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Capitän Richard

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Der Kaiser zeigte dem Spion die aus dem Tische ausgebreitete Karte.

»Suche den Inn auf dieser Karte.«

Der Spion brauchte nur einen Blick darauf zu werfen,und hielt den Finger auf den Inn.

»Sehen Sie, Sire, sagte er, »hier bei Braunau ist der Erzherzog über den Fluß gegangen, während der General Hohenzollern unterhalb Mühlheim mit etwa 30,000 Mann den Uebergang bewerkstelligte; ein viertes Corps von 40,000 Mann endlich, dessen Befehlshaber mir nicht bekannt, ist bei Schärding in Baiern eingerückt.«

»Also nahe an der Donau?«

»Ganz recht, Sire.«

»Aber da sie schon am 10. über den Inn gegangen sind, sollten sie schon weiter vorgerückt seyn.«

»Sie saßen zwischen Inn und Isar fest, erst gestern sind sie bei Landshut über die Isar gegangen, und es ging ziemlich heiß her.«

»Mit den Baiern?«

»Ja, Sire; aber die Baiern konnten sich mit ihren 27- bis 28,000 Mann nicht halten, und haben sich in den Dürnbacher Wald zurückgezogen.«

»Dann sind wir nur noch etwa zwölf Stunden von dem Feinde entfernt?«

»Nicht einmal so weit, Sire; denn seit heute Früh muß er vorgerückt seyn. Es geht freilich langsam, weil viele kleine Flüsse zu überschreiten sind und das Land sumpfig und waldig ist. Es sind nur zwei Heerstraßem von Landshut nach Neustadt und nach Kelheim.«

»Es blieb ihm noch die Straße, die von Eckmühl in gerader Richtung nach Regensburg führt.«

»Sire ich habe gesehen, daß die österreichischen Truppen auf den beiden anderen Straßen verrückten, und da ich wußte, daß Ew. Majestät heute in Donauwörth eintreffen würden, eilte ich fort – und hier bin ich.«

»Es ist gut. Du meldest mir zwar nichts von Bedeutung, aber Du berichtest nun doch was Du weißt.«

»Sire, haben Sie die Gnade, mir andere Fragen vorzulegen.«

»Ueber was?«

»Ueber die Stimmung des Landes zum Beispiel, über die geheimen Gesellschaften . . .«

»Wie! Du beschäftigst Dich auch mit diesen Angelegenheiten?«

»Ich richte mein Augenmerk auf Alles was zu meinem Geschäft gehört.«

»Nun, so laß hören; ich bin begierig zu erfahren was Deutschland von uns denkt.«

»Es ist höchst erbittert gegen die Franzosen, die es nicht nur besiegen und demüthigen, sondern auch in Besitz nehmen und zu Grunde richtend.«

»Deine Deutschen kennen also nicht das Sprichwort des Marschalls von Sachsen: der Krieg muß den Krieg ernähren.«

»O ja, sie kennen es, aber sie möchten lieber ernährt werden, als ernähren. Es ist so weit gekommen, daß man damit umgeht, sich der Fürsten zu entledigen, die sich der Franzosen nicht zu entledigen wissen.«

»So! und wie will man das anfangen?«

»Auf zweierlei Art: erstens durch einen allgemeinen Aufstand . . .«

Napoleon warf den Mund aus. »Das könnte wohl geschehen, wenn ich vom Erzherzog geschlagen würde . . . aber ich werde ihn schlagen, und folglich wird es nicht geschehen. Laß daher das zweite Befreiungsmittel hören.«

»Zweitens, durch einen Dolchstich.«

»Bah; einen Mann, wie ich bin, erdolcht man nicht.«

»Cäsar ist doch erdolcht worden . . .«

»O, die Verhältnisse waren ganz anders; es war auch ein großes Glück für Cäsar, erdolcht zu werden, er war dreiundfünfzig Jahre alt, er kam in die Jahre, wo der menschliche Geist abnimmt. Er war immer glücklich gewesen, die Glücksgöttin ist der Jugend hold, wie Ludwig XVI. Zu Herrn von Villeroy sagte, sie war vielleicht im Begriffe ihm den Rücken zu kehren; eine einzige Niederlage, und Cäsar war nicht mehr ein Alexander, sondern ein Pyrrhus oder Hannibal. Er hatte das Glück, ein paar Dutzend Gimpel zu finden, die nicht einsahen, daß Cäsar nicht eigentlich ein Römer, sondern die Seele Roms war; sie mordeten den Kaiser, aber aus dem Blute des Kaisers ging das Kaiserreich hervor. Sey nur ruhig, ich habe das Alter Cäsars noch nicht erreicht. Frankreich ist im Jahre 1809 keineswegs da, wo Rom 44 Jahre vor Christus war; nein, Meister Schlick, man wird mich nicht ermorden.«

Napoleon lachte über diese historische Vorlesung, die er einem badischen Bauer hielt. Er antwortete freilich nicht dem Bauer, sondern seinen eigenen Gedanken.

