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La San Felice Band 9

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La San Felice Band 9
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Neunter Theil

Erstes Capitel.
Der König bekommt endlich wieder Appetit

Die Auftritte, welche auf dem Verdeck stattgehabt und die wir zu schildern versucht, hatten, wie man leicht begreift, in dem großen Saale ihr Seitenstück gefunden.

Die außerordentliche Bewegung des Schiffes, das Heulen des Sturmes, das Rollen des Donners, die eiligen Manövers, Nelsons Fragen, Henrys Antworten – nichts war den erlauchten Flüchtlingen entgangen.

Ganz besonders aber in dem Augenblick, wo das Schiff, aus den Klippen hervorkommend, jenen furchtbaren Windstoß empfangen, der es beinahe ganz auf die Seite gelegt, hatten der König, die Königin und Emma Lyonna selbst geglaubt, ihr letztes Stündlein habe geschlagen.

Die schräge Richtung des »Vanguard« war von der Art gewesen, daß die Kugeln aus ihren zwischen den Geschützen stehenden Behältnissen gefallen waren und, mit furchtbarem Getöse das Zwischendeck entlang rollend, durch diesen inneren Donner, den man sich nicht erklären konnte, den Passagieren den abenteuerlichsten Schrecken eingejagt hatten.

Was den armen kleinen Prinzen betraf, so haben wir gesehen, was er während der Ueberfahrt gelitten hatte. Die Seekrankheit war bei ihm bis zum Paroxysmus gestiegen. Bei jeder heftigen Bewegung des Schiffes war er von fürchterlichen Krämpfen befallen worden, die um so schmerzhafter waren, als er seit dem Morgen dieses Tages sich geweigert hatte, etwas zu sich zu nehmen, selbst nicht aus der Hand Emma's, obschon er fortwährend auf den Knieen dieser ruhte. Zwei Tage lang aß er nichts und Erbrechen und Krämpfe wechselten bei ihm unaufhörlich mit einander ab.

Als der »Vanguard« sich auf die Seite legte, erhielt der arme kleine Prinz einen so furchtbaren Stoß und erschrak so gewaltig, das ein Blutgefäß in der Brust sprang.

Das Blut stürzte ihm aus dem Munde und nach kurzem Todeskampfe hauchte er an Emmas Brust den letzten Seufzer aus.

Er war so schwach gewesen und der Uebergang vom Leben zum Tode war bei ihm ein so leichter, daß Emma, obschon sie über diesen Blutsturz und die darauf folgenden krampfhaften Bewegungen erschrak, seine Unbeweglichkeit für die Ruhe hielt, welche auf eine Krisis folgt.

Als sie nach einigen Augenblicken die wahre Ursache dieser Unbeweglichkeit erkannte, rief sie in ihrem Schrecken, ohne sich Zwang anzuthun, sei es nun, daß sie die philosophische Standhaftigkeit der Königin kannte, sei es, daß sie in ihrem Schrecken keiner Mäßigung fähig war:

»Großer Gott, Madame, der Prinz ist todt!«

Diese Worte äußerten auf Caroline und auf Ferdinand ganz entgegengesetzte Wirkungen.

Die Königin antwortete:

»Armes Kind! Du gehst uns um so kurze Zeit in das Grab voran, daß es nicht der Mühe verlohnt, Dich zu beweinen. Wenn ich aber jemals die Krone wiedererlange, dann wehe Denen, welche die Ursache deines Todes sind.«

Ein unheimliches Lächeln begleitete diese Drohung.

Dann streckte sie die Arme nach Emma aus und sagte:

»Gib mir den Knaben.«

Emma gehorchte, denn sie glaubte nicht, daß man einer Mutter, wie wenig Zärtlichkeit sie auch besäße, den Leichnam ihres Kindes verweigern dürfe.

Was Ferdinand betraf, so hatte die drohende Gefahr die Seekrankheit, von welcher er anfangs befallen gewesen, bei ihm bis auf die letzten Spuren verscheucht.

Da er, nachdem Nelson ihm den Wunsch zu erkennen gegeben, er möge in dem oberen Zimmer bleiben, um nicht durch seine königliche Gegenwart das Manövrieren zu stören, nicht auf die Campanje hinaufzusteigen wagte, so hatte er alle Qualen der Gefahr durchgemacht; Qualen, die um so größer waren, als er die Gefahr, weil sie ihm unbekannt war, nicht ermessen konnte und weil, so drohend sie sich auch gestaltete, seine Phantasie ihm dieselbe immer noch viel drohender erscheinen ließ.

