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Die Cabane und die Sennhütte

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Zweites Kapitel
Der Bettler

Der Fischfang ist nur unter der Bedingung ein Vergnügen, daß er eine Leidenschaft ist; indessen hat er, wie Alles hier auf der Erde, seine Reize. So wenig geneigt, sich denselben hinzugeben, hatte Marius sie dennoch empfunden.

Die Fische hatten auf die beiden Angeln, womit seine Schnur versehen war, so vielfache Angriffe gemacht, daß er bei der Beschäftigung, sie loszuhaken, die an sich zu ziehen und die dreißig oder vierzig Klafter einer Schnur wieder ins Wasser zu werfen, nicht mit so viel Beharrlichkeit an Madeleine gedacht hatte, wie er es sich vorgenommen.

Aber während der Ueberfahrt von den Riouinseln nach Montredon war es ganz anders, und zwar aus sehr verschiedenen Gründen.

Die Seele des jungen Mannes empfand eine wahrhafte Reue, als er erkannte, daß seine Liebe, so leidenschaftlich er sie geglaubt, sich von einer bedeutungslosen Zerstreuung habe den Rang ablaufen lassen; er verglich die groben Genüsse, welchen er nachgegeben, mit den unaussprechlichen Freuden, welche ihm einige Augenblicke der Unterhaltung mit Madeleine verschafft hatten, mit dem Glück, sie hinter einen Jalousien versteckt zu sehen, und er erröthete und war auf dem Punkte, der Versuchung zu unterliegen, Angel und Fische, die Mitschuldigen oder Veranlassungen eines Fehlers ins Meer zu werfen.

Er empfand überdies eine Furcht, die sich als eine schmerzliche Seelenqual bezeichnen ließ.

Als Mademoiselle Riouffe in der Einsamkeit des Vorgebirges ihm gestanden, daß sie ihn liebte, hatten die beiden jungen Leute sogleich und in Folge ihrer gegenseitigen Neigung, als sie nach Montredon zurückkehrten, ihre Pläne für die Zukunft entworfen. Die zärtliche Neigung, die Madeleine für ihren Freund empfand, war so rein, daß, als diese Versprechungen gegeben waren, die es ganz natürlich fand, Marius zu gestatten, die Mauer zu übersteigen, welche die beiden Gärten trennte, um zu ihr zu kommen. Am vergangenen Sonntag, zu der Stunde, als in der Cabane des Monsieur Coumbes Alles schlief, hatte sich Milettens Sohn bei der Nachbarin eingeschlichen und entzückende Augenblicke zu ihren Füßen zugebracht, indem er ihr die bezaubernden Gelübde der Liebe wiederholte, die ebenso köstlich auszusprechen, wie anzuhören waren. Während der ganzen Woche hatte er in der Hoffnung gelebt, daß der folgende Sonntag dem vorhergehenden Sonntag gleichen würde, und als am Morgen der gewaltsame Einbruch des Monsieur Coumbes in den Garten ihn verhindert hatte, Madeleine von seiner Abwesenheit zu benachrichtigen, zitterte er, daß sie diese Abwesenheit einer Gleichgültigkeit zuschreiben möchte, die so weit von den Gesinnungen entfernt waren, die er für sie empfand; er fürchtete, die schönen Träume, die er seit acht Tagen so zärtlich gehegt hatte, verschwinden zu sehen.

Die Sonne senkte sich zum Horizonte nieder; schon färbte sie die Gipfel von Pomegue und die weißen Mauern des Schlosses If mit Purpur und Gold; der Tag ging zu Ende, und mit den eben beschriebenen Eindrücken beugte sich der junge Mann auf die Ruder, um die schwere Barke über die Entfernung hinwegzubringen, die sie noch von ihrer gewohnten Stelle trennte.

