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Der Wolfsführer

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»Ein Mann, der mich dreißig Jahre lang so gut gefüttert hat,« sagte der Prinz, »soll für den Rest seines Lebens zu essen haben.«

Und er erhöhte die Rente auf zwölftausend Franken, damit Magloire tausend Franken monatlich zu verzehren hätte.

Ueberdies erlaubte er ihm, sich ein vollständiges Ameublement aus der alten Geräthkammer auszuwählen.

Daher kamen die Damastvorhänge und die vergoldeten Lehnstühle, die, obschon jetzt ein wenig abgeschossen, dennoch jenes vornehme Aussehen behalten hatten, worüber Thibault in so großes Staunen gerathen war.

Am Ende des ersten Rebhuhns und bei der Hälfte der zweiten Flasche wußte Thibault, daß Madame Magloire die vierte Frau seines Wirthes war, eine Zahl, welche den alten Haushofmeister in seinen eigenen Augen um eines Armes Länge zu vergrößern schien.

Ueberdies wußte Thibault jetzt, daß Magloire sie nicht wegen ihres Vermögens, sondern wegen ihrer Schönheit geheirathet hatte, denn er war stets ein ebenso großer Liebhaber von hübschen Gesichtern und schönen Büsten, als von guten Weinen und schmackhaften Speisen gewesen.

Und Herr Magloire fügte entschlossen hinzu, daß er trotz seines Alters, wenn seine Frau heute stürbe, sich nicht im Mindesten scheuen würde, eine fünfte Heirath einzugehen.

Beim Uebergang vom Chambertin zum Hermitage, und als man mit dem Sillery abwechselte, kam Herr Magloire auf die Eigenschaften seiner Frau zu sprechen.

Sie war just nicht die leibhaftige Sanftmuth, nein, dazu fehlte ihr beinahe Alles; sie legte der Bewunderung, welche ihr Gemahl den verschiedenen Weinen Frankreichs widmete, mancherlei Hindernisse in den Weg; sie widersetzte sich mit allen möglichen Mitteln, oft sogar mit physischer Gewalt, seinen allzu zahlreichen Besuchen im Keller; sie liebte ihrerseits, mehr als einem Anhänger des Systems gänzlicher Ungenirtheit lieb sein konnte, allerlei Lumpenzeug, englische Häubchen und Spitzem nebst anderem Flitterkram, der zum Kriegsarsenal der Frauen gehörte; für Spitzen an ihre Arme und Bänder an ihren Hals hätte sie gerne die zwölf Fässer Wein hingegeben, welche den Reichthum des Kellers ihres Gatten bildeten, wenn Herr Magloire der Mann gewesen wäre, eine solche Umwandlung zu erlauben; aber abgesehen davon, gab es keine Tugend, welche Susanna nicht besaß, und ihre Tugenden wurden überdies, wenn man dem Amtmann glauben durfte, auf so ausgezeichneten Füßen getragen, daß, wenn sie durch irgend ein Unglück einen davon verloren hätte, im ganzen Bezirk kein zu dem überbliebenen passender zu finden gewesen wäre.

Der gute alte Herr glich den ächten Wallfischen: er blies sein Glück zu allen seinen Luftlöchern aus, wie diese das Seewasser.

»Aber schon ehe er von all ihren geheimen Vollkommenheiten unterrichtet wurde, welche der Amtmann, ein zweiter König Candaulos, dem modernen Gyges zu enthüllen bereit war, hatte die Schönheit der Amtmännin auf unsern Holzschuhmacher einen so tiefen Eindruck hervorgebracht, daß er, wie wir bereits gesehen, auf dem ganzen Weg in Gedanken versunken geblieben war, und daß er, seit er bei Tische saß, noch immer von dieser Schönheit träumte und lautlos, aber wohlverstanden ohne das Essen zu vergessen, den begeisterten Phrasen lauschte, welche der über einen so gefälligen Hörer entzückte alte Herr an einander reihte, wie man die Perlen zu Rosenkränzen an einander reiht.

Inzwischen begann der würdige Amtmann nach seiner zweiten Kellerreise, die ihm einen sogenannten Knoten an die Zunge gemacht hatte, jene seltene Eigentschaft, welche Pythagoras von seinen Schülern forderte, etwas besser zu würdigen.

Demgemäß gab er Thibault zu verstehen, daß er ihm so ziemlich Alles gesagt habe, was er ihm über sich und seine Frau zu sagen wünschte, und daß es nunmehr an Thibault sei, ihm einige Aufschlüsse über sich selbst zu geben.

Der gute alte Herr fügte galant hinzu, da er mit ihm umzugehen wünsche, so wünsche er auch ihn kennen zu lernen.