Als daher die aus ihren Behältnissen fallenden Kanonenkugeln mit Donnergepolter über das Zwischendeck hinwegrollten, verlor er, wie Emma gesagt, vor Schrecken beinahe den Verstand, und als sie rief: »Großer Gott, Madame, der Prinz ist todt!« wiederholte er diesen Ruf auf den Knien, indem er zugleich seine Verachtung gegen den heiligen Januarius aussprach, der ihn in solcher Bedrängniß verließ, und mit lauter Stimme versprach er dem heiligen Francisco de Paula, obgleich derselbe tausend Jahre jünger ist, eine Kirche nach dem Vorbild der St. Peterskirche zu Rom.

Dieser Augenblick war es, wo Emma, nachdem sie die Leiche des jungen Prinzen auf die Knie seiner Mutter gelegt und sich frei sah, ihr Zimmer verließ, bis an den Fuß der Campanjetreppe eilte und Nelson rief.

Nelson warf einen raschen Blick um sich herum, sah, wie wir bereits bemerkt, die Königin auf ein Sopha hingestreckt, während sie die Leiche ihres Sohnes in den Armen hielt, und den König, der angesichts seiner eigenen Gefahr jedes väterliche Gefühl vergaß und knieend sein Rettungsgelübde aussprach, ohne daß es ihm einfiel, die Personen seiner Familie, welche ihm die theuersten sein mußten, in dieses Gelübde einzuschließen und dem Schutze des Heiligen zu empfehlen.

Nelson beeilte sich demgemäß seine erlauchten Passagiere zu beruhigen.

»Madame,« sagte er zur Königin, »gegen das Unglück, welches Sie so eben betroffen, vermag ich nichts. Es ist dies eine Sache zwischen Gott, welcher Trost gibt, und Ihnen. Wohl aber kann ich Ihnen wenigstens versichern, daß, was die Ueberlebenden betrifft, dieselben so ziemlich außer aller Gefahr sind.«

»Hören Sie wohl, theure Königin!«, sagte Emma, indem sie Carolinens Kopf in ihren Armen aufrichtete. »Hören Sie, Sire,« setzte sie zu dem König gewendet hinzu.

»Leider nein!« sagte der König. »Sie wissen ja, Mylady, daß ich von ihrem Kauderwälsch kein Wort verstehe.«

»Mylord sagt, die Gefahr sei vorüber.«

Der König richtete sich empor.

»Ha!« rief er, »hat Mylord dies wirklich gesagt?«

»Ja, Sire.«

»Und nicht blos aus Gefälligkeit, nicht um uns zu beruhigen?«

»Nein, Mylord hat es gesagt, weil es die Wahrheit ist.«

Der König stand auf und stäubte sich mit der Hand die Knie ab.

»Sind wir in Palermo?« fragte er.

»Nein, noch nicht ganz, « antwortete Nelson, welchem diese Frage durch Emma Lyonna übermittelt ward; »da es aber möglich ist, daß mit Tagesanbruch der Wind nach Norden oder nach Süden umspringt, so können wir vielleicht den nächstfolgenden Abend dort sein. Wir sind blos auf Befehl der Königin von unserem Wege abgewichen.«

»Auf meine Bitte, wollen Sie sagen, Mylord,« bemerkte die Königin. »Jetzt können Sie jeden beliebigen Weg verfolgen. Ich habe keine Bitte mehr auszusprechen als zu Gott und für das Kind, welches todt auf meinen Knien liegt.«

»Dann,« sagte Nelson, »werde ich mir meine weiteren Instructionen von dem Könige erbitten.«

»Meine Instructionen,« sagte der König, »lauten, sobald Sie mir sagen, daß es für mich keine Gefahr mehr gibt, dahin, daß ich lieber nach Palermo will als sonst wohin. Aber,« fuhr er in Folge des immer noch andauernden Rollens des Schiffes taumelnd fort, »wie mir scheint, ist dieses verteufelte Schiff noch so ziemlich beweglich, und wenn auch wir geneigt sind, dem Sturme glückliche Reise zu wünschen, so scheint doch er seinerseits keine Lust zu haben, dasselbe zu uns zu sagen.«

»Wir sind auch in der That noch nicht ganz fertig mit ihm,« sagte Nelson. »Ich müßte mich indessen sehr irren, wenn seine größte Macht nicht nun erschöpft wäre.«

»Nun, wie lautet dann Ihre Meinung, Mylord?«

»Meine Meinung wäre, daß der König und die Königin wohlthun würden, wenn Sie sich die Ruhe, der Sie mir zu bedürfen scheinen, gönnten und sich in Bezug auf alles Weitere auf mich verließen.«

»Was sagen Sie dazu, meine Theure?« fragte der König.

