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Das Brautkleid

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XXIII.
Selten ein Unglück allein

Als Cäcilie wieder zu sich kam, fand sie Mademoiselle Aspasia beschäftigt, sie Salze einatmen zu lassen. Der Schrei, den das arme Mädchen ausgestoßen hatte, war bis an das Zimmer der Marquise gehört worden, und diese hatte ihre Gesellschafterin abgeschickt, um sich zu erkundigen, was sich zugetragen habe. Einen Augenblick später ging die Marquise selbst, weil Mademoiselle Aspasia nicht zurückkam, in das Zimmer.

Ungeachtet der wenigen Übereinstimmung, welche zwischen beiden herrschte, warf sich Cäcilie in die Arme ihrer Großmutter, zeigte ihr das schreckliche Protokoll, dessen eisiger Inhalt mit einem Male alle ihre Hoffnungen, alle ihre Träume vernichtet hatte.

Dieses Protokoll war das Erscheinen des Todes selbst, dieses kalten, teilnahmslosen, unerbittlichen Todes, dieses Todes, der alle die Vorsichtsmaßregeln bei Seite setzt, welche die Güte Gottes, oder die Umsicht eines Freundes in Anwendung bringt.

So konnte auch Cäcilie ewig nur wiederholen:

»Tod, tot, tot!«. . .

Die Marquise war niedergeschmettert; mit einem Blicke hatte sie übersehen, in welch' schreckliche Lage sie und ihre Enkelin durch diese Katastrophe versetzt werde.

Alle ihre Hoffnungen auf Ruhe, auf Wohlleben und auf Luxus beruhten auf Heinrich de Sennones. Der Brief, welchen er acht Tage vor seiner Abreise von Guadeloupe geschrieben, und in welchem er seiner Verlobten eine Schilderung seines kleinen Reichtums gegeben, hatte den Berechnungen der Marquise zur Grundlage gedient; und nun war Alles zu Ende. Heinrich war tot, die Diamanten waren verkauft, die Quellen der unglücklichen Familie waren versiegt, und' es blieb ihr nichts, gar nichts, besonders nach den Ansichten der Marquise, welche nicht wusste, daß sie seit drei oder vier Monaten schon von der Arbeit Cäciliens lebe. Mademoiselle Aspasia allein hatte es wahrgenommen, denn schon zwei- oder dreimal hatte sie gegen die Marquise den Wunsch geäußert, sich auf das Land zurückzuziehen, indem ihre schlechte Gesundheit jetzt der größten Ruhe bedürft.

Der Schmerz der Marquise war also viel größer, als Cäcilie sich ihn gedacht hatte; denn diese konnte nicht im Grunde des Herzens ihrer Großmutter die wahren Ursachen ihres Schmerzes lesen. Es war ein Glück für das arme Mädchen; denn in dem Momente, in welchem sie ihre Großmutter wanken sah, erlangte sie ihre Kraft wieder, um sie zu unterstützen. Die Marquise war im Nachtgewand aus ihrem Bette gestiegen, man brachte sie in ihr Zimmer zurück und legte sie zu Bette.

Indessen konnte Cäcilien diese kalte Ankündigung des Todes ihres Geliebten nicht genügen; sie wollte nähere Umstände wissen, sie wollte wissen, wie ihr dieser Brief zugekommen sei, kurz, das arme Kind zweifelte, gleich jedem Unglücklichen, der von einem unerwarteten Schlage getroffen wird, und bedurfte noch einer weiteren Überzeugung ihres Schmerzes.

Der Brief war von dem Ministerium der Marine gesiegelt, und daher kam Cäcilien ganz natürlich der Gedanke, sich an das Marine-Ministerium zu wenden, um die gewünschten Aufklärungen zu erhalten. Sie überließ die Sorge für ihre Großmutter der Mademoiselle Aspasia, warf einen Schleier über ihren Hut, nahm den verhängnisvollen Brief, steckte sich in ihre Enveloppe, ging hinab und warf sich in einen Fiaker, um sich nach dem Marine-Ministerium führen zu lassen.

Als sie an der Türe ankam zeigte sie ihren Brief dem Türhüter und fragte ihn, aus welchem Bureau dieser Brief komme; der Türhüter antwortete ihr, daß er aus dem Sekretariat sei.

Cäcilie ging nun in das Sekretariat hinauf und verlangte den Employé zu sprechen, welcher diesen Brief geschrieben hatte; da er noch nicht angekommen war, wartete sie. Endlich kam er. Es war eine seltsame Sache; Cäcilie hatte, seitdem sie wieder zu sich gekommen war, auch nicht eine Träne vergossen.