Thibault hielt es jetzt für dringend nöthig, die Wahrheit ein wenig zu schminken.

Er gab sich für einen wohlhabenden Landwirth aus, der vom Ertrag zweier Bauernhöfe und von etwa hundert Morgen Land, in der Nähe von Verte-Feuille gelegen, lebe.

In diesen hundert-Morgen Land war, so sagte er, ein Gehäge einbegriffen, das einen wunderbaren Reichthum an Damhirschen, Rehen, Wildschweinen, Rothhühnern, Fasanen und Hasen darbot.

Der Amtmann müsse von allem dem kosten.

Herr Magloire war aufs Freudigste erstaunt.

Man hat an seinem Souper gesehen, daß er das Wildpret nicht verabscheute, und er war hochvergnügt, daß er solches in Zukunft ohne die Vermittlung von Wilderern, durch seinen neuen Freund erhalten werde.

Als nun die siebente Flasche ehrlich in beide Gläser ausgetröpfelt war, glaubte man, es sei Zeit aufzubrechen.

Der rothe Champagner, erste Sorte von Aï und die letzte Flasche, die geleert wurde, hatte die gewöhnliche Freundschaftlichkeit des Herrn Magloire in Zärtlichkeit umgewandelt.

Er war entzückt über seinen neuen Freund, der beinahe eben so geschickt wie er selbst das Glas zu lüpfen verstand.

Er duzte Thibault, er küßte ihn; er nahm ihm einen Schwur darauf ab, daß ein so herrlicher Abend sich bald wiederholen müsse.

Als er ihn bis zur Thüre begleitet hatte, stellte er sich zum zweiten Mal auf seine Zehen, um ihm den letzten Kuß auszudrücken.

Thibault kam ihm zu diesem Behuf aufs Bereitwilligste entgegen, indem er sich zu ihm hinabbückte.

Es schlug zwölf Uhr auf der Kirche von Erneville, als die Thüre sich wieder hinter dem Holzschuhmacher schloß.

Die Dünste der starken Weine, die er getrunken, hatten ihm schon im Hause einige Beklemmung verursacht, aber nach ärger wurde dieser Zustand, als er in die Luft kam.

Ganz betäubt taumelte er an die Mauer und lehnte sich an.

Was jetzt vorging, blieb für ihn dunkel und räthselhaft gleich Traumgeschichten.

Ueber seinem Kopf und sechs oder acht Fuß vom Boden war ein Fenster, das ihm bei seiner Schwenkung gegen die Mauer hin beleuchtet geschienen hatte, obschon sein Licht durch doppelte Vorhänge verschleiert war.

Kaum hatte er sich angelehnt, so glaubte er zu bemerken, daß dieses Fenster sich öffne.

Er meinte, es sei der würdige Amtmann, der sich nicht von ihm trennen wolle, ohne ihm ein letztes Lebewohl zuzusenden.

Er suchte sich daher von der Mauer loszumachen, um dieser verbindlichen Absicht die gebührende Ehre zu erweisen.

Vergebliches Bemühen!

Einen Augenblick glaubte er sich festgewachsen wie Epheu.

Bald begriff er, daß er sich im Irrthum befand.

Er spürte, wie sich zuerst auf seine rechte, dann auf seine linke Schulter ein Gewicht herabsenkte, so schwer, daß seine Kniee sich bogen und er an der Mauer hinglitt, wie wenn er sich setzen wollte.

Diese Bewegung schien dem Wunsch des Individuums, das ihn statt einer Leiter benützte, zu entsprechen.

Wir sehen uns zu dem Bekenntniß gedrungen, daß das aus der Höhe kommende Gewicht ein lebendiger Mann war.

Er fügte sich nach dieser Bewegung des Kniebeugens, wozu er Thibault genöthigt hatte, indem er sagte:

»Seht gut, Munter! sehr gut!

Und mit dem letzten Wörtchen sprang er zur Erde, während man das Getöne eines sich schließenden Fensters hörte.

Thibault begriff zwei Dinge:

Erstens, daß man ihn für einen gewissen Munter hielt, der vermuthlich in irgend einer Ecke in der Nähe des Schlosses schlief.

Zweitens, daß er einem Verliebten als Leiterchen hatte dienen müssen.

Beides regte ein dunkles Gefühl der Demüthigung in ihm auf.

Deßhalb griff er mechanisch nach einem wallenden Stoff, welcher ihm der Mantel des Verliebten zu sein schien, und klammerte sich mit der Beharrlichkeit betrunkener Leute an diesen Mantel fest.