Monsieur Coumbes betrachtete mit schalkhaftem Auge die Anstrengungen seines Pflegesohnes, und unter dem besonderen Vorwande, daß der Geschmack der marseiller Suppe im Verhältniß zu der Frische der Fische zunehme, ermahnte er ihn, sie zu verdoppeln, was ihn nicht verhinderte, als sie das Land erreicht hatten und als Marius schon eilte, um in die Cabane zu gelangen, ihn zurückzuhalten, um durch die Praxis die Theorie einer Kunst zu vervollständigen, welche er vom Morgen an nicht aufhörte, ihm auseinanderzusetzen, um ihm zu zeigen, daß es Nichts sei, Fische fangen zu können, wenn man mit diesem ersten Talent nicht das vereine, für die Werkzeuge Sorge zu tragen, welche dazu dienen, sie zu erhaschen. Der arme Junge mußte also dem ehemaligen Packträger helfen, die Barke so weit auf das Sandufer zu ziehen, daß sie vor dem Wellenschlage geschützt sei, sie zu leeren, zu reinigen, endlich, die auf verschiedene Weise zu befestigen; auch wendete Monsieur Coumbes absichtlich bei diesen erhaltenden Maßregeln eine feierliche Langsamkeit an, welche die Ungeduld verdoppelte, die ein Pflegesohn zeigte.

Endlich, als der gute Mann den Fischerlehrling mit den verschiedenen Körben belastet hatte, welche die Geräthe und die Fische enthielten, als er zu dieser schon beträchtlichen Last die Ruderstangen, die Haken, den Anker und das Steuerruder des Bootes hinzugefügt, gestattete er ihm, sich zu der Cabane auf den Weg zu machen.

Die erste Sorge unseres Marius, als er dort ankam, war, auf sein Zimmer zu gehen, um einen Blick auf die Besitzung seiner Geliebten zu werfen. Ach! vergebens durchforschte er sie in ihrer ganzen Ausdehnung mit dem Blicke, vergebens beobachtete er die Gebüsche, die vermöge dieses glücklichen Vorrechts des Klimas ungeachtet der Jahreszeit ihre geheimnißvolle Dichtigkeit beibehalten; die, welche er suchte, las nicht im Schutze ihrer grünen Wölbung, sie folgte nicht den engen Alleen, die er sie so oft hatte durcheilen sehen, wenn sie sinnend spazieren ging, während er weit entfernt war, daß er irgend einen Antheil an diesen Träumereien haben könne; der Garten war verlassen; der Spindelbaum, die Lorbeeren des Wäldchens, wo so viele süße Worte gewechselt worden, hatten, wie es ihm schien, traurige und verlassene Stellungen angenommen; selbst die Sennhütte mit ihren festgeschlossenen Fensterladen schien ihm seit dem Abend zuvor eine unheimliche Physiognomie angenommen zu haben.

Das Herz unseres Marius schnürte sich zusammen; er sah seine Ahnungen bestätigt. Dies war das Bild der Trostlosigkeit, wovon das Herz derjenigen, die er liebte, der Schauplatz war, und diese verwünschte Abwesenheit war es, welche diese Trostlosigkeit verursacht hatte. Er rief mit aller Kraft die wohlwollenden Schatten herbei, welche, sein Erklimmen verbergend, ihm gestatten sollten, sich bei Madeleine zu rechtfertigen; die Stunden, welche bis zu dem Augenblicke vorübergehen mußten, wo sie die beiden Landhäuschen einhüllen würde, schienen ihm von verzweifelnder Länge zu sein.

Dagegen war Monsieur Coumbes sehr heiter; er würzte das Mittagsmahl mit tausend Scherzen, wobei Milette die Augen weit öffnete; aus den zusammengezogenen Augenbrauen seines Pflegesohnes, aus der Beharrlichkeit einer Schweigsamkeit, bei der Verzweiflung, die auf seiner Stirn gemalt war, hatte der Besitzer der Cabane geschlossen, daß er nicht verfehlen werde, seinen Besuch in dem Garten der Mademoiselle Riouffe abzustatten; er rieb sich freudig die Hände, indem er an den Theatercoup dachte, den er so geschickt ausgeführt, an die Demüthigung, welche die Enthüllungen, welche die Folge davon sein würden, seinem Feinde, dem Monsieur Jean bereiten dürften, und an die gute Lection, welche die Anmaßung seines Pflegesohnes Marius dadurch erhalten würde!

Um diesem Letzteren das Feld frei zu lassen, kündigte Monsieur Coumbes an, da der Abend so schön sei, so wolle er ihn benutzen, um wieder aufs Meer zu fahren und seine Netze am Ufer auszuwerfen.

