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Zwanzig Jahre nachher

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Zwanzig Jahre nachher
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Erstes bis drittes Bändchen

I
Das Gespenst von Richelieu

In einem Zimmer des uns bereits bekannten Palais Cardinal saß an einem mit Papieren und Büchern beladenen Tische mit Ecken von Vermeil ein Mann, den Kopf in seine zwei Hände gestützt.

Hinter ihm war ein weiter Kamin, roth von einem Feuer, dessen Brände auf großen vergoldeten Feuerböcken zusammensanken. Der Glanz der Flammen beleuchtete von hinten das prachtvolle Genwand diesen Träumers, den das Licht eines mit Kerzen beladenen Candelabers von vorne bestrahlte.

Beim Anblick dieser rothen Simarre und dieser reichen Spitzen, dieser bleichen, unter dem Nachsinnen gebeugten Stirne, der Einsamkeit diesen Cabinets, bei der Stille in den Vorzimmern und dem abgemessenen Tritte der Wachen auf der Flur, hätte man glauben können, der Schatten den Cardinal von Richelieu weile noch in diesem Gemach.

Ach! es war allerdings nur der Schatten des großen Mannes. Das geschwächte Frankreich, das gesunkene Ansehen des Königs, die entkräfteten oder aufrührerischen Großen, der Feind, welcher die Grenzen des Landen überschritten hatte, Alles bewies, daß Richelieu nicht mehr war.

Was aber noch mehr zum Beweise diente, als Alles dieß, daß die rothe Simarre keineswegs die des alten Cardinals sein konnte, das war diese Vereinzelung, welche, wie gesagt, mehr die einen Gespenstes, als eines Lebendigen zu sein schien, das waren die von Höflingen leeren Fluren, die von Wachen vollen Höfe, das war das spöttische Gefühl, welches von der Straße heraufkam und durch die Scheiben diesen von dem Hauche einer ganzen gegen den Minister verbundenen Stadt erschütterten Zimmers drang; das war endlich das entfernte und unablässig erneute Geräusch von Schüssen, welche zwecklos und erfolglos abgefeuert wurden, nur um den Garden, den Schweizern, den Musketieren und den Soldaten, welche das Palais Royal umgaben, denn das Palais Cardinal hatte selbst seinen Namen verändert, zu zeigen, daß das Volk auch Waffen besitze.

Dieses Gespenst von Richelieu war Mazarin.

Mazarin aber war allein und fühlte sich schwach.

»Fremder!« murmelte er, »Italiener! das ist ihr großen Wort. Mit diesem Worte haben sie Concini ermordet, aufgehängt, verschlungen. Und wenn ich sie machen ließe, würden sie mich ermorden, hängen, verschlingen, wie Jenen. obgleich ich ihnen nie etwas anderes Böses zugefügt habe, als daß ich ein wenig Geld auspreßte. Die Dummköpfe, sie fühlen nicht, daß ihr Feind nicht dieser Italiener ist, der schlecht Französisch spricht, sondern vielmehr diejenigen, welche das Talent haben, ihre schönen Worte mit einem so reinen und guten Pariser Accent vorzubringen.«

»Ja, ja,« fuhr der Minister mit seinem feinen Lächeln fort, welches dießmal seltsam auf seinen bleichen Lippen erschien, »ja, Euer Geschrei sagt mir, daß das Geschick der Günstlinge precär ist. Aber wenn Ihr dieß wißt. so müßt Ihr auch wissen, daß ich kein gewöhnlicher Günstling bin! Der Graf von Essex besaß einen glänzenden, mit Diamanten verzierten Ring, den ihm seine königliche Geliebte geschenkt hatte. Ich besitze einen einfachen Ring mit einer Chiffre und einem Datum, aber dieser Ring ist in der Kapelle des Palais Royal gesegnet worden;1 ich werde auch nicht nach ihrem Belieben untergehen. Sie bemerken nicht, daß ich sie mit ihrem ewigen Geschrei: »Nieder mit Mazarin!« bald: es lebe Herr von Beaufort!« bald: »es lebe der Herr Prinz!« bald: »es lebe das Parlament!« schreien lasse. Nun wohl, Herr von Beaufort ist in Vincennes, der Herr Prinz wird demnächst zu ihm kommen, und das Parlament …«

Hier nahm das Lächeln den Cardinals einen Ausdruck den Hasses an, dessen sein sanften Gesicht unfähig zu sein schien … »Und das Parlament … wir werden sehen, was wir damit machen; wir haben Orleans und Montargis! O, ich werde Zeit darauf verwenden, aber diejenigen, welche damit angefangen haben, daß sie: »Nieder mit Mazarin!« schrieen, werden mit dem Geschrei: »Nieder mit allen diesen Leuten!« endigen; jeder der Reihe nach.