»Was machst Du da, Kerl?« sagte eine Stimme, welche den Erinnerungen des Holzschuhmachers nicht ganz fremd schien; willst Du mich zu Grunde richten?«

»Ja gewiß will ich Euch zu Grunde richten,« antwortete Thibault, »denn ich will wissen, wer der unverschämte Bursche ist, der sich erlaubt, meine Schultern als Leiterchen zu gebrauchen.«

»Zum Henker! « sagte der Unbekannte, »Du bist es also nicht, Munter?«

»Nein, ich bin’s nichts« antwortete Thibault.

»Nun denn, ob Du es bist oder nicht, ich sage Dir Dank.«

»Wie so, Dank? Das wäre mir nicht übel! Glaubt Ihr denn, damit sei Alles abgemacht?«

»Allerdings glaube ich das.«

»Dann habt Ihr Eure Rechnung ohne den Wirth gemacht.«

»Dummes Zeug! Laß mich los, Lümmel! Du bist betrunken.«

»Betrunken! Warum nicht gar? Wir haben zu zwei bloß sieben Flaschen getrunken, und davon kommen gewiß vier auf den Amtmann.« .

»Ich sage Dies noch einmal: laß mich los, besoffenes Schwein!«

»Ihr nennt mich ein besoffenes Schwein, weil ich drei Flaschen Wein getrunken habe?«

»Nein, nicht darum, weil Du drei Flaschen Wein getrunken hast, sondern weil Du von drei elenden Flaschen besoffen worden bist.«

Und mit einer mitleidsvollen Geberde versuchte es der Unbekannte zum dritten Mal, seinen Mantel loszureißen.

»Verdammter Dummkopf!« sagte er, »willst Du jetzt meinen Mantel loslassen, ja oder nein?

Thibault hatte von jeher kitzliche Ohren.

Aber in seiner augenblicklichen Gemüthsstimmung ging seine Empfindlichkeit bis zur Reizbarkeit.

»Alle Hagel!« rief er, »vernehmt, mein schöner Herr, daß hier der verdammte Dummkopf nur derjenige ist, der, nachdem er die Leute benützt hat, statt der schuldigen Danksagung sie beschimpft; deßhalb weiß ich gar nicht, was mich abhält, Euch meine Faust ins Gesicht zu schlagen.«

Kaum hatte Thibault diese Drohung vollendet, als der Faustschlag, welchen er dem Unbekannten in Aussicht gestellt hatte, ihm selbst auf den Kopf kam, und zwar so schnell als eine Kugel aus dem Rohr fliegt, wenn die Lunte das Pulver berührt.

 

»Da sieh, Du Einfaltspinsel,« sagte diese Stimme, welche bei Thibault gewisse Erinnerungen wach rief, die mit dem empfangenen Faustschlag harmonirten, »ich bin ein ehrlicher Jude und bezahle Dir Dein Geld heim, ehe Du mir’s vorgezählt hast.«

Thibault erwiederte mit einem Faustschlag auf die Brust.

Der Faustschlag war gut zugemessen, und Thibault selbst war vor seinem inneren Richterstuhl damit zufrieden.

Aber der Unbekannte schien dadurch so wenig erschüttert zu werden, als eine Eiche, welcher ein Kind einen Nasenstüber gibt.

Er antwortete mit einem zweiten Faustschlag, welcher den ersten an Kraft so sehr übertraf, daß Thibault begriff, wasmaßen er, wenn die Kraft des Riesen in diesem Verhältnis; wuchs, unfehlbar todtgeschlagen werden mußte.

Aber gerade die Gewalt dieses Faustschlags brachte dem Unbekannten Unglück.

Thibault war aus ein Knie gefallen, mit der Hand aus den Boden gerathen und hatte sich die Finger an einem Stein zerstoßen.

Jetzt richtete er sich wüthend mit dem Stein in der Hand aus und warf ihn dem Unbekannten an den Kopf.

Der Coloß stieß ein Uf! aus, das dem Gebrülle eines Ochsen glich.

Er drehte sich um sich selbst und sank dann gleich einer in ihrer Wurzel abgehauenen Eiche zur Erde, wo er bewußtlos liegen blieb.

Ohne zu wissen, ob er seinen Gegner getödtet oder bloß verwundet hatte, ergriff Thibault die Flucht und sah nicht ein einziges Mal hinter sich.

Vom Hause des Amtmanns war es nicht weit in den Wald.

Thibault befand sich also sehr bald jenseits des Grabenschlößchens, bei der Ziegelbrennerei.

Kaum hatte er hundert Schritte im Wald gewartet, als er sich von seinem gewöhnlichen Geleite umgeben sah.

