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Kontrovers-Predigt über H. Clauren und den Mann im Mond

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Kontrovers-Predigt über H. Clauren und den Mann im Mond
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EHRWÜRDIGE VERSAMMLUNG, ANDÄCHTIGE ZUHÖRER!

Die Apostel, besonders der heilige Paulus, als er zu Rom predigte, verschmäheten es nicht, auch häusliche, bürgerliche Angelegenheiten der Gemeinde zu Gegenständen ihrer Betrachtungen zu machen. Es läßt sich zwar mit vieler Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie belletristische Gegenstände nicht berührt haben, daß sie literarische Streitigkeiten nicht, wie man zu sagen pflegt, auf die Kanzel brachten; denn sie hatten Wichtigeres zu tun; nichtsdestoweniger aber geschah dies einige Jahrhunderte später, und man trifft in den Kirchenvätern nicht undeutliche Spuren, daß sie über allerhand literarische Subtilitäten, sogar über die Tendenz und den Stil ihrer Gegner auf dem kirchlichen Rednerstuhl gesprochen haben.

Berühmte Kanzelredner neuerer Zeit haben oft und viel zum Beispiel über das Theater gepredigt oder über das Tanzen am Sonntag oder über das Singen unzüchtiger Lieder, andere wieder über das Spielen, namentlich das Kartenspielen, und einen habe ich gehört, der in einer Vesperpredigt das Schachspiel in Schutz nahm und nur bedauerte, daß es ein Heide erfunden.

Und wenn es die Pflicht des Redners ist, meine Freunde, der Gemeinde darzutun, welchen Irrtümern sie sich hingebe, welche bösen Gewohnheiten unter ihr herrschen, wenn es die Natur der Sache erfordert, bei einer solchen Aufdeckung von Irrtümern und böslichen Gewohnheiten bis ins einzelne und kleinste zu gehen, weil oft gerade dort, recht ins Auge fallend, der Teufel nachgewiesen werden kann, der darin sein Spiel treibt, so kann es niemand befremden, wenn wir nach Anleitung der Textesworte mit einander eine Betrachtung anstellen über:

DEN MANN IM MOND

von

H. Clauren; und zwar betrachten wir:

I.

Wer und was ist dieser Mann im Mond? Oder—was ist sein Zweck auf dieser Welt?

II.

Wie hat er diesen Zweck verfolgt? und wie erging es ihm auf dieser Welt?

I

Andächtige Zuhörer! Kontroverspredigern, namentlich solchen, die vor einer so großen Versammlung reden, kommt es zu, den Gegenstand ihrer Betrachtung so klar und deutlich als möglich vor das Auge zu stellen, damit jeder, wenn ihn auch der Herr nicht mit besonderer Einsicht gesegnet hat, die Sache, wie sie ist, sogleich begreife und einsehe. Es hat in unserer Literatur nie an sogenannten Volksmännern gefehlt, das heißt an solchen, die für ein großes Publikum schrieben, das, je allgemeiner es war, desto weniger auf wahre Bildung Anspruch machen konnte und wollte. Solche Volksmänner waren jene, die sich in den Grad der Bildung ihres Publikums schmiegten, die eingingen in den Ideenkreis ihrer Zuhörer und Leser und sich, wie der Prediger Abraham a Sancta Clara, wohl hüteten, jemals sich höher zu versteigen, weil sie sonst ihr Publikum verloren hätten. Diese Leute handelten bei den größten Geistern der Nation, welche dem Volke zu hoch waren, Gedanken und Wendungen ein, machten sie nach ihrem Geschmack zurecht und gaben sie wiederum ihren Leuten preis, die solche mit Jubel und Herzenslust verschlangen. Diese Volksmänner sind die Zwischenhändler geworden und sind anzusehen wie die Unternehmer von Gassenwirtshäusern und Winkelschenken. Sie nehmen ihren Wein von den großen Handlungen, wo er ihnen echt und lauter gegeben wird; sie mischen ihn, weil er dem Volke anders nicht munden will, mit einigem gebrannten Wasser und Zucker, färben ihn mit roten Beeren, daß er lieblich anzuschauen ist, und verzapfen ihn ihren Kunden unter irgend einem bedeutungsvollen Namen.

Diese Gassenwirte oder Volksmänner treiben aber eine schändliche und schädliche Wirtschaft. Sie fühlen selbst, daß ihr Gebräu sich nicht halten würde, daß es den Ruf von Wein auf die Dauer nicht behalten könnte, wenn er nicht auch berausche. Daher nehmen sie Tollkirschen und allerlei dergleichen, was den Leuten die Sinne schwindelnd macht; oder, um die Sache anders auszudrücken, sie bauen ihre Dichtungen auf eine gewisse Sinnlichkeit, die sie, wie es unter einem gewissen Teil von Frauenspersonen Sitte ist, künstlich verhüllen, um durch den Schleier, den sie darüber gezogen haben, das lüsterne Auge desto mehr zu reizen. Sie kleiden ihr Gewerbe in einen angenehmen Stil, der die Einbildungskraft leicht anregt, ohne den Kopf mit überflüssigen Gedanken zu beschweren; sie geben sich das Ansehen von heiterem, sorglosem Wesen, von einer gewissen gutmütigen Natürlichkeit, die lebt und leben läßt; sie sind arglose Leute, die ja nichts wollen, als ihrem Nebenmenschen seine "oft trüben Stunden erheitern" und ihn auf eine natürliche, unschuldige Weise ergötzen. Aber gerade dies sind die Wölfe in Schafskleidern, das ist der Teufel in der Kutte, und die Krallen kommen frühe genug ans Tageslicht.