»Ich,« entgegnete die Königin, »sage, daß Mylords Rathschläge immer gut zu befolgen sind, besonders wenn es sich um Dinge der Seefahrt handelt.«

»Sie hören, Mylord, was die Königin sagt,« bemerkte der König. »Handeln Sie nach Ihrem Gutdünken. Was Sie thun, wird wohlgethan sein.«

Nelson verneigte sich und da er unter seiner rauhen Außenseite ein stets religöses, zuweilen sogar poetisches Herz barg, so kniete er, ehe er das Zimmer verließ, vor der Leiche des kleinen Prinzen nieder.

»Schlaf‘ in Frieden, königliches Kind,« sagte er. »Du hat keine Rechenschaft vor Gott abzulegen, welcher in seiner geheimnißvollen Güte den Todesengel gesendet hat, um Dich schon an der Schwelle des Lebens zu erwarten. Möchten wir uns derselben Reinheit erfreuen, wenn wir unsererseits vor dem Throne des Ewigen erscheinen, um ihm für unsere Thaten Rede zu stehen. Amen.«

Dann erhob er sich, verneigte sich nochmals und entfernte sich.

Als er seinen Platz auf dem Commandoposten wieder einnahm, begann der Tag zu grauen, und der erschöpfte Sturm hauchte seine letzten Seufzer aus, furchtbare Seufzer, gleich denen des Titanen, welcher bei jeder Bewegung, die er in seinem Grabe macht, den Boden Siciliens erschüttert.

Jeder Andere als Nelson, welchem dieses Schauspiel weniger vertraut gewesen, würde durch die majestätische Größe desselben überrascht worden sein.

Unter dem Winde, welcher immer mehr nachließ, ragte gleich einem bläulichen Nebel die äußerste Kette der Apenninen empor. Links erstreckte sich die Unermeßlichkeit, das Schlachtfeld, wo der Wind und das Meer sich ein letztes Treffen lieferten. Rechts erkannte man unter einem ziemlich reinen Himmel die Küsten Siciliens, über welchen wie eine Laune der Schöpfung der Koloß Aetna emporragte, dessen Haupt sich in den Wolken verlor.

Rückwärts ließ man jene unter den Wogen bleichenden Felsen, die Trümmer erloschener oder zerbröckelter Vulkane, denen man nur durch ein Wunder entronnen. Unter dem Schiffe endlich zeigte das aufgewühlte Meer tiefe Thäler, in welche der »Vanguard« ächzend hinabfuhr und die sich über ihm schließen zu wollen schienen wie ein Grab.

 

Nelson warf einen Blick auf dieses glänzende Blatt der Natur, welches sich unter seinen Augen entrollte. Er hatte aber dieses Schauspiel zu oft gesehen, als daß es, wie prachtvoll es auch war, seine Aufmerksamkeit lange beschäftigen gekonnt hätte.

Er rief Henry.

»Was denken Sie jetzt von dem Wetter?« fragte er ihn.

Es war augenscheinlich, daß der geschickte Capitän, an welchen Nelson sich wendete, nicht erst diesen Augenblick abgewartet hatte, um sich eine Meinung in dieser Beziehung zu bilden. Da er jedoch sich nicht leichthin aussprechen wollte, so betrachtete er abermals die vier Himmelsgegenden mit forschendem Blick und versuchte durch die Dünste und Wolken hindurch die geheimnißvollen Tiefen des Raumes zu durchdringen.

»Mylord,« sagte er dann, »meine Meinung ist, daß wir mit dem Sturm fertig sind und daß in einer Stunde sein letzter Hauch erloschen sein wird. Dann aber glaube ich, daß ein Umspringen des Windes entweder nach Süden oder nach Norden erfolgen wird. In dem einen wie in dem anderen Falle werden wir damit sehr gut nach Palermo steuern können.«

»Ganz dasselbe habe ich zu den Majestäten gesagt und ihnen versprechen zu können geglaubt, daß sie nächsten Abend in dem Palast des Königs Roger schlafen werden.«

»Dann, sagte Henry, »handelt es sich um weiter nichts mehr, als Ihr Wort, Mylord, wahrzumachen und dies soll meine Sorge sein.«

»Sie sind eben so müde als ich, Henry,« entgegnete Nelson, »denn Sie haben ebensowenig geschlafen als ich.«