Der Employé erklärt ihr, daß dieses Protokoll von Plymouth gekommen sei, wo die schöne Anna nach ihrer Rückkehr von Guadeloupe Anker geworfen hatte, und daß es bloß von folgender Nachricht begleitet gewesen sei: »Nachdem der Vicomte Carl Heinrich de Sennones am Bord der schönen Anna am 28. März 1805 gestorben ist, und in diesem Augenblick keinen bekannten Verwandten in England hat, so bitten wir die französische Regierung, seinen Tod dem Fräulein Cäcilie de Marsilly, von welcher er, wie von seiner Verlobten, sehr oft mit dem Lotsen Samuel gesprochen hat, bekannt zu machen.

»Aller Wahrscheinlichkeit nach hält sich Fräulein Cäcilie de Marsilly in Frankreich auf. Das Protokoll, welches seinen Tod feststellt, legen wir bei.«

Cäcilie vernahm alle diese Einzelheiten mit gebrochenem Herzen, aber mit trockenen Augen; man hätte glauben sollen, daß der Tränenquell vertrocknet sei, oder vielmehr, daß die Tränen nach innen fließen.

Sie fragte nur noch, ob man ihr nicht sagen könne, wohin der Leichnam gebracht worden sei.

Der Employé erwiderte ihr, daß, wenn ein Reisender oder ein Matrose am Bord eines Fahrzeuges sterbe, sein Leichnam nicht mitgenommen, sondern kurz und einfach in's Meer geworfen werde.

Cäcilie erkannte nun, wie durch einen plötzlichen Blitzstrahl erhellt, jenes große Weltmeer, welches stürmend und brausend an ihre Füße an dem Tage hingewogt hatte, an welchem sie am Arme Heinrichs auf den Strandsteinen von Boulogne ging.

Sie dankte dem Employé für seine Aufklärungen und entfernte sich.

Nun war für Cäcilie Alles klar. Diese lange Zeit, welche seit dem Tode Heinrichs verflossen, und die sie mit Warten zugebracht, hatte sie verloren, um zu suchen, wo er blieb.

Die Nachforschungen waren, wie sie gewöhnlich von Regierungen im Allgemeinen, wenn sie kein besonderes Interesse haben, geschehen, angestellt worden.

Man hatte die Nachricht in den Zeitungen angekündigt, aber Cäcilie las kein Journal, endlich hatte man eines Tags sich entschlossen, die Briefträger zu versammeln und sich an diese zu wenden, und nun hatte einer dieser braven Leute erklärt, daß er achtzehn Monate früher Briefe an ein Fräulein Cäcilie de Marsilly gebracht habe, und daß diese Rur du Coq Nr. 5 wohne.

Cäcilie kehrte nach Hause, stieg ihre fünf Treppen hinauf und wollte gerade läuten, als sie bemerkte, daß die Thüre auf stehe; da sie glaubte, daß Mademoiselle Aspasia zu irgend einer Nachbarin gegangen sei, ließ sie die Türe auf stehen, wie sie sie gefunden hatte. Ihre erste Sorge war zu der Marquise hineinzugehen, diese lag im Bette, den Kopf auf beide Hände gestützt und schlief.

Cäcilie ging in ihr Zimmer und zunächst zu dem Sekretär, welcher ihren Schatz umschloss, das heißt, Heinrichs Briefe.

Unter diesen Briefen suchte sie den heraus, welchen ihr Heinrich von Boulogne geschrieben hatte, und sie las folgende Zeilen: »Dieses große und heilige Ding, das Meer, habe ich mit einem tiefen Gefühl im Herzen gesehen; wie dieses allen höheren Gedanken entspricht, wie es zugleich tröstet und zuversichtlich macht, wie das von der Erde zum Himmel erhebt, wie es die Schwäche des Menschen, und die Größe Gottes erkennen lässt.

»Ich glaube, ich würde ewig an diesem Ufer sitzen geblieben sein, an welchem wir zusammen gingen, und wo es mir schien, daß ich, wenn ich gehörig suchen würde, Ihre Fußstapfen wieder finden müsste. Mein Herz dehnte sich bei dem Anblicke, den ich vor Augen hatte, aus. Ich liebe Sie mit mehr, als mit menschlicher Liebe, ich liebe Sie, wie die Blumen bei der Wiederkehr des Frühlings die Sonne lieben, wie während der schönen Sommernächte das Meer das Firmament liebt, wie zu jeder Zeit die Erde Gott liebt.