»Richelieu. den sie haßten, solange er lebte, und von dem sie beständig sprechen, seit er todt ist, war niedriger als ich, denn er ist oft fortgejagt worden, und hat noch öfter befürchtet, fortgejagt zu werden. Die Königin wird mich nie fortjagen, und wenn ich gezwungen werde, den Folgen zu weichen, so wird sie mit mir weichen; wenn ich fliehe, so flieht sie mit mir, und wir werden dann sehen, was die Rebellen ohne ihren König und ihre Königin sind.

»Oh! wenn ich nur kein Fremder, wenn ich nur Franzose, wenn ich nur Edelmann wäre!«

Und er versank wieder in seine Träumerei.

Die Lage war allerdings schwierig, und der so eben abgelaufene Tag hatte sie noch mehr verwickelt. Beständig von seinem schmutzigen Geize angestachelt, drückte Mazarin das Volk mit Steuern zu Boden, und diesen Volk für welchen er nur die Seele blieb, wie der Staatsanwalt Talon sagte, und auch, weil man seine Seele nicht im Aufstreiche verkaufen konnte, das Volk, das man mit den Lärmen von Siegen zur Geduld bewegen wollte, und welchen fand, daß die Lorbeeren kein Fleisch waren, womit man sich sättigen konnte, das Volk hatte seit langer Zeit angefangen zu murren.

Doch das war noch nicht Alles, denn wenn nur das Volk murrt, so hört es der Hof nicht, da er durch die Bürgerschaft und die Edelleute von demselben getrennt ist. Aber Mazarin hatte die Unklugheit gehabt, sich an den Beamten zu vergreifen! Er hatte zwölf Requetmeister-Patente verkauft, und da diese Beamten ihre Stellen sehr theuer bezahlten und die Beiordnung dieser zwölf neuen Collegen den Preis sinken machen mußte, so vereinigen sie sich und schworen auf das Evangelium, diese Vermehrung nicht zu dulden und allen Verfolgungen den Hofes zu widerstehen, mit dem gegenseitigen Versprechen, falls einer von ihnen durch diese Rebellion seine Stelle verlieren würde, ihm gemeinschaftlich den Preis derselben zurückzuzahlen.

Man höre, was auf diesen beiden Seiten vorgefallen war.

Am 7. Januar hatten sich sieben- bis achthundert; Kaufleute von Paris versammelt und sich gegen eine neue Steuer erhoben, die man den Hausbesitzern auflegen wollte. Sie hatten sodann zehn von ihnen abgeordnet, um in ihrem Namen mit dem Herzog von Orleans zu sprechen, der seiner alten Gewohnheit gemäß, den Populären spielte. Der Herzog von Orleans empfing sie, und sie erklärten ihm, sie wären entschlossen, diese neue Steuer nicht zu bezahlen, und müßten sie sich mit bewaffneter Hand gegen die Leute des Königs vertheidigen, welche zum Eintreiben derselben erscheinen würden. Der Herzog von Orleans hörte sie mit großer Leutseligkeit an, gab ihnen Hoffnung auf einige Ermäßigung, versprach ihnen, mit der Königin zu reden, und entließ sie mit dem gewöhnlichen Worte der Fürsten: »Man wird sehen!«

Am 9. suchten die Requetmeister den Cardinal auf, und einer von ihnen, der das Wort für die andern führte, sprach mit solcher Festigkeit und Kühnheit, daß der Cardinal ganz erstaunt darüber war. Er entließ sie auch, indem er wie der Herzog von Orleans sagte, man würde sehen.

Um zu sehen, versammelte man sodann den Rath und schickte nach dem Oberintendanten der Finanzen d’Emery.

Dieser d’Emery wurde sehr verabscheut von dem Volke, einmal, weil er Oberintendant der Finanzen war und weil jeder Oberintendant der Finanzen verabscheut sein muß, und dann, was nicht geleugnet werden kann, weil er es einigermaßen zu sein verdiente.