Der ganze Haufe empfing ihn mit Augenzwinkern und Schweifgewedel, um seine Zufriedenheit auszudrücken.

Im Uebrigen bekümmerte sich Thibault, der sich bei seiner ersten Berührung mit seiner seltsamen Leibwache so unbehaglich gefühlt hatte, jetzt so wenig mehr um sie, als wäre es ein Haufe Kaninchen gewesen.

Er sagte ihnen einige freundliche Worte, kraulte dem nächsten sanft zwischen den Ohren und zog unter Betrachtungen über seinen doppelten Triumph weiter.

Er hatte seinen Wirth bei der Flasche überwunden.

Er hatte seinen Gegner im Faustkampf überwunden.

Er sprach daher in seinem fröhlichen Humor ganz laut vor sich hin:

»Du mußt es selbst gestehen, Freund Thibault, daß Du ein glücklicher Geselle bist. Frau Susanna ist in jeder Beziehung das, was Du brauchst. Amtmännin! zum Henker, das nenne ich eine Eroberung! Und wenn sie ihren Mann überlebt, welch ein Weib für mich! Aber wenn sie einmal, ob nun als Frau oder als Geliebte, neben mir und an meinem Arme einhergeht, dann wird mich beim Teufel Niemand mehr für etwas Anderes als einen Edelmann halten. Ha! wenn ich daran denke, daß alles das ganz sicher ist, wofern ich nur keine Dummheit mache, die mir das Spiel verderbt! Denn ich habe mich wahrlich durch ihr zurückhaltendes Wesen nicht täuschen lassen. Wer keine Angst hat, flieht nicht. Sie wird gefürchtet haben, daß sie sich gleich heim ersten Mal verrathen könnte; aber wie verbindlich war sie nicht, als sie auf ihr Zimmer ging! Ja wohl, ich sehe schon, wie sich alles das von selbst macht, ich werde kaum ein Bischen nachzuhelfen brauchen. Sobald sie sich einmal an einem schönen Morgen von ihrem dicken alten Männchen befreit sieht, so ist die Sache fix und fertig. Gleichwohl kann und ganz besonders will ich diesem armen Herrn Magloire nicht den Tod wünschen. Seinen Platz einnehmen, wenn er einmal nicht mehr da ist, das geht an! aber einen Mann umzubringen, der mir so gute Weine vorgesetzt hat! ihn umzubringen, während ich diese Weine noch im Magen habe, nein, das wäre eine Ausführung, wegen welcher selbst mein Gevatter Wolf sich an mir schämen müßte.«

Sodann fuhr er mit seinem spitzbübischsten Lächeln fort:

»Und ist es überdies nicht weit besser, daß ich mir bereite Anrechte auf Frau Susanna erworben habe, wenn Herr Magloire einmal auf ganz natürlichem Weg in die andere Welt abführt, was bei der Art, wie der Bursche ißt und trinkt, nicht mehr allzu lang anstehen kann?«

Da ihm nun ohne Zweifel die so viel gepriesenen guten Eigenschaften der Amtmännin wieder in den Sinn kamen, sagte er:

»Nein, nein, keine Krankheit, kein Tod, kein Hinscheiden! Nichts als einige jener einfachen Widerwärtigkeiten, die Jedermann zustoßen; nur wünsche ich, da mein Vortheil, das mit sich bringt, daß ihm etwas mehr zustoße als andern Leuten; in seinem Alter darf man keinen Anspruch mehr darauf machen, den jungen Wildfang oder Spießhirsch zu spielen; nein, Jeder muß nach Verdienst bedient werden. Wenn die Sache einmal so weit gediehen ist, so werde ich recht schön danken, mein Herr Vetter Wolf.«

Und Thibault, der ohne Zweifel anderer Ansicht war als meine Leser und den Spaß herrlich fand, rieb sich voll Vergnügen über diese Idee die Hände, ja er war so erfreut darob, daß er bereits in der Stadt und am Ende der Straße Lorgny angekommen war, als er sich noch fünfhundert Schritte vom Hause des würdigen Amtmanns entfernt glaubte.

Hier gab er seinen Wölfen ein Zeichen.

Es« wäre unvorsichtig gewesen, mit einer Ehrengarde von zwölf Wölfen durch ganz Villers-Coterets zu ziehen; es konnten Hunde um den Weg sein und die Hunde konnten Lärm machen..

Sechs Wölfe schwenkten also zur Rechten, sechs zur Linken ab, und obschon der Weg nicht ganz der gleiche war, so fand sich doch, da die einen schneller, die andern langsamer gingen, am Ende der Straße Lormet das Dutzend wieder vollzählig beisammen.

Vor Thibaults Hütte verabschiedeten sich die Wölfe und verschwanden.