Der junge Mann zitterte, indem er fürchtete, sein Pflegevater möchte den Einfall haben, ihn zum zweiten Mal wieder mitzunehmen; aber Monsieur Coumbes schien eine plötzliche Zärtlichkeit für Milette zu empfinden und kündigte dieser an, er wolle nicht die Grausamkeit haben, sie wieder der Gesellschaft ihres lieben Kindes zu berauben.

Sobald er sich entfernt hatte, stieg Marius auf sein Observatorium; seine Beobachtungen hatten aber eben so wenig Erfolg, wie die früheren; indessen gewahrte er, daß seit seinem früheren Besuche die Fenster der Sennhütte im ersten Stock wieder geöffnet worden; er schloß daraus, daß Madeleine, ungeduldig über eine Kälte oder vielleicht krank, sich in ihre Zimmer eingeschlossen habe; diese beiden Muthmaßungen bestärkten ihn in seinem Entschlusse, sie aufzusuchen, und müßte er auch, um zu ihr zu gelangen, in das Haus eindringen; und dies sollte geschehen, sobald die Nacht anbrechen würde. Indessen kehrte er zu seiner Mutter zurück und ging im Garten spazieren.

Wir haben vorher gesagt, mit welchen Gedanken Milette beschäftigt war, sie wurden um so schmerzlicher, als sich der unheilvolle Augenblick näherte; wohl zwanzig Mal schon war sie in Versuchung gerathen, ihrem Sohne die traurige Geschichte ihres Lebens zu erzählen, aber immer hatte ihr in dem Augenblick des Sprechens der Muth gefehlt. So war Marius noch immer in dem Glauben, daß Monsieur Coumbes sein Vater sei.

Die Gelegenheit, ihre Seele von der Aengstlichkeit zu befreien, die sie seit mehreren Monaten niederdrückte, bot sich günstiger dar, als Milette es gehofft hatte, ihrem Sohne die schmerzliche Mittheilung zu machen.

Sie folgte dem, was Monsieur Coumbes pomphaft seinen Laubengang nannte und was am Ende in der Wirklichkeit nichts weiter war, als eine mittelmäßige Allee, die den eingeschlossenen Raum in einer ganzen Länge durchschnitt und mit der Straße endete; sie prüfte ihr Gewissen, sie suchte, was einem Fehler als Entschuldigung dienen könne, dessen traurige Folgen sie gegenwärtig zu beurtheilen vermochte; sie fragte sich, was sie ihrem Sohne antworten könne, wenn dieser ihr vorwerfe, daß sie ihre Ehre nicht habe zu bewahren gewußt, das einzige Gut, welches er von ihr zu erwarten habe.

Am Ende des Laubenganges, da wir ihm doch diesen Namen beilegen müssen, hatte Monsieur Coumbes einige Dutzend Fichten gepflanzt, die ungeachtet ihrer Hartnäckigkeit, am Leben bleiben zu wollen, niemals dahin gelangt waren, ihre Wipfel, wenn man sie so nennen darf, bis zu der Höhe der Mauer zu erheben, welche sie umgab. Es versteht sich von selbst, daß der Besitzer dieses Reisigbündel von verkrüppelten und verbogenen Staudenartigen Gewächsen einen Fichtenwald nannte, als wäre er hundert Morgen groß gewesen.

Der ehemalige Packträger hatte keinen Schein von Schatten besitzen können, ohne ihn so viel wie möglich auszubeuten. Er hatte daher in diesem Fichtenwalde eine Bank angebracht, und die Aufgabe war nicht leicht, da die höchsten Fichten gerade einen Regenschirm darstellten, dessen Stiel in der Erde befestigt war. Wenn man indessen den Kopf gehörig bog und die Beine einzog, konnte man sich auf die Bank des Monsieur Coumbes niedersetzen, die Stellung war keine der bequemsten; aber da es mit Ausnahme der Umgebung des Feigenbaums, welche Monsieur Coumbes für sich reservierte, der einzige Ort war, wo man Etwas dem Schatten Aehnliches hatte; da diese Bank nur zwei Schritte von dem Gitterthor entfernt war, so sah man von dort die wenigen Wanderer, welche die Straße passierten, und Milette, welche ihr Herr hinsichtlich der Unterhaltungen nicht sehr verwöhnt, hatte die Gewohnheit angenommen, jeden Abend hierher zu kommen, um die Wäsche für die Haushaltung auszubessern.

