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Die Cabane und die Sennhütte

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Zweites Kapitel
Milette

Lassen wir die Dichter sagen: »Das Rohr ist gebrochen, wie die Eiche; es kommt der Tag, wo es, gleich den Riesen des Waldes, am Boden liegt.

»Wenn der Blitz es verschont, so übernimmt es die kalte Hand des Winters, es von ihrem Stamme abzureißen; es fällt weniger hoch; aber was thut's? wenn es doch fällt. Muß man denn nur Thränen für den Schmerz der Könige haben? Wer wird um den der Bettler weinen?

»Der Mensch mag sich im Grase verbergen, er kann doch dem Unglück nicht entgehen; mag die Bühne zwei Zoll oder hundert Ellen breit sein, es ist immer dasselbe Stück, welches gespielt wird – groß oder klein, die handelnden Personen beklagen sich immer und reißen sich das Haar aus: es ist nicht anzunehmen, daß die Gemüthsbewegungen in den kleinsten Rahmen am wenigsten heftig sind.«

Warum sollte Monsieur Coumbes dem allgemeinen Gesetze entgangen sein?

Eine Frau – es ist ihre Rolle hier auf Erden – war an einem schönen Tage in die Mitte des stillen und schlummernden Wassers gefallen, worin er so köstlich vegetierte, und die großen Kreise, die ein Fall auf der Oberfläche zurückließ, hätten beinahe diesen friedlichen Ort in ein stürmisches Meer verwandelt.

Sie hieß Milette; sie war aus Arles, dem Vaterlande der wahrhaft schönen Südländerinnen, mit schwarzem Haar, blauen Augen, weißer und atlaßartiger Haut, als ob die Sonne, welche die Granatäpfel zur Reife bringt, nicht über die dahingegangen wäre. Nie hatte das weiße Häubchen, welches mit einem breiten Sammetbande zugebunden wird, einen schöneren Haarwuchs eingeschlossen, als der Milette's war; nie hatte ein gefälteltes Halstuch einen zierlicheren Wuchs des Oberkörpers abgezeichnet; nie war ein Kleid geschickter abgekürzt, um ein hübsches Bein und einen kleinen zierlich gewölbten Fuß zu zeigen.

Milette konnte in ihrer Jugend für das vollständigste Muster der arlesischen Schönheit gelten, und mit so viel Anspruch, eine Frau nach der Mode zu werden, hatte Milette alle Verheißungen ihres sanften und redlichen Blickes gehalten und einen Mann ihres Standes, einen Maurergesellen geheirathet.

Es ist traurig, daß die Vorsehung es nicht übernimmt, Diejenigen zu belohnen, welche, wie Milette, ungeachtet der Klippen, gerade auf den Hafen zugehen und der Welt das Beispiel der wahren Tugend geben.

Aber Milettes Uneigennützigkeit brachte ihr Unglück; ihre Verbindung zählte kaum einige Frühlingstage, und bald wurde der, den sie als einen Schmetterling betrachtet hatte, zu einer Raupe. Sie hatte ihn ungeachtet seiner Armuth zum Gatten gewählt, weil er ihr gut, ehrlich, liebevoll und arbeitsam erschien. Er bewies ihr, daß die Komödie der Ehe in dem Dachstübchen wie unter den vergoldeten Decken gespielt wird. Er gab zu erkennen, was er war, nämlich zänkisch, brutal, träg und ausschweifend; und die schönen Augen der armen Milette vergossen oft reichliche Thränen.

Pierre Manas, dies war der Name von Milette's Gemahl, sagte eines Tages, daß die Arbeit in Marseille besser bezahlt werden müsse, als in Arles, und machte seiner Gemahlin den Vorschlag, sich dort niederzulassen.