Aber ehe sie, jeder nach seiner Seite, abzogen, forderte Thibault sie auf, sich am nächsten Abend mit einbrechender Nacht recht pünktlich wieder am gleichen Platze einzustellen.

Obschon Thibault erst um zwei Uhr Morgens nach Hause gekommen war, so erhob er sich doch mit dem Tag.

Freilich erhebt sich im Januar der Tag spät.

Thibault brütete über einem Plan.

Er hatte sein Versprechen, dem Amtmann Wildpret aus seinem Gehäge zu schicken, nicht vergessen.

Nur bestand sein Gehäge aus sämmtlichen Waldungen Sr. durchlauchtigsten Hoheit des Herrn Herzogs von Orleans.

Deßhalb war er so früh aufgestanden.

Es hatte von zwei bis vier Uhr Morgens geschneit.

Mit der Umsicht und Gewandtheit eines Spürhundes untersuchte er den Wald nach allen Richtungen.

Er suchte die Lager der Hirsche und Rehe, die Suhllachen der wilden Schweine und die Nester der Hasen; er beobachtete die Gänge, welche die Thiere machten, um ihre Nächte zuzubringen.

Als sodann Finsternis; über den Wald ausgebreitet lag, da stieß er (man lernt mit den Wölfen heulen) ein Geheul aus, das ihm den Vorbann und Nachbann der in der vorigen Nacht eingeladenen Wölfe zuführte.

Alles kam, selbst Wölflein vom heurigen Jahre.

Thibault erklärte ihnen hierauf, daß er eine ganz außerordentliche Jagd von ihnen erwarte.

Um sie anzuspornen, kündigte er ihnen an, daß er selbst mitgehen und sie unterstützen werde.

Es war wirklich eine wunderbare Jagd.

Die ganze Nacht hindurch erscholl das düstere Gewölbe des Waldes von schrecklichem Geheul.

Hier fiel ein von einem Wolf verfolgtes Reh, an der Kehle gepackt von einem andern Wolf, der im Hinterhalt lag.

Dort kam Thibault, mit dem Messer in der Hand wie ein Fleischer, drei oder vier von seinen wilden Genossen zu Hilfe und tödtete ein schönes vierjähriges Schwein, das sie gepackt hatten.

Eine alte Wölfin kam mit einem halben Dutzend Hasen, welche sie inmitten ihrer verliebten Belustigungen überfallen hatte, und sie konnte nur mit großer Mühe ihre Jungen verhindern, in unehrerbietiger Gefräßigkeit, ehe noch der Herr der Wölfe seine Gebühren vorweggenommen, eine ganze Familie von Rothhühnern zu verschlingen, welche diese jungen Maraudeurs im Schlaf überrumpelt hatten.

Frau Susanna Magloire hatte in diesem Augenblick nicht die leiseste Ahnung von dem, was ihr zu Liebe im Walde von Villers-Coterets geschah.

Nach zwei Stunden hatten die Wölfe einen ganzen Wagen voll Wildpret vor Thibaults Hütte zusammengebracht.

Thibault traf seine Wahl, dann überließ er ihnen noch reiche Beute.

Endlich lud er den Rest auf zwei Maulthiere, die er unter dem Vorwand, seine Holzschuhe nach der Stadt zu bringen, von einem Köhler borgte, und brach nach Villers-Coterets auf, wo er einen Theil seines Raubs an den Wildprethändler verkaufte, die feinsten und von den Wolfsklauen am wenigsten zugerichteten Stücke aber für Madame Magloire zurückbehielt.

Er hatte Anfangs im Sinn gehabt, dem Amtmann alles das in eigener Person zu überbringen.

Aber Thibault fing an, einigen Anstrich von Cultur zu bekommen.

Ei: hielt es für anständiger, sein Geschenk vorauszuschicken, er belastete daher einen Bauer mit all diesem Wildpret, gab ihm ein Dreißigsousstück und schickte ihn zu dem Amtmann von Erneville mit einem einfachen Papier, worauf die Worte standen: »Von Herrn Thibault.«

Er selbst gedachte seiner Botschaft bald nachzufolgen.

Er folgte ihr in der That so schnell, daß er ankam, als Herr Magloire das so eben empfangene Wildbret gerade auf einem Tisch auslegte.

Und da der Amtmann im ganzen Feuer seiner Dankbarkeit war, so streckte er seine Aermchen gegen seinen Freund von vorgestern aus und versuchte es, ihn unter lautem Freudengeschrei an sein Herz zu drücken.

Wir sagen: er versuchte es, denn zwei Dinge widersetzten sich diesem Wunsche:

Die Kleinheit seiner Arme und die Rundheit seines Wanstes.