Er war der Sohn einen Banquiers in Lyon, welcher Particelli hieß und seinen Namen in Folge eines Bankerottes in den Namen d’Emery verwandelte.2 Der Cardinal von Richelieu, der in ihm ein großen Finanzmanns-Verdienst erkannte, hatte ihn dem König Ludwig XIII. unter dem Namen Herr d’Emery vorgeschlagen, und da er ihn zum Intendanten der Finanzen ernennen lassen wollte, viel Gutes von ihm gesprochen.

»Ah, desto besser, erwiderte damals der König, »es freut mich, daß Ihr mir Herrn d’Emery für diese Stelle nennt, welche einen ehrlichen Mann braucht. Man hatte mir gesagt, Ihr wolltet diesen Schurken von Particelli dazu befördern, und ich befürchtete, Ihr würdet mich zwingen, ihn zu nehmen.«

»Ah, Sire,« antwortete der Cardinal, »Eure Majestät mag sich beruhigen, den Particelle, von dem sie spricht, hat man gehängt.«

»Desto besser,« sprach der König, »nicht umsonst hat man mich Ludwig den Gerechten genannt.«

Und er unterzeichnete die Ernennung von d’Emery.

Es war derselbe d’Emery, den man zum Oberintendanten der Finanzen gemacht hatte.

Man hatte vom Rathe aus nach ihm geschickt. Er lief ganz bleich und bestürzt herbei und sagte, sein i Sohn wäre beinahe an demselben Tage auf der Place du Palais ermordet worden. Das Volk war ihm entgegengetreten und hatte ihm den Luxus seiner Frau vorgeworfen, welche ein mit rothem Sammet und goldenen Crepinen austapezirtes Zimmer besaß. Sie war die Tochter von Nicolas Lecamus, dem Sekretär des Königs im Jahr 1617, der mit zwanzig Livres nach Paris gekommen war, und, während er sich vierzigtausend Livres Renten vorbehielt, neun Millionen unter seine Kinder vertheilt hatte.

 

Der Sohn von d’Emery war beinahe erstickt worden. Einer von den Meuterern machte nämlich den Vorschlag, ihn zu pressen, bin er das Gold, welches er verschlungen, zurückgegeben hätte. Der Rath entschied an diesem Tages Nichts, denn der Oberintendant war zu sehr von diesem Ereigniß ergriffen, um den Kopf frei zu haben.

Am andern Tage wurde der erste Präsident, Mathieu Molé, dessen Muth bei allen diesen Angelegenheiten, sagt der Cardinal von Retz, dem den Herrn Herzoge von Beaufort und dem den Herrn Prinzen von Condé, das heißt der zwei Männer gleich kam, welche für die Bravsten von Frankreich galten, am andern Tage, sagen wir, wurde der erste Präsident ebenfalls angegriffen. Das Volk drohte ihm, sich an seine Person wegen des Schlimmen zu halten, das man ihm zufügen wollte; aber der erste Präsident antwortete mit seiner gewöhnlichen Ruhe, ohne zu staunen oder sich zu erhitzen, wenn die Aufrührer nicht dem Willen des Königs gehorchten. so würde er Galgen auf den öffentlichen Plätzen errichten, um sogleich die Meuterischsten unter ihnen hängen zu lassen. Diese erwiderten hierauf, es wäre ihnen nichts lieber, als Galgen errichten zu sehen, sie würden dazu dienen, die schlechten Richter zu hängen, welche die Gunst des Hofes mit dem Elend den Volkes erkauften.

Das war noch nicht genug. Am 11. wurde die Königin, als sie zu der Messe in Notre-Dame ging, was sie regelmäßig jeden Sonnabend that, von mehr als zweihundert Frauen verfolgt, welche schrieen und Gerechtigkeit forderten. Sie hatten indessen keine böse Absicht und wollten sich ihr nur zu Füßen werfen, um ihr Mitleid rege zu machen. Aber die Wachen verhinderten sie daran, und die Königin ging hochmüthig und stolz, ohne auf ihr Geschrei zu hören, an ihnen vorüber.

Am Nachmittag versammelte sich der Rath abermals, und es wurde beschlossen, das Ansehen den Königs aufrecht zu halten. In Folge hiervon berief man das Parlament auf den nächsten Tag.