»O, in diesem Augenblicke, Cäcilie, und der Herr wird mir verzeihen, wenn ein gottloser Hochmut darin liegt, biete ich den Ereignissen, welche uns trennen, Trotz, wäre es auch der Tod. Wie sich Alles in der Natur vermischt und vermengt, die Düfte mit den Düften, die Wolken mit den Wolken, das Leben mit dem Leben; warum sollte sich nicht auch der Tod mit dem Tode vermischen, und da jede Sache, indem sie sich mischt, sich befruchtet, warum sollte der Tod sich nicht auch mit dem Tode vermischen, welcher eine von den Bedingungen der Natur ist, ein Hindernis der Ewigkeit, ein Wiederstrahlen des Unendlichen, warum sollte der Tod allein steril sein? Gott hätte es nicht getan, wenn es für ihn nichts als einer Vernichtungsmaschine bedurft hätte, Und wenn er, indem er die Körper trennte, die Seele nicht hätte vereinigen wollen.

»So hat also, Cäcilie, selbst der Tod nicht die Macht, uns zu trennen; denn die Schrift sagt: daß der Herr den Tod besiegt habe.

»Also auf Wiedersehen, Cäcilie, und kein Lebewohl; auf Wiedersehen, vielleicht in dieser Welt, gewiss in der zukünftigen.

»Ja, ja, armer Heinrich,« lispelte Cäcilie, »ja, Du hast recht, ja, auf Wiedersehen, gewiß!«

In diesem Augenblicke hörte Cäcilie einen Schrei in dem Zimmer der Marquise. Sie eilte hinaus und stieß im Korridor auf Mademoiselle Aspasia, welche bleich und sprachlos aus sie zulief.

»Was gibt es denn, was ist begegnet?«rief Cäcilie.

Als sie bemerkte, daß ihr Aspasia nicht antworte, stürzte sie in das Zimmer ihrer Großmutter.

Der Kopf der Marquise war von dem Kissen herabgesunken und lag auf dem Kopfpfühle, während ihr Arm am Bette herunterhing.

Die Hand der Marquise war kalt.

Cäcilie ergriff den Kopf ihrer Großmutter und legte ihn wieder auf das Kopfkissen.

Sie küsste sie wiederholt, sie beschwor sie, ihr zu antworten; aber Alles war vergebens, die Marquise blieb stumm, wie sie kalt geblieben war.

Die Marquise hatte aufgehört zu sein.

Während Mademoiselle Aspasia auf einen Augenblick weggegangen war, hatte sie der Schlag getroffen.

Alles war schon zu Ende, als Cäcilie zurückgekehrt war und sie gesehen hatte.

Es war ein Tod ohne Schmerz, ohne daß sie eine Klage ausstieß, ohne daß sie eine Bewegung machte, ein Tod gerade wie ihr Leben war; denn sie hatte eben so wenig an den Tod als an das Leben gedacht; ein Tod in dem Augenblicke, in welchem ihr das Leben zum ersten male, schwer, vielleicht bitter geworden wäre.

 

Es ist eine eigene Erscheinung, daß, wenn zwei große Schmerzen in demselben Momente eine Person treffen, der eine die Seele gegen den andern vertheidigt; einer dieser beiden Schmerzen hätte Cäcilien niedergedrückt; gegen beide erhob sie sich stark.

Vielleicht hatte ihr der Tod Heinrichs irgend einen verhängnisvollen Entschluss eingeflößt, und der Tod ihrer Großmutter beschleunigte die Ausführung.

Bei dem Anblicke der tobten Marquise erklärte Mademoiselle Aspasia, daß ihr Schmerz so groß sei, daß sie nicht einen Augenblick mehr in diesem Hause bleiben könne.

Cäcilie stand von dem Bette ihrer Großmutter auf, an welchem sie betete, machte die Rechnung der Mademoiselle Aspasia, bezahlte sie und stattete ihr ihren Dank für das ab, wofür kein Geld Zahlung leisten kann, das heißt, für die Aufmerksamkeit, welche sie der Marquise zugewendet hatte.

Dann rief das junge Mädchen die gute Frau, welche ihre kleine Haushaltung besorgte und bat diese, sich mit der Eigentümerin der Wohnung zu benehmen und alle Anordnungen des Leichenbegängnisses zu treffen, welche erforderlich waren. Da Cäcilie im ganzen Hause sehr geliebt war und für ein Muster kindlicher Liebe und der Keuschheit galt, so beeilte sich jedes, ihr Dienste zu leisten, so weit es in seinen Kräften stand.