»Das ist wohl möglich,« antwortete Schlick, »aber ich rathe Ew. Majestät gleichwohl, denen, die Ihnen zu nahe kommen, auf die Finger zu schauen, zumal wenn die Finger einem Mitgliede des Tugendbundes angehören.«

»Ich glaubte, alle diese Verbindungen wären aufgelöst.«

»Sire die deutschen Fürsten, und insbesondere die Königin Louise haben sie wieder in Kraft gesetzt, und es gibt zu dieser Stunde in Deutschland vielleicht zweitausend junge Männer, die das Gelübde gethan haben, Sie zu ermorden.«

»So! diese Sekte hat also ihre Vereinigungspunkte?«

»Allerdings, nicht nur ihre Vereinigungspunkte, sondern auch ihre Formeln, ihren Wahlspruch, ihre Erkennungsszeichen . . .«

»Woher weißt Du das?«

»Ich gehöre selbst dazu.«

Napoleon trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Fürchten Sie nichts, Sire. Ich gehöre dazu, aber wie der Schild zur Rüstung gehört, um die Streiche abzuwehren.

»Wo kommen denn die Verschworenen zusammen?«

»Ueberall wo ein unterirdischer Raum oder eine Burgruine ist. Ew. Majestät wissen, daß die Deutschen sehr poetische Naturen sind. Bei Abensberg auf der Anhöhe steht eine alte Burg, dort wurde ich vor acht Tagen in den Bund aufgenommen.«

»Es ist gut,« sagte Napoleon, »ohne dieser Warnung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als sie verdient, will ich sie doch nicht unbeachtet lassen. Geh, ich werde Befehl geben, daß es Dir an nichts fehle.«

Schlick verneigte sich und ging aus der kleinen Seitenthür, aus der er gekommen war.

Napoleon wurde nachdenkend. »Er hat Recht,« sagte er für sich: »einen Dolchstoß kann man leicht bekommen. Heinrich IV. rüstete sich ebenfalls zu einem Kriegszuge gegen Oesterreich; aber er war siebenundfünfzig Jahre alt, wie Cäsar; er hatte sein Werk vollbracht, aber ich habe das meinige noch lange nicht vollbracht, und großes Unglück kommt immer erst nach dem fünfzigsten Jahre, das hat sich bei Cäsar, Hannibal, Mithridates, Heinrich IV. Gezeigt . . . Alexander ist freilich im Alter von dreiunddreißig Jahren gestorben, aber wie Alexander zu sterben ist kein Unglück.«

Ein Adjutant trat ein.

»Was gibt’s?« fragte Napoleon.

»Sire,« sagte der Adjutant, »ein Offizier von der italienischen Armee ist als Abgesandter des Vicekönigs angekommen; wollen Ew. Majestät ihn sehen?«

»Ja wohl,« erwiederte Napoleon, »führen Sie ihn sogleich herein.«

»Kommen Sie herein,« sagte der Adjutant.

Der Offizier erschien in der Thür und hielt seinen dreieckigen Hut in der Hand. Er war ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren und an der blauen, mit Silber gestickten Uniform als ein Offizier aus dem Generalstabe des Vicekönigs zu erkennen. Seine äußere Erscheinung wohl etwas Eigenthümliches, Auffallendes haben, denn Napoleon, der eben das Wort nehmen wollte, hielt plötzlich inne und betrachtete den jungen Offizier vom Kopf bis zu den Füßen.