An diesem Tage, demjenigen, an dessen Abend wir diese neue Geschichte eröffnen, ließ der König, der damals zehn Jahre alt war und kurz zuvor die Pocken gehabt hatte, unter dem Vorwande, in Notre-Dame sein Dankgebet zu verrichten, seine Garden, seine Schweizer und seine Musketiere ausrücken, stellte sie um das Palais Royal, auf den Quais und auf dem Pont-Neuf auf, und begab sich, nachdem er die Messe gehört hatte, in das Parlament, wo er bei einem improvisirten Lit de Justiec3 nicht allein seine früheren Edicte bestätigte, sondern auch fünf bin sechs neue erließ – eines immer verderblicher, als das andere, sagt der Cardinal von Retz, so daß der erste Präsident, der, wie man sehen konnte, in den vorhergehenden Tagen für den Hof war, sich dennoch kühn gegen diese Art und Weise, den König in den Palast zu führen, um die Stimmfreiheit zu unterdrücken, erhob.«

Diejenigen aber, welche sich besonders stark gegen die neuen Steuern auflehnten, waren der Präsident Blancmesnil und der Rath Broussel.

Nachdem diese Edicte erlassen waren, kehrte der König nach dem Palais Royal zurück. Eine große Volksmenge befand sich auf seinem Wege. Da man aber wußte, daß er nun dem Parlamente kam und da es noch nicht ruchbar geworden war, ob er sich dahin begeben hatte, um dem Volke Gerechtigkeit widerfahren u lassen oder um dasselbe auf’s Neue zu bedrücken, so ertönte nicht ein Freudenruf, um ihn wegen seiner Wiederherstellung zu beglückwünschen. Alle Gesichter waren im Gegentheil düster und unruhig, einige sogar drohend.

Trotz seiner Rückkehr blieben die Truppen auf dem Platze, denn man befürchtete, es würde eine Empörung ausbrechen, sobald man das Resultat der Parlamentssitzung erführe, und in der That. kaum verbreitete sich in den Straßen das Gerücht, daß der König, statt die Steuern zu vermindern, dieselben vermehrt hatte, als sich Gruppen bildeten und von allen Seiten der Ruf erscholl: »Nieder mit Mazarin! es lebe Broussel! es lebe Blancmesnil!« Denn das Volk wußte bereits, daß Broussel und Blancmesnil zu seinen Gunsten gesprochen hatten, und obgleich ihre Beredtsamkeit keinen Erfolg gehabt hatte, war es ihnen doch nicht minder dankbar.

Man wollte diese Gruppen zerstreuen, man wollte das Geschrei verstummen machen; aber wie dieß in solchen Fällen geschieht, die Gruppen wurden zahlreicher und das Geschrei verdoppelte sich. Man hatte den Leibwachen den Königs und den Schweizerwachen so eben Befehl gegeben, nicht nur festzuhalten, sondern auch in den Rues Saint-Denis und Saint-Martin Patrouillen zu machen, wo diese Gruppen ganz besonders zahlreich und aufgeregt zu sein schienen, als man im Palais Royal den Prevot der Kaufleute meldete.

Der Prevot wurde sogleich eingeführt. Er kam, um zu sagen, daß, wenn man nicht auf der Stelle diese feindseligen Demonstrationen aufgeben würde, ganz Paris in zwei Stunden unter den Waffen wäre.

Man berathschlagte, was man thun sollte, als Comminges, Lieutenant bei den Garden, mit zerrissenen Kleidern und blutigem Gesichte erschien. Sobald die Königin ihn erblickte, stieß sie einen Schrei des Erstaunens aus und fragte ihn, was er hätte.

Bei dem Anblick der Garden waren die Geister, wie dieß der Prevot der Kaufleute vorhergesagt hatte, völlig in Muth gerathen. Man hatte sich der Glocken bemächtigt und Sturm geläutet. Comminges hatte fest gehalten, einen Mann verhaftet, der einer der Hauptaufrührer zu sein schien, und, um ein Beispiel zu geben, befohlen, ihn an der Croix du Trahoir aufzuhängen. Demzufolge hatten ihn die Soldaten fortgeschleppt, um diesen Befehl auszuführen. Aber in den Hallen waren diese mit Steinwürfen und Hellebardenstichen angegriffen worden. Der Rebell hatte diesen Augenblick benützt, um zu entfliehen. Er hatte die Rue Tiquetonne erreicht und sich in ein Haus geworfen, dessen Thüren man sogleich einstieß.

Diese Gewaltthat war fruchtlos gewesen. Man konnte den Schuldigen nicht finden. Comminges hatte einen Posten in der Straße gelassen und war mit den übrigen Soldaten seiner Abtheilung nach dem Palais Royal zurückgekehrt, um der Königin von dem Vorfall Meldung zu machen. Die ganze Straße entlang war er mit Geschrei und Drohungen verfolgt worden, und man hatte mehrere von seinen Leuten mit Piken- und Hellebardenstößen verwundet. Er selbst hatte einen Steinwurf an die Stirne bekommen.

