker Bursche von einem Schenkwirth, rund wie Silen, röther als der Wein, den er seinen Kunden vorsetzte, kam mit einer geschäftigen Miene herbei, ohne Zweifel im Glauben. es handle sich um eine bedeutende Bestellung.

Die zwei Freunde richteten schüchtern ihr Gesuch an ihn.

Und wenn man bedenkt, daß das Herz eines intelligenten Mannes, eines Künstlers, eines Sohnes, der seine Mutter ernährte, eines Bruders, der seine Schwester ernährte, eines nützlichen und kostbaren Bürgers heftig schlug aus Furcht, er könnte sich mit seiner Bitte,Spielmann in einer Schenke zu werden, abgewiesen sehen.

Ach! Alles ist relativ auf dieser Welt!

Die Bewilligung dieses Platzes übersetzte sich durch einen schwarzen Rock und Hosen für ihn, durch einen wattierten Rock für seine Mutter, durch ein Kleid für seine Schwester.

Oh! lacht, lacht, Ihr, die Ihr nie den Hunger und die Kälte für theure Wesen zu befürchten gehabt habt! doch für mich, der ich auch eine Mutter und eine Schwester mit hundert Franken monatlich zu ernähren hatte, ist das Lachen eine Ruchlosigkeit!«

Die zwei Freunde setzten also schüchtern ihr Gesuch auseinander.

Der Wirth erwiderte, das sei nicht seine Sache, das gebe den Orchesterchef an.

Er erbot sich übrigens, ihm die Bitte des jungen Mannes vorzulegen. was angenommen wurde, und nach fünf Minuten brachte er die befriedigende Antwort, Justin, wenn er die für das wichtige Geschäft eines Contrabassisten an den Barrière unerläßlichen wissenschaftlichen Bedingungen erfülle, könne sogleich gegen drei Franken für die Marke eintreten.

Es war dreimal in der Woche Ball, und er würde folglich sechsunddreißig Franken monatlich verdienen.

So viel hatten ihm ungefähr seine acht ersten Schüler eingetragen; es war also Peru, – im Jahre 1821 sagte man Peru, heute sagt man Californien, – es war also Peru für ihn, dieser Platz: er willigte auch ein und verlangte nur Zeit, um sein Violoncell im Faubourg Saint-Jacques zu holen.

Doch man antwortete ihn, das sei unnötig; man hatte die Desertion des Contrabassisten vorhergesehen und war für einen Contrabaß besorgt gewesen, der, am Ende der zweite Violinist gespielt hätte. Ein Contrabassist bot sich an der Stelle des Abgegangenen an; Alles stand also aufs Beste wie in der Welt von Pangloß.

Justin war entzückt in der Tiefe des Herzens, daß sein Violoncell, ein jungfräuliches Instrument, fromm und einsiedlerisch, der Profanation entging, mit der es bedroht gewesen.

Der junge Mann dankte Herrn Müller und wollte ihn wegschicken, doch der gute Professor erklärte, er werde den Debuts seines Zöglings beiwohnen und um ihn durch seine Gegenwart zu ermuthigen, die Anstalt erst nach Beendigung des Balles verlassen.

Justin dankte seinem Professor die Hand, ließ sich den Contrabaß bringen und nahen seinen Platz im Orchesters zum großen Erstaunen der Zuschauer, welche ganz bereit ihn bei seinem Eintritt auszupfeifen, nun fast versucht waren, ihm Beifall zu klatschen.

Es war ein eines Genremalers würdiges Gemälde, dieses Orchester, – wenn es erlaubt ist, den anspruchsvollen Namen dem Vereine der acht Tauben zu geben, welche die höllischen Quadrillen spielten, bei deren Tönen die drei bis vierhundert, die Stammgäste genannter Schenke bildendem Personen tanzten; – es war, sagen wir, ein eines Genremalers würdiges Gemälde, dieses Orchester, in dessen Mitte, mit ihm vermengt, ein junger Mann, still und ernst wie der arme Justin saß.

Er hatte das Aussehen eines Märtyrer-Musikers, der mit dem Stricke um den Hals zur Belustigung eines Volkes von Heiden spielen würde.

Beleuchtet durch die über seinem Kopfe hängenden Lampen, erschien sein Gesicht in seinem vollen Ausdruck.

Justin war durchaus nicht schön. der arme Junge! doch man fühlte. daß die dürftige Luft. die dieser ganzen Physiognomie den Ton gab, die wahre oder vielmehr die einzige Ursache war, die sein Gesicht häßlich machte: zöge die Erleuchtung der einfachsten Freuden über diese Stirnes glänzte ein reines Gefühl des Glückes oder des Vergnügens in diesen Augen, öffnete ein Lächeln diese Lippen, so würde dieses Gesicht gewiß, in Ermangelung der Schönheit, alsbald das Gepräge einer engelischen Sanftmuth und einer seltenen Distinction annehmen.