»Wohlan, in diesem Falle können wir, wenn Sie damit einverstanden sind, Mylord, uns in die Arbeit des Tages auffolgende Weise theilen: Sie ruhen jetzt fünf bis sechs Stunden, Mylord. Während dieser Zeit wird der Wind die ihm beliebige Evolution ausführen. Sie wissen, Mylord, wenn ich auf Backbord- und Steuerbordseite vor mir und hinter mir Wasser habe, so gerathe ich in nicht größere Verlegenheit als ein Anderer. Möge daher der Wind von Norden oder von Süden kommen, so werde ich die Richtung nach Palermo nehmen und wenn Sie aufwachen, Mylord, werden wir auf dem besten Wege dahin sein. Dann gebe ich Ihnen Ihr Commando wieder zurück, Mylord, welches Sie behalten werden, so lange es Ihnen Vergnügen macht.«

Nelson war im höchsten Grade erschöpft und hatte übrigens wie immer, obschon er von seiner Jugend an zur See gewesen, die Seekrankheit. Er gab deshalb Henry's Bitten nach, übertrug ihm das Commando des Schiffes und zog sich in seine Cajüte zurück, um einige Stunden Ruhe zu genießen.

Als er wieder auf der Campanje erschien, war es elf Uhr Morgens. Der Wind war nach Süden umgesprungen und wehte frisch. Der »Vanguard hatte das Cap Orlando umsegelt und legte acht Knoten in der Stunde zurück.

Nelson warf einen Blick auf das Schiff. Es bedurfte des erfahrenen Blickes eines Seemanns, um zu erkennen, daß ein Sturm gewesen war, und daß derselbe Spuren in dem Takelwerk des Schiffes zurückgelassen hatte.

Mit dankbarem Lächeln reichte Nelson dem Capitän Henry die Hand und schickte ihn fort, damit er seinerseits ausruhe.

In dem Augenblicke aber, wo Henry die Treppe der Campanje hinabstieg, rief Nelson ihn noch einmal zurück, um ihn zu fragen, was man mit der Leiche des kleinen Prinzen gemacht habe. Dieselbe war unter der Aufsicht Doctor Beatys und des Caplans Monsieur Scott in die Cajüte des Lieutenants Parkenson gebracht worden.

Der Admiral überzeugte sich, ob das Schiff gut orientiert sei, befahl dem Steuermann immer dieselbe Richtung einzuhalten, und ging dann in das Zwischendeck hinab.

Der königliche Knabe lag in der That auf dem Bett des jungen Lieutenants. Man hatte ein Tuch über ihn geworfen und der auf einem Stuhle sitzende Caplan las, ohne zu bedenken, daß er, ein Protestant, für einen Katholiken betete, das Gebet für die Todten.

Nelson kniete nieder, sprach ebenfalls ein leises Gebet, hob das Tuch, welches das Gesicht der kleinen Leiche bedeckte, empor und warf einen letzten Blick darauf.

Obschon der kleine Todte bereits in leichenhafter Erstarrung dalag, so hatte der Tod ihm doch die heitere Ruhe seiner Züge zurückgegeben, während die Schmerzen des Todeskampfes sie ihm für den Augenblick geraubt hatten. Sein langes blondes Haar, von derselben Farbe wie das seiner Mutter, fiel in Locken auf seine bleichen Wangen und den von blauen Adern marmorierten Hals herab.

Ein Hemd mit umgeschlagenem Spitzenkragen umrahmte seine Brust. Man hätte meinen sollen, er schliefe.

Nur ward dieser Schlaf, anstatt von seiner Mutter oder Emma, von einem Priester bewacht.

Nelson konnte, obschon er kein sonderlich weiches Herz besaß, nicht umhin zu bedenken, daß der kleine Prinz, welcher hier allein schlief, während ein protestantischer Priester für ihn betete, nur wenige Schritte entfernt, sein Vater, seine Mutter, vier Schwestern und einen Bruder hatte, von welchen allen auch nicht eins auf den Gedanken kam, der Leiche den frommen Besuch zu machen, den er ihr machte. Eine Thräne stieg ihm ins Auge und fiel auf die halb durch die prachtvolle Spitzenmanschette bedeckte Hand des kleinen Todten.

In diesem Augenblick fühlte er eine leichte Hand, welche sich sanft auf seine Schultern legte.

Er drehte sich um und streifte zwei duftige Lippen. Es war die Hand, es waren die Lippen Emma's.