Diese Ortsveränderung wurde Milette sehr schwer; sie liebte das Land, wo sie geboren worden, wo sie alle die Ihrigen zurückließ. Aus der Ferne verursachte ihr die große Stadt Furcht, wie ein Vampyr, der sie verschlingen wolle; aber ihre Thränen betrübten ihre alte Mutter; sie dachte, daß es ihr in der Ferne leichter sein würde, die ihr zu verbergen, sie zu überreden, daß sie glücklich sei, und Milette willigte in den Vorschlag ihres Mannes. Wie man sich vorstellen kann, war es nicht die Hoffnung, eine gewinnreichere Arbeit zu finden, die diesen nach Marseille zog, sondern er wollte dort einen weiteren Schauplatz für ein ausschweifendes Leben suchen: er wollte den Vorwürfen entgehen, welche eine Verwandten hinsichtlich seiner Aufführung an ihn richteten.

Milette und ihr Mann befanden sich seit vierzehn Tagen in Marseille, als Pierre Manas den leinenen Sack, der seine Werkzeuge enthielt, noch nicht geöffnet hatte; dagegen hatte er mit allen Schenken in den Straßen der alten Hafenstadt Bekanntschaft gemacht, und er war mit vielen Quetschungen, welche die Stärke der Fäuste derjenigen bestätigten, welche sie ihm zugetheilt hatten, nach Hause zurückgekehrt.

Wir wollen hier nicht die traurige Geschichte, die jeder weiß, von dem armen Mädchen aus dem Volke erzählen, durch das Geschick an ein schlechtes Subject gebunden, und welches weder die Zerstreuungen der Welt, noch die Entschädigungen des Wohlstandes, noch die Tröstungen der Familie hat; dergleichen Gemälde sind so herzzerreißend, daß unsere Feder sich weigert, die nachzuzeichnen; wir wollen nur sagen, daß Milette diesen bitteren Kelch bis auf die Hefen leerte; daß sie an der Seite dieses mit Wein überfüllten rohen Menschen Hunger litt; daß sie alles Elend der Einsamkeit und Verlassenheit erduldete; daß sie diese Verzweiflung kannte, die uns eine Idee von dem giebt, was man uns von der Hölle sagt.

Das Gefühl der Pflicht war so tief eingewurzelt bei diesem schönen und edlen Wesen, daß ihr ungeachtet so vieler Qualen nie der Einfall kam, daß es möglich sei, sich denselben zu entziehen. Gott hatte die Tugend in ihr Herz gepflanzt, wie er die süßen Gesänge in die Kehlen der Vögel gelegt und den Wasserjungfern Flügel von himmelblauer Gaze gegeben hat. Nur kam ein Tag, wo selbst ihr einziger Trost, das Gebet, ohnmächtig wurde, um dieses ausgetrocknete Herz zu erfrischen; nun warf sie sich vor, daß die Mutter zu sein gewünscht hatte; und die Küsse, die sie dem Kinde gab, welches der Himmel ihr geschenkt hatte, wurden ihm zugleich aus Zärtlichkeit, Verzweiflung und Mitleid aufgedrückt, wegen des Schicksals, welches der Vater dem armen kleinen Geschöpfe bereitete.

In der Etage unter der traurigen Haushaltung wohnte ein Arbeiter, der das gerade Gegentheil von Pierre Manas war.

Wie dieser Letztere hatte er weder die hohe Statur, noch die stolze und entschiedene Miene; er war schlank und schmächtig, mehr häßlich, als schön, und hatte eine demüthige und traurige Physiognomie, aber Alles in seinem Wesen zeigte den arbeitsamen und geordneten Mann. Er stand vor Tagesanbruch auf, und Milette, die nicht schlief, hörte ihn seine kleine Wohnung aufräumen, wie es das sorgfältigste Kammermädchen hätte thun können. Eines Tages gestattete ihr die halb offene Thüre, einen Blick in das Zimmer des Nachbars zu thun, und sie wunderte sich sehr über die Ordnung und Reinlichkeit, die dort herrschte.

