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La San Felice Band 4

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La San Felice Band 4
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Vierter Theil

Erstes Capitel.
Giovannina

Unsere Leser werden bemerken, mit welcher Sorgfalt wir sie durch unbekannte Gegenden und Persönlichkeiten hindurchführen, um unseren Erzählungen gleichzeitig die Festigkeit des Ganzen und die bunte Abwechslung der Einzelheiten zu bewahren.

Wir sind dadurch ganz natürlich zu einigen Weitschweifigkeiten verleitet worden, welche nun nicht mehr vorkommen werden, denn bis auf nur wenige Individualitäten, denen wir noch begegnen werden, stehen unsere sämtlichen Personen nun auf der Bühne und haben, so viel als es in unserer Macht gestanden, ihren Charakter durch ihr eigenes Handeln entwickelt.

Uebrigens sind nach unserer Meinung Länge oder Kürze einer Sache nicht einem materiellen Maß unterworfen. Ist ein Werk interessant, so wird es, selbst wenn es zwanzig Bände hätte, dem Publikum kurz erscheinen. Ist es dagegen langweilig, so wird der Leser, und wenn es blos zehn Seiten zählte, es fortwerfen, noch ehe er damit zu Ende gekommen ist.

Was uns betrifft, so haben in der Regel unsere längsten Bücher, das heißt die, in welchen es uns gestattet gewesen, die Charaktere genau zu entwickeln, und eine längere Reihe von Ereignissen vorzuführen, das meiste Glück gemacht und sind am begierigsten gelesen worden.

Unter den dem Leser schon bekannten Personen, oder solchen, denen wir nur noch einige Pinselstriche zu geben brauchen, knüpfen wir daher jetzt unsere Erzählung wieder an, welche für den ersten Blick von ihrem Wege abgewichen ist, um unserem Gesandten und dem Grafen Ruvo nach Rom zu folgen, eine, wie man später sehen wird, ganz nothwendige Abweichung —um acht Tage später, nach der Abreise Hektors Caraffa nach Mailand und des Bürgers Garat nach Frankreich, wieder nach Neapel zurückzukehren.

Wir befinden uns daher gegen zehn Uhr Morgens auf dem Kai Margellina. Wir sehen auf demselben ein buntes Gewimmel von Fischern und Lazzaroni, so wie von allerhand Leuten aus dem Volke, welche, mit Köchen aus vornehmen Häusern untermischt, nach dem Markte eilen, welchen seinem Casino gegenüber der König Ferdinand eröffnet hat, der, als Fischer gekleidet, hinter dem mit Fischen bedeckten Tische stehend, das Ergebniß seines Fischfangs selbst verkauft.

Trotz der Aufregung, in welche ihn die politischen Angelegenheiten versetzt, trotzdem, daß er jeden Augenblick die Antwort seines Neffen, des Kaisers, erwartet, trotz der Schwierigkeit, die es ihm macht, die von Sir William Hamilton unterschriebene und von Nelson im Namen Pitt’s endossirte Tratte schnell in klingende Münze zu verwandeln, hat er doch nicht seinen beiden Lieblingsvergnügungem dem Fischfang und der Jagd, entsagen können.

Gestern hat er in Persano gejagt, heute Morgen hat er in Pausilippo gefischt.

Unter der Menge, welche durch dieses häufige, für das Volk von Neapel aber stets neue Schauspiel herbeigelockt wird, würden wir uns versucht fühlen, unsern alten Freund Michele, den Narren, zu suchen, welcher, wie wir uns zu sagen beeilen, mit dem Michele, welchen wir nach Peppinas Ermordung in das Gebirg entfliehen gesehen, nichts gemein hat, sondern unsern Michele, welcher, anstatt wie die Andern den Kai weiter hinaufzugehen, an der kleinen Thür jenes unsern Lesern schon bekannten Gartens stehen bleibt.

Allerdings steht an der Thür dieses Gartens an die Mauer gelehnt und mit den Augen in dem Azur des Himmels, oder vielmehr in den Regionen ihrer Gedanken umherschweifend, ein junges Mädchen, welcher wir in Folge ihrer untergeordneten Stellung bis jetzt nur eine Aufmerksamkeit zu widmen vermocht, welche eben so untergeordnet gewesen ist, wie die Stelle dieser Person selbst.

Es ist dies Giovanna oder Giovannina, die Zofe Luisa’s San Felice, gewöhnlich kurzweg Nina genannt.

Sie repräsentiert einen bei den Landleuten in der Umgegend von Neapel eigenthümlichen Typus, eine Art Ausnahmswesen, welches man ganz erstaunt ist unter der brennenden Sonne des Südens zu finden.