 

Milette hatte sich eben sehr nachdenkend an diesem Platze niedergesetzt, als Marius zu ihr kam; als sie ihn kommen sah, verdoppelte sich ihre Seelenqual; zwei Thränen perlten an ihren Wimpern, dann rollten sie langsam an ihren Wangen nieder, welche der Schmerz naß gemacht hatte; sie faßte die Hände ihres Sohnes, von Gemüthsbewegung erstickt, sie konnte nicht reden, doch gab sie ihm ein Zeichen, sich zu ihr zu setzen.

Unter dem Eindrucke der Traurigkeit, die den jungen Mann beherrschte, war ihm die Betrübniß seiner Mutter noch viel empfindlicher, als sie es unter gewöhnlichen Umständen gewesen jein würde; er bat sie, ihm das Geheimniß ihres Kummers anzuvertrauen.

Anstatt aller Antwort, warf sich Milette ihrem Sohne um den Hals und umarmte ihn mit zugleich verzweifelter und flehender Heftigkeit.

Marius verdoppelte seine Bitten.

»Was ist Ihnen, Mutter?« sagte er. »Mein Herz bricht, wenn ich Sie so sehe. Mein Gott, reden Sie doch! was ist Ihnen? Wenn ich irgend einen Vorwurf verdient habe, warum fürchten Sie, ihn auszusprechen? Sie haben mich gelehrt, unterwürfig zu sein gegen Diejenigen, welche man liebt, und wenn Sie zweifeln, daß ich Sie liebe, so betrüben Sie mich mehr, als mich gerechte Vorwürfe betrüben würden. Es hat Sie. Jemand beleidigt, Mutter? O nennen Sie mir ihn, und Sie sollen mich bereit finden, Sie zu vertheidigen, ihn zu bestrafen, wie ich es gewesen bin, als es sich um meinen Wohlthäter handelte. Reden Sie, Mutter, und weinen Sie nicht mehr so; Ihr Schluchzen zerreißt mir die Seele; ich wollte lieber mein Blut tropfenweise fließen sehen, als diese Thränen, die aus Ihren Augen kommen! Sie lieben also Ihr Kind nicht mehr, da Sie es Ihres Vertrauens nicht für würdig achten! Kann man denn denen, die man liebt, Etwas verbergen? Muß man denn nicht Alles, sei es Freude oder Kummer, mit ihnen theilen? Auch ich habe mein Geheimniß, Mutter, und Sie können sich nicht vorstellen, wie es mich drückt, es nicht mit Ihnen theilen zu können. Aber mag daraus werden, was will, ich muß es Ihnen sagen, ich muß es Ihnen anvertrauen, um Ihnen das Beispiel zu geben, damit Sie nicht mehr fürchten, auf die Klugheit oder die Zärtlichkeit Ihres Sohnes zu rechnen.«

Milette hörte diese Worte an, ohne sie zu verstehen; der Ausdruck einer kindlichen Liebe kam zu ihren Ohren wie eine liebliche Musik, die ihr süße Empfindungen verursachte; aber die Verwirrung ihrer Ideen war so groß, daß sie den Sinn einer Worte nicht zu ergründen suchte.

»Mein Kind! mein liebes Kind!« rief sie, »schwöre mir, daß Du Deine Mutter nicht verfluchen willst, was auch geschehen möge; schwöre mir, daß, wenn Du über sie richtet, wenn Du sie verurtheilst, Deine Liebe sie vertheidigen will; schwöre mir, daß diese Liebe, die mein einziges Gut ist, mir bleiben soll; ich habe sie nie wie heute gefühlt, da sie bedroht wird. Ich wünschte, ich wäre todt! ja, mein Gott! ich wünschte, ich wäre todt! Sterben, was ist es denn dagegen, die Liebe dessen zu verlieren, den man unter seinem Herzen getragen, der sich von unserem Fleisch genährt und unser Blut getrunken; das ist nicht möglich! nein, Gott wird es nicht zugeben! – Beruhige Dich, Marius, ich will reden,« fuhr die Unglückliche tief athmend und halb todt fort; »ich werde reden; da es unmöglich ist, daß Du aufhören kannst, mich zu lieben, so werde ich reden!«