Alle Bewohner des Hauses ließen einstimmig dem Packträger. Paul Coumbes Gerechtigkeit widerfahren.

Pierre Manas allein beschuldigte ihn der Einfalt und Filzigkeit. Er spottete über eine friedlichen Gewohnheiten und den ländlichen Geschmack, den er zeigte.

An einem Sonntag Morgen, als der Nachbar, ein Packet mit Sämereien unter dem Arme, aufs Land ging beleidigte ihn Pierre, weil er sich weigerte, ihm in das Wirthshaus zu folgen. Milette lief auf das Geräusch herbei, und es machte ihr viel Mühe, den jungen Mann von den Mißhandlungen ihres Mannes zu befreien; und als sie sie dann Beide die schmale Wendeltreppe hinuntersteigen sah, Pierre streitsüchtig und unverschämt, den Nachbar resigniert und entschlossen, flüsterte sie seufzend:

»Warum habe ich diesen und nicht jenen?«

Während der drei langen Jahre des Märtyrerthums Milettes war dies das einzige Vergehen, welches sie beging, und doch warf sie es sich mehr als einmal als ein Verbrechen vor.

Nach Verlauf von drei Jahren hätte dieses Dasein beinahe ein tragisches Ende genommen. In einer Nacht kehrte Pierre Manas in einer schrecklichen Verwirrung zurück. Gegen seine Gewohnheit war er nur halb betrunken; er befand sich in jener Stadie der Trunkenheit, die der erstarrenden Rückwirkung vorangeht und in welcher der Wein nur noch als Reizmittel wirkt. Ueberdies hatten ihn die Matrosen geschlagen, und da er auf seine physischen Kräfte sehr stolz war, so machte ihn die Demüthigung, die er erlitten, wüthend; er war glücklich, ein schwaches Wesen zu finden, an dem er sich wegen seines Mißgeschicks rächen konnte; er gab seiner Frau die Schläge zurück, die er von den Matrosen erhalten hatte. Die arme Milette war so daran gewöhnt, daß ihre Augen, die über die Erniedrigung ihres Mannes weinten, keine Thränen für ihre eigenen Leiden fanden.

Gelangweilt von der Einförmigkeit dieser Kraftanstrengung, suchte Pierre Manas eine andere Zerstreuung. Unglücklicherweise entdeckte er, als er in allen Winkeln umherstöberte, ein Glas Branntwein am Boden einer Flasche; er trank es und ließ im Glase die wenige Vernunft, die ihm noch übrig war.

Da ging ihm eine seltsame Idee durch den Sinn, eine von jenen Ideen, welche die Trunkenheit dem Wahnsinn nahe bringen.

Einer von seinen Gegnern, den Matrosen, hatte einige Augenblicke vor dem Kampfe ein Beispiel erzählt, wie er in London eine Frau habe hängen sehen. Er hatte die einzelnen Umstände darüber mitgetheilt, welche die Zuhörer leidenschaftlich aufgeregt.

Pierre Manas wurde von einem wilden Verlangen ergriffen, in der Wirklichkeit zu sehen, wovon er nur das lockende Bild kannte.

Von dem Gedanken bis zur Ausführung war nur eine Minute.

Er suchte einen Hammer, einen Nagel, einen Strick.

Als er dies. Alles gefunden hatte, suchte er nicht weiter: zum Galgen und was dazu gehörte, hatte er Alles, was er bedurfte, zur Hand. Seine arme Frau begriff nicht, was es bedeuten sollte, und sah den künftigen Henker mit erstaunten Augen an, indem sie sich fragte, welcher neue Einfall ihm in den Kopf gekommen sei.

Pierre Manas, der ungeachtet seiner Trunkenheit alle Umstände der Erzählung im Gedächtniß behalten hatte, wollte die Sache nach der Regel in Ausführung bringen.