Sie ist ein junges Mädchen von neunzehn bis zwanzig Jahren, von mittlerem Wuchs und dennoch mehr groß als klein. Dabei ist ihre Gestalt vollkommen geformt und ihr Verweilen in der Nähe einer vornehmen Dame hat ihr einen Geschmack an Sauberkeit beigebracht, welche unter der Volksklasse, der sie angehört, nur selten anzutreffen ist.

Ihr volles, wohlgepflegtes, durch ein himmelblaues Band zusammengehaltenes Haar ist von jenem brennenden Blond, welches die auf der Stirn der bösen Engel umherhüpfende Flamme zu sein scheint.

Ihr milchweißes Gesicht ist mit Sommerflecken bedeckt, welche sie durch die der Toilette ihrer Herrin entlehnten Schönheitsmittel und Essenzen zu entfernen sucht.

Ihre Augen sind grün und irisiren wie die der Katzen, deren sich bald öffnende, bald schließende Pupille sie ebenfalls besitzt.

Ihre Lippen sind dünn und bleich, werden aber bei der geringsten Gemüthsbewegung blutroth.

Ihre Zähne sind untadelhaft und sie pflegt dieselben eben so sorgfältig und scheint eben so stolz daraus zu sein, als ob sie eine Marquise wäre.

Ihre Hände, aus denen keine Spur von einer Ader zu sehen, sind weiß und kalt wie Marmor.

Bis zu der Zeit, wo wir sie unsern Lesern kennen gelehrt, hat sie ihrer Herrin sehr zugethan zu sein geschienen und ihr nur jene Veranlassungen zur Unzufriedenheit gegeben, welche in dem Leichtsinn der Jugend und in den Wunderlichkeiten eines erst in der Ausbildung begriffenen Charakters ihren Entstehungsgrund haben.

Wenn die Wahrsagerin Nanno da wäre und ihre Hand geprüft hätte, wie sie die ihrer Herrin geprüft hat, so würde sie sagen, daß ganz im Gegensatz zu Luisa, welche unter dem glücklichen Einfluß der Venus und des Mondes geboren, Giovannina unter der schlimmen Vereinigung des Mondes und des Merkur geboren ist, und daß sie dieser verderblichen Zusammenstellung jene neidischen Regungen, welche ihr zuweilen das Herz zusammenschnüren, und jene ehrgeizigen Wallungen verdankt, welche ihr Gemüth bewegen.

Giovannina ist demnach, mit kurzen Worten gesagt, weder schön nach auch nur hübsch, dennoch aber ist sie ein seltsames Wesen, welches den Blick vieler jungen Männer auf sich zieht.

Viele, die unter ihr oder ihr gleich stehen, haben ihr Aufmerksamkeiten erwiesen, aber sie hat dieselben stets unbeachtet gelassen. Ihr Ehrgeiz trachtet höher hinaus und wohl zwanzigmal hat sie gesagt, daß sie lieber ihr ganzes Leben lang Mädchen bleiben, als einen Mann heiraten will, welcher einem niedrigeren Stande oder auch einem dem ihrigen gleichen angehört.

Michele und Giovannina sind alte Bekannte.

Seit den sechs Jahren, wo Giovannian bei Luisa San Felice ist, haben sie Gelegenheit gehabt, einander oft zu sehen. Michele hat sogar, wie die andern jungen Leute, durch die physische und moralische Seltsamkeit des Mädchens verlockt, ihr den Hof zu machen versucht.

Sie hat aber dem jungen Lazzarone ohne Umschweife erklärt, daß sie nur einen Signore lieben würde, selbst auf die Gefahr hin, daß der Signore, den sie liebte, ihre Liebe nicht erwiederte.

Michele, der nichts weniger als Platoniker ist, hat ihr sofort alles mögliche Glück gewünscht und sich Assunta zugewendet, welche da sie nicht dieselben aristokratischen Ansprüche machte wie Nina, sich vollkommen mit Michele begnügt hat.

Da übrigens Luisas Milchbruder, abgesehen von seinen ein wenig exaltierten politischen Ansichten, ein ganz vortrefflicher, guter Junge ist, so hat er, anstatt Giovannina ihre Weigerung übel zu nehmen, sie um ihre Freundschaft ersucht und ihr die seinige angeboten. In der Freundschaft weniger wählerisch als in der Liebe, hat Giovannina ihm die Hand gereicht und mit ihm das Gelübde einer guten und aufrichtigen Freundschaft ausgetauscht.

Anstatt daher seinen Weg bis auf den königlichen Markt fortzusetzen blieb Michele, der ohnehin wahrscheinlich seiner Milchschwester einen Besuch machen wollte, als er Giovannina gedankenvoll an der Gartenthür stehen sah, ebenfalls stehen.