»O! thun Sie es, reden Sie, Mutter!« antwortete der junge Mann eben so blaß und verwirrt, wie es seine Mutter war. »Was ist geschehen, großer Gott! daß Sie vermuthen konnten, daß ich aufhören werde, Sie zu verehren, als die achtbarste aller Frauen, Sie zu lieben als die zärtlichste aller Mütter? Sie machen, daß ich auch erbebe; beeilen Sie sich, mich von dieser Qual zu befreien. Welches Fehlers Sie sich auch schuldig gemacht haben sollten, sind Sie nicht meine Mutter, und ist nicht eine Mutter für ihren Sohn unfehlbar, wie es Gott für die Menschen ist? Aber nein, Sie, die Sie mir die Gesetze der Rechtschaffenheit eingeprägt, Sie, die Sie mich gelehrt haben, die Ehre zu achten, Sie können unmöglich in der einen oder der andern Hinsicht gefehlt haben. Ihr zartes Gewissen macht Sie unruhig: Reden Sie doch, damit ich Sie tröste, reden Sie, damit ich Sie beruhige; reden Sie, reden Sie, Mutter, ich beschwöre Sie!«

Milette hatte ihre Kräfte überschätzt; das Schluchzen erstickte ihre Stimme; sie konnte sich nur ihrem Sohne zu Füßen werfen; das Wort »Verzeihung!« war das einzige, welches sie hervorbringen konnte.

Als Marius seine Mutter zu seinen Füßen sah, richtete er sich rasch auf und faßte sie in seine Arme, um sie auf zurichten.

Er wendete den Rücken zu der Thüre des Gartens hin, zu welcher Miletten’s Gesicht gerichtet war.

Plötzlich öffneten sich die Augen dieser übermäßig weit und blieben starr und verstört auf die Straße gerichtet; sie streckte den Arm aus, als wollte sie eine entsetzliche Erscheinung von sich weisen und zu gleicher Zeit stieß sie einen furchtbaren Schrei aus.

Marius wendete sich erschrocken um und dabei streiften seine Kleider an die eines Mannes an, welcher leise die Gitterthüre geöffnet hatte und mit der Hälfte seines Körpers eingetreten war.

In diesem Manne erkannte er den Bettler, den Madeleine und er auf den Hügeln von einem gewissen Tod errettet hatten; er hielt seinen Hut in der Hand; sein Gesicht hatte den Ausdruck der grimassenhaften Unterwürfigkeit seinen Profession und er murmelte eine gewöhnliche Bettlerformel.

Marius glaubte, daß die Plötzlichkeit, womit er sein entsetzliches Gesicht gezeigt, allein seine Mutter erschreckt habe.

»Geht fort!« sagte er kurz zu ihm.

Aber der Bettler hatte ihn erkannt; der erste Beweis, den ihm der junge Mann von seiner Menschenliebe gegeben, schien ihm nicht nur Vertrauen zu einer künftigen Freigebigkeit, sondern auch eine beträchtliche Dreistigkeit eingeflößt zu haben, sie zu fordern. Er setzte seinen Hut wieder auf den Kopf, und sein Gesicht, welches er unterwürfig zu machen suchte, nahm einen leichten Anflug von Unverschämtheit an.

»Ei, zum Henker!« rief er, »zwei alte Bekannte verlassen sich nicht auf diese Weise!«

»Ach! mein Gott, mein Gott, Du bist ohne Mitleid in Deiner Gerechtigkeit!« sagte Milette, indem sie verzweiflungsvoll die Hände rang.

»Wirst Du Dich von hier entfernen, Elender?« brüllte Marius, den Bettler heftig schüttelnd, den er bei dem Kragen seiner Blouse ergriffen hatte.