Mit beiden Händen einen Contrabaß von der doppelten Höhe seines Violoncells bearbeitend, mit seinen langen blonden Haaren, welche auf seine Stirne fielen, wenn das Tempo eilig war, mit seinen großen. Blauen, schwimmenden Augen, mit dem über seine ganze Person, verbreiteten Aussehen von Traurigkeit mußte er nothwendig Jedem, der ihn in diesem Moment gesehen hätte, ein tiefes Interesse, eine mächtige Sympathie einflößten.

Stellt Euch Lißt vor, jung von Alter, schön von Begeisterung.

Nun! das war unser Schulmeister Justin.

Nach dem Contretanz machte ihm der Orchesterchef die aufrichtigsten Complimente und seine Collégen, die Instrumentisten, spendeten ihm lauten Beifall.

Tänzer und Tänzerinnen klatschten in die Hände.

Der gute alte Professor war außer sich vor Freude; er klatschte auch in die Hände und weinte vor Rührung.

So wahr ist es, daß der Triumph immer der Triumph bleibt, wer auch diejenigen sein mögen, welche ihn zuerkennen.

Um elf Uhr erkundigte sich Justin, wie lange der Ball dauern werde.

Man antwortete ihm: »Manchmal bis Morgens um zwei Uhr.«

Da winkte er dem guten Müller.

Dieser eilte herbei.

Die Mutter und die Schwester, welche in einer tödtlichen Angst sein mußten, sollten benachrichtigt werden: nie, gar nie war Justin über zehn Uhr auswärts geblieben.

Der gute Professor begriff die Lager er lief über Hals und Kopf weg und fand Madame Corby, – dies war der Name der Mutter von Justin den wir zum ersten Male auszusprechen die Ehre haben. – und fand Madame Corby und ihre Tochter im Gebete.

»Nun,« sprach er eintretend. »Ihre Gebete sind erhört, tugendhafte Frau und fromme Mutter; Justin hat eine Stelle von sechsunddreißig Franken monatlich gefunden!«

Die zwei Frauen gaben einen Freudenschrei von sich.

Der Professor erzählte ihnen das Abenteuer.

Mit dem vollkommenen Zartgefühl, dass gewöhnlich die Frauen besitzen, begriffen Madame Corby und ihre Tochter den Umfang des Opfers, das ihr Sohn und ihr Bruder den Bedürfnissen der Lage brachte.

»Guter theurer Justin!« sprachen sie.

Und es lag in ihrem Tone ein so zärtlicher Ausdruck, daß er beinahe klagend war.

»Oh! bemitleiden Sie ihn nicht,« sprach der Professor. »Das ist ein Triumph! Er ist schön, er ist herrlich! er gleicht Weber, als er jung war.«

Und nachdem er so gesprochen, da er nicht mehr zu sagen gewußt hätte, nahm er Abschied von den zwei Frauen, um nach der Schenke zurückzukehren.

Er verließ die Barrière erst mit seinen Zögling Morgens um zwei Uhr.

Sie fanden die Riegel der Hausthüre durch die Sorge der Schwester von Justin zurückgezogen.

Am Ende des Monats hatte Justin zwölfmal gespielt, und er erhielt seine sechs und dreißig Franken.

Man konnte mit diesen sechs und dreißig Franken die nothwendigsten Gegenstände kaufen.

Und nun glauben wir unsern Lesern hinreichend gezeigt zu haben, was Alles gründlich Gutes und Redliches im Herzen unseres Helden war, wir werden daher nur noch ein. paar Worte beifügen, um das Gemälde seines Charakters zu vervollständigen.

 

Dieser Charakter war übrigens in seinem Gesammtwesen leicht durch ein einziges Wort zu definieren.

Es war das Wort, durch das Salvator Jean Robert die Melodie, welche Justin ausführte, bezeichnet hatte:

Resignation.

Setzen wir hinzu, daß, wenn diese Tugend, eine etwas negative Tugend, je eine menschliche Gestalt annähme, um auf die Erde herabzusteigen, sie gewiß keine andere als die des ergebenen Justin wählen würde.

Man erlaube uns, ein wenig Analyse zu machen: wir haben zehn Bände vor uns, – zwanzig, wenn uns zehn nicht genügen, – und überdies ist es nicht ein Abenteuer, was wir erzählen, sondern die Geschichte eines leidenden Herzens. Durchforschen wir dieses Herz bis in seine verborgensten Falten; sehen wir, was aus diesem durch das Unglück so wohl gestählten Charakter werden wird; sehen wir, was daraus werden wird vor einem ungeheuren Glück oder vor einem unermeßlichen Schmerz!

Wird es widerstehen oder brechen?

Die Leser mögen uns glauben. es ist hierbei ein Studium von ergreifendem Interesse.

