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Das Brautkleid

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Schon um sechs Uhr Morgens war er bereit, und er konnte die Trägheit der Zeit nicht begreifen; er beschuldigte alle Uhren Frankreichs, daß sie gegen die von England zu spät gehen.

Es gab keine Uhr, selbst die seinige nicht, die bisher ganz richtig ging, welche er nicht angeschuldigt hätte, daß sie unrecht gehe.

Auch Cäcilie war sehr bald wach, aber sie wagte nicht nach der Uhr zu fragen. Nach der Helle des Tages schien es ihr wohl, daß es noch sehr frühe sei; zwei oder drei Mal war sie von ihrem Bett nach dem Fenster gegangen, um sich zu überzeugen, und einmal hatte sie durch ihre Vorhänge Heinrich bemerkt, der ganz reisefertig war und nach ihrem Fenster blickte, um von diesem zu erfahren, ob sie nicht bereit sei, weil sein Auge durch den geheimnisvollen Vorhang nicht dringen konnte. Cäcilie klingelte nun, und fragte, welche Zeit es sei; es war sechs ein halb Uhr.

Sie bat das Stubenmädchen, sie sogleich davon in Kenntnis zu setzen, wenn Madame d'Ambron kommen würde.

Aber Madame d'Ambron, welche die Gründe nicht hatte, vor der festgesetzten Stunde zu kommen, welche Heinrich und Cäcilien drängten, kam erst zur festgesetzten Zeit.

Sogleich ging Cäcilie hinab und traf Heinrich in dem Salon.

Die beiden jungen Leute stellten die gewöhnlichen Fragen an einander und beide gestanden sich, daß diese in einem armen Gasthofe zugebracht Nacht eine der besten Nächte war, die sie je gehabt.

Da Cäcilie den Einschiffungsplatz zu sehen verlangt hatte, hielt es Madame d'Ambron für unnötig, die jungen Leute denselben Weg zu führen, welcher in jener gefahrvollen Nacht gemacht wurde, wo Peter gezwungen worden war, zur Beseitigung jeden Verdachts die Straße nach Montreuil wieder einzuschlagen. Man begnügte sich, die Rue de la Nation bis an das Ende hinab zu gehen und dann bei der Octroi-Einnahme der Stadt einen kleinen Feldweg einzuschlagen.

Dieser Feldweg führte an die Küste. Vielleicht wäre für eine andere als Cäcilie ein solcher Gang eine sehr einfache und gleichgültige Sache gewesen; allein für das junge Mädchen, welche noch nie etwas gesehen hatte, deren Spaziergänge durch die Mauer ihres kleinen Gartens auf der einen und auf der anderen Seite durch die Kirchentüren beschränkt waren, war dieses Alles etwas Neues, etwas Außerordentliches. Gleich einem Vogel, der seinem Käfige entwischt und sich nun mit einem gewissen Schrecken ganz in Freiheit steht, schien ihr die Welt ungeheuer; dann kam ihr plötzlich die Lust, ihre Füße zu erproben, wie der Vogel seine Flügel prüft, und über diesen Raum wegzulaufen, ein unbekanntes Ding zu suchen, dessen Existenz sie fühlte, welches sie aber weder sah, noch begriff. Dies Alles zog ihr ein unaufhörliches Erröten, ein plötzliches Zusammenschrecken zu, welches auf den Arm Heinrichs überging, auf den sie sich gestützt hatte. Dieser antwortete hierauf durch einen sanften Druck, der so aufregend wie jener war, den Cäcilie in dem Augenblick empfunden hatte, als sie im Hafen von Dover das Fahrzeug bestieg, welches sie nach Frankreich zurückführte.

Endlich kam man an der Küste an; hier sah man das Meer in seiner ganzen Ausdehnung, in seiner ganzen Majestät. Der Anblick des Ozeans zeigt eine düstere Größe, welche selbst zur Zeit des Sturms das mittelländische Meer nie hat. Das mittelländische Meer ist ein See, ein Azurspiegel, es ist der Aufenthaltsort der blonden und launenhaften Amphitrite. Der Ozean aber ist der alte Neptun, welcher in jedem seiner Arme eine Welt wiegt.