»Was soll die Maskerade?« sagte er:

Der junge Offizier sah sich um, weil er glaubte, diese seltsame Anrede gelte einem Andern; aber als er sah, daß er mit dem Kaiser allein war, erwiederte er:

»Damit zu Gnaden, ich weiß nicht was Ew. Majestät meinen.«

»Warum haben Sie die grüne Uniform, die Sie so eben trugen, mit der blauen vertauscht?«

»Sire, seit zwei Jahren trage ich keine andere Uniform als die des Generalstabes Sr. Hoheit des Vicekönigs . . .«

»Wann sind Sie hier angekommen?«

»Ich steige soeben vom Pferde, Sire.«

»Woher kommen Sie?«

»Von Pordenone.«

»Wie heißen Sie?«

»Lieutenant Richard.«

Napoleon sah den jungen Offizier noch aufmerksamer an;

»Haben Sie von Eugen ein Schreiben, das Sie bei mir accreditirt?«

»Ja, Sire.«

Der Offizier überreichte dem Kaiser einen Brief mit dem Wappen des Vicekönigs von Italien.

»Wenn Ihnen dieser Brief abgenommen worden wäre?« fragte Napoleon, »oder wenn Sie ihn verloren hätten?«

»Se. Hoheit hatte mir befohlen, ihn auswendig zu lernen.«

»Aber wie kommt es,« setzte der Kaiser hinzu, »daß Sie vor einer Stunde in Gardejägeruniform von Regensburg, und vor zehn Minuten in Eugens Generalstabsuniform von Pordenone kommen? Erklären Sie mir, wie Sie zugleich beauftragt seyn können, mir Nachrichten von dem Marschall Davoust und dem Vicekönig zu bringen?«

»Halten zu Gnaden: Ew. Majestät sagen, es sey vor einer Stunde ein Gardejägeroffizier von dem Marschall Davoust gekommen?«

»Ja, vor einer Stunde.«

»Ein Mann von fünfundzwanzig Jahren?«

»Ja, von Ihrem Alter.«

»Der mir ähnlich sieht?«

»Wie ein Wassertropfen dem andern.«

»Und er heißt? . . . Ew. Majestät verzeihen, aber ich bin so freudig überrascht.«

»Lieutenant Richard.«

»Er ist mein Bruder, Sire, mein Zwillingsbruder; wir haben uns seit fünf Jahren nicht gesehen.«

»Jetzt ist das Räthsel gelöst . . . Sie sollen Ihren Bruder sogleich sehen.

»O, Sire, wenn ich nur meinen lieben Paul umarmen kann, so will ich gern auf der Stelle wieder fort.«

»Sind Sie im Stande wieder abzureisen?«

»Sire, ich hoffe mit Ihren Befehlen beehrt zu werden.«

»Nun, dann begrüßen Sie Ihren Bruder und halten Sie sich zur Abreise bereit.«

Der junge Offizier salutirte und entfernte sich.

Napoleon, der allein blieb, erbrach den Brief. Kaum hatte er einige Zeilen gelesen, so verfinsterte sich seine Stirne.

»O! Eugen, Eugen!« sagte er, »meine Liebe zu Dir hat mich verblendet: Du bist ein recht guter Oberst, aber ein schlechter General, und als Obergeneral gar nicht zu brauchen . . . Die italienische Armee auf dem Rückzuge gegen Sicilien, die ganze Nachhut durch die Schuld eines Generals geworfen! . . . Schon wieder Einer, der des Krieges überdrüssig ist! Zum Glück brauche ich die italienische Armee nicht . . . Berthier! Berthier!«

 

Der Chef des Generalstabes erschien.

»Mein Entschluß ist gefaßt,« sagte Napoleon; »zehn Couriere sollen sich bereit halten, meine Befehle zu überbringen; jeder Befehl soll dreifach ausgefertigt und auf drei verschiedenen Wegen an seine Bestimmung abgeschickt werden.«

IV.
Friedrich Staps

Während Napoleon zehn verschiedenen Courieren die Befehle ertheilte, deren Resultat wir bald sehen werden; während die beiden Brüder Paul und Ludwig, die sich seit mehren Jahren nicht gesehen hatten und deren auffallende Aehnlichkeit die eben geschilderte, sonderbare Verwechselung herbeigeführt, einander mit inniger Freude und Zärtlichkeit in die Arme sanken, wollen wir dem Leser erzählen was in dem Städtchen Abensberg vorging.

Vier Studenten aus Heidelberg, Tübingen Leipzig und Göttingen zogen Arm in Arm und den Schill’schen Marsch singend, durch die Straßen. Dieser Gesang erregte die Aufmerksamkeit eines etwa zwanzigjährigen Jünglings, der neben einem sechzehnjährigen, mit einer Stickerei beschäftigten Mädchen saß, während die jüngere Schwester, ein neunjähriges Kind, in einem Winkel des Zimmers mit der Puppe spielte. Der junge Mann stand auf und trat ans Fenster.