Aber er dachte, daß da, wo er selbst nicht ausreiche, Madame Magloire ihm helfen könne.

Er eilte also an die Thüre und schrie aus vollem Halse:

»Susanna! Susanna!i«

In der Stimme des Amtmanns lag ein so außerordentlicher Ausdruck, daß seine Frau auf irgend etwas Neues schloß, ohne sich jedoch klar machen zu können, ob in Gutem oder in Bösem.

Sie kam also eilig herab, um die Sache selbst beurtheilen zu können.

Sie fand ihren Gatten außer sich vor Vergnügen um den Tisch herum trippelnd, auf welchem er, man muß es sagen, das allererfreulichste Bild, das sich den Blicken eines Eßkünstlers darbieten konnte, aufgestellt hatte.

Sobald Susanna erschien, rief ihr Mann, in die Hände klatschend:

»Komm her, Frau, schau, was unser Freund Thibault uns bringt, und saget ihm Euren Dank. Das nenne ich einmal sein Wort halten. Er versprach uns einen Korb voll Wildpret aus seinem Gehäge, und nun schickt er einen Wagen voll. Reich ihm die Hand, gib ihm schnell einen Kuß und schau mir das alles an.«

Madame Magloire gehorchte den Befehlen ihres Gatten mit der grüßten Bereitwilligkeit, reichte Thibault die Hand, ließ sich von ihm küssen und senkte dann ihre schönen Augen auf diese Victualiensammlung, welche die Bewunderung ihres Mannes ausmachte.

Und diese Sammlung, die ihren gewöhnlichen Mahlzeiten eine so angenehme Zugabe brachte, war in der That bewunderungswürdig.

Zuerst und als Hauptstücke kamen Kopf und Keule von einem Wildschwein mit festem und saftigem Fleisch; sodann eine schöne dreijährige Rehgeiß, die so zart sein mußte, wie der Thau, welcher gestern noch auf dem Gras geheilt, das sie abweidete; hierauf Hasen mit dicken, fleischigen Schlegeln, echte Haidehasen von Gondreville, bei Thymian und Quendel großgewachsen; endlich so duftige Fasanen, so delikate Rothhühner, daß man, wenn sie einmal am Spieß steckten, über dem Wohlgeruch ihres Fleisches die Pracht ihres Gefieders vergaß.

Nun verschlang die Einbildungskraft des dicken Kleinen alles das zum Voraus, sie bereitete das als Wildschwein als Carbonade, die Rehgeiß mit pikanter Sauce, die Hasen als Pasteten, die Fasanen mit Trüffeln, die Rothhühner à la Vaupalière, und das alles besprach er mit so viel Ausdruck und Feuer, daß jedem Gourmand, der ihn gehört hätte, das Wasser im Munde hätte zusammenlaufen müssen.

Der Enthusiasmus des Amtmanns machte, daß Frau Susanna vergleichungsweise etwas kalt erschien.

Gleichwohl ergriff sie eine gewisse Initiative, indem sie Thibault mit der verbindlichsten Freundlichkeit erklärte, sie werde ihn nicht mehr auf seine Güter zurückkehren lassen, bevor sämmtlicher Mundvorrath, der jetzt durch seine Güte ihre Speisekammer fülle, aufgezehrt sei.

Man kann sich Thibaults Vergnügen denken, als er die Dame auf solche Weise seinen liebsten Wünschen entgegenkommen sah.

Er versprach sich Wunder von diesem Aufenthalt in Erneville und ging in der Freudigkeit seines Herzens so weit, daß er Herrn Magloire aufforderte, irgend ein appetitförderndes Getränke herzuschaffen, das ihre Magen zum würdigen Empfang der Speisen befähige, welche Jungfer Perrine ihnen bereiten werde.

 

Herr Magloire war hoch erfreut, daß Thibault nichts vergessen hatte, nicht einmal den Namen seiner Köchin.

Man ließ Wermuth holen.

Dies war ein in Frankreich noch sehr unbekanntes Getränk, das der Herr Herzog von Orleans aus Italien kommen ließ, und womit der Haushofmeister Sr. Durchlauchtigen Hoheit einen Amtsvorfahr huldreich beschenkte.

Thibault machte eine Grimasse.

Er fand, daß das exotische Getränke einem hübschen kleinen vaterländischen Chablis nicht gleichkam.

Aber als Herr Magloire ihm gesagt hatte, daß er in Folge dieses Wundertrankes binnen einer Stunde einen grimmigen Appetit verspüren würde, da machte er keine Bemerkung mehr, sondern half dem Amtmann getreulich seine Flasche leeren.