Cäcilie blieb einen Augenblick verwundert stehen; der Gedanke an den Tod, der Gedanke an die Unendlichkeit bemächtigten sich ihrer im Anblicke dieser Unermesslichkeit, und zwei große Tränen rollten über ihre Wangen. Dann sah sie den kleinen Fußsteig zu ihren Füßen, welchen sie in jener Gewitternacht in den Armen ihrer Mutter hinabgestiegen war.

Ohne daß es ihr Madame d'Ambron sagte, daß er es sei, hatte ihn Cäcilie erkannt.

Heinrich folgte ihr, bereit, sie zu halten, wenn ihr Fuß auf diesem schmalen Raume ausgleiten sollte, der nicht gestattete, daß zwei Personen nebeneinander gingen.

Man gelangte an den Strandstein; es war der Ort, an weichem die Flüchtlinge die kleine Einschiffung erwartet hatten. Cäcilie erinnerte sich aller dieser Umstände wie durch einen Wolkenschleier hindurch; was sie besonders als Kind betroffen gemacht hatte, das war der ewige Lärm, welchen das Anschlagen der Wellen an die Felsen verursachte, was dem mächtigen Atem des Ozeans gleicht. Noch tönte dieses Geräusch fort, und sie erkannte es in der Tiefe ihrer Erinnerungen wieder.

Sie blieb einen Augenblick unbeweglich, in ihre Betrachtungen versunken, stehen; dann sah sie sich nach Heinrich um, der in ihrer Nähe stand, wie wenn sie im Anblicke eines solchen Schauspiels nötig habe, sich auf etwas zu stützen, und sie lehnte sich an seinen Arm und lispelte nur die Worte:

»Ach wie schön! Wie groß! Wie erhaben!« Heinrich antwortete nicht, er hielt den Hut in seiner Hand, er stand mit entblößtem Haupt da, wie in einer Kirche.

Gott ist überall! Aber die jungen Leute empfanden, daß er besonders hier sei.

So blieben sie in ihren Betrachtungen eine Stunde lang stehen, ohne ein Wort zu wechseln, das eine auf das andere gestützt, und vielleicht waren ihre Gesinnungen gleich; sie fühlten Beide ihre Schwäche und ihre Kraftlosigkeit einer solchen Macht und einer solchen Größe gegenüber.

Einem solchen Anblicke gegenüber hatten sich Paul und Virginie geschworen, sich immer zu lieben und sich niemals zu trennen.

Arme Alcpone!

Madame d'Ambron erinnerte Cäcilie und Heinrich daran, daß es Zeit sei, in das Gasthaus zurückzukehren; die beiden jungen Leute wären den ganzen Tag dageblieben, ohne an das Enteilen der Zeit zu denken.

Sie kehrten daher auf dem kleinen Fußsteige zurück, aber nicht ohne alle zehn Schritte anzuhalten, nicht ohne lange Blicke des Schmerzens und des Lebewohls zurückzuwerfen, nicht ohne von diesen schönen Steinen mit ihren lebhaften Farben, mit ihren Adern, welchen das Meer so vielen Glanz gibt, daß man sie für köstliche Steine halten könnte, und welche zwei Stunden später ein Bild der Dinge dieser Welt, weiter nichts als gewöhnliche Kieselsteine sind, einige mitzunehmen.

Als sie in den Gasthof zurückkehrten, trafen sie die Marquise ganz angekleidet und in der Unterredung mit einem Advokaten begriffen, nach welchem sie geschickt hatte, um sich mit ihm über die Ansprüche zu benehmen, welche sie darauf zu haben glaubte, in ihre Güter wieder eingesetzt zu werden, die ihr der Konvent konfisziert hatte.