In den Armen dieser und nicht in denen seiner Mutter war, wie man sich erinnert, der Knabe gestorben, und während seine Mutter schlief oder mit geschlossenen Augen über ihren Racheplänen brütete, war es abermals Emma, welche, da sie nicht wollte, daß die rohen Hände eines Matrosen diesen zarten Körper berührten, die fromme Pflicht der Bestattung zu erfüllen kam.

Nelson küßte ihr ehrerbietig die Hand. Selbst das glühendste Herz kann sich, wenn es nicht aller Poesie entkleidet ist, in Gegenwart des Todes einer heiligen Scheu nicht erwehren.

Als Nelson wieder auf die Campanje hinaufkam, fand er hier den König.

Noch erfüllt von dem erschütternden Anblick, dessen Erinnerung er mit hinweggenommen, war Nelson darauf gefaßt, ein Vaterherz trösten zu sollen. Er täuschte sich. Der König befand sich wieder wohl, der König hatte wieder Hunger, der König kam, um Nelson auf die Schüssel Maccaroni aufmerksam zu machen, ohne welche für ihn kein Diner möglich war.

Dann, weil man jetzt den ganzen lipariotischen Archipel vor Augen hatte, erkundigte er sich nach dem Namen einer jeden dieser Inseln, indem er mit dem Finger darauf zeigte und Nelson erzählte, er habe in seiner Jugend ein Regiment gehabt, welches aus lauter jungen Männern von diesen Inseln bestanden habe und welche er seine Liparioten genannt.

Hierauf folgte die Erzählung von einem Fest, welches er vor einigen Jahren den Officieren dieses Regiments gegeben, einem Fest, bei welchem er, Ferdinand, als Koch gekleidet, die Rolle des Gastwirths gespielt, während die Königin, im Costüme einer Bäuerin und von den schönsten Damen ihres Hofes umgeben, die der Gastwirthin ausgefüllt hatte.

An diesem Tage hatte Ferdinand selbst einen ungeheuren Kessel Maccaroni bereitet und niemals, wie er versicherte, so gute wieder gegessen.

Da er übrigens am Tage vorher eine Fische in dem Golf von Mergellina selbst gefangen und am zweitletzten Tage ein Rehe, seine Wildschweine, seine Hasen und seine Fasanen in dem Walde von Persano selbst erlegt, so hatte dieses Gastmahl in ihm unaussprechliche Erinnerungen zurückgelassen, welche sich durch einen tiefen Seufzer und die inbrünstigen Worte verriethen:

»Wenn ich nur in meinen sicilischen Wäldern eben so viel Wild finde, als ich dessen in meinen festländischen Forsten habe, oder vielmehr hatte.«

So verlangte dieser König, dem die Franzosen sein Königreich geraubt, dieser Vater, dem der Tod einen Sohn entrissen, zum Toast für dieses zweifache Unglück von Gott nur Eins, nämlich, daß ihm wenigstens noch wildreiche Wälder blieben!

Gegen zwei Uhr Nachmittags passierte man das Cap Cefalu.

Zwei Dinge beschäftigten Nelsons Gedanken und bewogen ihn, mit seinem Blick bald das Meer, bald die Küste zu befragen: Wo war Caracciolo und seine Fregatte? Wie sollte er es anfangen, mit dem Südwind in die Bai von Palermo einzulaufen?

Nelson, der fast sein ganzes Leben auf dem atlantischen Meer zugebracht, hatte nur geringe Kenntniß von den Gewässern, in welchen er sich jetzt befand und die er selten beschifft hatte.

Allerdings hatte er, wie wir gesehen, zwei sicilianische Matrosen an Bord. Wie aber konnte er, Nelson, der erste Seemann seiner Zeit, einen schlichten Matrosen zu Rathe ziehen, wenn es galt ein Kriegsschiff von zweiundsiebzig Kanonen in die Meerenge von Palermo hineinzusteuern?

Wenn man bei Tage anlangte, so konnte man einen Lootsen herbeisignalisieren und langte man in der Nacht an, so konnte man bis zum nächstfolgenden Morgen laviren.

Dann aber stand zu erwarten, daß der König in seiner Unkenntniß der Schwierigkeiten fragen würde:

»Hier ist ja Palermo! Warum laufen wir nicht in den Hafen ein?«

Nelson hätte dann antworten müssen:

»Weil ich das Fahrmesser des Hafens nicht genau genug kenne, um die Einfahrt auf eigene Faust unternehmen zu können.«

Niemals aber hätte Nelson sich dazu verstanden ein solches Geständniß zu thun.

Gab es übrigens wohl in diesem so schlecht organisierten Lande, wo das Leben des Menschen die wohlfeilte aller Waaren ist, auch überhaupt ein Lootsenbureau?