Wem unter euch, meine Andächtigen, sollte bei dieser Schilderung nicht vor allem jener beifallen, der alljährlich im Gewande eines unschuldigen Blumenmädchens auf die Messe zieht und "Vergißmeinnicht" feilbietet. Ich weiß wohl, daß dort drüben auf der Emporkirche, daß da unten in den Kirchstühlen manche Seele sitzt, die ihm zugetan ist, ich weiß wohl, daß er bei euch der Morgen- und Abendsegen geworden ist, ihr Nähermädchen, ihr Putzjungfern, selbst auch ihr sonst so züchtigen Bürgerstöchterlein, ich weiß, daß ihr ihn heimlich im Herzen traget, ihr, die ihr auf etwas Höheres von Bildung und Geschmack Anspruch machen wollet, ihr Fräulein mit und ohne Von, ihr gnädigen Frauen und andere Mesdames! Ich weiß, daß er das A und das O eurer Literatur geworden ist, ihr Schreiber und Ladendiener, daß ihr ihn beständig bei euch führt, und wenn der Prinzipal ein wenig beiseite geht, ihn schnell aus der Tasche holt, um eure magere Phantasie durch einige Ballgeschichten, Champagnertreffen und Austernschmäuse anzufeuchten; ich weiß, daß er bei euch allen der Mann des Tages geworden ist; aber nichtsdestoweniger, ja, gerade darum und eben deswegen will ich seinen Namen aussprechen, er nennt sich CLAUREN. Anathema sit!

Vor zwölf Jahren laset ihr, was eurem Geschmack gerade keine Ehre machte, Spieß und Cramer, mitunter die köstlichen Schriften über Erziehung von Lafontaine; wenn ihr von Meißner etwas anderes gelesen als einige Kriminalgeschichten &c., so habt ihr euch wohl gehütet, es in guter Gesellschaft wiederzusagen; einige aber von euch waren auf gutem Wege; denn Schiller fing an, ein großes Publikum zu bekommen. Gewinn für ihn und für sein Jahrhundert, wenn er, wie ihr zu sagen pflegt, in die Mode gekommen wäre; dazu war er aber auch zu groß, zu stark. Ihr wolltet euch die Mühe nicht geben, seinen erhabenen Gedanken ganz zu folgen. Er wollte euch losreißen aus eurer Spießbürgerlichkeit, er wollte euch aufrütteln aus eurem Hinbrüten mit jener ehernen Stimme, die er mit den Silberklängen seiner Saiten mischte; er sprach von Freiheit, von Menschenwürde, von jener erhabenen Empfindung, die in der menschlichen Brust geweckt werden kann, —gemeine Seelen! Euch langweilten seine herrlichsten Tragödien, er war euch nicht allgemein genug. Was soll ich von Goethe reden? Kaum, daß ihr es über euch vermögen konntet, seine Wahlverwandtschaften zu lesen, weil man euch sagte, es finden sich dort einige sogenannte pikante Stellen,—ihr konntet ihm keinen Geschmack abgewinnen, er war euch zu vornehm.

Da war eines Tages in den Buchladen ausgehängt: "Mimili, eine Schweizergeschichte." Man las, man staunte. Siehe da, eine neue Manier zu erzählen, so angenehm, so natürlich, so rührend und so reizend! Und in diesen vier Worten habt ihr in der Tat die Vorzüge und den Gehalt jenes Buches ausgesprochen. Man würde lügen, wollte man nicht auf den ersten Anblick diese Manier angenehm finden. Es ist ein ländliches Gemälde, dem die Anmut nicht fehlt; es ist eine wohltönende, leichte Sprache, die Sprache der Gesellschaft, die sich zum Gesetz macht, keine Saite zu stark anzuschlagen, nie zu tief einzugehen, den Gedankenflug nie höher zu nehmen als bis an den Plafond des Teezimmers. Es ist wirklich angenehm zu lesen, wie eine Musik angenehm zu hören ist, die dem Ohr durch sanfte Töne schmeichelt, welche in einzelne wohllautende Akkorde gesammelt sind. Sie darf keinen Charakter haben, diese Musik, sie darf keinen eigentlichen Gedanken, keine tiefere Empfindung ausdrücken; sonst würde die arme Seele unverständlich werden oder die Gedanken zu sehr affizeren. Eine angenehme Musik, so zwischen Schlafen und Wachen, die uns einwiegt und in süße Träume hinüberlullt. Siehe, so die Sprache, so die Form jener neuen Manier, die euch entzückte!