Jetzt kehrte Cäcilie in ihr Zimmer zurück und öffnete eine Schublade, aus dieser nahm sie ihr Hochzeitskleid.

Bei dem Anblicke desselben brachen ihre so lange zurückgehaltenen Tränen aus. Es war aber auch Zeit; ein längeres Zurückhalten hätte ihr das Herz gebrochen.

Nachdem sie lange geweint hatte, während sie das schöne Kleid auf ihren Knien hielt, während sie jedes Bouquet, jede Blume, jede Arabeske küsste, nachdem sie ihre beiden Hände zum Himmel erhoben hatte, Heinrich, Heinrich ausrufend, warf sie zum zweiten mal den Schleier über sich und ging weg.

Die Bezahlung der Mademoiselle Aspasia hatte ihre letzten Hilfsquellen erschöpft, es blieb ihr nichts mehr übrig, um ihre Großmutter begraben zu lassen, um den gefassten Entschluss auszuführen, als ihr Hochzeitskleid zu verkaufen.

Sie eilte zu dem Kaufmanne, welcher ihr ihre Dessins abgekauft hatte und entfaltete vor seinen Augen dieses Wunder von Arbeit, Geschmack und von Geduld, über welches sie sich fast zwei Jahre hin gebeugt hatte. Allein auf den ersten Blick erklärte ihr der Kaufmann, daß er ihr nicht so viel bezahlen könne, als die Sache wert sei, und er begnügte sich, ihr die erforderlichen Anweisungen zu geben.

Noch am nämlichen Tage machte Cäcilie einige Gänge, allein alle waren vergebens.

Der folgende Tag war der Beerdigung der Marquise geweiht. Da man glaubte, daß die Marquise, ohne reich zu sein, einiges Vermögen habe, so machte die Eigentümerin die erforderlichen Vorschüsse und bestritt alle Kosten des Gottesdienstes und der Beerdigung. Am nächstfolgenden Tage machte sich Cäcilie wieder auf den Weg, und wir haben gesehen, wie das arme Kind, nachdem sie andere fruchtlose Versuche gemacht hatte, zu Fernanden kam, und wie der Prinz, von den Tränen des armen jungen Mädchens gerührt, und indem er Fernandens Wünschen entsprechen wollte, das wunderbare Kleid kaufte und den Preis desselben noch am nämlichen Tage bezahlte.

So wie Cäcilie ihre dreitausend Frank erhalten hatte, rief sie die Eigentümerin in ihre Wohnung, erstattete ihr die gehabten Auslagen, bezahlte ihr den laufenden Mietzins und erklärte ihr, daß sie morgen, abreisen werde.

So dringend sie auch die Eigentümerin bat, so verweigerte Cäcilie doch hartnäckig, ihr zu sagen, wohin sie gehe.

Am folgenden Tage verließ das arme Mädchen wirklich das Haus und nahm das Geheimnis mit sich.

Einige Zeit lang beschäftigten sich die, welche Cäcilie gekannt hatten, mit diesem Verschwinden und fuhren fort, davon zu sprechen.

Dann kam ihr Name nach und nach weniger mehr in der Unterhaltung vor und da sie nicht wieder erschien, vergaß man sie ganz und gar.

XXIV.
Schluß

Drei Monate nach den Ereignissen, welche wir erzählt haben, fuhr eine schöne Handelsbrigg mit vollen Segeln gegen die Antillen, indem sie die Passatwinde, welche zwischen den Wendekreisen wehen, aufsuchte.

Diese Brigg war keine andere, als unsere alte Bekannte, die schöne Anna.

Sie war seit vierzehn Tagen von London abgesegelt, wo sie eine Ladung nach Guadeloupe eingenommen hatte, als gegen fünf Uhr Abends der Matrose auf dem Mastkorb jenes Wort ertönen ließ, welches immer einen tiefen Eindruck auf den Geist der Reisenden, besonders aber auf den der Seeleute macht, das Wort: Land! Bei diesem Rufe, welcher bis unter die Verdecke des Fahrzeuges drang, eilte Alles, was von Passagieren am Bord war, auf das Verdeck. Unter diesen befand sich ein junges Mädchen von neunzehn bis zwanzig Jahren. Sie ging auf den Lotsen zu, welcher, als er sie kommen sah, seine Mütze ehrfurchtsvoll abnahm:

»Habe ich nicht Land rufen hören, guter Samuel?' fragte sie.