»Nehmen Sie sich doch in acht, ich habe keine Kleider zu wechseln, wie Sie. Wenn ich nicht fortgehen will, so ist es, weil ich es nicht gern habe, daß man mich anfaßt; das ist Alles.«

»Was wollen Sie? Laffen Sie sehen,« versetzte Marius, welcher auf diese Weise am schnellsten von der zudringlichen Gegenwart des Bettlers befreit zu werden hoffte. »Worüber beklagen Sie sich?«

»Ich beklage mich, daß die schöne Demoiselle, mit welcher Sie vor vierzehn Tagen am Vorgebirge spazieren gingen, sich über mich lustig gemacht hat, wie ein Mastwächter über einen Landsoldaten; ich habe mich in ihrer Wohnung gezeigt, wie sie es mir zu thun geboten, und als ich die Thüre ihres Bureau öffne – ein reiches Bureau, das muß ich gestehen, und es beweist mir, daß Sie nicht Unrecht haben, gern mit der Besitzerin spazieren zu gehen – da finde ich Commis, die mich hinausjagen wie einen Spitzbuben, der Bohrer und Zangen in den Augen hat! So beträgt man sich nicht!«

»Hier,« sagte Marius, indem er ein Stück Geld aus der Tasche zog. »Und jetzt entfernen Sie sich.«

»Die Worte der Demoiselle waren um die Hälfte schwerer, als Ihre Medaille,« antwortete der Bettler, dieses Almosen verächtlich zwischen einen Fingern drehend.

»Elender!« rief Marius, eine Faust erhebend.

»Ei! was haben Sie denn; ich danke Ihnen ja dessenungeachtet,« versetzte der Bettler mit einer gewohnten Frechheit. »Sie sind liebenswürdiger, wenn Sie der Jungen den Hof machen, als wenn Sie mit der Alten streiten das ist ganz einfach. Glauben Sie nicht, daß ich darüber böse auf Sie bin; und da Sie, wie es scheint, um die Kleine zu heirathen, der Alten ihren Sack geben sollen wie Sie es zu thun im Begriff waren, als ich kam, erbiete ich mich zum Beweise, das Compliment zu beenden wenn es Sie nicht zu sehr verletzt.«

»Und ich will Dich für Deine Unverschämtheit züchtigen!« sagte Marius, sich auf den Bettler losstürzend.

Bei dem Lärm dieses Kampfes kam Milette, die bis dahin wie leblos am Boden gekauert, ihr Gesicht mit den Händen bedeckt hatte und ihr Dasein nur durch ihre Thränen und das nervöse Zittern, welches ihre Glieder erschütterte, zuerkennen gab, aus ihrer Vernichtung, in die sie versunken war.

»Marius! Marius!« rief sie, »im Namen Gottes lege nicht die Hand an diesen Mann. Mein Sohn, ich bitte Dich darum, ich beschwöre Dich, ich befehle es Dir! Dieser Mann, Marius, dieser Mann ist geheiligt für Dich! Dieser letzte Satz kam nur unartikuliert aus der Kehl der armen Frau; als sie ihn beendet hatte, verließen sie ihre Kräfte, ihre flehenden Arme, die sie zu ihrem Sohn ausstreckte, fielen an ihren Seiten nieder; ein Gewölk zog über ihre Augen; sie verlor das Bewußtsein und fiel rücklings auf den Sand nieder.

Die Kämpfer konnten sie nicht hören; im ersten Augenblick hatte ihn der junge Mann, kräftiger, als sein Gegner, aus der Einzäunung getrieben. Beide waren au den Staub des Weges niedergefallen.

Sobald Marius sich von den Armen des Bettlers frei machen konnte, welcher versuchte, ihn unter sich zu rollen, trat er wieder in den Garten und sah seine Mutter ohnmächtig daliegen. Er nahm sie auf eine Arme und trug sie in die Cabane. Aber er hatte versäumt, die Pforte zu schließen, und sobald er seinen Rücken gewendet hatte, öffnete der Bettler dieselbe leise und schlich sich in den Fichtenwald, dessen Gebüsch ihm bei der einbrechenden Dunkelheit, welche die Erde einzuhüllen begann, als genügender Schutz dienen und verhindern konnte, daß er von Madeleinen’s Sennhütte und von der Cabane des Monsieur Coumbes gesehen wurde.

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