Dies mußte man übrigens bald erfahren, denn man begann schon den Berg Pellegrino zu erspähen, welcher sich westlich von Palermo erhebt und hinstreckt, und gegen fünf Uhr Abends, das heißt mit dem Sinken des Tages, konnte man in Sicht der Hauptstadt Siciliens sein.

Gegen zwei Uhr war der König wieder in die große Cajüte hinabgestiegen, und da man seine Maccaroni genau nach seinen Instructionen bereitet, so hatte er ganz vortrefflich gespeist.

Die Königin war, Unwohlsein vorschützend, auf ihrem Bett liegen geblieben, die jungen Prinzessinnen und der Prinz Leopold dagegen hatten sich mit ihrem Vater zu Tische gesetzt.

Gegen halb vier Uhr, in dem Augenblick, wo man im Begriff stand, das Cap zu passieren, begab sich der König, gefolgt von Jupiter, welcher die Ueberfahrt ziemlich gut ertragen, und dem jungen Prinzen Leopold, wieder zu Nelson auf die Campanje.

Der Admiral war unruhig, denn er befragte das Meer mit seinem Blick vergebens. Nirgends gewahrte man die »Minerva«.

Es wäre ein großer Triumph für Nelson gewesen, wenn er eher angelangt wäre als der neapolitanische Admiral. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber war dieser vor Nelson eingetroffen.

Gegen vier Uhr passierte man das Cap. Der Wind wehte stark aus Südsüdost. Man konnte nicht anders in den Hafen gelangen, als wenn man lavierte; dabei aber lief man große Gefahr, auf einer Untiefe sitzen zu bleiben oder auf eine Klippe zu stoßen.

Sobald der Hafen daher in Sicht war, gab Nelson Signale, daß man ihm einen Lootsen senden möge.

Mit Hilfe eines vortrefflichen Fernrohres konnte Nelson alle auf der Rhede liegenden Schiffe unterscheiden und ohne Mühe vor allen andern die »Minerva«, welche gleich einem Soldaten mit geschultertem Gewehr ihren Commandanten erwartete, und sich mit völlig unversehrtem Takelwerk auf ihren Ankern schaukelte.

Aergerlich biß Nelson sich auf die Lippen. Was er gefürchtet, war geschehen.

Es dauerte nicht lange, so brach die Nacht ein. Nelson verdoppelte seine Signale und ließ endlich, ungeduldig darüber, daß er kein Boot kommen sah, einen Kanonenschuß abfeuern, nachdem er vorher die Vorsicht gebraucht, der Königin melden zu lassen, daß dieser Kanonenschuß den Zweck habe, einen Lootsen herbeizurufen.

Die Dunkelheit war schon so dicht, daß der Hintergrund den Blicken entschwand und man nur noch die zahlreichen Lichter Palermos sah, welche so zu sagen die Finsterniß durchlöcherten.

Nelson wollte eben Befehl zum Abfeuern eines zweiten Kanonenschusses geben, als Henry, welcher das Meer mit einem vortrefflichen Nachtglas durchforschte, meldete, daß ein Boot auf den »Vanguard« zugerudert komme.

Nelson nahm das Glas aus Henrys Händen und sah wirklich eine mit einem dreieckigen Segel versehene Barke herankommen, die mit vier Matrosen bemannt war, und von einem Manne befehligt ward, welcher den groben Regenmantel der sicilianischen Seeleute trug.

»Barke, ahoi!« rief der wachthabende Matrose auf dem »Vanguard«, »was wollt Ihr?«

»Lootse!«, antwortete einfach der Mann in dem Regenmantel.

»Werft diesem Manne ein Tau zu und zieht seine Barke an das Schiff,« sagte Nelson.

Das Schiff lag so, daß es der Barke die Backbordseite zukehrte. Die Barke zog ihr Segel ein. Die vier Matrosen griffen zu den Rudern und die Barke näherte sich dem »Vanguard«.

 

Man warf dem Looten ein Tau zu. Er ergriff es und kletterte, als geübter Seemann die Vorsprünge und Simse benutzend, zu einer der Stückpforten in die obere Batterie hinein.

Es dauerte nicht lange, so erschien er auf dem Verdeck. Er lenkte seine Schritte gerade auf den Commandoposten zu, wo Nelson, der Capitän Henry, der König und und der Kronprinz seiner harrten.

»Ihr habt lange auf Euch warten lassen,« sagte Henry auf italienisch zu ihm.