Der Advokat hatte der Marquise den Stand der Sache erklärt, wovon diese keinen Begriff gehabt hatte; er hatte ihr gesagt, daß das Konsulat sich der Monarchie zuwende, daß Bonaparte, ehe noch drei Monate verflossen sein würden, Kaiser sein werde, und daß er auf dem neuen Throne, indem er auf die Vergangenheit und Zukunft sich stützen müsse, die alten Familien, welche sich der neuen Dynastie anschließen würden, unzweifelhaft sehr wohl aufnehmen werde.

Was aber die konfiszierten Güter betreffe, so sei an deren Zurückgabe nicht zu denken, aber dagegen habe, gewissermaßen als Entschädigung, das Kaiserreich Geld, Pensionen, Anstellungen und Majorate denen zu bieten, welche diese Entschädigung und diesen Tausch annehmen wollen.

Diese Unterredung hatte der Marquise sehr viel zu denken gegeben, Cäcilie aber begriff nicht, welchen Einfluß die politischen Ereignisse auf ihre Bestimmung haben könnten. Ein Umstand setzte die Marquise sehr in Staunen, nämlich die Ruhe, mit welcher sich Frankreich der Herrschaft eines Korsen unterwarf, eines unbedeutenden Artillerieoffiziers, der einige Schlachten gewonnen und den 18. Brumaire herbeigeführt hatte, und das war Alles.

Cäcilie und Heinrich unterhielten sich sehr lange über diesen Gegenstand; Heinrich war aus dem innersten Grunde seines Herzens Anhänger der vertriebenen Dynastie, welcher seine ganze Familie treu geblieben war; aber Heinrich war jung; Heinrich hatte eine Zukunft von Ruhm geträumt, er hatte eine militärische Erziehung genossen. Heinrich sagte sich im Innersten seines Herzens, vielleicht um die geheime Stimme seines Gewissens zu beschwichtigen, daß in Frankreich dienen so viel sei, als Frankreich dienen. Dieser Mann, welcher an der Spitze der Regierung stand, hatte das Land mächtig und glorreich gemacht, und hierin lag die Absolution von seiner Illegitimität. In seinen Augen war Bonaparte ein Usurpator, aber nichts desto weniger, hatte er alle die glänzenden Eigenschaften, welche eine Usurpation ertragen lassen.

Der Tag ging unter solchen Unterredungen vorüber, Heinrich leistete Cäcilien und der Marquise so lange Gesellschaft, als es die Diskretion erlaubte, und die Marquise selbst verlängerte den Besuch, indem sie ihn einlud, mit ihr und ihrer Enkelin zu dinieren.

Am Abende verlangte Cäcilie noch einmal das Meer zu sehen und bat ihre Großmutter, mit ihr einen Spaziergang auf dem Hafendamm zu machen. Die Marquise schützte vor, daß dieses zu weit sei, und daß ein solcher Spaziergang sie entsetzlich ermüden würde, da sie die Gewohnheit zu gehen durchaus abgelegt habe; allein Cäcilie führte sie an das Fenster, zeigte ihr den nur wenige Schritte entfernten Hafen, und bestürmte sie so lange, bis sie endlich nachgab.

Heinrich bot seinen Arm der Marquise, und Cäcilie folgte, von Mademoiselle Aspasia begleitet, nach. Bei jedem Schritte beklagte sich die Marquise über das schlechte Pflaster; im Hafen angelangt, schimpfte sie über den üblen Geruch der Schiffe, und als sie am Ende des Hafendammes angekommen war, beklagte sie sich über die Seeluft.

Die Marquise war eine jener Naturen, welche, wenn sie etwas für andere tun, diese das Opfer, welches sie ihnen bringen, Minute für Minute hören lassen.

Dieser Umstand ließ Cäcilien noch mehr den ungeheuren Unterschied erkennen, der zwischen der Marquise und ihrer Mutter obwaltete.

 

Man kam in das Gasthaus zurück, die Marquise war schrecklich ermüdet und wollte sich auf der Stelle auf ihr Zimmer begeben. Die jungen Leute waren daher gezwungen, sich zu trennen; allein nur um am folgenden Morgen wieder vereinigt zu werden; denn an diesem fuhr die Dilligence um sechs Uhr ab.