Die vier vorübergehenden Studenten bemerkten ihn und gaben ihm einen kaum bemerkbaren Wink, den er eben so verstohlen erwiederte.

Das junge Mädchen hatte ihm ängstlich nach geschaut und das geheimnisvolle Zeichen bemerkt.

»Was fehlt Dir, Friedrich?« fragte sie.

»Nichts, liebe Margarethe,« antwortete der junge Mann, der wieder an ihrer Seite Platz nahm.

Margarethe war in der That ihres Namens würdig, wenn wir ihr die poetische Schöpfung Göthe’s, die damals ungemeines Aufsehen in Deutschland machte, zur Patronin geben wollen. Sie war blond und blauäugig wie eine wahre Tochter Armins; ihr langes, üppiges Haar wallte, wenn es aufgelöst war, bis auf die Erde hinab, und wenn sie sich über das krystallhelle Wasser der hinter dem Garten fließenden Abens neigte, um sich wie eine Wassernixe zu betrachten, so schienen die klaren Wogen vor Bewunderung zu murmeln,als hätten sie das Bild eines Mädchens, das in eine Blume, oder einer Blume, die in ein Mädchen verwandelt worden,in sich aufgenommen.

Das Schwesterchen war noch ein liebliches rosiges Kind, das heiter und sorglos spielte auf dem Goldsande, den das Schicksal mit vollen Händen auf dem Anfange des Lebenspfades ausstreut.

Der Student, den der Schill’sche Marsch ans Fenster gelockt und der Ruf Margarethens wieder an ihre Seite geführt hatte, war von mittler Größe und etwas mager, vielleicht in Folge anhaltenden Studirens, vielleicht durch Nachtschwärmerei, oder auch durch einen schrecklichen Gedanken, wie er in den Zügen eines Cassius oder Jacques Element zu lesen war. Lange blonde Locken wallten über seinen Nacken bis auf die Schultern herab. Sein Mund war klein, aber ausdrucksvoll und ließ, wenn er sich aufthat, perlenweiße Zähne sehen; das ganze Gesicht hatte einen Ausdruck tiefer Schwermuth.

»Nichts,« hatte er geantwortet, als er sich wieder an Margarethens Seite setzte.

Aber Margarethe ward durch diese Antwort keineswegs beruhigt. Sie antwortete nicht, sie schien sogar noch emsiger zu arbeiten, aber Friedrich, der sie forschend betrachtete, sah zwei Thränen an ihren Augenwimpern zittern und auf die Stickerei fallen.

Die Kleine, die aus ihrem Winkel kam, um Margarethe über ein Puppenkleid um Rath zu sagen, sah die Thränen auch und fragte mit ihrer naiven kindischen Neugier:

»Warum weinst Du denn, Schwester Margarethe? hat Dich der Fritz schon wieder betrübt?«

Diese Worte trafen den Studenten tief ins Herz. Er sank dem schönen Mädchen zu Füßen und sagte:

»Margarethe, verzeihe mir!«

»Was denn?« fragte sie und sah den Geliebten mit ihren schönen Augen an, die noch feucht waren von dem Herzensthau, den man Thränen nennt.«

»Verzeihe mir meine Verstimmung, meinen Trübsinn. . . ich möchte sagen, meine Narrheit!«

Margarethe schüttelte den Kopf, aber antwortete nicht.

»Höre,« sagte er, »es gibt vielleicht noch ein Mittel, das uns glücklich machen kann.«

»O! sprich, nenne mir das Mittel!« antwortete Margarethe, »und wenn es in meiner Macht steht, Dir zu dem Werke der Engel, das man Glück nennt, behilflich zu seyn, so sollst Du glücklich werden, und sollte ich mein Leben opfern!«

»Wir wollen deinen Vater um seine Einwilligung zu unserer Heirath bitten und sobald wir vereinigt sind, wollen wir Deutschland verlassen, und in einen einsamen Winkel der Welt fliehen, wohin der Name des Unholdes nicht gedrungen ist!«