Die Erzählung von Comminges bekräftigte die Worte des Prevot der Kaufleute. Man war nicht im Stande, einer ernstlichen Empörung Trotz zu bieten. Der Cardinal ließ im Volke ausstreuen, die Truppen wären nur auf dem Quai und auf dem Pont-Neuf während der Ceremonie aufgestellt worden und würden sich zurückziehen.

Gegen vier Uhr Abends concentrirten sie sich wirklich insgesamt nach dem Palais Royal zu. Man stellte einen Posten an der Barrière des Sergens, einen andern bei den Quinze-Vingts, einen dritten bei der Butte Saint-Roch auf. Man füllte die Höfe und die Erdgeschosse mit Schweizern und Musketieren und wartete.

So standen die Angelegenheiten. als wir unsere Leser in das Cabinet den Cardinal Mazarin einführten, das einst das des Cardinal Richelieu gewesen war. Wir haben gesehen, in welcher Beschaffenheit des Geistes er das bin zu ihm dringende Gemurmel den Volkes und das Echo der Flintenschüsse in seinem Zimmer hörte.

Plötzlich erhob er das Haupt; die Stirne halb gefaltet, wie ein Mann, der seinen Entschluß gefaßt hat, heftete er seine Augen auf eine ungeheure Pendeluhr, welche eben sechs Uhr schlug, nahm eine auf dem Tische im Bereiche seiner Hand liegende Pfeife und pfiff zweimal.

Eine unter der Tapete verborgene Thüre öffnete sich geräuschlos, ein schwarz gekleideter Mann trat stillschweigend hervor und blieb aufrecht hinter dem Fauteuil stehen.

»Bernouin,« sprach der Cardinal, ohne sich umzudrehen, denn da er zweimal gepfiffen hatte, so wußte er, daß es sein Kammerdiener sein mußte, »welche Musketiere haben die Wache im Palais?«

»Die schwarzen Musketiere, Monseigneur.«

»Welche Compagnie?«

»Compagnie Treville.«

»Ist ein Offizier von dieser Compagnie im Vorzimmer?«

»Der Lieutenant d’Artagnan.«

»Ein Guter glaube ich.«

»Ja, Monseigneur.«

»Gib mir eine Musketier-Uniform und hilf mir beim Ankleiden.«

Der Kammerdiener entfernte sich eben so schweigend, als er eingetreten war, und kam nach einem Augenblick mit dem verlangten Anzug zurück.

Stille und nachdenkend fing nun der Cardinal an, sich den Ceremonien-Gewandes zu entledigen, das er angezogen hatte, um der Parlamentssitzung beizuwohnen und nahm die militärische Kasake, die er, durch seine früheren Feldzüge in Italien geübt, mit einer gewissen Leichtigkeit trug. Als er vollständig angekleidet war, sagte er: »Hole mir Herrn d’Artagnan.«

Der Kammerdiener entfernte sich dießmal durch die mittlere Thüre, aber gleich schweigsam und stumm. Man hätte glauben sollen, es wäre ein Schatten.

Als der Cardinal allein war, betrachtete er sich mit einer gewissen Zufriedenheit im Spiegel; er war noch jung, denn er zählte kaum sechsundvierzig Jahre; Mazarin war ein Mann von zierlicher Gestalt, wenn auch etwas unter der mittleren Größe, hatte eine lebhafte schöne Gesichtsfarbe, einen feurigen Blick, eine große, jedoch ziemlich proportionierte Nase, eine breite, majestätische Stirne, kastanienbraune, etwas krause Haare und einen sehr dunkeln Bart. Dann zog er sein Wehrgehänge an, beschaute seine schönen, sorgfältig gepflegten Hände, warf die zu der Uniform gehörigen Handschuhe von Dammhirschleder, die bereits genommen hatte, bei Seite und schlüpfte in einfache seidene Handschuhe.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre wieder.

»Herr d’Artagnan,« sprach der Kammerdiener.

Ein Offizier trat ein.

Es war ein Mann von neununddreißig bis vierzig Jahren. von kleiner Gestalt, aber gut gebaut, mager,mit lebhaftem, geistreichem Blicke, der Bart schwarz und die Haare mit Grau vermischt, wie dieß immer geschieht, wenn man das Leben zu gut oder zu schlecht gefunden hat, und besonders wenn man sehr brünett ist.

