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Die Prinzen von Orleans

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Die Prinzen von Orleans
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Erster Theil

Einleitung

Die Geschichte ist im Allgemeinen die treue Darstellung der bemerkenswerthesten Begebenheiten der Länder; insbesondere enthält dieselbe die wahre Schilderung der Beherrscher der Reiche, und bezweckt als dann, die Wirkung der Leidenschaften, des Ehrgeizes, der Schmeichelei, der Grausamkeit, der falschen Ehre zu zeigen.

In beiden Fällen verkennen wir zuweilen die unerschütterliche Bestimmung der Vorsehung; aber dies darf die Völker nicht entmuthigen. Wir wollen jede gottlose Auslegung vermeiden. Das Uebel kann nicht ewig sein. Für jedes Volk werden nach den Tagen der Sclaverei Jahrhunderte der Freiheit kommen. Die moralische Welt hätte eine furchtbare Zerrüttung zu erwarten, wenn dem nicht so wäre. Bewahren wir also unsern Muth und zweifeln wir niemals an der Vorsehung, der erhabenen Lenkerin unseres Geschickes. Lassen wir aber neben der Hoffnung die Energie in unsern Seelen hervorwachsen. Die Muthlosigkeit der Völker nährt die Grausamkeit der Tyrannen Ach! warum muß das Volk, um heilsame Veränderungen zu bewirken, erst sein Blut für dieselben vergießen!

Die Familie Orleans hat einen wichtigen, oft unheilbringenden Einfluß auf das Schicksal Frankreichs ausgeübt: ihr Schritt vor Schritt in ihrer politischen Laufbahn zu folgen , ist ein der Aufmerksamkeit würdiges Studium. Die Arbeit, welche wir dem Publikum hiermit übergeben, enthält ungedruckte Dokumente, neuentdeckte Thatsachen, welche die unbekannt geblieben waren, über die Mitglieder des Hauses, welches jetzt Frankreich, beherrscht, nicht sowohl durch sein moralisches Uebergewicht, als in Folge einer Revolution, einer Revolution, welche von den Freunden des Volkes nur als eine Schöpfung der Bourgeoisie betrachtet werden kann.

Ich bin streng aber gerecht gegen diese Familie gewesen, deren Geschichte zu schreiben und mit der überhaupt mich zu beschäftigen, ich mich nur entschlossen habe, um gewisse merkwürdige Thatsachen aufzudecken und zu rügen, auf welche ich die allgemeine Aufmerksamkeit gerichtet zu sehen wünsche. Es war gewiß ein sehr schwieriges Unternehmen; ich hoffe mich desselben zweckgemäß entledigt zu haben. Ich muß einigen dieser Männer den Vorwurf machen, nicht an dem allgemeinen Besten gearbeitet, nicht jedem Mitglieder der großen Familie der Menschheit, Arbeit, Brot, Rechte, Freiheit, Glück zu sichern gestrebt, sich den Eingebungen ihres wahnsinnigen Ehrgeizes hingegeben zu haben; verderbt und ohne Grundsätze gewesen zu sein, das Vaterland in den Tagen des Unglücks verrathen und endlich sich tief unter jenen Männern des Herzens stehend gezeigt zu haben, die ihre lange Laufbahn der Sache der Unterdrückten widmeten, jenen hochherzigen Männern, welche von den härtesten Verfolgungen nicht besiegt wurden und die ihre muthigen Hoffnungen niemals verläugneten.

Indem ich so rede, sage ich die Wahrheit nach meinem Gewissen, denn die Geschichte ist Wahrheit Streng ohne Beleidigung, gerecht ohne Schwäche, werde ich weder meine Verachtung des Systems der Tyrannei, das die bedeutendsten Mitglieder dieser Familie befolgt haben, noch meinen Unwillen über ihre n Ränke, um zu dem Throne zu gelangen, zurückhalten. Gegen Berühmtheiten dieser Art muß man unerbittlich sein.

Männer, die von Klugheit unterstützt, mit den Freuden ihrer ersten Triumphe nicht zufrieden, durch List auf einen glänzenden Standpunkt gelangt, durch die Ehrfucht und ihren Geiz die Demüthigung und Erniedrigung ihres Vaterlandes herbeiführen, und das Volk desselben seiner Freiheit berauben, dürfen von der Geschichte nicht geschont, ihr Unglück muß nicht bedauert werden; man muß diejenigen, welche alle unsere Rechte mit Füßen getreten haben, nicht bemitleiden!