Der Tag hatte ihnen so viele Erinnerungen dargeboten, daß eine süße Nacht folgen mußte.

Am folgenden Morgen begannen die Klagen der Marquise aufs Neue. Hatte man je so etwas erlebt, sich morgens um sechs Uhr auf die Reise zu begeben? Sie war ganz verzweifelt, daß sie nicht ihrem ersten Gedanken gefolgt war, und einen Wagen mit der Post genommen hatte, was ihr erlaubt haben würde, ganz nach ihrem Belieben abzureisen, allenfalls um elf Uhr Vormittags, nachdem sie ihre Chocolade zu sich genommen hatte.

Aber zu jener Zeit waren schon, wie heute noch, die Conducteure der Dilligence unerbittlich. Um sechs Uhr musste die Marquise fertig sein; um sechs Uhr setzte sich die schwerfällige Maschine in Bewegung nach Paris.

Wie wir gesagt, waren die Marquise, Cäcilie und Mademoiselle Aspasia in dem Coupée, und Heinrich in dem Innern des Wagens; auf jeder Station stieg Heinrich ab, um sich zu erkundigen, wie sich die Damen befinden. Für's erste und zweite fand es die Marquisin sehr schmutzig, allein, obgleich sie sich außerordentlich über die schauerliche Nacht beklagte, während welcher sie reisen sollte, so war sie doch schon auf der dritten Station in tiefen Schlaf versunken.

Dennoch aber versicherte sie, als man am Morgen in Abbeville anhielt, um zu frühstücken, daß sie während der Nacht auch nicht ein Auge geschlossen habe.

Die jungen Leute waren es, welche nicht ein Auge geschlossen hatten, aber sie hüteten sich wohl, etwas zu sagen, und überhaupt sich zu beklagen. Sogleich nach d«m Frühstücke machte man sich wieder auf den Weg und man hielt nicht früher als in Beauvais an, um zu Mittag zu essen. Heinrich hatte die Türe geöffnet, ehe der Conducteur aus seinem Cabriolet gestiegen war, und die Marquise wurde mehr und mehr durch ihn bezaubert.

Bei Tisch beschäftigte sich Heinrich nur mit diesen beiden Damen und sorgte für sie auf's Angelegentlichste; als die Marquise wieder in den Wagen stieg dankte sie ihm durch einen Händedruck und Cäcilie durch ein Lächeln.

Um sieben Uhr Abends gewahrte man die Lichter von Paris. Cäcilie wußte, daß man an die Barriere Saint-Denis gelange, und daß die Fuhrwerke gewöhnlich bei der Douane angehalten würden. Sie wusste auch, daß es an dieser Douane war, wo die Marquise und die Baronin nicht erkannt wurden; obgleich damals noch ein Kind, hatte sie den Aufenthalt in diesem kleinen Kabinett im Gedächtnisse behalten, und als der Wagen anhielt, bat sie ihre Großmutter um die Erlaubnis, diesen Ort zu sehen, an welchem die Baronin und die Marquise so viel ausgestanden hatten. Die Marquise bewilligte es ihr, allein sie fragte dabei, wie es möglich sei, mit so traurigen Erinnerungen sich zu befassen. Heinrich bat den Befehlshaber des Postens um die Erlaubnis, daß eine junge Dame durch die Wachstube gehe und für einen Augenblick in das Zimmer im Hintergrund trete. Wie man sich denken kann, wurde diese Erlaubnis sogleich erteilt.

Die Marquise wollte nicht aussteigen, deswegen stieg Cäcilie allein mit Heinrich ab. Sie ging gerade auf das Kabinett zu, und erkannte es wieder. Es war Alles noch wie damals; hier stand noch der alte hölzerne Tisch, dort waren noch die alten Strohstühle.

Auf einigen dieser Stühle und vor diesem Tische hatte sie den guten Herrn Duval gesehen. Mit dieser Erinnerung kamen alle übrigen Erinnerungen zurück.