»Was machst Du da, und siehst den Himmel an?« fragte er sie.

Nina zuckte die Achseln.

»Du siehst es ja,« sagte sie, »ich träume.«

»Ich glaubte bis jetzt, nur die vornehmen Damen träumten und wir armen Leute begnügten uns mit dem Nachdenken. Ich vergaß aber, daß, wenn Du auch noch keine vornehme Dame bist, Du doch eine zu werden gedenkst. Welch ein Unglück, daß Nanno deine Hand nicht gesehen! Wahrscheinlich hätte sie Dir prophezeit, daß Du Herzogin werden würdest, ebenso wie sie mir prophezeit hat, daß ich einmal Oberst werde.«

»Ich bin keine vornehme Dante und kann nicht verlangen, daß Nanno ihre Zeit dazu anwende, mir wahrzusagen.«

»Nun, bin ich vielleicht ein vornehmer Herr? Dennoch hat sie mir wahrgesagt. Freilich that sie es wahrscheinlich blos, um mich zum Besten zu haben.«

Nina schüttelte verneinend den Kopf.

»Nanno lügt nicht,« sagte sie.

»Dann werde ich also wirklich gehängt werden?«

»Das ist allerdings sehr wahrscheinlich.«

»Sehr verbunden! Und warum glaubst Du, daß Nanno nicht lüge?«

»Weil sie meiner Herrin die Wahrheit gesagt hat.«

»Wieso die Wahrheit?«

»Hat sie ihr nicht den jungen Mann, welcher vom Pausilippo herabkam, ganz genau geschildert? Groß, schön jung, fünfundzwanzig Jahre. Hat sie ihr nicht gesagt, daß er von vier, dann von sechs Männern belauert werde? Hat sie ihr nicht gesagt, daß dieser Unbekannte, dessen Bekanntschaft wir seitdem gemacht, in großer Gefahr schwebe? Hat sie ihr endlich nicht gesagt, daß es ein Glück für sie wäre, wenn dieser junge Mann getödtet würde, weil, wenn dies nicht der Fall wäre, sie ihn lieben und diese Liebe einen verderblichen Einfluß aus ihr Schicksal ausüben würde?«

»Nun, und?«

»Nun, Alles dies ist eingetroffen. Der Unbekannte kam vom Pausilippo. Er war jung und schön. Er zählte fünfundzwanzig Jahre. Er ward von sechs Männern verfolgt. Er schwebte in großer Gefahr, denn er ward an dieser Thür beinahe tödtlich verwundet. Hierzu,« fuhr Giovannina mit einer fast unbemerkbaren Aenderung in ihrem Tone fort, »hierzu kommt, daß, als ob die Prophezeiung in jeder Beziehung in Erfüllung gehen sollte, Signora ihn liebt.«

 

»Was sagst Du da?« rief Michele. »So schweig doch!«

Giovannina schaute sich um.

»Hört uns vielleicht Jemandt?« fragte sie. »Nein. Nun gut,« fuhr sie dann fort. »was kommt dann weiter darauf an? Bist Du deiner Milchschwester nicht eben so ergeben, wie ich meiner Herrin?«

»Allerdings! Auf Leben und Tod! Dessen kann sie sich rühmen.«

»In diesem Falle wird sie wahrscheinlich eines Tages deiner ebenso bedürfen, wie sie meiner bedürfen wird. Was glaubst Du wohl, was ich an dieser Thür machese?«

»Du hast es mir schon gesagt. Du schaust in’s Weite.»

»Bist Du auf dem Wege nicht dem Chevalier San Felice begegnet?»

»Auf der Höhe von Pie di Gratia? Ja.«

»Ich stand hier, um zu sehen, ob er nicht vielleicht wieder umkehrte, wie er gestern gethan.«

»Was? Er kehrte um? Argwohnte er etwas?«

»Er etwas argwohnen? Ach der arme gute Herr! Lieber würde er glauben, was er neulich nicht glauben wollte, nämlich, daß die Erde ein durch einen Kometen von der Sonne abgesprengtes Bruchstück sei, als daß seine Frau ihn hintergeht. Uebrigens hintergeht sie ihn auch nicht, oder hat es wenigstens bis jetzt noch nicht gethan. Sie liebt den Signor Salvato, das ist Alles. Dennoch aber ist es nicht weniger wahr, daß ich, wenn der Chevalier mich gefragt hätte, in große Verlegenheit gekommen wäre, denn sie ist jetzt schon bei ihrem theuren Verwundeten, den sie weder Tag noch Nacht verläßt.«