Solche Wahrheiten sagen zu müssen ist schmerzlich; man möchte in den Fürsten nicht allein Helden, sondern auch einsichtsvolle Männer sehen; sind es dagegen nur Ehrsüchtige, Wüthriche oder Schwächlinge, so kann man ihr Geschichtschreiber nicht sein, ohne sie zu brandmarken.

Die Thatsachen kommen diesen Wahrheiten zu Hilfe; sie sind wichtig Der Leser wird nach folgender Darstellung darüber urtheilen.

Erstes Kapitel
Philipp, Bruder Ludwigs XIV., erster Herzog v. Orleans (der Verrückte), 1670–1701

Man findet in dem Leben der Fürsten nur eine bedingte Größe: es ist eine weite Kluft zwischen diesem aristokratischen Trotz und den erhabenen Ansichten der Proletarier unserer Zeit.

Diese Geschichte beginnt also mit der Erinnerung an königliche Erbärmlichkeiten. Ludwig XIII. war der Vater des ersten Herzogs von Orleans, des Stammvaters einer Familie, die nach vielen Ränken endlich zum Throne gelangt ist. Dieser Orleans war der Bruder Ludwig XIV. Man ist überein gekommen, diesen Letzteren einen großen König zu nennen. Welcher Irrthum! Er war ein Hochmüthiger. Er benutzte das, was Richelieu für das Königthum gethan hatte, welches seinen Bemühungen zu Folge unumschränkt und siegreich geworden war, um so mehr als Frankreich durch das Uebergewicht seines Geistes schon die Welt beherrschte.

Unterjocht, wurden die Edeln des Landes die Höflinge des Königs, und die Mitschuldigen seiner schändlichen Ausschweifungen. Der Hof Ludwig XIV. war prachtvoll und flößte den Prinzen ein Selbstvertrauen voll Eigendünkel ein.

Die Erziehung, welche Ludwig XIV. und Orleans erhalten hatten, trug nicht wenig dazu bei, eine unglückliche Rivalität unter ihnen zu erwecken. Ludwig XIV., zum Throne bestimmt, empfing auf Befehl Mazarins allen Unterricht, den eine höhere Stellung bedingt. Seine Studien waren für den künftigen katholischen Monarchen berechnet. Man lehrte ihn bei Zeiten:

»Daß ein König aus edlerem Stoffe sei, als andere Menschen;

»daß sein Zweck der Ruhm, sein Mittel die Kraft

»sein müsse, daß er allein die ganze Nation repräsentire;

»daß das Volk nur eine auszubeutende Masse, eine Zusammensetzung

»von Gemeinen sei; daß die Nation

»gänzlich durch die Person des Monarchen vertreten

»werde; daß die Unterthanen gehorchen müßten, ohne die

»Befehle des Königs beurtheilen zu wollen,« 2c.

Diese Lästerungen und rohen Grundsätze mußten nothwendigerweise aus dem Könige einen Tyrannen, aus dem Volke Sklaven machen, man hatte dieselben Ludwig XIV. in zarter Jugend eingeimpft; er hatte sie mit der Milch seiner Mutter eingesogen, die ihn betrachtend, ausrief:

»Ich möchte ihn verehren, wie ich ihn liebe.«

Bei dem Studium Ludwig XIV. bemerkte man, daß dessen Verstand dem feines jüngeren Bruders untergeordnet war. Mazarin, durch eine sehr gefährliche Politik geleitet, befahl Lamothe le Bayer, dem Lehrer der Knaben, den jungen Orleans in einer gewissen Unwissenheit zu lassen, damit sein Bruder, zum Herrscher berufen, nicht vor ihm erröthen müsse.

»Was denken Sie,« sagte der Cardinal Mazarin zu Lamothe le Bayer, »einen gescheidten Mann aus dem Bruder des Königs zu machen? Wenn er klüger als der König würde, könnte er demselben nicht mehr gehorchen wollen.«

Der Herzog von Orleans verließ also die Studien und ergab sich den Ausschweifungen. Er beschäftigte sich nur mit Erbärmlichkeiten und brachte den größten Theil seines Lebens mit liederlichen Frauenzimmern zu. Indessen hatten die Berechnungen seiner niedrigen Politik Mazarin doch betrogen. Orleans fühlte im Heranwachsen auch den Keim jener Unverschämtheit in seinem Innern zunehmen, den die Großen auf ihre Kinder vererben, und war durchaus nicht geneigt, der höheren Stellung seines Bruders zu weichen.