»Ja, Fräulein Cäcilie,« antwortete dieser.

»Und welches Land?«

»Die Azoren.«

»Endlich!« sagte das junge Mädchen, und ein melancholisches Lächeln umzog ihre Lippen, dann, indem sie ihren Blick, der eine Minute, in die Ferne geschweift, auf den Lotsen richtete, sagte sie: »Sie haben mir versprochen, mir den Platz anzuzeigen, wo Heinrichs Körper in das Meer geworfen wurde.«

»Ja, mein Fräulein, und ich werde auch mein Wort halten, wenn der Augenblick gekommen sein wird.«

»Sind wir noch weit von dieser Stelle entfernt?«

»Wir können ungefähr noch vierzig Meilen davon sein.«

»Also werden wir in vier Stunden dahin kommen?«

»Gewiss; man sollte glauben, daß das Schiff seinen Weg wisse und nicht auf zehn Schritte davon abweichen wolle.«

»Und Sie sind sicher, daß Sie sich nicht täuschen?«

»Gewiss, mein Fräulein; die erste Insel bildete mit der zweiten einen Winkel, und da die Nacht schön ist, so können Sie vollkommen ruhig sein, daß ich den Platz wieder erkennen werde.«

»Gut also, Samuel,« sagte das junge Mädchen, »eine halbe Stunde früher, als wir dahin kommen, werden Sie mich rufen.«

»Ich verspreche es Ihnen,« erwiderte der Matrose.

Das junge Mädchen grüßte Samuel durch ein Neigen des Kopfes, ging die Treppe hinab und in das Zimmer Nro. 5, in welchem sie sich einschloss.

Eine Stunde, nachdem das junge Mädchen das Verdeck verlassen hatte, läutete die Glocke zum Mittagessen; alle Passagiere gingen nun in den Speisesaal hinab, aber Cäcilie erschien nicht. Da sie selten an der Tafel sich sehen ließ, so bemerkte man ihre Abwesenheit nicht, nur der Kapitän ließ sie fragen, ob sie wünsche, daß man ihr Mittagessen auf dem Zimmer serviere.

Allein sie dankte, indem sie sagte, daß sie Nichts esse.

Das Schiff fuhr fort, mit vollem Winde zu segeln, indem es neun Knoten in der Stunde zurücklegte, so daß man den Azoren sich eiligst nahte. Die Passagiere waren wieder auf das Verdeck hinauf gestiegen, und erfreuten sich an der Frische des Abends, indem sie die Blicke auf diese Gruppe von Inseln richteten, welche ungefähr noch vier, bis fünf Stunden von dem Fahrzeuge entfernt waren. Der Kapitän John Dickins und der Lieutenant Wilhelm Thornson plauderten mit einander, und der Bootsmann Samuel träumte.

Von Zeit zu Zeit warfen die beiden Officiere die Augen auf ihn, dann nahten sie sich, fortwährend plaudernd, ihm, und blieben vor ihm stehen.

»Nicht wahr, Samuel, das ist sie?«sagte der Kapitän.

»Die, von welcher Herr Heinrich immer mit mir sprach?«»Ja, und die er Cäcilie nannte.«

»Sie ist es wirklich, Kapitän.«

»Sehen Sie, William,« sagte der Kapitän, »sie ist es also, ich habe es erraten.«

»Und was will sie in Guadeloupe machen?«

»Nun, Sie wissen, daß Herr Heinrich einen reichen Onkel dort hat, der Millionär ist; wahrscheinlich wird sie zu ihm gehen.«

Die beiden Offiziere setzten ihren Spaziergang fort und auch ihre Unterredung, die sie unterbrochen hatten, um sich an Samuel mit der Frage zu wenden, die wir erzählt haben.

Indessen nahte die Nacht, man brachte den Tee auf das Verdeck, und fragte Cäcilie, ob sie heraufzukommen beliebe; allein wie beim, Mittagessen, lehnte sie es ab, indem sie sagte, daß sie nichts zu sich nehmen wolle.

Mit der in diesen Breiten gewöhnlichen Schnelligkeit trat die Nacht ein, um acht Uhr war die Finsternis vollkommen; um neun Uhr hatte sich Jedermann in seine Kajüte zurückgezogen; auf dem Verdecke war Niemand mehr, als der Bootsmann und der zweite Lieutenant. Die Brigg segelte mit ihrem großen Segel und mit den Marssegeln.