»Du verlangst zwei unmögliche Dinge, Friedrich,«,antwortete das schöne Mädchen; »ich soll meinen Vater verlassen! Du weißt, daß ich Dich liebe, ich habe es Dir in der Einfalt meines Herzens gestanden, als Du mir zum ersten Male deine Liebe erklärtest; aber Du weißt auch, unter welcher Bedingung ich Dir meine Hand zugesagt habe.«

»Ja,« erwiederte Fritz, indem er aufstand, beide Hände aufs Gesicht drückte und in einen am Fenster stehenden Armsessel sank, »ja ich weiß es, Du willst deinen Vater nicht verlassen.«

Margarethe stand ebenfalls auf und kniete vor ihrem Verlobten nieder.«

»Sey vernünftig, Friedrich,« sagte sie, »Du kennst ja unsere Verhältnisse und weißt, daß mein Vater wenig Vermögen hat. Meine Mutter starb, war meine kleine Schwester noch in der Wiege lag; ich besorge statt meiner Mutter das Hauswesen und die Erziehung Lieschens . . .«

»Ich weiß, daß Du ein Engel bist, Margarethe, und Alles, was Du mir erzählst, ist mir bekannt.«

»Du scheinst es aber vergessen zu haben, Friedrich; wie könntest Du mir sonst zumuthen, mit Dir zu fliehen und meinen Vater zu verlassen!«

»Aber wenn dein Vater einwilligt?. . .«

»O, Du selbstsüchtiger Mensch!« sagte Margarethe; »er wird gewiß einwilligen, weil er mir jedes Opfer zu bringen bereit ist; er wird gewiß lieber allein und verlassen seyn, als dem Glücke seines Kindes im Wege stehen.«

»Er wird ja nicht allein leben, Margarethe; er wird Lieschen bei sich haben.«

»Und was wird ihm ein achtjähriges Kind nützen?« entgegnete Margarethe. »Das Leben würde ihm schlechterdings unmöglich werden. Die Pfarre trägt meinem Vater vierhundert Thaler ein; bei meiner Sparsamkeit kommen wir damit aus; aber wenn eine Andere dem Hauswesen vorstünde, würde dieses Einkommen nicht mehr genügen.«

»Meine Eltern haben einiges Vermögen, Margarethe; sie werden ein Opfer bringen und es soll deinem Vater an Nichts fehlen.«

»Nur seine undankbare Tochter würde ihm fehlen – seine Tochter, die Du ihm genommen hättest! . . . Als Du eines Abends in dieses Haus kamst und uns mit den Worten begrüßtest: Unter Euch wohnet das Glück, das Gott den Reinen und Genügsamen nie versagt, – wolltest Du damit sagen: Herr Pastor Blum, Sie nehmen in Ihr Haus einen Mann auf, der die Liebe Ihrer Tochter Margarethe gewinnen und zum Lohn für Ihre Gastfreundschaft Alles aufbieten wird, um Ihnen Ihre Tochter zu rauben, weil er nur glücklich seyn kann wo der Name Napoleons nie genannt wurde!«

»Ja, Margarethe, ich kann nur unter dieser Bedingung glücklich seyn, ich schwöre es Dir, und um glücklich zu seyn,« setzte er kaum verständlich hinzu, »würde ich die heiligsten Schwüre brechen.«

Margarethe schien diese letzten Worte nicht gehört oder nicht verstanden zu haben, denn sie beantwortete nur die ersten Worte.«

»Du kannst nur in einem Lande glücklich seyn, wo der Name des furchtbaren Franzosenkaisers nie genannt worden ist? Wo ist ein solches Land? In welchem Welttheile liegt es? Du lieber Schwärmer hast gewiß ein Mittel entdeckt, zu einem der über uns schwebenden Sterne aufzusteigen! Und wer bürgt Dir dafür, daß die Bewohner jenes Planeten nicht sehen können was auf unserer Erde vorgeht?«

»Du hast Recht,« sagte Friedrich Staps mit gezwungenem Lächeln; »ich bin ein Thor.«

»Nein, Fritz,« erwiederte Margarethe sehr traurig, »Du bist kein Thor; ich will Dir sagen was Du bist . . . Du bist ein Verschwörer!«

»Wer sein Vaterland befreien will, ist kein Verschwörer!« antwortete der Student mit funkelnden Augen.