Er begann damit, seine eigene Mütze auf den Kopf seiner Frau zu setzen und zog sie ihr bis zum Kinn herunter. Er fand, daß der Matrose Nichts übertrieben habe, daß es in der That sehr komisch sei, und stieß ein lautes und freudiges Lachen aus.

 

Völlig beruhigt von der Heiterkeit ihres Mannes, machte Milette keine Schwierigkeit, sich die Hände auf den Rücken binden zu lassen.

Sie konnte sich Pierres Absichten nicht eher erklären, als bis sie den kalten Strick an ihrem Halse fühlte.

Sie stieß einen entsetzlichen Schrei aus, indem sie um Hilfe rief; aber Alles schlief im Hause. Uebrigens hatte Pierre Mamas seine Nachbarn an das Schreien der Unglücklichen gewöhnt.

In diesem Augenblicke trat der junge Packträger, der seit einiger Zeit nicht nur die Sonntage, sondern auch alle seine Abende auf dem Lande zubrachte, in seine Wohnung.

Milettes Geschrei hatte etwas so Trauriges, etwas so Zerreißendes, daß ihn ein Schauder überlief und seine Haare sich auf seinem Kopfe emporrichteten.

Er stieg rasch die fünfundzwanzig Stufen hinauf, die ihn von der Dachstube des Maurers trennten, und sprengte mit einem Fußstoße die Thüre.

Pierre Manas hatte eben seine Frau an einen Nagel gebunden; das arme Geschöpf wehrte sich noch bei den ersten Convulsionen des Todeskampfes.

Monsieur Coumbes, denn er war, wie wir übrigens schon gesagt haben, der redliche und arbeitsame Nachbar – stürzte herbei, um dem armen Opfer zu Hilfe zu kommen, und ehe der Trunkenbold sich von seinem Erstaunen erholte, welches ihm diese Erscheinung verursachte, schnitt er den Strick ab und Milette fiel auf das Bett nieder.

Wüthend, sich dessen beraubt zu sehen, was er für den interessantesten Theil der Unterhaltung hielt, die er sich versprochen. hatte, stürzte sich Pierre Manas auf Monsieur Coumbes, indem er schwur, er wolle die Beide hängen. Dieser war weder tapfer, noch stark; aber die Ausübung seiner Profession hatte ihm eine große Gewandtheit verschafft. Er stellte sich vor das Bett der armen jungen Frau und bot dem wilden Thiere bis zur Ankunft der Nachbarn Trotz.

Nach ihnen kam die Wache: Pierre Manas wurde ins Gefängniß geführt, und die arme junge Frau nahm die erste Fürsorge in Anspruch.

Es versteht sich von selber, daß es Monsieur Coumbes war, der ihr dieselbe leistete. Seit langer Zeit hatte die Milde und Resignation, womit Milette ihre entsetzliche Lage ertrug, sein Herz gerührt, welches übrigens zu persönlich war, um zärtlich zu sein. Es erfolgte daraus zwischen der Bewohnerin des Dachstübchens und ihrem Nachbar in der unteren Etage ein gewisses durchaus freundschaftliches Verhältniß, denn als Pierre Manas in die Besserungsanstalt gebracht wurde und ein verbindlicher Advocat Milette fragte, ob sie nicht auf Ehescheidung antragen wolle, kam es dem Packträger nicht in den Sinn, daß er in seinem Secretair die Summe habe, in Ermangelung deren das arme Geschöpf hienieden auf keine Ruhe rechnen konnte.

Pierre Manas war zu einer Gefangenschaft von einigen Monaten verurtheilt; aber Milette blieb sein Eigenthum, eine Sache, die er nach seinem Gefallen wieder nehmen und an ihr das unterbrochene Experiment fortsetzen konnte, wenn es ihm gut dünkte, worauf ihm ein etwas längerer Aufenthalt in den Gefängnissen von Aix bevorstand; und Alles, weil die Unglückliche nicht einige hundert Franken besaß.