Um neun ein halb Uhr erhob sich der Mond hinter den Azoren, und erhellte die Nacht, wie die Sonne einen unserer nebeligen Tage des Nordens erhellt. Die Inseln zeichneten sich ganz bestimmt am Horizonte ab.

Man nahte dem Orte, wo Heinrichs Leichnam in das Meer geworfen worden war, und Samuel, seinem Versprechen getreu, ließ Cäcilien rufen.

Cäcilie kam sogleich herauf; sie hatte ihren Anzug geändert, sie war ganz weiß gekleidet, und trug einen Schleier, wie eine Braut.

Sie nahm einen Stuhl und setzte sich neben den Bootsmann.

Samuel betrachtete sie erstaunt, dieses weiße Kleid, dieser überflüssige Putz, auf welchen, wie man sah, das Mädchen all' ihre Sorgfalt verwendet hatte, erschienen dem guten Matrosen seltsam.

»Wir nahen ihm also, Samuel?«fragte Cäcilie.

»Ja, mein Fräulein,« antwortete Samuel, »und in einer halben Stunde werden wir dort sein.«

»Und Du wirst den Platz wieder erkennen?«

»Dafür stehe ich gut, wie wenn ich mit den Instrumenten des Kapitäns die Höhe gezogen hätte.«

»Ich habe Dich noch nie um die Einzelnichten seiner letzten Augenblicke gefragt, Samuel, aber jetzt, diesen Abend, wünschte ich zu wissen, wie er gestorben ist.«

»Warum immer von Gegenständen sprechen, welche Ihnen Kummer machen, Fräulein Cäcilie? Sie werden mich am Ende noch verabscheuen.«

»Wenn Jenny ferne von Dir gestorben wäre, Samuel würdest Du nicht wünschen, alle die näheren Umstände ihres Todes zu kennen, und würdest Du nicht dem sehr dankbar sein, der sie Dir erzählen würde.«

»O, ja, mein Fräulein, es würde mir dieses als ein großer Trost erscheinen.«

»Du siehst also, Samuel, daß es grausam von Dir wäre, wenn Du das nicht tätest, was ich von Dir wünsche.«

»Ich weigere mich desselben auch nicht; ich liebte diesen armen Heinrich so sehr, und das war auch nicht mehr als billig; denn nebst dem, daß er so liebenswürdig und freundlich war, hat er mir bei meiner Abreise von Guadelupe die dreitausend Frank gegeben, welche mir noch fehlten, um Jenny zu heiraten, so daß ich es nur ihm verdanke, wenn ich jetzt glücklich bin.«

»Armer Heinrich!« seufzte Cäcilie;«er war so gut.«

»Als Herr Smith, der Arzt, mir sagte, daß er krank sei, habe ich einen Matrosen an meine Stelle gesetzt und ging sogleich zu ihm hinab. Armer, junger Mann! Was ist es mit uns! Am Abende hatte er sich bloß unwohl gefühlt, während der Nacht war das Fieber gekommen, und in dem Augenblicke, in welchem ich zu ihm hinab kam, lag er schon im Delirium; allein in Mitte desselben erkannte er mich doch; aber sein einziger Gedanke waren Sie, Fräulein Cäcilie, man erkannte es deutlich aus allen seinen Erinnerungen, Sie waren es allein.«

»Mein Gott, mein Gott!« rief Cäcilie, indem sie Tränen wiederfand.

»Ja, und dann sprach er von einem kleinen Hause in England, von Blumen in einem Garten, von Boulogne, von einem Hochzeitkleid, und dann von einem Leichentuche, welches Sie stickten, damit Sie Beide darin begraben würden.«

»Ach, das ist die Wahrheit,« sagte Cäcilie.

»Vom ersten Augenblicke an sah ich, daß er verloren sei; ich habe gar Viele an dieser Krankheit sterben sehen. Das gelbe Fieber verschont nicht, und da er damit behaftet war, so wollte ihn Niemand pflegen; man hätte glauben sollen, der arme Junge habe die Pest. Vorwärts, sagte ich damals zu mir, vorwärts, Samuel, in der Noth erkennt man seine Freunde. Dich geht es vor Allen an. Ich suchte den Kapitän auf und sagte zu ihm:

»Capitän, Sie müssen Jemand an meine Stelle am Steuerruder kommandieren, mein Posten ist gegenwärtig am Bett des Herrn Heinrich, und den werde ich nicht verlassen, bis er gestorben sein wird.«

»Gut, Samuel,« sagte Cäcilie, indem sie eine der rauen Hände des Matrosen in die ihrige nahm, während die andere Hand desselben fortfuhr, das Steuerruder zu berühren.