Das Zweite, was euch gefiel, hängt mit diesem ersteren sehr genau zusammen: diese Manier war so natürlich. Es ist etwas Schönes, Erhabenes um die Natur, besonders um die Natur in den Alpen. Schiller ist auch einmal dort eingekehrt, ich meine, mit Wilhelm Tell. Sein Drama ist so erhaben als die Natur der Schweizerlande; es bietet Aussichten, so köstlich und groß wie die von der Tellskapelle über den See hin; aber nicht wahr, ihr lieben Seelen, der ist euch doch nicht natürlich genug? Zu was auch die Seele anfüllen mit unnützen Erinnerungen an die Taten einer großen Vorzeit? Zu was Weiber schildern wie eine Gertrude Stauffacher oder eine Bertha, oder Männer wie einen Tell oder einen Melchthal? Da weiß es Clauren viel besser, viel natürlicher zu machen! Statt großartige Charaktere zu malen, für welche er freilich in seinem Kasten keine Farben finden mag, malt er euch einen Hintergrund von Schneebergen, grünen Waldwiesen mit allerlei Vieh; das ist pro primo die Schweiz. Dann einen Krieger neuerer Zeit mit schlanker Taille von acht Zollen, etwas bleich (er hat den Freiheitskrieg mitgemacht), das eiserne Kreuz im Knopfloch &c. Das ist der Held des Stückes. Eine interessante Figur! Nämlich Figur als wirklicher Körper genommen, mit Armen, Taille, Beinen &c., und interessant, nicht wegen des Charakters, sondern weil er etwas bleich ist, ein eisernes Kreuz trägt und so ein Ding von einem preußischen Husaren war. Neben diesen Helden kommt ein frisches, rundes "Dingelchen" zu stehen mit kurzem Röckchen, schönen Zwickelstrümpfen usw. Kurz, das Inventarium ihres Körpers und ihres Anzuges könnt ihr selbst nachlesen oder habt es leider im Kopfe. Das Schweizerkind, die Mimili, ist nun so natürlich als möglich; d. h. sie geniert sich nicht, in Gegenwart des Kriegers das Busentuch zu lüften und ihn den Schnee und dergleichen sehen zu lassen, daß ihm "angst und bange" wird. Einiger Schweizerdialekt ist auch eingemischt, der nun freilich im Munde Claurens etwas unnatürlich klingt. Kurz, es ist nichts vergessen, die Natur ist nicht nur nachgeahmt, sondern förmlich kopiert und getreulich abgeschrieben. Aber leider ist es nur die Natur, so wie man sie mittelst einer Camera obscura abzeichnen kann. Der warme Odem Gottes, der Geist, der in der Natur lebt, ist weggeblieben, weil man nur das Kostüm der Natur kopierte. Zeichnet die nächste beste Schweizer Milchmagd ab, so habt ihr eine Mimili, und freilich alles so natürlich als möglich.

 

Das Dritte, was euch so gut mundete an dieser Geschichte war—das Rührende. Wann und wo war der Kummer der Liebe nicht rührend? Es ist ein Motiv, das jedem Roman als Würze beigegeben wird wie bittere Mandeln einem süßen Kuchen, um das Süße durch die Vorkost des Bitteren desto angenehmer und erfreulicher zu machen. Ihr selbst, meine jungen Zuhörerinnen, und ich habe dies zu öfteren Malen an euch gerügt, versetzt euch gar zu gerne in ein solches Liebesverhältnis, wenn nicht dem Körper, doch dem Geiste nach. Wenn ihr so dasitzet und nähet oder stricket und über eure Nachbarn gehörig geklatscht habt, kommt gar leicht in eurer Phantasie das Kapitel der Liebe an die Reihe, und ihr träumet und träumet und vergesset die Welt und die Maschen an eurem Strickstrumpf. Wenn man nachts durch den Wald geht, so denkt man gerne an arge Schauergeschichten von Mord und Totschlag. Gerade so machet ihr es. Je greulicher der Schmerz eines Liebespaares ist, von welchem ihr leset, desto angenehmer fühlet ihr euch angeregt. Da wollet ihr keine Natürlichkeit, da soll es recht arg und türkisch zugehen, und wie den spanischen Inquisitoren, so ist euch ein solches Autodafé ein Freudenfest. Je länger die Liebenden am langsamen Feuer des Kummers braten, je mehr man ihnen mit der Zange des Schicksals die Glieder verrenkt, desto, rührender kömmt es euch vor, und doch habt ihr dabei immer noch den Trost in petto, daß der Autor, der diesen Jammer arrangiert, zugleich Chirurg ist und die verrenkten Glieder wieder einrichtet, zugleich Notar, um den Heiratskontrakt schnell zu fertigen, zugleich auch Pfarrer, um die guten Leutchen zusammenzugeben. Ihr habt recht, ihr guten Seelen! Ihr wollet nicht gerührt sein durch tiefere Empfindungen, man darf bei euch nicht jene Mollakkorde anschlagen, die durch die Seele zittern. Wer wollte auch mit einer Äolsharfe auf einer Kirchweihe aufspielen! Da ist der schnarrende Konterbaß Meister, und je gräßlicher es zugeht, desto rührender ist es.

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