Cäcilie erinnerte sich mit Herrn Duval an Alles, an seine Frau und Eduard, den ihr ihre Mutter bestimmt, und den sie nicht einmal im Augenblick, ihrer Abreise wieder gesehen hatte.

Im Herzen des armen Kindes ließ sich so etwas vernehmen, was wie Reue klang, und die Erinnerung an ihre Mutter trat hinzu; Tränen einstürzten ihren Augen.

Diejenigen, welche Cäcilie begleiteten, konnten, Heinrich ausgenommen, nicht begreifen, was dieser alte Tisch von Holz und diese alten Strohstühle Betrübendes haben konnten.

Aber für Cäcilie lag hier die ganze Vergangenheit ihres Lebens.

Der Conducteur rief Cäcilie und Heinrich, beide stiegen wieder in die Dilligence, diese setzte sich in Bewegung und fuhr durch die Barriere ein.

Cäcilie kehrte nach zwölf Jahren durch dieselbe Barriere nach Paris zurück, durch welche sie es verlassen hatte.

Hinausgehend als Kind, weinte sie; als Jungfrau zurückkehrend, weinte sie noch.

Ach, noch einmal musste das arme Kind durch die nämliche Barriere hinaus.

XVIII.
Der Herzog von Enghien

Die Marquise und Cäcilie stiegen im Hotel de Paris ab, in welchem Heinrich gleichfalls sein Zimmer nahm.

Die ersten Tage gingen mit dem Einziehen von Erkundigungen vorüber; die Marquise schickte nach ihrem Prokurator. Aber nicht bloß dieser Prokurator war gestorben, sondern es gab überhaupt keine Prokuratoren mehr. Sie war daher gezwungen, sich mit einem Advokaten zu begnügen, und dieser wiederholte ihr Wort für Wort, was ihr der Advokat in Boulogne bereits gesagt hatte.

Während der zwölf Jahre, welche die Marquise im Ausland zugebracht, hatte Paris ein ganz neues Gesicht angenommen, so daß sie das Volk nicht mehr kannte, welches sie verlassen hatte. Das äußere Ansehen, die Moden, die Sprache, Alles hatte sich verändert. Die Marquise de la Roche-Bertaud hatte erwartet, die Hauptstadt traurig und düster ob des Unglücks zu sehen, welches sie zum Teile selbst wahrgenommen, zum Teile hatte erzählen hören. Aber dem war nicht so; das sorgenlose, das vergessende Paris hatte seinen gewöhnlichen Gang wieder angenommen, und überdies hatte es noch einen stolzen und festlichen Anschein, welchen die Marquise nicht kannte. Paris fühlte instinktmäßig, daß es die Hauptstadt eines viel größeren Frankreichs werden solle, als es je war, und auch noch die, von einer Menge anderer Königreiche, welche sich ihm gutmütig unterwarfen. Paris hatte endlich, damit wir uns eines Ausdruckes der Marquise bedienen, das Aussehen eines Emporkömmlings angenommen.

So ist es mit den Verbannten; es scheint, daß sie eine gewisse Quantität persönlicher Atmosphäre, welche sie in der Fremde einatmen, mit sich bringen und fortfahren, sich in derselben zu bewegen und die Ereignisse bewegen zu lassen, welche sie gesehen haben, und welche sie interessieren. Für sie bleibt das Vaterland, welches sie verlassen haben, immer auf demselben Punkte, auf welchem sie es verließen. Sie glauben die Gemüter für dieselben Gegenstände erglüht, womit sich ihr Geist beschäftigt, die Zeit vergeht, ohne sie einen Schritt vorwärts zu bringen. Nun naht die Stunde ihrer Zurückkunft; denn, Gott sei Dank, in unseren Tagen gibt es keine ewige Verbannung mehr. Nun befinden sie sich hinter der ganzen Zeit zurück, welche sie außerhalb des Landes zugebracht haben, und sie begegnen nun andern Ereignissen, andern Menschen, andern Gedanken, welche sie nicht an«erkennen wollen, und die auch ihrerseits sie nicht anerkennen.