»Der Kapitän machte einige Schwierigkeiten, denn wenn ich das gelbe Fieber bekommen würde, so hatte er Furcht für mich, und er vertraute auf mich als Piloten. Allein ich sagte ihm: Kapitän, wir haben die Wendekreise passiert, und jetzt würde Sie ein Kind mit verbundenen Augen nach Plymouth führen. Aber wenn ich von der Krankheit befallen werden und sterben sollte, so finden Sie in meinem Sacke dreitausend Franken, welche mir Herr Heinrich gegeben hat, und hiervon geben Sie die Hälfte meiner armen Mutter und die andere meiner Jenny.

 

»Nun, gut, mein Knabe,« sagte er dann, »gehe hin und tue, was Du tun zu müssen glaubst; sei ruhig, dort oben wohnt ein guter Gott.«

Cäcilie stieß einen Seufzer aus und blickte gen Himmel.

»Ich hatte ihn nur eine halbe Stunde verlassen, und das Fieber hatte Fortschritte gemacht. Jetzt erkannte er mich kaum wieder, er hatte ein heftiges Fieber und jeden Augenblick sagte er: »ich atme Feuer, warum lasst ihr mich denn Feuer atmen.«Dann verlangte er zu trinken, und sprach von Ihnen immer von Ihnen, Cäcilie hier, Cäcilie dort, er sagte, man wolle sie von einander trennen; allein Sie seien seine Frau, und Sie würden wohl wissen, überall hinzu gelangen, wo er sei.

»Er hatte Recht, Samuel!« flüsterte Cäcilie.

»Die Nacht verging ebenso, er hatte immer brennendes Fieber, ich sprach von Ihnen, um ihn zu trösten, und ich sah, obwohl er mich nicht mehr erkannte, daß er so oft zitterte, als ich Ihren Namen nannte. Dann verlangte er Feder, Tinte und Papier; er wollte wahrscheinlich an Sie schreiben. Ich versuchte, ihm zu Gefallen, einen Bleistift ihm zu geben, aber Alles, was er zu schreiben vermochte, waren die drei ersten Buchstaben Ihres Namens. Er warf nun Bleistift und Papier weg und schrie: »Feuer! Feuer! Du hast mir Feuer gegeben.«

»Er hat also wohl sehr gelitten?« fragte Cäcilie.

»Nun, das weiß man nicht,« entgegnete Samuel; »wenn der Verstand nicht mehr da ist, dann, sagen einige, habe der Schmerz aufgehört; denn dieser bestehe nur so lange, als das Empfindungsvermögen vorhanden sei. Aber ich glaube nicht daran, auf diese Weise würden die armen Tiere, welche keinen Verstand haben, nicht leiden. Die ganze Nacht verging so. Von einer Stunde zur andern kam der Arzt, er ließ ihm zu Ader, er legte ihm Senfpflaster auf; aber alles dies, indem er den Kopf schüttelte; man sah wohl, daß er, um sich in seinem Gewissen zu rechtfertigen, zwar handle, daß er aber keine Hoffnung habe. In der Tat fing ich am Morgen des dritten Tages auch zu verzweifeln an. Das Fieber ging fort, aber das Leben mit ihm. So lange er das Fieber hatte, hatte ich die größte Mühe der Welt, um ihn am Aufstehen zu verhindern; denn er wollte zu Ihnen; als das Fieber vorbei war, hätte ich ihn mit dem kleinen Finger im Bette zurückgehalten. O, sehen Sie, Fräulein Cäcilie, das war nicht mehr er, der schwach war, und ich war nicht der, der stark war, sondern der Tod war da.«

»Mein Gott, mein Gott!« rief Cäcilie, »vergib mir!«

Samuel glaubte falsch gehört zu haben und fuhr fort:

»Die Schwäche musste sich vermehren, er hatte noch einmal zwei oder drei Anwandlungen, daß man glaubte, das Leben kehre zurück; allein es war im Gegenteil die Seele, welche dem Körper Lebewohl sagte, und um drei Uhr, weniger fünf Minuten, ich sehe ihn noch vor mir, wie ich Sie vor mir sehe, mein Fräulein, richtete er sich auf, blickte mit einem stieren Auge um sich, sprach Ihren Namen aus, fiel auf sein Kissen zurück und war tot.«