»Ich habe mich gleich nach dem ersten Kanonenschuß aufgemacht, Capitän,« antwortete der Lootse.

»Hattet Ihr denn die Signale nicht gesehen?«

Der Lootse gab keine Antwort.

»Wohlan,« sagte Nelson, »verlieren wir keine Zeit. Fragen Sie ihn auf italienisch, Henry, ob er den Hafen genau kennt und dafür steht, das Schiff ohne Unfall bis auf seinen Ankerplatz zu führen.«

»Ich spreche Ihre Sprache, Mylord,« antwortete der Lootse in vortrefflichem Englisch. »Ich kenne den Hafen ganz genau und stehe für Alles.«

»Nun, dann ist's gut,« sagte Nelson. »Uebernehmt somit das Commando, nur vergeßt dabei nicht, daß Ihr ein Schiff commandiert, welches eure Souveräne an Bord führt.«

»Ich weiß, daß ich diese Ehre habe, Mylord.«

Dann und ohne sich des Sprachrohrs zu bedienen, welches Henry ihm darbot, commandierte er mit lauter, von einem Ende des Schiffes bis zum andern hallender Stimme das Manöver in so gutem Englisch und in so echt technischen Ausdrücken, als ob er in der Marine des Königs Georg gedient hätte.

Gleich einem Roß, welches einen geschickten Reiter auf dem Rücken fühlt und einsieht, daß jeder Widerstand gegen den Willen desselben vergeblich sein würde, neigte sich der »Vanguard« unter dem Commando des Lootsen und gehorchte nicht blos ohne Widerstreben, sondern auch, so zu sagen, mit einem gewissen Grad von Eifer, welcher von dem König nicht unbemerkt blieb.

Ferdinand näherte sich dem Looten, von welchem Nelson und Henry, von einem und demselben Gefühl des Nationalstolzes bewogen, sich entfernt hatten.

»Mein Freund,« fragte ihn der König, »glaubst Du, daß ich heute Abend ans Land gehen kann?«

»Ich wüßte nicht, was Euer Majestät daran hindern sollte. Ehe noch eine Stunde um ist, gehen wir vor Anker.«

»Welches ist das beste Hotel in Palermo?«

»Der König wird doch nicht in einem Hotel absteigen, so lange der Palast des Königs Roger vorhanden ist?«

»Dort aber erwartet mich Niemand. Ich werde dort nichts zu essen finden, und die Castellane, welche meine Ankunft nicht ahnen, haben wahrscheinlich Alles, selbst meine Betten, gestohlen.«

»Euer Majestät werden im Gegentheil dort Alles in bester Ordnung finden. Der Admiral Caracciolo, welcher heute Morgen acht Uhr in Palermo anlangte, hat für Alles gesorgt.«

»Woher weißt Du das?«

»Ich bin der Lootse des Admirals und kann Euer Majestät versichern, daß er, nachdem er um acht Uhr vor Anker gegangen, sich um neun Uhr bereits im Palast befand.«

»Dann hätte ich für weiter nichts zu sorgen als für einen Wagen.«

»Da der Admiral vorausgesehen, daß Euer Majestät im Laufe des Abends anlangen würden, so stehen schon seit fünf Uhr drei Carossen am Hafendame in Bereitschaft.«

»In der That,« sagte der König, »der Admiral Caracciolo ist ein kostbarer Mann, und wenn ich jemals eine Reise zu Lande mache, so werde ich ihn zu meinem Reisemarschall nehmen.«

»Dies wäre eine große Ehre für ihn, Sire; weniger um des Postens an und für sich, als vielmehr um des Vertrauens willen, welches ihm dadurch zu erkennen gegeben würde.«

»Hat sein Schiff während des Sturmes bedeutende Beschädigungen erlitten?«

»Nein, gar keine.«

»In der That,« sagte der König sich hinter dem Ohr kratzend, »ich hätte besser gethan, wenn ich das ihm gegebene Wort gehalten hätte.«

Der Lootse stutzte.

»Was gibt’s?« frug der König.

»Nichts, Sire, ich denke blos, der Admiral würde sich sehr glücklich fühlen, wenn er die Worte, die ich soeben gehört, selbst aus Euer Majestät Munde vernähme.«

»Ah, ich kann es mir nicht verhehlen,« sagte der König und fuhr dann, sich zu Nelson wendend, fort: »Wissen Sie, Mylord, daß der Admiral schon heute Morgen acht Uhr, ohne die mindeste Beschädigung an seinem Schiffe erlitten zu haben, hier vor Anker gegangen ist? Er muß ein Zauberer sein, da ja der »Vanguard«, obschon von Ihnen, das heißt von dem ersten Seemann der Welt, commandiert, seine Stengen, sein großes Focksegel und sein – wie heißt es gleich? – sein Bugsprietsegel verloren hat.«

»Soll ich Mylord übersetzen, was Eure Majestät soeben gesagt hat?« frug Henry.