Man findet in den Memoiren aus jener Zeit eine Menge Züge, welche von der Zügellosigkeit des damaligen Hofes und der unfreundlichen Stimmung beider Brüder gegen einander, Folge dieser unvernünftigen Erziehung, Zeugniß ablegen.

»Von Montereau, sagt Laporte, gingen wir nach Corbeil, wo der König verlangte, daß Monsieur (!) in seinem Zimmer schliefe, welches so klein war, daß es nur eben den Durchgang für eine Person gestattete. Eines Morgens nach dem Erwachen spuckte der König, ohne daran zu denken, auf Monsieurs Bett, welcher augenblicklich ganz absichtlich auf das Bett des Königs spuckte, worauf dieser etwas zornig seinem Bruder ins Gesicht spie. Monsieur sprang nun auf das Bett des Königs, und p . . . darauf; der König that dasselbe auf Monsieurs Bett. Als sie nun nichts mehr zu spucken und zu p. . . hatten, zogen sie einander die Betttücher weg und an dem Fußboden umher, und am Ende kam es zu Schlägen. Ich that was ich konnte um diesem Handgemenge Einhalt zu thun und den König zu beschwichtigen, da mein Bemühen aber umsonst war, ließ ich Herrn v. Villeroi benachrichtigen, welcher kam, und der Sache ein Ende machte. Monsieur war eher zornig geworden, als der König; aber der König war viel schwerer zu besänftigen, als der Herzog.«

Später – Ludwig XIV. war schon König, – rühmte sich der Herzog v. Orleans damit, daß er an einem Fasttage Fleisch esse; er aß zum Vesperbrot in Gegenwart des Königs von einem Fleischgericht, welches er sich hatte bereiten lassen; der König riß ihm den Teller aus den Händen und goß dabei die Brühe auf das Kleid seines Bruders; Orleans, der sehr eitel war, warf nun dem Könige den Teller ins Gesicht und man war abermals genöthigt die Brüder gewaltsam zu trennen. So nahmen ihre schlimmen Neigungen in dem Maaße zu, als sie größer und klüger wurden, und ihre Charaktere entwickelten sich immer mehr, ihrer fehlerhaften Erziehung entsprechend. Ludwig XIV. war groß und blond; er hatte eine stolze Haltung, liebte Jagd, Musik und Theater. Der Herzog v. Orleans war klein, untersetzter gemeiner Statur, seine Manieren waren unanständig: er liebte das Spiel, die Maskeraden, schöne Kleider und Wohlleben. Er hatte schwarzes Haar, dichte buschige Braunen und Wimpern, graue Augen, eine große Nase und ein hartes üppiges Organ. Beide waren hochmüthig, anmaßend und eigenwillig.

 

Die Herzöge von Orleans scheinen alle dieselbe Rolle gespielt zu haben und von denselben Begierden beherrscht worden zu sein. Ihre persönliche Feigheit war Ursache, daß sie bei den großen Bewegungen Frankreichs ziemlich unbemerkt geblieben sind; aber ihre Ränke und ihr Durst nach Gewalt haben sie dem Throne nahe gebracht, so oft sie von dem Unglück ihres Vaterlandes Vortheil ziehen zu können glaubten.

Als Ludwig XIV. selbst die Zügel der Regierung ergriff, ließ er seinen Bruder in dem Zustande der Unterordnung, zu dem man ihn erzogen hatte; denn er fügte mit jenem unbeugsamen Hochmuthe der Despoten:

»– Der Staat bin ich!«

Mazarin war am 9. März 1661 gestorben. Dieser listige, unzüchtige Priester, diese Schlange im Dienste des Königthums, war, aber mit viel kleinlicheren Ansichten, dem Tiger Richelieu gefolgt, der sein Lehrer gewesen war. Bei der Andenken würde geehrter sein, wenn sie sich begnügt hätten, den Adel zu bändigen und zu beherrschen. Aber ihre Politik hatte den Hauptzweck, das Volk für immer zu Leibeigenen der Könige zu machen. Sie hinterließen. Ludwig XIV. ein Reich, welches groß und muthlos, dem Willen des Königs ganz untergeben und immer zur Vergrößerung geeignet war: der Adel war überwunden, das Volk vernichtet, die Geistlichkeit beruhigt, die Bürgerschaft unterworfen. Das Vaterland endlich hatte, obgleich im Innern der Sclaverei geweiht, so eben glorreich einen Krieg beendet, durch welchen das Wohl der Haupt-Staaten Europas erschüttert worden war. Mazarin hatte niemals Richelieu erreicht; er war vielleicht eben so erfindungsreich, ebenso listig, aber nicht so geeignet, die Menschen zu durchschauen und die Ereignisse vorauszusehen. Richelieu hatte die Macht geliebt, Mazarin liebte das Geld. Er benutzte die Verderbtheit, verkaufte Aemter, sog den Staat aus, veräußerte die Besitzungen desselben. Ohne Gewissensbisse, ohne Sorge für den folgenden Tag, machte dieser Emporkömmling die unerhörtesten Ausgaben. Ihm war das Volk nur eine auszubeutende Masse. Mazarin war ein Dieb, Richelieu ein Verbrecher; aber Beide bereiteten, indem sie für das göttliche Recht und für die unumschränkte Gewalt wirkten, die erhabene und gewaltsame Revolution von 1789 vor.

Mazarin hatte sich der von dem Herzog v. Orleans beabsichtigten Verbindung mit der Schwester des Königs Carl II. von England aus allen Kräften widersetzt. Sobald der Minister todt war, dachte der Herzog von Orleans mit erneutem Ernst an diese Verbindung. Der König und die Königin Mutter riethen ab. Ludwig XIV. hatte in Erwägung der außerordentlichen Magerkeit der Prinzessin Henriette zu seinem Bruder gesagt:

»Uebereile Dich nicht, Dich mit Knochen zu befassen!«

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, müssen wir noch hinzufügen, daß sie etwas verwachsen war, doch so unbedeutend, daß der Herzog es erst nach der Vermählung bemerkte. Er hatte sich nur verheirathet, um seine heimlichen Sünden, seine schändlichen Laster zu verdecken. Er überließ sich mit seinem eigenen Bruder und einigen ihm befreundeten Edelleuten, Ausschweifungen, welche die Feder nicht aufzeichnen kann.

Zahllose Ausschweifungen und Zügellosigkeiten befleckten diesen Hof. Obgleich Ludwig XIV. sich Maitressen hielt, unterhielt er auch noch niederträchtige Verbindungen mit schamlosen Männern, Creaturen des Herzogs von Orleans. Das Privatleben dieser Satrapen, welche die Nation durch ihren Despotismus politisch vernichteten, zu beschreiben, ist unmöglich.

Dieser Ludwig XIV. vereinigte mit seinem unbezähmbaren Hochmuthe die niedrigsten, gemeinten und schmutzigsten Laster. Memoiren, welche, für die Verborgenheit bestimmt, dennoch jetzt an das Licht gekommen sind, geben schaudererregende Aufklärungen über diesen entarteten Hof, wo die Frechheit, der Luxus, die Verweichlichung, die Grausamkeit herrschten. Auf dem Mittelpunkte dieses so unzüchtigen, scheinheiligen, treulosen Hofes gingen jene Anordnungen, jene Verträge, Decrete und Verhaftsbefehle hervor, die das Volk zu Grunde richteten und so vielen unschuldigen Bürgern das Leben raubten. Es sind genug verborgene Verbrechen von Ludwig XIV. bekannt, um denselben für einen verabscheuungswürdigen Tyrannen zu erklären; und dennoch sind diese Verbrechen nichts gegen das Unglück, welches er über Frankreich, ja über ganz Europa gebracht hat; er verwendete zu Geschenken an seine Maitressen mehr, als nöthig gewesen wäre, um Künste und Gewerbe der ganzen Nation zu heben, die Arbeit zu. organisiren und die allgemeine Wohlfahrt zu sichern. Der todte Buchstabe hat in solchen Fällen eine traurige Beredtsamkeit. Nachdem er Bankerott gemacht, und während seiner Regierung mehr als zwanzig Milliarden vergeudet hatte, hinterließ er bei seinem Tode vier Milliarden und fünfhundert Millionen Schulden.