»Ein Verschwörer,« entgegnete Margarethe, »ist Jeder, der einer geheimen Gesellschaft, einem geheimen Bunde angehört . . . Sieh mich an, Fritz, und sage: gehörst Du nicht zur Burschenschaft!«

»Warum sollte ich’s leugnen, Margarethe! Alle treuen, biederen Herzen Deutschlands sind ja auf unserer Seite. . .«

»Die Hand auf’s Herz, Friedrich, und sage: ist das Schill’sche Lied, das Du vor einer Weile hörtest und das Dich ans Fenster lockte, nicht ein Zeichen?«

»Margarethe,« erwiederte Fritz, »ich will Dir beweisen wie unendlich ich Dich liebe, und wie leicht ich mich durch diese Liebe zu Geständnissen verleiten lasse, die mir sonst keine Drohung, keine Marter würden entlocken können. Ja, ich bin Mitglied des Tugendbundes, ich bin ein »Wissender«; Du hast vollkommen Recht: das Lied vom Major Schill ist ein verabredetes Zeichen . . . Du weißt, daß der Feind unserer Freiheit, der Mörder unseres Nationalgefühls zehn Meilen von hier steht; wenn Du zu mir sagtest: Fritz, wir wollen fort, um für einander zu leben und glücklich zu seyn, – dann würde ich Freunde und Vaterland vergessen und mit Dir in die weite Welt gehen – wenn auch mein Name an den Schandpfahl geschlagen würde . . . Sagst Du jetzt noch, daß ich Dich nicht liebe?«

»Auch ich will Dir beweisen, daß ich Dich liebe, mein Fritz. Warum nimmst Du kein Gewehr? warum trittst Du nicht in die Reihen der deutschen Streiter? warum kämpfst Du nicht für Deutschlands Ehre und Freiheit? Du würdest freilich dein Leben aufs Spiel setzen; aber jeder wahre Deutsche muß bereit seyn, dem Vaterlande das Leben zu opfern.«

»Es thut mir weh, Margarethe, aber dieser Mann ist verzaubert, wie die alten Ritter unserer Märchen; er geht unverletzt mitten durch Feuer und Kugelregen, das Feuer erlischt, die Kugeln weichen ihm aus.«

»Ja, nicht wahr, ein Stahl würde ihn sicherer treffen?«

»Margarethe! . . .«

»Still, Fritz! da kommt mein Vater. Ich bitte Dich, verschweig ihm, was Du mir nicht verschweigen konntest, er würde Dich verwünschen und Dir sein Haus verbieten.«

»Ist er denn ein so schlechter Deutscher und ein so guter Franzose?« sagte Fritz mit bitterem Lächeln.

»Er ist weder ein Deutscher noch ein Franzose: er ist ein Christ, er verabscheut alle diese Kriege, welche von den Souveränen ruhmvolle Thaten, von ihm hingegen grausame Metzeleien genannt werden, und er hält es in seiner Herzensgüte für möglich, daß alle Menschen einander lieben und in Frieden leben können.«

Während Lieschen, ihre Puppe und ihr Spielzeug verlassend, dem Pastor Blum entgegeneilte, setzte sich Margarethe wieder an ihre Stickerei, aus welche wieder zwei Thränen fielen.

Der Pastor war sehr traurig und niedergeschlagen. Er küßte seine beiden Töchter und reichte Friedrich Staps die Hand.

»Nun, was gibt es Neues?« fragte Staps.

»Hört, Kinder!« sagte der Pastor.

Alle lauschten und man hörte die österreichischen Trompeten, welche den Lützow’schen Marsch spielten.

»Ha! da sind sie endlich, die Rächer!« rief Friedrich erfreut und eilte aus dem Hause, um einer der Ersten zu seyn, welche die Soldaten des Erzherzog Carl begrüßten.

Es war das Armeecorps des österreichischen Generals Thierry, welches zu Arnhofen Position nehmen wollte. Auf der Straße nach Regensburg wurden sogleich Plänkler abgeschickt.

Das Resultat der eingesogenen Erkundigungen war, daß Napoleon an demselben Morgen in Donauwörth angekommen sey. Diese Kunde machte einen unbeschreiblichen Eindruck auf die österreichischen Soldaten, aber sicherlich steigerte sie den Haß der von verschiedenen Universitäten gekommenen Studenten, welche sich, man wußte nicht warum, seit einiger Zeit in dem Städtchen Abensberg befanden. Zum zweiten Male durchzogen viele Studenten Arm in Arm die Straßen und sangen das Lied vom Major Schill, als ob sie gefürchtet hätten, daß der Gesang das erste Mal nicht von Jedermann gehört worden sey.