Frau Susanna ihrerseits war auf ihr Zimmer zurückgegangen, um das zu machen, was die Damen eine kleine Toilette nennen, und was gewöhnlich nichts Anderes als ein vollständiger: Decorationswechsel ist.

Bald nahte die Essensstunde.

Frau Susanna kam von ihrem Zimmer herab.

Sie war blendend in ihrem schönen, mit Cantille gestickten, grauen Damastkleid, und die verliebten Aufwallungen, welche sie bei Thibault hervorrief, ließen den Holzschuhmacher nicht an die Verlegenheit denken, in die er nothwendig gerathen mußte, wenn er zum ersten Mal in so schöner und so aristocratischer Gesellschaft schmauste.

Thibault biß sich, zu seinem Lob sei es gesagt, nicht ganz schlecht heraus.

Er gab nicht bloß redlich seiner schönen Wirthin Blick um Blick zurück, sondern er hatte auch sein Knie ein wenig dem ihrigen genähert und erlaubte sich einen sanften Druck auf dasselbe.

Auf einmal und während Thibault sich gerade dieser Beschäftigung hingab, heftete Frau Susanna, die ihn bisher zärtlich angeschaut hatte, ihre Blicke ganz starr auf ihn.

Dann öffnete sie den Mund und brach in ein so heftiges Gelächter aus, daß es in Nervenzuckungen ausartete, woran sie beinahe erstickte.

Ohne sich bei den Folgen aufzuhalten, ging Herr Magloire direct auf die Ursachen zurück.

Er betrachtete jetzt Thibault ebenfalls und benuruhigte sich weit mehr über das, was er Beängstigendes an seinem neuen Freund wahrzunehmen glaubte, als über den Nervenüberreiz, den sich seine Frau durch ihre allzu große Heiterkeit zugezogen.

»Ach, was ist das, Gevatter?« rief er, indem er voll Angst seine beiden Aermchen gegen Thibault ausstreckte, »Ihr flammet ja, Gevatter, Ihr flammet.«

Thibault stand eilig auf.

»Was gibt es denn?« fragte er.

»Ihr habt Feuer in den Haaren,« antwortete der Amtmann naiv, indem er in seiner Herzensangst die vor seiner Frau stehende Wasserflasche ergriff, um den Brand in Thibaults Haaren zu löschen.

Der Holzschuhmacher fuhr instinktmäßig mit der Hand nach seinem Kopf.

Da er jedoch keine Wärme spürte, so errieth er, um was es sich handelte, und sank schrecklich blaß auf seinen Stuhl zurück.

Er war seit zwei Tagen dermaßen beschäftigt gewesen, daß er die Vorsicht-Maßregel, welche er der Müllerin gegenüber ergriffen, nämlich mittelst einer eigenthümlichen Frisur diejenigen Haare, auf welche der schwarze Wolf ein Eigenthumsrecht besaß, unter den anderen zu verstecken, gänzlich vergessen hatte.

Ferner ist wahr, daß während dieser Zeit in Folge einer Menge kleiner Wünsche, die ihm entfahren und mehr oder weniger auf den Schaden seines Nebenmenschen gerichtet waren, die gezeichneten Haare sich ganz schrecklich vermehrt hatten. In diesem Augenblicke hatte der Unglückliche Haare, die ebenso hell glänzten, als die zwei gelben Wachslichter, welche das Zimmer beleuchteten.

»Zum Teufel, Herr Magloire, « sagte Thibault, indem er seine Aufregung zu bemeistern versuchte, »Ihr habt mir eine schreckliche Angst eingejagt.«

»Aber . . . « stammelte der Amtmann, indem er fortwährend mit einem gewissen Entsetzen auf die flammende Locke Thibaults deutete..

»Ach was!« versetzte dieser, »Ihr müßt Euch nicht daran stoßen, daß ein Theil meiner Haare vielleicht etwas Ungewöhnliches hat; dies kommt daher, daß meine Mutter, als sie mit mir schwanger war, an einem großen Feuer erschrocken ist, worin sie beinahe umgekommen wäre.«

»Was noch sonderbarer ist,« meinte Frau Susanna, die ein großes Glas Wasser hinabgestürzt hatte, um ihr Gelächter zu dämpfen, »ich habe diesen wunderlichen Glanz heute zum ersten Mal bemerkt.«

»Ei wahrhaftig,« sagte Thibault, der nicht recht wußte, was er antworten sollte.