Ludwig XIV. und der Herzog von Orleans umgaben sich also mit gefälligen Niederträchtigen, in deren Gesellschaft sie sich mit Schändlichkeiten bedeckten. Wenn ihr unmoralisches Leben nicht schon bekannt wäre, würde ich dem Leser diese lange unmoralische Laufbahn zeigen, welche das Geschlecht der Orleans so frech durchlief, diese Laufbahn, welche inländische Undankbarkeit und politische Usurpation geschlossen hat.

Unter den Freunden des Herzogs von Orleans, jenen Genossen seiner Laster, zeichnete sich der Chevalier von Lothringen durch seine Verderbtheit, durch seinen Cynismus aus. Mit einer Frechheit ohne Gleichen gab er sich zu den Niederträchtigkeiten des Herzogs – den entsetzlichen Verbrechen her, welche Gott und der Natur Hohn sprachen. In Folge eines Zerwürfnisses in dieser unsaubern Gesellschaft, ließ der König eines Morgens den Chevalier von Lothringen verhaften. Der Herzog von Orleans verlangte ungestüm die Lossprechung seines Lieblings. Die Namen Turenne’s und des Grafen von Marsan, Bruders des Chevalier sind stark in diese unlautere Geschichte verflochten. Der Chevalier von Lothringen ward nach Rom verbannt. Fräulein von Cootquen, die des Chevalier’s, Turenne’s, Orleans und Marsans Maitresse zugleich war, weigerte, sich, dem Chevalier nach Rom zu folgen, blieb in Paris, und die Orgien hatten ihren Fortgang.

Die Herzogin von Orleans hatte dem Zureden des Königs nachgegeben, und diente demselben als Vermittlerin bei ihrem Bruder, dem Könige von England. Vielleicht aus diesem Grunde nährte der Herzog einen außerordentlichen Haß gegen seine Frau. Höchst unzart warf er ihr beständig ihre körperlichen Gebrechen vor, und suchte ihr seine Abneigung durchaus nicht zu verbergen. Unaufhörlich fegte er ihr, daß er hoffe, sie werde bald sterben, indem berühmte Wahrsager ihm prophezeiht hätten, daß er noch mehre Frauen haben werde. Er trieb seine Grausamkeit noch weiter, indem er sich hinter den Chevalier von Lothringen steckt, der ihm durch einen provençalischen Edelmann, Namens Maurel, Gift sandte. Einige behaupten, der Herzog habe, ehe das Verbrechen begangen worden, nichts davon gewußt; sie fügen hinzu, daß der Chevalier, der Zustimmung des Herzogs nur zu gewiß, ihm seinen Plan verheimlicht habe, aus Furcht, er möge einige seiner Freunde zu Vertrauten desselben machen. Ausgemacht ist es, daß Madame an Gift starb.

Das Haus Orleans ist so mit Verbrechen und Schändlichkeiten überhäuft, daß man ihm dieses allenfalls erlassen kann.

Saint-Simon sagt Folgendes über dieses Ereigniß:

»D’Effiat, der erste Kammerherr Monsieurs, ein dreister, unternehmender Mann, und der Graf von Beuvron, der Hauptmann von des Herzogs Leibwache, ein armer jüngerer Sohn aus der Normandie, der sanft und schmiegsam war, und sich bei Monsieur einschmeicheln wollte und seine Freigebigkeit auszubeuten strebte, um reich zu werden, waren sehr intim mit dem Chevalier von Lothringen, dessen Abwesenheit ihren Absichten sehr nachtheilig war, und sie befürchten ließ, daß irgend ein anderer Günstling, der ihnen nicht so förderlich sei, seinen Platz einnehmen könne. Sie hatten wenig Hoffnung, dem Ende der Verbannung entgegen zu sehen und bemerkten, daß Madame anfing, sich mit Politik zu beschäftigen, so daß der König sie sogar eine geheimnisvolle Reise nach England machen, ließ, wo sie gute Geschäfte gemacht hatte, und triumphierender als je zurückgekehrt war. Sie genoß seit 1644 einer vorzüglichen Gesundheit, was noch dazu beitrug, der Verbündeten Hoffnung, auf die Rückkehr des Chevaliers zu schwächen. Dieser zerstreute seinen Unmuth in Italien. Welcher von den drei Freunden zuerst daran dachte, weiß ich nicht; aber der Chevalier schickte seinen beiden Freunden ein sicheres und schnell wirkendes Gift, durch einen Expressen, der vielleicht selbst nicht wußte, was er überbrachte.