Wie man es der Marquise de la Roche-Bertaud gesagt hatte so wandte sich die Republik einer Monarchie zu, und der erste Konsul war auf dem Punkte, Kaiser zu werden. Alles bereitete sich auf dieses große Ereignis vor, welches den Rest jener Republikaner vernichtete, die der Aufregung der Parteien entgangen waren, und gegen welches die Royalisten aus der Fremde protestierten. So willigte nun jeder Royalist ein, unter der Konsularischen Fahne Dienste zu nehmen, jede Frau von Adel entschloss sich, einen Teil des Hauses der künftigen Kaiserin auszumachen, wenn sie gut aufgenommen würde, und, wenn sie gut aufgenommen worden, Vortheile zu erlangen, auf welche die ältesten und die treuesten Diener keine Ansprüche hatten. Es war ganz einfach; nach Verdienst konnte man die alten Freunde nicht belohnen; es war nichts als eine Undankbarkeit, während die Vernachlässigung des Vereinigens mit den Feinden ein Fehler gewesen wäre. Man wird leicht erkennen, daß am einer Seite die Lage der Dinge sehr verführerisch für eine alte Frau war, welche nur noch wenige Tage zu leben hatte, und ebenso auf der andern Seite für einen jungen Mann, welcher eine ganze Zukunft vor sich hatte. Heinrich sah alle Tage junge Leute von seinem Alter, welche schon Kapitäns waren. Die Marquise de la Roche-Bertaud, sah alle Tage in Wagen, auf welchen die Wappen wieder zu erscheinen anfingen, die alten Freundinnen vorüber fahren, die während des Kaiserreichs mehr gefunden, als sie während der Revolution verloren hatten. Nach und nach verband sich Heinrich mit einigen jungen Männern; die Marquise erneuerte die Bekanntschaft mit einigen ihrer alten Bekannten. Man macht Heinrich Vorschläge, der Marquise Eröffnungen; der verführerische Ruhm auf der einen, das Ansehen des Wohlergehens auf der andern Seite, das Alles arbeitete unterirdisch an dem politischen, sehr jungen Glauben Heinrichs, und an dem sehr alten Glauben der Marquise de la Roche-Bertaud. Aber sie wagten es nicht, sich gegenseitig zu gestehen, was sie im Sinne hatten. Das Herz des Einen war noch zu rein, das Herz der Andern war zu abgestumpft, als daß sie nicht Beide erkannten, daß ihre Unterwerfungen unter die Herrschaft Bonaparte's ein Abfall sei. Beide hatten im Grunde ihres Herzens einen Vorwand, den sie als hörbar betrachteten, und dieser Vorwand, der zu gleicher Zeit als eine Entschuldigung für den Ehrgeiz Heinrichs und für den Egoismus der Marquise galt, war ihre Liebe für Cäcilie.

Was sollte auch in der Tat aus Cäcilien, dem armen Kinde, werden, wenn es zwischen einem Geliebten ohne Zukunft, und eine Großmutter ohne Vermögen gestellt wurde.

Übrigens hatten Heinrich und die Marquise, beide diese guten oder schlimmen Gründe, welche die abtrünnigen Getreuen immer zu Hilfe rufen, angenommen.

So hatte man entdeckt, daß Bonaparte nicht, wie man gesagt hatte, ein Korse von unbekannter Herkunft, ein emporgekommener Soldat, ein glücklicher Offizier sei; Bonaparte gehörte einer der ältesten Familien Italiens an, einer seiner Ahnen war Podesta von Florenz um 1300 gewesen; sein Name war seit vier Jahrhunderten in Genua's goldenem Buche eingeschrieben, und sein Großvater, der Marquis de Bonaparte, wie die reinen Royalisten zu sagen beliebten, hatte einen Bericht über die Belagerung von Rom durch den Connetable Bourbon geschrieben.