Als Milette wieder zu sich kam und erfuhr, was vorgegangen, war ihre erste Bewegung zu klagen und aufstehen zu wollen, um für ihren Mann um Gnade zu bitten. Zum Glück für die öffentliche Rache war sie zu schwach, um ihre Absicht auszuführen.

Während der ersten Tage erschienen ihr die ungewohnte Ruhe, die um sie her eingetreten war, und die Aufmerksamkeiten, womit ihr Nachbar sie überhäufte, sehr, seltsam; das elende Leben, welches sie geführt hatte, erschien ihr als das normale Leben; sie glaubte zu träumen; nach und nach gewöhnte sie sich daran, und die Vergangenheit erschien ihr dagegen als ein Traum.

Endlich dachte sie mit Zittern daran, daß dieser Traum wohl eine Wirklichkeit werden könne.

Um sie zu trösten, sagte sie sich, daß die rauhe Lection, die er erhalten, nicht habe verfehlen können, ihren Mann zu bessern. Er war so sehr gebessert, daß er, als eine Strafe zu Ende war und Milette ging, um ihn demüthig an der Thüre des Gefängnisses zu erwarten, sich nicht herabließ, einen Blick auf sie zu werfen, und entfloh, indem er einem Frauenzimmer von schlechtem Leben, mit welchem er nach der Gewohnheit der Diebe, die seine Kameraden geworden waren, eine galante Correspondenz unterhalten hatte, um sich die Langeweile der Gefangenschaft zu vertreiben, den Arm reichte.

Milette fühlte sich zu Boden geschmettert von diesem letzten Schlage. Nach Hause gekommen, dachte sie daran, zu ihrer Mutter zurückzukehren; ein schwarz gesiegelter Brief theilte ihr in diesem Augenblicke mit, daß ihre Mutter eben gestorben sei.

Die arme junge Frau war von jetzt an allein auf der Erde. Ihr Freund Monsieur Coumbes tröstete sie so gut er konnte. Aber so sehr er auch ihr Freund war, dachte er doch nicht daran, allen Schmerzen der jungen Frau zu begegnen, ihr das Geständniß desjenigen Schmerzes zu ersparen, der jeden Tag stechender wurde, nämlich der Armuth. Diese Armuth war groß; aber Milette war muthig; sie ertrug sie lange mit jener geduldigen Energie, die sie angewendet, um die Uebertriebenheiten ihres Mannes zu ertragen. Endlich, als es ihr gänzlich an Arbeit fehlte, gestand Milette ihrem guten Nachbar, daß sie sich genöthigt sehe, einen Dienst zu suchen.

Dieser dachte lange nach, sah mehrmals seinen Secretair von Nußholz an, in welchem er nie den Schlüssel stecken ließ, dann erklärte er Milette mit einer gewissen Verlegenheit, da er im Begriff sei, sich um eine Meisterschaft in einer Corporation zu bemühen, so bedürfe er aller seiner Hilfsmittel und könne ihr zu einem großen Bedauern nicht zu Hilfe kommen.

Milette zeigte sich trostlos, daß er sie so unrecht verstanden habe, und gab ihm mit Lebhaftigkeit die Versicherung, daß sie nie daran gedacht, das Wohlwollen auszubeuten, welches er ihr bezeigte.

Monsieur Coumbes machte ihr den Vorwurf, ihn unterbrochen zu haben, und setzte seine Rede fort, indem er sagte, es gebe vielleicht ein Mittel, Alles zu ordnen. In seiner neuen Lage würde er einer Dienerin bedürfen, und er gebe ihr den Vorzug.

Milette zeigte sich bezaubert, zuerst, daß die Prophezeiungen der Nachbarn sich bestätigten und daß der junge Packträger sein Glück machen werde; dann über den Vorschlag selber, den ihr Monsieur Coumbes eben gemacht. Sie war so unschuldig und naiv, daß es ihr ganz natürlich schien, die Dienerin dieses jungen Mannes zu werden, und in seiner Nähe, glaubte sie, würde ihr der Dienst weniger schmerzlich sein.