»Madame war in Saint-Cloud, und trank zur Erfrischung seit einiger Zeit, Abends um sieben Uhr ein Glas Cichorienwasser, welches ein Page bereiten mußte; er setzte dasselbe nebst einem Glase in einen Schrank in einem von Madames Vorzimmern. Neben dem Cichorienwasser, welches in einem Porzellantopfe war, stand immer noch frisches Trinkwasser für den Fall, daß Madame das Cichorienwasser zu bitter fände. Dieses Vorzimmer mußte Jeder, der zu Madame wollte, passiren, doch hielt sich nie Jemand in demselben auf, weil es das erste war. Dieses Alles hatte der Marquis von Effiat ausspioniert.

»Am 29. Juni 1660 fand er den günstigen Augenblick, welchen ersehnend er das Gift beständig bei sich trug; Niemand war im Zimmer und er hatte bemerkt, daß ihm auch Niemand folgte, der etwa zu Madame gewollt hätte. Er drehte sich um, ging zum Schranke, öffnete denselben, warf sein Päckchen hinein und ergriff, als er Jemand kommen hörte, den Topf mit reinem Wasser; der Page, welcher das Geschäft hatte, das Cichorienwasser zu bereiten und in das Zimmer gekommen war, schrie auf, sprang zu ihm, und fragte ihn heftig, was er an diesem Schranke mache?

»D’Effiat sagte ihm, ohne die mindeste Verlegenheit: er sterbe vor Durst und da er wisse, daß da drinnen Wasser sei, habe er der Begierde zu trinken nicht widerstehen können. Der Page brummte zwar noch immer, durfte aber doch, da er den Marquis mit dem Wasser in der Hand getroffen hatte, weiter nichts sagen. Der Marquis entschuldigte sich, trat bei Madame ein, und schwatzte mit den andern Höflingen, ohne die mindeste Bewegung. Was eine Stunde später geschah, gehört nicht zu meiner Erzählung, und hat nur zu viel Aufsehn in ganz Europa gemacht.

Der am folgenden Morgen, den 30. Juni früh um 8 Uhr erfolgte Tod Madame’s versetzte den König in den tiefsten Schmerz. Wahrscheinlich erfuhr er im Laufe des Tages noch manches auf die That. Bezügliche, der Page mochte nicht geschwiegen haben, es mochte bekannt geworden sein, daß Pernon, der erste Haushofmeister Madames, den in seinem Erdgeschoß Herr von Effiat sehr häufig und vertraulich besuchte, um die Sache wußte. Der König stand nochmals auf, als er sich schon niedergelegt hatte, ließ Brissac rufen, der damals unter der königlichen Leibwache und dem Könige sehr dienstbar war, und befahl ihm, sechs sichere und verschwiegene Gardisten zu nehmen, den Haushofmeister zu verhaften und durch eine verborgene Thür in sein Cabinet zu bringen.

»Dieses wurde vor Tagesanbruch ausgeführt. Sobald der König des Gefangenen ansichtig wurde, ließ er

Brissac und seinen Kammerdiener sich zurückziehen, nahm eine Schrecken erregende Miene an und sagte mit drohender Stimme, indem er den Verhafteten vom Kopf bis zu den Füßen maß:

»– Hört mich wohl an, mein Freund: wenn Ihr mir Alles gesteht, und Alles was ich wissen will, der

Wahrheit getreu beantwortet, so verzeihe Euch Alles, was Ihr auch gethan haben mögt, und es soll nie wieder die Rede davon sein. Aber hütet Euch, mir das Mindeste zu verheimlichen, denn wenn Ihr das thut, verlaßt Ihr diesen Ort nicht lebendig. Ist nicht Madame vergiftet?. . .

»– Ja, Sire, antwortete der Gefragte.

»– Und wer hat sie vergiftet, und wie ist es geschehen?

»Er antwortete, daß der Chevalier von Lothringen an d’Effiat und Beuvron Gift geschickt habe und berichtete, was ich so eben erzählte.

»Nun verdoppelte der König seine Zusicherung der Gnade und die Drohungen mit dem Tode und sagte:

»– Und wußte es mein Bruder?

»– Nein, Sire;

– Niemand von uns Dreien würde thörigt genug gewesen sein, es ihm zu sagen; er ist nicht verschwiegen, er würde uns unglücklich gemacht haben.

»Bei dieser Antwort stieß der König ein tiefes Ah! aus, wie Jemand, der von einer großen Last befreit ist.