D’Artagnan machte vier Schritte in das Cabinet, er erkannte in demselben dasjenige, in welchem er einmal während der Zeit den Cardinals Richelieu gewesen war, und da er Niemand in diesem Cabinet erblickte, als einen Musketier von seiner Compagnie, so heftete er seine Augen auf diesen, und bei dem ersten Blicke-war er überzeugt, daß er den Cardinal vor sich hatte.

Er blieb in einer ehrfurchtsvollen, aber würdigen Haltung stehen, wie es sich für einen Mann von einer gewissen Stellung geziemt, der oft in seinem Leben Gelegenheit gehabt hat, mit großen Herren zusammen zu sein.

Der Cardinal schaute ihn prüfend mit seinen mehr feinen, als tiefen Augen an und sagte nach kurzem Stillschweigen.

»Sie sind Herr d’Artagnan?«

»Ja, Monseigneur.« antwortete der Offizier.

Der Cardinal betrachtete noch einen Augenblick diesen so, gescheiten Kopf und das Gesicht, dessen übermäßige Beweglichkeit durch die Jahre und die Erfahrung gefesselt worden war; aber d’Artagnan ertrug die Prüfung als ein Mann, der einst die Forschung von Augen ausgehalten hatte, welche bedeutend durchdringer der gewesen waren, als die von Mazarin.

»Mein Herr,« sagte der Cardinal, »Ihr werdet mit mir gehen, oder vielmehr, ich gehe mit Euch.«

»Zu Euren Befehlen. Monseigneur,« antwortete d’Artagnan.

»Ich will die Posten um das Palais Royal der selbst visitieren; glaubt Ihr, daß einige Gefahr dabei ist.«

»Gefahr, Monseigneur?« fragte d’Artagnan, »und welche?«

»Den Volk soll äußerst aufgeregt sein.«

»Die Uniform der Musketiere des Königs ist sehr geachtet, Monseigneur, und wäre sie es nicht, so machte ich mich dennoch anheischig, zu vier hundert von diesen Lumpenkerlen in die Flucht zu schlagen.«

»Ihr habt gesehen, was Comminges begegnet ist.«

»Herr von Comminges ist bei den Garden und nicht bei den Musketieren.«

»Womit ihr sagen wollt,« versetzte der Cardinal lächelnd, »die Musketiere seien bessere Soldaten als die Garden.«

»Jeder liebt seine Uniform Monseigneur.«

»Mich ausgenommen,« sprach Mazarin, »denn Ihr seht, daß ich die meinige abgelegt habe, um die Eurige anzuziehen.«

»Pest, Monseigneur,« sagte d’Artagnan, »den ist Bescheidenheit. Ich meines Theils erkläre, wenn ich die Eurer Eminenz hätte, so würde ich mich damit begnügen.«

 

»Ja, aber um diesen Abend auszugehen, wäre sie vielleicht nicht sehr sicher. Bernouin, meinen Hut.«

Der Kammerdiener brachte einen breitkrämpigen Uniformhut; der Cardinal setzte ihn sehr unternehmend auf und wandte sich dann wieder zu d’Artagnan um.

»Ihr habt gesattelte Pferde im Stalle, nicht wahr?«

»Ja, Monseigneur.«

»So gehen wir.«

»Wie viel Leute befiehlt Monseigneur?«

»Ihr sagtet, mit vier Mann würdet Ihr Euch anheischig machen; hundert solche Lumpenkerle in die Flucht zu schlagen, da wir zweihundert begegnen könnten, so nehmt acht.«

»Wann beliebt Eurer Eminenz?«

»Ich folge Euch sogleich; leuchte uns, Bernouin.«

Der Kammerdiener ergriff eine Kerze; der Cardinal nahm einen kleinen Schlüssel von seinem Buerau, öffnete die Thüre einer verborgenen Treppe und befand sich in einem Augenblick im Hofe den Palais Royal.

1Man weiß, daß Mazarin welcher keine von den Weihen erhalten hatte, welche die Verehelichung verbieten, Anna von Oesterreich geheirathet hatte.
2Was den Herrn Staatsanwalt Omer Talon nicht abhält, ihn nach der Gewohnheit der Zeit, die fremden Namen französisch zu machen, Herr Particelle zu nennen.
3Lit de Justice hieß in Frankreich ein großer Gerichtstag, welchen der König persönlich, auf einem Throns sitzend, im Parlament hielt.
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