»Dann hat sie Dich wohl beauftragt, Dich zu überzeugen, daß der Chevalier heute seinen Weg nach dem königlichen Palast ununterbrochen fortsetze?«

»O nein! Gott sei Dank, so weit ist sie bis jetzt noch nicht, aber sei unbesorgt, es wird nach so weit kommen. Nein, ich sah blos, daß sie unruhig war, fortwährend hin und her ging, einmal nach dem Corridor, das andere Mal nach dem Garten hinausschaute und sich gern ans Fenster gestellt hätte, was sie aber nicht wagte. Ich sagte zu ihr: »Wollen Sie nicht sehen, Signora, ob Signor Salvato Ihrer bedarf? Sie sind ja seit zwei Uhr Morgens nicht mehr bei ihm gewesen. – »Ich wage es nicht, liebe Nina,« antwortete sie. »Ich fürchte, daß mein Gemahl wie gestern etwas vergessen habe und Du weißt, daß der Doctor Cirillo gesagt hat, es sei von der größten Wichtigkeit, daß mein Gemahl von der Anwesenheit dieses jungen Mannes in dem Hause der Herzogin Fusco nichts erfahre.« – »O, deswegen machen Sie sich keine Sorge, Signora,« antwortete ich ihr. »Ich kann ja die Straße überwachen, und wenn der Chevalier zufällig wie gestern wieder kommen sollte, so werde ich es, sobald ich ihn von Weitem kommen sehe, Ihnen sofort melden.« – »Ach meine gute kleine Nina,« entgegnete sie, »willst Du wirklich so freundlich sein?«– — »Ja wohl, Signora,« antwortete ich, »es wird mir dies sogar selbst wohlthätig sein, denn ich bedarf der frischen Luft.« – Und somit habe ich mich als Schildwache hierhergestellt und genieße das Vergnügen, mit Dir zu plaudern, während Signora mit ihrem Verwundeten plaudert.«

Michele betrachtete Giovannina mit einem gewissen Erstaunen. Es lag in den Worten und in dem Tone des jungen Mädchens etwas Bitteres und Schroffes.

»Und der junge Mann, der Verwundete?« fragte Michele.

»Ich höre.«

»Liebt er Signora wieder?«

»Ob er sie wieder liebt? Das wollte ich meinen. Er betrachtet sie mit verzehrenden Blicken. Sobald sie das Zimmer verläßt, schließen sich seine Augenlider, als oh er nichts mehr zu sehen brauchte, nicht einmal das Tageslicht. Cirillo, der Arzt, derselbe, welcher verbietet, daß die Männer es erfahren, « wenn ihre Frauen schöne verwundete junge Männer pflegen, hat ihm allerdings das Sprechen untersagt, weil er sich leicht ein Lungengefäß sprengten könne, aber der junge Herr gehorcht ihm in diesem Punkte eben so wenig als in einem andern. Kaum sind sie allein, so fangen sie an zu sprechen, ohne auch nur eine Minute zu schweigen.«

»Und wovon sprechen sie?«

»Das weiß ich nicht.«

»Dann halten sie Dich also entfernt?«

»O nein, im Gegentheile, Signora gibt mir fast allemal durch eine Geberde zu verstehen, daß ich bleiben soll.«

»Dann sprechen sie wohl leise?«

»Nein, sie sprechen laut, aber englisch oder französisch. Der Chevalier ist ein vorsichtiger Mann,« setzte Nina mit seltsamem Lächeln hinzu; »er hat seiner Frau zwei fremde Sprachen gelernt, damit sie mit den Fremden ungehindert von ihren Angelegenheiten sprechen könne, ohne daß die Leute im Hause etwas davon verstehen.«

»Ich kam, um Luisa zu sprechen,« sagte Michele, »aber nach dem, was Du mir da sagst, würde ich sie wahrscheinlich stören. Ich werde mich daher begnügen, zu wünschen, daß Alles für sie und für mich einen bessern Ausgang nehme, als Nanno prophezeit hat.«

»Nein, Du wirst bleiben, Michele. Das letzte Mal, als Du hier warst, schalt sie mich aus, daß ich Dich hatte gehen lassen, ohne sie gesprochen zu haben. Wie es scheint, will der Verwundete sich auch bei Dir bedanken.«

»Meiner Treu, ich hätte ebenfalls große Lust, ihm meinerseits einige Schmeicheleien zu sagen. Er ist ein famoser Schläger und der Beccajo hat die Wucht seines Armes kennen gelernt.«

»Nun, dann wollen wir eintreten, und da jetzt nicht mehr zu befürchten steht, daß der Chevalier wieder komme, so will ich Signora melden, daß Du da bist.«

»Du weißt also gewiß, daß mein Besuch ihr nicht unangenehm sein wird?«

»Ich sage Dir, sie wird sich darüber freuen.«

»Nun, dann wollen wir hineingehen.«

Und die Beiden verschwanden in dem Garten, um bald darauf wieder auf der Höhe der Terrasse zum Vorschein zu kommen und dann abermals in dem Hause zu verschwinden.