Außer der Ankunft Napoleons zu Donauwörth wußte man nichts Bestimmtes. Die österreichischen Offiziere und selbst der Obergeneral hatten keine zuverlässige Kunde über die Stellung der französischen Armee, sie wußten nur, daß die Hauptmasse der Truppen in Regensburg und Augsburg stand. Es wurde Halt gemacht, man wollte ohne bestimmte Nachrichten in dem stark bewaldeten und von vielen Bächen durchschnittenen Lande nicht vorrücken.

Die Nacht kam, die Posten wurden aufgestellt, das Losungswort gegeben und alle vor dem Feinde üblichen Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Ueberall standen Schildwachen, sogar an der Zugbrücke der alten Burg Abensberg. Die Schildwachen wurden jede Stunde abgelöst. Der von Mitternacht bis ein Uhr an dieser Zugbrücke stehende Posten sah zwei in Mäntel gehüllte Männer kommen; er rief: »Wer da?«

 

»Gut Freund,« antwortete einer der Beiden in deutscher Sprache.

Dann trat er aus die Schildwache zu, schlug seinen Mantel auseinander, um zu zeigen, daß er keine Waffen trug,und gab das Losungswort mit solcher Genauigkeit, daß der Soldat ihn mit seinem Begleiter ungehindert durchließ.

Die beiden Männer gingen über die Zugbrücke und verloren sich in den Trümmern der alten Burg.

Fünf Minuten nachher erschien ein Anderer. Er wurde ebenfalls angerufen und gab das Losungswort.

So kamen in einer Viertelstunde vierzehn Personen in braunen Mänteln, theils einzeln, theils zwei oder drei zusammen, aber nie mehr.

Auf der Zugbrücke zog jeder der geheimnißvollen Adepten eine schwarze Maske unter dem Mantel hervor und nahm sie vor’s Gesicht.

Es schlug ein Viertel auf eins, als die beiden Letzten erschienen, so daß es im Ganzen sechzehn waren.

Diesen wollen wir folgen. Sie gingen wie die Andern über die Zugbrücke und verschwanden in den Burgruinen; aber als sie an eine riesige Säule kamen, die ein ganzes Gewölbe zu tragen schienen, blieb der Eine, der den Andern zuführen schien, plötzlich stehen.

»Herr Lieutenant,« sagte er leise und in französischer Sprache, »bedenken Sie, daß wir hier kein Kinderspiel treiben; wenn wir erkannt werden, sind wir verloren.«

»Ich weiß es,« antwortete der Andere, »aber glauben Sie denn, man werde mich an meiner Sprache erkennen?«

»Nein, Sie sprechen deutsch, wie ein geborener Deutscher; an der Sprache wird man Sie gewiß nicht erkennen.«

»Wenn denn sonst? An meinem Gesicht wird man mich nicht erkennen, denn wir sind ja maskirt.«

»Es wird ein Augenblick kommen, wo Sie Ihre Maske abnehmen müssen.«

»Ich bin heute zum ersten Male in Abensberg, und kam erst gestern in Regensburg an.«

»Besinnen Sie sich wohl!«

»Ich habe mich besonnen«

»Es ist keineswegs ein Kinderspiel da drinnen, obgleich es von Kindern aufgeführt wird. Das Leben steht auf dem Spiel; wenn Sie nur den leisesten Verdacht erregen, werden Sie erdolcht.«

»Du sprichst von dem Leben wie von einer wichtigen Sache mit einem Manne, der.das seinige täglich auf einem Schlachtfelde einsetzt. . .«

»Ja, auf einem Schlachtfelde hat man das helle Tageslicht, um die zweite Epaulette und ein Ehrenzeichen zu verdienen, aber hier in dunkler Nacht, in einem unterirdischen Gewölbe mag man doch nicht gern von einem Dolch getroffen oder zwischen zwei Thüren erdrückt werden, wie ein russischer Czar oder ein ottomanischer Vezier.«

»Meister Schlick,« erwiederte der Andere mit fester Stimme, »ich habe einen wichtigen Auftrag zu vollziehen.«

»Es war meine Pflicht Sie zu warnen,« sagte der Spion, »ich habe es gethan, jetzt thun Sie was Sie wollen. Im Fall einer Gefahr dürfen Sie auf meine Hilfe nicht zählen, ich würde mich nur mit Ihnen ins Verderben stürzen, ohne Sie retten zu können. Die blanken Napoleons Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen sind mir sehr lieb, aber mein Kopf ist mir noch lieber.«

»Du hast Dich nur verpflichtet, mich den Brüdern des Tugendbundes als einen Adepten vorzustellen, und mehr verlange ich nicht von Dir.«

»Merken Sie wohl, bei der geringsten Gefahr verläugne ich Sie, und lieber dreimal als einmal, wie Petrus.«

»Ich erlaube es Dir.«

»Sie beharren also bei Ihrem Entschlusse?«

»Ja.«

»Dann reden wir nicht mehr davon.