Monsieur Coumbes war nicht weniger zufriedengestellt. Nicht als ob die Augen der schönen Arlesierin einen Wunsch in seinem Herzen erweckt hätten, nicht als wenn er einen unredlichen Gedanken gegen die junge Frau gehegt hätte; sein der Liebe widerstrebendes Herz erglühte nicht so leicht; sondern weil ihr Unglück ihn gerührt hatte, so sehr er im Stande war von dem gerührt zu werden, was ihn nicht persönlich anging; weil es ihm angenehm war, diejenigen zu verpflichten, die er liebte, ohne daß es ihm. Etwas kostete, und endlich, muß ich es sagen? weil er in Marseille keine einzige Dienerin gefunden haben würde, die sich mit dem Lohn begnügt hätte, welchen er Miletten zu geben dachte.

Man mißtraue immerhin den negativen Eigenschaften.

Drittes Kapitel
Worin man sehen wird, daß es zuweilen gefährlich ist, einen Raben und eine Turteltaube in denselben Käfig einzusperren

Das Gesicht des Monsieur Coumbes, noch fast bartlos, ungeachtet seiner siebenundzwanzig Jahre, deutete ein kaltes und melancholisches Temperament an. Alle Welt wünschte ihm Glück zu der Schönheit seiner Dienerin und dies war es, um was er sich am wenigsten kümmerte. Als er sich in Gesellschaft mit Miletten nach Montredon begab, bemerkte er nicht, daß die Augen aller Vorübergehenden neugierig das liebliche Gesicht der jungen Frau ansahen; aber er lächelte freudig, als er ihre kleinen Füße, ungeachtet der Last, womit er ihre Schulter beladen, rasch durch den Staub dahinlaufen sah. Er bemerkte nicht die Anzahl der Neider, die am Abend seine Wohnung umschwärmten; aber er hielt sich überzeugt, daß Milette eine solche Sorge für seine Interessen habe, daß er die strenge Wachsamkeit hinsichtlich der Einzelheiten seines Haushalts von jetzt an einstellen könne. Der Director der religiösen Gemeinschaft, zu welcher Monsieur Coumbes gleich allen anderen Packträgern gehörte, machte ihm Vorstellungen wegen des Scandals, den die Gegenwart dieser jungen Frau bei einem Manne seines Alters den Frommen verursache. Milettens Herr, der übrigens kein starker Geist war, entgegnete, das müsse der liebe Gott verantworten der sie geschaffen habe, und nicht er, von dem man nicht erwarten dürfe, daß er anders als redlich gegen dieses Meisterwerk der Vorsehung handeln werde.

Die Gleichgültigkeit des Monsieur Coumbes währte zwei ganze Jahre und brachte ihn bis zu einem gewissen Abend im zweiten Herbst.