Ganz wie Nina gesagt, befand sich ihre Herrin seit schon beinahe einer halben Stunde in dem Zimmer des Verwundeten.

Von sieben Uhr Morgens an, zu welcher Stunde sie aufstand, bis um zehn Uhr, wo ihr Gemahl das Haus verließ, wagte Luisa, obschon sie keinen Augenblick aufhörte an den Verwundeten zu denken, nicht, ihm einen Besuch abzustatten.

Diese Zeit war vollständig den Sorgen und Verrichtungen des Hauswesens gewidmet, welches wir sie am Tage von Cirillas Besuch vernachlässigen sahen, was sie aber seitdem sorgfältig vermieden.

Dafür wich sie von zehn Uhr Morgens bis zwei Uhr Nachmittags, wo, wie man sich erinnern wird, ihr Gemahl gewöhnlich wieder nach Hause kam, von Salvato keinen Augenblick.

Nach Tische gegen vier Uhr begab sich der Chevalier San Felice in sein Cabinet und blieb eine oder zwei Stunden darin.

Eine Stunde wenigstens weilte Luisa, wie man glaubte, ruhig und unter dem Vorwande, etwas an ihrer Toilette abzuändern, ebenfalls in ihrem Zimmer. Leicht wie ein Vogel war sie aber fortwährend in dem Corridor und machte es möglich, dem Verwundeten drei oder vier Besuche abzustatten, indem sie ihm bei jedem dieser Besuche Ruhe und Schweigen empfahl.

Später, von sieben bis zehn Uhr, welche Zeit dem Empfange von Besuchen oder einem Spaziergange gewidmet war, verließ sie Salvato abermals, der nun unter Ninas Obhut blieb und bei dem sie sich gegen elf Uhr wieder einfand, das heißt, sobald als ihr Gemahl sich in sein Zimmer begeben hatte.

Hier blieb sie bis zwei Uhr Morgens an seinem Bette sitzen.

Um zwei Uhr begab sie sich in ihr Zimmer, welches sie nun, wie wir schon bemerkt, nicht eher wieder verließ, als bis um sieben Uhr.

So war es ohne die geringste Abänderung seit dem Tage von Cirillas erstem Besuche, das heißt seit neun Tagen, gegangen.

Obschon Salvato den Augenblick, wo Luisa zu erscheinen pflegte, mit immer neuer Ungeduld erwartete, so schien er doch an diesem Tage, die Augen auf die Wanduhr heftend, dem Erscheinen seiner Freundin mit größerer Ungeduld als gewöhnlich entgegen zu sehen.

Wie leicht auch ihr Tritt war, so war doch das Ohr des Verwundete so daran gewöhnt, diesen Tritt und ganz besonders die Art und Weise, auf welche Luisa die Verbindungsthür öffnete, zu erkennen, daß beim ersten Knarren dieser Thür und beim ersten Knistern eines Atlaspantoffels auf dem Fußboden das Lächeln, welches seit dem Weggange Luisa’s seine Lippen geflohen, wieder dieselben theilte und seine Augen sich auf diese Thür hefteten, auf welcher sie mit derselben Unbeweglichkeit weilten, wie die Magnetnadel auf den Polarstern zeigt.

Endlich erschien Luisa.

»Ah,« sagte er, »da sind Sie. Ich zitterte schon, daß Sie, eine unerwartete Rückkehr wie gestern fürchtend, erst später kämen. Gott sei aber Dank, Sie kommen heute wie immer und zwar zu derselben Stunde wie gewöhnlich.«

»Ja, ich komme, Dank unserer guten Nina, welche sich freiwillig erbot, hinunterzugehen und an der Gartenthür Wache zu halten. Wie haben Sie die Nacht zugebracht?«

»Sehr gut, aber sagen Sie mir – Salvato faßte die beiden Hände der an seinem Bette stehenden jungen Frau, richtete sich auf, um ihr näher zu sein, und betrachtete sie mit unverwandtem Blicke.

Luisa, welche nicht wußte, was er sie fragen walle, betrachtete ihn verwundert ebenfalls Es lag in dem Blick des jungen Mannes nichts, was sie hätte bewegen müssen, die Augen niederzuschlagen. Der Blick war allerdings zärtlich, aber mehr fragend als leidenschaftlich.