»Und, dann, dann Samuel?«

»Nun, Sie wissen, mein Fräulein, am Borde sind die Zeremonien nicht lang, besonders wenn der Tote an einer ansteckenden Krankheit gestorben ist. Ich hielt ihm einen Spiegel vor den Mund. Gute Nacht, er hatte keinen Atem mehr. Dann ging ich, um dem Kapitän zu sagen: Kapitän, es ist aus, er ist tot!«

»Mein Gott, mein Gott!« flüsterte Cäcilie zum zweiten mal,« »Nicht wahr, Du wirst mir verzeihen?«

»Nun, sagte der Kapitän zu mir: wenn er tot ist, mein Freund Samuel, dann kommst Du mit uns, um das Protokoll zu machen, und dann gehst Du wieder auf Deinen Posten.« »Verzeihung, Kapitän,« antwortete ich,« aber es ist noch nicht zu Ende; der arme Herr Heinrich, wer wird ihn denn in seine Hängematte nähen? Wenn er auch nur ein einfacher Passagier ist, so darf man ihn doch nicht in's Meer werfen, wie einen Hund.«

»Du hast recht,« erwiderte der Kapitän, »aber mache geschwind;«ich antwortete durch ein Zeichen mit dem Kopfe und machte mich an die Arbeit; denn Alles am Bord beeilte sich, von der armen Leiche sich zu entfernen. Auch die Zeremonie war nicht lange. Als ich dem Kapitän sagte, daß Herr Heinrich in das Leichentuch gehüllt sei, erwiderte er: »Hast Du ihm eine Kugel an den Fuß befestigt?« »Zwei, Kapitän, zwei,« erwiderte ich, »man soll mit seinen Freunden nicht knausern.«»Gut,« sagte der Kapitän, »man bringe die Leiche auf das Verdeck.« Ich nahm sie in meine Arme, trug sie hinauf; man legte sie auf das Brett. Der Kapitän, welcher ein Irländer und folglich katholisch ist, sprach einige Gebete, dann hob man das Brett auf, der Leichnam glitt hinab, fiel in's Meer und verschwand. Das ist nun Alles.«

»Ich danke,« sagte Cäcilie, »aber wir müssen nun dem Orte nahen, wo Du ihn in's Meer geworfen hast.«

»Meiner Treu, mein Fräulein, in fünf Minuten müssen wir dahin kommen; wenn wir den großen Palmbaum, welchen man auf der uns am nächsten liegenden Insel sieht, dem Bugspriet gerade gegenüber haben, da ist es.«

»Und von wo aus hat man seinen Körper hinabgeworfen, Samuel?«

»Vom Backbord, von hier aus können Sie den Platz nicht sehen, der große Segel verbirgt ihn vor uns; er ist zwischen der Treppe, und zwischen den Wandtauen des Besanmasts.«

»Gut,« sagte Cäcilie.

Und das junge Mädchen ging gegen den bezeichneten Ort hin, und verschwand hinter dem großen Segel.

»Arme Cäcilie,« murmelte Samuel.

»Wenn wir gerade an der Stelle sind,« sagte Cäcilie, »nicht wahr, dann wirst Du mich in Kenntnis setzen.«

»Seien Sie ohne Sorgen, mein Fräulein.«

Samuel bückte sich, so daß er unter den Segeln hindurchsehen konnte, und er sah, wie Cäcilie auf den Knien lag und betete.

Ungefähr fünf Minuten verflossen, während welcher der Pilot seine Augen auf den Palmbaum gerichtet hatte.

Endlich, als der Palmbaum sich gerade dem Bugspriet gegenüber befand, rief er:

»Hier ist es!«

»Hier bin ich, Heinrich!« antwortete eine Stimme; hierauf ließ sich das Fallen eines schweren Körpers in das Wasser vernehmen.

»Jemand im Meere?« rief der zweite Lieutenant, welcher die Wache hatte.

Samuel war mit einem Sprung vom Steuerruder an der Schanze.

Er sah etwas Weißes, welches das Kielwasser des Schiffes herumdrehte. Endlich sank diese Art schwimmenden Dunstes auf der Oberfläche des Wassers unter und verschwand.

»Darum also hat sie,« sprach Samuel, indem er den Ruderstock wieder ergriff, »darum also hat sie Gott gebeten, er möge ihr verzeihen!«

Die schöne Anna setzte ihre Reise fort, und langte nach einer weiteren Fahrt von achtzehn Tagen glücklich in Pointe-á-Pitre an.

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