»Warum nicht?«, entgegnete der König.

»Buchstäblich?«

»Ja wohl buchstäblich, wenn es Ihnen Vergnügen macht.«

Henry übersetzte dem Admiral die von dem König gesprochenen Worte.

»Sire,« antwortete Nelson kaltblütig, »es stand Euer Majestät frei, zwischen den »Vanguard« und der »Minerva« zu wählen. Sie haben den »Vanguard« gewählt, und Alles, was Holz, Eisen und Leinwand vereint leisten kann, das hat der »Vanguard« geleistet.«

»Gleichviel,« sagte der König, dem es Vergnügen machte, sich an Nelson für den Druck zu rächen, welchen England durch den Admiral auf ihn ausübte und der seine verbrannte Flotte noch nicht vergessen konnte; »wenn ich mit der »Minerva« gesegelt wäre, so wäre ich schon heute Morgen in Palermo angelangt und hätte einen guten Tag auf dem Lande verlebt. Indessen es schadet weiter nichts. Ich bin Ihnen deswegen nicht weniger dankbar, Mylord. Sie haben gethan, was in Ihren Kräften stand.«

Dann setzte er mit seiner erheuchelten Gutmüthigkeit hinzu: »Wer thut, was er kann, thut, was er soll.«

Nelson biß sich auf die Lippen, stampfte mit dem Fuße, ließ den Capitän Henry auf dem Deck und kehrte in seine Cajüte zurück.

In diesem Augenblicke rief der Lootse:

»Jeder auf seinen Posten zum Ankerwerfen!«

Das Ankerwerfen ist ebenso wie das Ankerlichten einer der feierlichen Augenblicke eines großen Kriegsschiffes.

Sobald als daher der Befehl, daß Jeder sich zum Ankerwerfen auf seinen Posten begeben solle, ertheilt war, herrschte an Bord das tiefste Schweigen.

Dieses selbst von den Passagieren beobachtete Schweigen hat etwas Magisches. Achthundert Menschen stehen aufmerksam und stumm da und harren eines Wortes.

Der manövrierende Officier wiederholte mit dem Sprachrohr in der Hand den Befehl und der Hochbootsmann übersetzte denselben in die Töne seiner Signalpfeife.

Sofort begannen die im Takelwerk stehenden Matrosen gemeinschaftlich die Segel zu reffen. Die Raaen drehten sich wie auf einen Zauberschlag, und der »Vanguard« bewegte sich zwischen den schon vor Anker liegenden Schiffen hindurch, ohne an eines derselben anzustoßen, so daß er trotz des geringen Raumes, der ihm zu seinen Evolutionen vergönnt war, stolz und wohlbehalten die für ihn zum Ankerplatz bestimmte Stelle erreichte.

Während dieses Manövers waren die meisten der Segel gerefft worden und hingen jetzt drapiert unter den Raaen. Die, welche noch offen waren, dienten blos dazu, die allzugroße Schnelligkeit des Schiffes zu mäßigen.

Der Lootse hatte den sicilianischen Matrosen, welcher dem Admiral Nelson bereits über die Strömungen und Gegenströme der Meerenge Auskunft gegeben, an das Steuerruder gestellt.

»Anker geworfen!« rief der Lootse.

Das Sprachrohr des diensthabenden Officiers und die Pfeife des Hochbootmannes wiederholten das Commando.

Sofort löste der Anker sich von der Flanke des Schiffes und stürzte mit Getöse in das Meer. Die massive Kette folgte ihm in Schlangenwindungen und ließ Funken aus der Klüse hervorsprühen. Das Schiff knurrte und knarrte, bis in das Tiefste seines Innern erbebend. Alle Balken und Planken knackten, und mitten in den einen Bug umspülenden Wogen machte sich ein letzter Stoß bemerkbar. Der Anker saß.

Nun war die Aufgabe des Lootsen gelöst und er hatte nichts weiter zu thun. Er näherte sich ehrerbietig dem Capitän Henry und verneigte sich vor diesem.

Henry bot ihm die zwanzig Guineen, welche er von Lord Nelson beauftragt war ihm zuzustellen.

Der Lootse schüttelte jedoch lächelnd den Kopf, drängte Henrys Hand zurück und sagte:

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