Es hätte einen besseren Grund gegeben, als diese alle, den nämlich, daß Napoleon ein Mann von Genie war, und daß jeder Mann von Genie den Platz verdient, welchen ihn das Volk einnehmen läßt, und der von dem Volke denen zurückgegeben werden kann, über welche er usurpierend herrschte.

Ferner sagte man zu jener Zeit, was auch wahr war, daß Bonaparte, rein von allen Exzessen der Revolution, seine Hände nie in das Blut der Bourbonen getaucht habe.

Es war noch von keinem Projekte für die Zukunft zwischen Cäcilie und Heinrich die Rede gewesen, aber dennoch hatten sie, vermöge des sympathetischen Zuges, welcher sich ihrer beim ersten Anblicke bemächtigt hatte, und der nun seit der sechs Monate, während welcher sie sich in England alle Wochen, in Frankreich alle Tage sahen, sich nur vermehren konnte, begriffen, daß sie sich gegenseitig gehörten.

Hatten sie daher notwendig, Entwürfe zu machen, und gegenseitige Versprechungen auszutauschen? Sie hatten, wie Romeo und Julie, indem sie sich gewahrten, im Innersten des Herzens einen jener Schwüre geleistet, die selbst nicht der Tod auflösen kann.

Wenn sie von der Zukunft sprachen, so sagte Jedes von ihnen: wir, statt! ich, und das war Alles.

Aber diese Zukunft, wir müssen es wiederholen, existierte nicht, so lange die Marquise und Heinrich sich nicht der neuen Regierung angeschlossen hatten.

Heinrich hatte, wie erwähnt, kein anderes Vermögen zu erwarten, als das von seinem Onkel, ein Vermögen, welches dieser im Handel errungen, der sich aber dadurch, daß ihn sein plebejischer Entschluss von der Familie getrennt, dahin erklärt hatte, daß er sein Vermögen nur demjenigen seiner Neffen hinterlassen würde, welcher, gleich ihm, dem Anathem Hohn sprechend, wie er Kaufmann werden würde. Heinrich hatte ohne Zweifel eine reiche und schöne Erziehung genossen, allein zu jener Zeit standen für einen jeden etwas ernsten Ehrgeiz nur zwei Laufbahnen offen, die der Waffen und dieser Diplomatie, und diese beiden Karrieren hängen von der Regierung ab.

Was Cäcilie betraf, so hatte ihre Entsagung der väterlichen Grundsätze weniger Bedeutung. Eine Frau erhält ihre Stellung durch die Umstände und durch die Männer. Sie begriff, daß sie, wenn sie das schüchterne Kind bliebe, welches sie war, ein lebender Vorwurf für Heinrich bleiben würde.

Als ihre Großmutter von den Propositionen sprach, welche man ihr gemacht hatte, nämlich davon, in das Haus der künftigen Kaiserin einzutreten, begnügte sie sich, zu antworten, daß sie zu jung und zu unwissend sei, um in Gegenständen der Politik einen Willen zu haben, daß sie sich daher darauf beschränken müsse, ihrer Großmutter zu gehorchen.

 

Da sie den Zweifel kannte, welchem sich Heinrich seit einiger Zeit hingab, beeilte sie sich, ihm an demselben Tage die Frage, welche ihre Großmutter an sie gerichtet hatte, und die darauf gegebene Antwort mitzuteilen, und sie freute sich, ihren Geliebten ein Opfer, wenn auch auf Kosten ihres Gewissens, zu bringen.

Hierauf hatte Heinrich nur gewartet, um anzunehmen. Er beeilte sich jetzt, seinen gänzlichen und vollständigen Beitritt dem Freunde zu erklären, welcher mit der Unterhandlung beauftragt worden war, und noch am nämlichen Abende sprach man laut und in Gegenwart der Marquise von einer gemeinschaftlichen Zukunft, welche doppelt glänzend durch die doppelten Stellungen werden sollte. Heinrich folgte dem Kaiser zur Armee, Cäcilie blieb bei der Kaiserin in den Tuilerien.