An diesem Abend sang Milette: die bösen Tage waren schon so fern! Ihre Stimme war frisch und rein, wenn gleich nicht von großem Umfange; aber es war eine liebliche und besonders sympathetische Stimme. Sie hatte Monsieur Coumbes in dem Augenblick überrascht, wo er über eine Verbesserung der marseiller Suppe nachdachte, und unterbrach seine tiefe Betrachtungen über diesen Gegenstand. Seine erste Bewegung war gewesen, ihr Schweigen zu gebieten, aber der Zauber wirkte schon, sein Gedanke gehorchte nicht mehr einem Willen, und um bildlich zu reden, schlüpfte er ihm durch die Finger, wie der Fisch, den der Fischer in seiner Höhle erhaschen will. Er empfand gleich Anfangs ein gewisses Erbeben, welches er nie zuvor gekannt; er empfand das Verlangen, seine Stimme mit den Silbertönen zu mischen, die er hörte. Seine Trunkenheit war glücklicherweise nicht so stark, daß er vergaß, daß alle seine Bemühungen in dieser Hinsicht besonders unglücklich gewesen. Er lehnte sich in seinen Binsenstuhl zurück und wiegte sich darin, indem er seine Augen schloß. Woran dachte er? An Nichts oder an Alles, Das Ideal öffnete für ihn die Thüre seiner Welt, die mit liebenswürdigen Phantomen bevölkert war; über den schwarzen Sammet seiner Augenbrauen zogen Tausende von goldenen und flammenden Sternen hin und her; sie veränderten die Form, nahmen zuweilen die Milettens an, erloschen dann, nachdem sie einige Augenblicke gefunkelt. Seine Gedanken gingen mit schwindelnder Schnelligkeit von den Blumen zu den Engeln, von den Engeln zu den Gestirnen des Himmels über, dann kehrten sie zu phantastischen Gottheiten seines Gehirns zurück, welches bis dahin nicht weiter gegangen, als bis zu den baukünstlerischen Umwandlungen der Cabane, die es aber mit einer Leichtigkeit erschuf, die an das Wunderbare grenzte.

Monsieur Coumbes glaubte, er würde wahnsinnig, aber seine Thorheit erschien ihm so bezaubernd, daß er nicht dagegen protestierte.

Als das Lied zu Ende war, schwieg Milette und Monsieur Coumbes öffnete seine Augen und entschloß sich, die ätherische Region zu verlassen um wieder auf die Erde herunterzusteigen. Ohne sich, Rechenschaft abzulegen, warum, richtete sich sein erster Blick auf die junge Frau.

Milette hing am Ufer des Meeres Wäsche auf Leinen, bei welcher sehr prosaischen Beschäftigung Monsieur Coumbes sie so schön fand, wie die schönste der Feen, deren bezauberte Reiche er eben durchwandert. Sie trug das vollständige Kostüm einer Wäscherin, welches nur in einem Hemd und einem Unterrock bestand. Ihr Haar hing halb aufgelöst über ihren Rücken und der Seewind, der mit demselben spielte, machte einen Nimbus daraus. Ihre weißen und vollen Schultern traten aus der groben Leinwand hervor, wie ein Stück von den Fluthen polierten Marmors aus dem Felsen hervortritt; nicht weniger weiß war ihre Brust, die enthüllt wurde, wenn sie die Arme erhob, während sie, wenn sie sich auf ihre Füße stellte, die schöne Schweifung ihrer Taille und die herrliche Entwickelung ihrer Hüften hervortreten ließ.

Als er sie so sah, vergoldet von dem rothen Widerschein der untergehenden Sonne gegen das dunkle Azurblau des Meeres abstechend, welches den Grund des Gemäldes bildete, glaubte Monsieur Coumbes einen jener feurigen Engel wiederzufinden, die ihm eben noch so schön erschienen waren. Er wollte Milette rufen, aber seine Stimme erlosch in seiner ausgetrockneten Kehle, und dann bemerkte er, daß seine Stirn in Schweißgebadet war, daß er schwer athmete, und daß sein Herz schlug, als wollte es eine Brust sprengen. In diesem Augenblick näherte sich Milette und rief, indem sie Monfieur Coumbes ansah:

»Ei, mein Gott, Herr, wie roth Sie sind.«

Monsieur Coumbes antwortete nicht; aber sei es, daß sein Blick, der gewöhnlich grau und matt war, an diesem Abend etwas Flammendes hatte, sei es, daß die magnetischen Ausströmungen, die von einer Person ausgingen, Milette in der Ferne erreicht hatten, diese erröthete ebenfalls und schlug die Augen nieder; ihre nervös zusammengezogenen Finger spielten mit dem Bande ihres Rockes; bald verließ sie ihren Herrn und trat wieder in die Cabane.

 

Nach einigen Augenblicken des Zauderns folgte ihr Monsieur Coumbes dorthin.

Der Herbst ist der Frühling der Melancholischen.

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