»Was wollen Sie wissen?,« fragte sie.

»Sie haben heute früh um zwei Uhr mein Zimmer verlassen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Sind Sie dann nochmals hereingekommen?«

»Nein.«

»Nein? Sie sagen nein?«

»Ja wohl, ich sage nein.«

»Dann,« sagte der junge Mann, mit sich selbst sprechend, »dann ist sie es gewesen.«

»Wer denn?e fragte Luisa immer verwunderter.

»Meine Mutter,« entgegnete der junge Mann, dessen Augen einen unbestimmt träumerischen Ausdruck gewannen und dessen Kopf mit einem Seufzer, in welchem weder etwas Schmerzliches noch etwas Trauriges lag, auf die Brust herabsank.

Bei den Worten »Meine Mutter« zuckte Luisa zusammen.

»Aber,« fragte sie, »ist Ihre Mutter nicht todt?«

»Haben Sie, theure Luisa,« antwortete der junge Mann, ohne daß seine Augen ihren träumerischen Ausdruck verloren, »nie davon gehört, daß es unter den Menschen bevorrechtete Wesen gibt, welche, ohne daß man sie an äußeren Zeichen erkennen kann und ohne daß sie sich ihre Macht selbst zu erklären im Stande wären, die Fähigkeit besitzen, sich mit Geistern in Beziehung zu setzen?«

»Allerdings habe ich den Chevalier San Felice hierüber mit Gelehrten und deutschen Philosophen disputiren hören, welche diese Mittheilungen zwischen den Bewohnern dieser Welt und denen des Jenseits als Beweise zu Gunsten der Unsterblichkeit der Seele ausübten. Sie nannten ein solches Individuum einen Sehenden oder ein Medium.«

»Es ist bewunderungswürdig,« sagte Salvato, »daß Sie, ohne daß Sie es ahnen, Luisa, mit der Grazie des Weibes die Bildung eines Gelehrten und die Wissenschaft eines Philosophen verschmelzen. Die Folge davon ist, daß man mit Ihnen von allen Dingen, selbst von übernatürlichen, sprechen kann.«

»Dann,« sagte Luisa sehr bewegt, »dann glauben Sie wohl, daß diese Nacht —«

»Ich glaube, daß, wenn nicht Sie in meinem Zimmer gewesen sind und sich über mein Bett geneigt haben, ich dann einen Besuch von meiner Mutter empfangen habe.«

»Aber mein Freund,« fragte Luisa, von einem Schauer überrieselt, »wir erklären Sie sich das Erscheinen einer von ihrem Körper getrennten Seele?«

»Es gibt, wie Sie recht wohl wissen, Luisa, Dinge, welche sich nicht erklären lassen. Sagt Hamlet in dem Augenblick, wo ihm der Schatten seines Vaters erscheint, nicht: There are more things in heaven and earth, Horazio, than there are dream of in your philosophy? – Es gibt zwischen Himmel und Erde mehr Dinge, Horazio, als deine Philosophie sich träumen läßt. – Wohlan, Luisa, das Geheimniß, von welchem ich Ihnen erzähle, ist eines von diesen.«

»Mein Freund,« sagte Luisa, »wissen Sie, daß Sie mir zuweilen Furcht einflößen?«

Der junge Mann drückte ihr die Hand und betrachtete sie mit seinem zärtlichsten Blick.

»Und wie könnte ich Ihnen Furcht einflößen?« fragte er; »ich, der ich für Sie das Leben hingeben würde, welches Sie mir gerettet haben. Sagen Sie mir das!«

»Sie kommen,« fuhr die junge Frau fort, »mir zuweilen vor wie ein Wesen, welches nicht dieser Welt angehört.«

»Der Grund davon,« sagte Salvato lachend, »liegt vielleicht darin, daß ich diese Welt beinahe schon wieder verlassen hatte, ehe ich dieselbe noch betreten.«

»Wäre es also wahr, daß Sie, wie die Wahrsagerin Nanno behauptete, von einer Todten geboren sind?« fragte Luisa erbleichend.

 

»Das hat die Wahrsagerin Ihnen mitgetheilt?« fragte der junge Mann, indem er sich erstaunt auf seinem Bett emporrichtete.