Als Heinrich sich zurückgezogen hatte, und Cäcilie wie gewöhnlich, ihre im Bette liegende Großmutter umarmte, ergriff diese sie bei der Hand, betrachtet sie lächelnd und sprach!

»Nun, was denkst Du von dieser Zukunft, wenn Du sie mit der vergleichst, welche Dir Deine arme Mutter vorbehalten hatte?«

»Ach,« antwortete Cäcilie,« wenn nur Eduard Heinrich gewesen wäre.«

Dann zog sie sich auf ihr Zimmer zurück und weinte; denn der Name ihrer Mutter war mit einem Vorwurf ausgesprochen worden, und es schien ihr, daß Niemand das Recht habe, ihre Mutter zu tadeln.

Wer konnte auch für diese Aussichten gut stehen? Gewiss war die militärische Laufbahn eine glänzende, aber sie war besonders zu jener Zeit sehr gefährlich; man gelangte ohne Zweifel schnell vorwärts, allein während der Tod rings umher mähte. Der Krieg wurde mit Waffen geführt, und jedes Schlachtfeld verschlang Tausende von Menschen. Cäcilie kannte Heinrich; er war tapfer, feurig, ehrgeizig; er wollte ein Ziel erringen, ein Resultat erreichen, für ihn gab es keine Hindernisse. Wenn aber Heinrich getötet werden würde, was sollte aus ihr werden? Sie hatte daher Recht, wenn sie sagte, daß eine Zurückgezogenheit mit Heinrich, eine Zurückgezogenheit in einem kleinen Hause, wie das von Hendon war, ihr Glück sein würde, wenn, wie sie ihrer Großmutter gesagt hatte, Eduard Heinrich gewesen wäre.

Zwei Tage später trat Heinrich in einer glänzenden Uniform ein; es war die eines Brigadiers der Guiden, was ihm den Rang eines Lieutenants in der Armee gab, und es war eine große Gunst, daß Heinrich einen solchen Anfang gemacht hatte.

Cäcilie war der Madame Louis Bonaparte vorgestellt worden, und hatte ihr alle Unglücksfälle ihrer Familie erzählt.

Man weiß, welch vortreffliches Herz diese anmutige Dame hatte, welche unter dem Namen der Königin Hortense populär blieb. Sie hatte dem jungen Mädchen ihre Protektion versprochen, und man war übereingekommen, daß, wenn ihr das Haus der Kaiserin verschlossen sein sollte, Fräulein de Marsilly bei ihr eine Stelle finden würde.

So schien denn Alles vortrefflich für die beiden jungen Leute zu gehen, und man erwartete nichts mehr, als die Verwirklichung des Versprechens, welches Josephinens Tochter gemacht hatte; da verbreitete sich eines Morgens in den Straßen von Paris eine schreckliche Neuigkeit.

Der Herzog von Enghien war in den Gräben von Vincennes erschossen worden.

Am nämlichen Tage reichte Heinrich de Sennones seine Entlassung ein, und Cäcilie schrieb an Madame Louis Bonaparte, daß sie ihr ihr Wort zurück gebe, und daß man zu Gunsten einer Anderen über ihren Platz verfügen möge, welchen man ihr versprochen hatte.

Die beiden jungen Leute hatten diesen Schritt getan, ohne sich gegenseitig besprochen zu haben, und als der Abend kam, und Beide nicht zögerten, sich das zu sagen, was sie getan hatten, vermehrte sich ihre Liebe durch die Überzeugung, daß sie sich gegenseitig mehr als je würdig seien.

Einige Tage nach diesem Ereignisse erhielt die Marquise einen Brief von Herrn Dural. Dem ihm erteilten Auftrage zu Folge hatte er das kleine Mobiliar der Baronin verkauft, und er übermachte Cäcilien und der Marquise den aus 6000 Franks bestehenden Erlös.

Es war bis auf 500 Frank das, was dieses kleine Mobiliar neu gekostet hatte, und so ungehalten auch die Marquise auf Herrn Duval war, so musste sie doch anerkennen, daß er wenigstens als Intendant große Kenntniß und große Treue besitze.

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