Hier ist ein in der vollen Bedeutung des Wortes jungfräulicher Mann; er hat bis jetzt gelebt wie die Vögel des Himmels, von Luft zu Luft, von Ebene zu Ebene das Korn suchend, das er nach seinem Neste zurückbrachte; bis heute war es sein einziger Gedanke, seine einzige Sorge die materiellen Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen; um den Preis seiner Nachtwachen, um den Preis seines Schweißes um den Preis seines Blutes ist es ihm gelungen, seiner armen Familie immer die Existenz, manchmal sogar eine Art von Wohlstand zu geben.

Was hat er für sich selbst getan?

Nichts!!

Würde er nicht allein in der Welt, wenn er weder Schwester, noch Mutter gehabt hätte, Mittel gefunden haben, seine Studien fortzusetzen, Baccalaureus, Licentiat zu werden, wer weiß? vielleicht Doktors und nun, statt des Lehrstuhles einer Fakultät auf den ihn seine Arbeit gebracht hätte, statt des ehrenvollen Ranges, zu dem er durch die Beharrlichkeit gelangt wäre, welche einer der unterscheidenden Charaktere seiner ergebenen Natur ist, liegt er begraben in einer Art von Casematte, wo ihn die Pflicht fest genagelt hat, wo ihn die kindliche Frömmigkeit gefesselt hält.

Oh! wir, die mir unsere Mutter so sehr geliebt haben und so zärtlich von ihr geliebt worden sind, werden uns gewiß nie über die Familie beklagen.

Absorbiert aber die Familie, – welche in Folge eines großen Unglücks Unterstützung von der Gesellschaft erhalten sollte, – von ihr dem Elend überlassen, einer Luftpumpe ähnlich, die Luft von einem ihrer Mitglieder, wenn wir uns dann nicht laut beklagen, so vermöchte uns doch Niemand zu verhindern, daß wir leise seufzen.

Von seiner Familie kam also das ganze Unglück von Justin;«und dennoch würde ihm, dem Goldherzen, nichts eine so tiefe Verzweiflung verursacht haben, als nur der Gedanke, seine Familie hätte nicht mehr existieren können.

Wie konnte er also da herauskommen?

Justin wollte nicht herauskommen: er wollte fortfahren; morgen zu leben, wie er gestern gelebt; wie er seine Jünglingszeit geopfert hatte, so würde er sein reiferes Alter, sein Leben opfern.

Doch es würde für ihn das Alter, sich zu verheirathen, eintretend eine Frau würde ihm mitten in dieser Einöde, statt dieser Dürre, alle Heiterkeiten, alle Freuden, alle Berauschungen der Jugend bringen . . .

Acht wo sie finden, diese gesegnete Frau, diese angebetete Rachel?

Hatte man Laban zehn Jahre Zeit und Arbeit zu geben?

Welche Gesellschaft sah man?

Genügte es, sich ans Fenster zu stellen, um in der Ferne das gelobte Land der jungen Leute zu sehen, das man ein Mädchen nennt?

Und dann, im Grunde, würde er es wagen, zu heirathen, der ehrliche und ängstliche Justin?

Sagte ihm sein Gewissen nicht, die Heirath sei ein Vertrag, der die Seelen ebenso binde, wie die Hände?

Und gehörte seine Seele ihm?

Gehörten seine Hände ihm?

Stand es ihm frei, eine Fremde an den mütterlichen Herd zu führen? würde er nicht das, was er an Zärtlichkeit einer Gattin gegeben hätte seiner Mutter, seiner Schwester genommen haben?

Dies, was die Seele betrifft.

»Würde die Frau, die Gattin nicht in den Ansprüchen ihrer Jugend, der Coquetterie ihres Putzes einen Theil von dem geringen Einkommen verzehren?

Dies, was die Hände betrifft.

Nein, die Heirath war kein Mittel, diesem tiefen Unglück abzuhelfen.

Man mußte also die Selbstverleugnung ewig fortsetzen.

Das war es was Justin that.

Vielleicht in den Drangsalen sterben!

Das war er zu thun bereit.

Oder Alles von der Güte Gottes erwarten.

Ach! Gott hatte bis jetzt die arme Familie nicht verwöhnt und ohne eine Ruchlosigkeit war es ihm wohl erlaubt, zu zweifeln.

Dennoch war es die Hand Gottes, welche Justin aus diesem Abgrunde zog.

Eines Abends im Monat Juni, als nach einem der Sonnentage, da in der Natur ein Fest ist, Justin mit seinem alten Lehrer von einem Spaziergange nach der Ebene von Montrouge zurückkam, erblickte der junge Mann unter dem Getreide, den Klapperrosen und den Kornblumen ein Mädchen von neun bis zehn Jahren, das in tiefem Schlafe zu liegen schien.

Gott sandte ihm unter der Gestalt dieses Mädchens einen seiner Engel zur Belohnung seiner hohen Tugend.

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