»Ja; aber nicht wahr, es ist nicht möglich?«

»Die Wahrsagerin hat Ihnen blos die Wahrheit gesagt, Luisa. Es ist dies eine Geschichte, die ich kämen einmal erzählen werde, theure Freundin.«

»Ja, und ich werde derselben mit allen Fasern meines Herzens lauschen.«

»Aber später.«

»Wann Sie wollen.«

»Heute,« fuhr der junge Mann auf sein Bett zurücksinkend fort, »würde diese Erzählung meine Kräfte übersteigen. Wie ich Ihnen eben sage, mit Gewalt dem Schoße meiner Mutter entrissen, mischten die ersten Regungen meines Lebens sich mit den letzten Zuckungen des Todes und ein seltsames Band hat trotz des Grabes uns fortdauernd aneinander gefesselt. Sei es nun die Sinnestäuschung eines übermäßig erregten Geistes, sei es eine wirkliche Erscheinung, sei es endlich, daß unter gewissen abnormen Bedingungen die Gesetze, welche für andere Menschen bestehen, für solche, die außerhalb dieser Gesetze geboren worden, nicht vorhanden sind, so erhält von Zelt zu Zeit – ich wage kaum dies zu sagen, so unwahrscheinlich klingt es – meine Mutter, ohne Zweifel weil sie gleichzeitig Heilige und Märthrerin war, von Gott die Erlaubniß, mich besuchen zu dürfen.«

»Was sagen Sie da?« murmelte Luisa schaudernd.

»Ich sage Ihnen das,« was ist; das aber, was für mich ist, ist vielleicht für Sie nicht und dennoch habe ich jene theure Erscheinung nicht allein gesehen.«

»Jemand Anders als Sie hat sie auch gesehen?« rief Luisa.

»Ja, eine sehr einfache Frau, eine Bäuerin, die nicht fähig gewesen wäre, eine solche Geschichte zu erfinden, nämlich meine Amme.«

»Ihre Amme hat den Schatten Ihrer Mutter gesehen?«

»Ja. Wollen Sie, daß ich Ihnen dies erzähle?« fragte der junge Mann lächelnd.

Luisas Antwort bestand darin, daß sie den Verwundeten bei beiden Händen faßte und ihn begierig anschaute.

»Wir wohnten in Frankreich – denn wenn meine Augen sich auch nicht in Frankreich erschlossen haben, so fingen sie doch hier erst an zu sehen. Wir wohnten in der Mitte eines großen Waldes. Mein Vater hatte für mich eine Amme aus einem Dorfe angenommen, welches ungefähr eine Stunde von dem Hause entfernt war, in welchem wir wohnten.

»Eines Nachmittags bat sie meinen Vater um Erlaubniß, einmal nach Hause gehen zu dürfen, um ihr Kind zu sehen, welches wie man ihr gesagt, krank war. Es war dies dasselbe, welches sie entwöhnt, um mir die Stelle desselben einzuräumen. Mein Vater ertheilte ihr nicht blos die gewünschte Erlaubniß, sondern begleitete sie auch, um sich ebenfalls von dem Befinden ihres Kindes zu überzeugen. Man gab mir zu trinken man legte mich in meine Wiege und da ich niemals eher als um zehn Uhr des Abends erwachte und mein Vater mit seinem Cabriolet zum Hin- und Rückweg nach dem Dorfe höchstens anderthalb Stunden gebrauchte, so schloß er die Thür zu, und steckte den Schlüssel in die Tasche, ließ die Amme mit in dem leichten Wagen Platz nehmen und brach unbesorgt auf.

»Ihr Kind litt, wie sich ergab, blos an einigen unbedenklichen Verdauungsbeschwerden. Mein Vater beruhigte die gute Frau, ließ ihrem Mann ein Recept und einen Louisdor zurück, damit das Recept auch gemacht würde, und wollte mit der Amme wieder nach seiner Wohnung zurückkehren, als ein junger Mann ganz verzweiflungsvoll herbeigestürzt kam und sagte, daß sein Vater, ein Waldhüter in der vergangenen Nacht durch einen Wildschützen schwer verwundet worden sei. Meinem Vater fiel es nicht ein, eine solche Ansprache an seinen Beistand zurückzuweisen. Deshalb übergab er der Amme, den Schlüssel zum Hause und empfahl ihr, sich unverweilt auf den Rückweg zu machen und zwar um so mehr, als ein Gewitter im Anzuge zu sein schien.

Die Amme machte sich auf. Es war sieben Uhr Abends. Sie hoffte noch vor acht Uhr das Haus erreicht zu haben, und mein Vater ging seines Weges, nachdem er sie vorher sich in der Richtung entfernen gesehen, welche sie wieder zu mir führen mußte. Eine halbe Stunde ging Alles gut, dann aber umzog sich der Himmel plötzlich, der Donner grollte und unter Blitzen und wolkenbruchartigem Regen kam ein furchtbares Gewitter zum Ausbruch.