»Vorgestern,« fuhr Frau Susanna fort, »erschienen mir Eure Haare so schwarz wie mein Sammtmantel, und dennoch dürft Ihr mir glauben, daß ich Euch mit großer Aufmerksamkeit betrachtet habe, Herr Thibault.«

Diese letzte Phrase gab Thibault seine Hoffnungen und mit ihnen auch seine gute Laune zurück.

»Potz Wetter, Frau Amtmännin,« sagte er, »rothe Haare, warmes Herz, das ist ein alter Spruch, und ein anderes Sprichwort sagt, daß ein recht sein und blank polirter Holzschuh gar häufig geheime Ritzen und Splitter hat.«

Madame Magloire verzog ihr Gesicht zu diesem der Holzschuhmacherkunst entnommenen Dictum.

Aber wie gar häufig, so begegnete es dem Amtmann auch jetzt, daß er die Ansicht: seiner Frau nicht theilte.

»Was mein Gevatter Thibault spricht, ist Goldes werth,« sagte er, »und ich brauche gar nicht weit zu gehen, um ein Beispiel zu finden, auf das seine Sprichwörter passen. Diese Lyoner Suppe da sah verdammt wenig gleich und dennoch haben mir noch niemals Zwiebeln und Brod, in Gänseschmalz gebacken, so trefflich gemundet.«

Von diesem Augenblick an war von Thibaults flammender Locke nie mehr die Rede.

Gleichwohl schienen Frau Susanna’s Augen unwiderstehlich zu dieser Teufelslocke hingezogen zu werden, und so oft der spöttische Blick der Amtmännin den seinigen kreuzte, glaubte Thibault auf ihren Lippen einen neuen beleidigenden Drang zum Lachen zu entdecken.

Dies ärgerte ihn.

Unwillkürlich fuhr er jeden Augenblick mit der Hand in seine Haare und bemühte sich, die unselige Locke unter die anderen Haare zu stecken.

Aber die Locke hatte nicht bloß eine ungewöhnliche Farbe, sondern auch eine unerhörte Steifheit.

Es waren keine Menschenhaare mehr, sondern Roßhaare.

Vergeblich waren alle Bemühungen Thibaults, die Teufelshaare zu biegen und unter seinen eigenen, zu verstecken; nichts, selbst das Brenneisen nicht, wäre im Stande gewesen, sie aus ihrer natürlichen Lage zu bringen.

Trog aller dieser Bekümmernisse wurden Thibaults Kniee immer zärtlicher.

Da nun Madame Magloire, wenn sie auch seine verliebten Herausforderungen nicht erwiederte, doch keineswegs gewillt schien, sich denselben zu entziehen, so zweifelte der ehrgeizige Thibault kaum mehr an der Gewißheit seiner Eroberung.

Die Sitzung verlängerte sich bis in die tiefe Nacht.

Und da Frau Susanna, der die Zeit lang zu werden schien, oft vom Tische aufstand und im Haus hin und her ging, so benutzte Herr Magloire die Abwesenheiten seiner Frau zu wiederholten Besuchen in seinem Flaschenkeller.

Er versteckte die Flaschen im Futter seines Hausrocks, und wenn sie einmal auf dem Tisch standen, so leerte er sie so schnell, daß sein Kopf allmälig schwerer wurde und sich auf den Magen hinabneigte, ein deutliches Zeichen, daß es Zeit war, dem Gelage ein Ende zu machen, wenn der gute alte Herr nicht unter den Tisch sinken sollte.

Thibault seinerseits war entschlossen, diesen Umstand zu einer Liebeserklärung gegen die Amtmännin zu benützen, und da ihm die Schlafseligkeit ihres Gatten eine gute Gelegenheit zu bieten schien, so sagte er, daß er jetzt nicht ungern zu Bette gehen würde.

Auf diese Erklärung erhob man sich von der Tafel.

Perrine wurde gerufen, um dem Gast sein Zimmer zu weisen.

Auf dem Wege durch den Corridor fragte Thibault das Mädchen aus.

Nro. 1 im Gange war das Zimmer des Herrn.

Nro. 2 das Zimmer der Frau.

Nro. 3 war für ihn selbst bestimmt.

Nur standen die Zimmer des Amtmanns und seiner Frau durch eine innere Thür mit einander in Verbindung, während Thibaults Zimmer keine andere Thüre hatte, als auf den Gang hinaus.

Ueberdies hatte er bemerkt, daß Frau Susanna ins Zimmer ihres Gatten getreten war.

Er dachte mit Recht, daß ein frommes Gefühl ehelicher Pflicht sie dahin führe.

Der Zustand, worin sich der gute Amtmann befand, erinnerte stark an denjenigen, worin Noah von seinen Söhnen verspottet wurde: Frau Susanna mußte Hand anlegen, damit er auf sein Zimmer gelangte.

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