Schlick drückte auf eine in dem Schnitzwerk der Säule verborgene Feder, die Säule drehte sich und es kam eine kleine Oeffnung zum Vorschein, die eben groß genug war, um einen Mann durchzulassen. Eine Treppe, deren oberste Stufe mit dem Boden gleich war und in einen unterirdischen Raum zu führen schien, war durch eine Lampe erleuchtet, die in der hohlen, etwa zwölf Fuß im Umfange messenden Säule hing. Der Führer warf durch seine schwarze Maske noch einen Blick auf seinen Begleiter, als ob er ihm sagen wollte: »Noch ist’s Zeit!«

Man war wirklich außer dem Gesichtskreise der Schildwache, man hörte kein Geräusch in der alten Burg und ein bewölkter, sternenloser Himmel schien auf dem alten Gemäuer zu lasten.

»Vorwärts!« sagte der uns noch unbekannte Begleiter des Spions.

Der Letztere, der diese Aufforderung erwartet zu haben schien, betrat die schmale Wendeltreppe. Der Unbekannte folgte ihm. Hinter ihnen schloß sich die Thür.

Unten an der Treppe blieb der Führer vor einer metallenen Thür stehen und klopfte dreimal in gleichen Zwischenräumen, und jeder Schlag hallte dumpf, wie auf einer großen Trommel.

»Geben Sie Acht,« sagte Schlick leise, »die Thür wird sogleich aufgehen und der Wächter erwartet uns.«

Die Thür that sich wirklich auf, und ein verlarvter Mann kam zum Vorschein.

»Welche Zeit ist es?« fragte der Wächter.

»Die Stunde, wo der Tag anbricht,« antwortete Schlick.

»Was machst Du so früh?«

»Ich stehe auf sobald der Tag graut.«

»Warum?«

»Um zu treffen.«

»Woher kommst Du?«

»Von Westen«

»Wer hat Dich geschickt?«

»Der Rächer.«

»Beweise mir’s.«

»Hier ist der Beweis,« erwiederte Schlick, und wies dem Wächter ein kleines, achteckiges Brettchen, ähnlich denen, die man in den deutschen Wirthshäusern an die Schlüssel zu hängen pflegt. Auf diesem Bretchen stand das Wort: Baden.

Der Wächter betrachtete dieses Erkennungszeichen und warf es in eine Urne, in welchem schon die Zeichen der früher Angekommenen lagen.

»Und der Andere?« fragte der Wächter auf den Unbekannten deutend.

»Ein Blinder,« antwortete dieser im reinsten Deutsch.

»Was suchst Du hier?« fragte der Wächter.

»Das Licht.«

»Hast Du einen Pathen?«

»Ja, mein Begleiter ist mein Pathe.«

»Bürgt er für Dich?«

»Frage ihn selbst.«

»Bürgst Du für ihn, Bruder?«

»Ja, ich bürge für ihn.«

»Gut,« sagte der Wächter, »er trete in das stille Gemach; man wird ihn rufen, wenn die Stunde seiner Aufnahme da ist.«

Er öffnete eine in der Mauer befindliche Thür und führte den Begleiter Schlick’s in eine Art Verließ, das von einer Lampe erleuchtet war. In der Mitte stand ein steinerner Tisch und eine kleine Steinbank, ähnlich denen, auf welchen der Sage zufolge der Kaiser Friedrich der Rothbart sitzt und schlummert, bis zu dem großen Tage, wo er erwachen wird, um Deutschlands Einheit zu verkünden.

Schlick überließ seinen jungen Cameraden seinen Betrachtungen und ging auf ein Gitterthor zu, durch welches man in den Hauptsaal gelangte.

Der Wächter drehte den Schlüssel und das Gitterthor that sich auf.

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