»Zum Unglücke wählte die gute Frau, anstatt auf dem gebahnten Wege weiter zu gehen, um schneller an Ort und Stelle zu gelangen, einen Fußsteig welcher die Entfernung allerdings etwas abkürzte, den aber die Nacht sehr schwierig zu begehen machte. Ein Wolf, welcher, selbst durch das Gewitter erschreckt, ihr über den Weg lief, jagte ihr Furcht ein. Sie sprang seitwärts in ein Dickicht hinein, verirrte sich darin und lief, durch das Gewitter immer mehr beunruhigt, rufend, weinend und schreiend aufs Gerathewohl darin herum, ohne jedoch auf ihr Rufen eine andere Antwort zu erhalten, als das Geschrei der Uhu’s und Nachteulen.

»So irrte sie drei Stunden lang umher, an Bäume und auf der Erde liegende Stämme anrennend, oft in Schluchten stürzend und mitten unter dem Rollen des Donners neun, zehn und elf Uhr schlagen hörend.

»Endlich, gerade als sie den ersten Schlag der Mitternachtsstunde vernahm, zeigte ihr ein Blitz unser so lange gesuchtes Haus in einer Entfernung von kaum hundert Schritten und als der Blitz erloschen, als der Wald wieder in Finsterniß gehüllt war, ward sie durch einen Lichtschein geleitet, der aus dem Zimmer fiel, in welchem meine Wiege stand.

»Sie glaubte, mein Vater wäre vor ihr nach Hause gelangt und verdoppelte ihren Schritt.

»Aber wie war er dann hineingekommen da er ja ihr den Schlüssel gegeben hatte? Besaß er vielleicht noch einen zweiten? Dies dachte sie und durchnäßt vom Regen mit zerstoßenen und geschundenen Händen und Füßen und durch die Blitze geblendet, schloß sie die Thür auf, stieß sie hinter sich zu, ging rasch die Treppe hinauf, durchschritt das Zimmer meines Vaters und öffnete die Thür des meinigen.

»Auf der Schwelle aber blieb sie, einen lauten Schrei ausstoßend, stehen.

»Mein Freund! mein Freund!« rief Luisa, die Hände des jungen Mannes drückend.

»Eine weiß gekleidete Frau stand an meinem Bette,« fuhr der junge Mann mit veränderter Stimme fort. »Sie murmelte leise eines jener mütterlichen Lieder, womit man die Kinder in den Schlaf lullt, und schaukelte zugleich mit der Hand meine Wiege. Diese Frau war jung und schön, aber ihr todtenbleiches Antlitz zeigte mitten auf der Stirn einen rothen Flecken.

»Die Amme stützte sich an das Thürgewand, um nicht umzusinken. Ihre Füße versagten ihr den Dienst.

»Sie begriff recht wohl, daß sie sich einem übernatürlichen Wesen aus dem Lande der Seligen gegenüber befand, denn das Licht, welches das Zimmer erhellte, ging von der Erscheinung aus. Uebrigens wurden die anfangs vollkommen scharfen Umrisse derselben allmälig undeutlich; mit den Zügen des Gesichts war dasselbe der Fall, die Gewänder verschwammen, der Körper ward Wolke, die Wolke verwandelte sich in Dunst, welcher dann seinerseits verschwand und die vollkommenste Finsterniß und in derselben einen unbekannten Wohlduft zurückließ.

»In diesem Augenblick kam mein Vater selbst nach Hause. Die Amme hörte ihn und rief mehr todt als lebendig seinen Namen. Als er ihre Stimme hörte, stieg er die Treppe hinauf, zündete Licht an und fand die gute Frau zitternd, mit schweißtriefender Stirn und nur noch mit Mühe athmend an derselben Stelle stehen, von wo aus sie die Erscheinung gesehen.

»Durch die Nähe meines Vaters und das Licht der Kerze wieder ermuthigt, eilte sie auf meine Wiege zu und nahm mich in ihre Arme.

»Ich schlief friedlich und fest. In der Meinung, daß ich seit vier Uhr Nachmittags nichts zu mir genommen und daß ich Hunger und Durst haben müsse, reichte sie mir die Brust, aber ich weigerte mich, dieselbe zu nehmen.

»Nun erzählte sie Alles meinem Vater-, welcher sich dieses Dunkel, ihre Aufregung, ihre Angst und ganz besonders jenen geheimnißvollen Wohlgeruch der das Zimmer noch erfüllte, nicht erklären konnte.

»Mein Vater hörte die Amme aufmerksam au, wie ein Mann, der, nachdem er alle Geheimnisse der Natur zu ergründen gesucht, sich über keines derselben wunderte.

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