»– So, sagte er, das ist Alles, was ich wissen wollte, aber habt Ihr mir auch ganz die Wahrheit gesagt?

»Pernon versicherte es,

»Der König rief nun Brissac und befahl demselben diesen Mann an einem sichern Orte verwahrt zu halten, von wo aus er ihn später in Freiheit setzte. Eben dieser Mann war es, der dieses Alles lange nachher Herrn Joly de Fleury erzählte, von dem ich diese Anekdote habe.« —

 

Dem sei nun wie ihm wolle, Ludwig XIV. ließ diese Vergiftung unbestraft; es scheint als ob andere geheime Eröffnungen ihm bewiesen, daß sein Bruder mit in das Verbrechen verwickelt sei. Für das Volk, dessen Beurtheilung meistentheils so richtig ist, blieb das Haus Orleans in der Person Monsieurs gebrandmarkt. Selbst die Nachsichtigten mußten eingestehen, daß der Prinz, dessen Freunde, um ihm gefällig zu sein, seine Gemahlin vergifteten, ein frecher Bösewicht sei. Also ist dieser Mann von dem Volke, der Geschichte, den Geschichtschreibern, ja selbst von Denen, die als Hausgenossen seinem Schlosse angehörten, in gleichem Grade verachtet. Die Großen waren immer an Verbrechen gewöhnt. Ich weiß, daß ein Ehrgeiziger aus der jetzigen Regierung zu einem Andern gesagt hat:

»– um die höchste Gewalt von Prätendenten zu befreien, um ihr nützlich zu sein, sollte man einen Hauptstreich wagen: man sollte Heinrich V. und den Prinzen Louis Napoleon vergiften!«

Der niederträchtige Talleyrand wagte Napoleon den Vorschlag zu machen, daß er alle Bourbons ermorden lassen möge; er verlangte eine Million für den Kopf. Das war sicherlich viel mehr als sie werth waren.

Louis Philipp von Orleans war sehr zufrieden mit der unglücklichen Todesart seiner Frau. Je weniger lebhaft die Gewissensbisse sind, je mehr wird der erheuchelte Schmerz zur Schau getragen, je mehr bestrebt man sich, denselben glaubhaft zu machen. Das Haus Orleans legte die tiefe Trauer an, aber die Welt wurde durch diesen geheuchelten Schmerz nicht getäuscht.

Uebrigens erschien der Herzog kurz darauf wieder am Hofe, wo ihn die Vorwürfe Ludwig XIV. erwarteten.

Von diesem Zeitpunkte an nahmen die Ausschweifungen dieser hohen Personen, immer mehr überhand, indem sie sich gar keine Mühe mehr gaben, ihre Zügellosigkeiten zu verbergen; sie zeigten ihre Laster öffentlich und mit der größten Schamlosigkeit. Ludwig XIV. theilte diese Orgien, und unterhielt zugleicher Zeit Verbindungen mit einer Menge von Kupplerinnen, die einander bei ihm ablösten, und ihn mit unzähligen Maitressen versorgten.

Mitunter versuchte Ludwig XIV., sogar in seinen Ausschweifungen Despot, die Lebensart seines Bruders und seiner Günstlinge zu regeln; aber die Stimme des Lasters ist wenig geeignet die Ausschweifungen. Anderer zu dämpfen. Der Chevalier von Lothringen, der allgemein als den Haupturheber der Ermordung der Herzogin von Orleans bekannt war, durfte ungestraft an den Hof zurückkehren, und von Neuem mit den Vertrauten Orleans die Berechtigung zu jenen Lastern theilen, die in das Innere aller Paläste drangen.

Endlich warb der Bruder des Königs von Frankreich öffentlich um die Hand der Prinzessin Elisabeth Charlotte von Baiern. Der Pfalzgraf willigte in diese Verbindung; er hoffte Vortheile für sich von derselben. In den höhern Regionen ist Alles Berechnung, Egoismus und Gemeinheit.

Die neue Gemahlin des Herzogs von Orleans war eine ziemlich häßliche, aber mit einigem Geiste begabte Person. Die scandalöse Aufführung Monsieurs beunruhigte sie wenig; ihr zum Sarkasmus geneigter Geist hielt sie von der erniedrigenden Berührung Derer fern, mit denen ihr entarteter Gemahl sich entehrte: dieser Geist war herbe, mitleidslos, originell und frei. Sie wurde von keinem Vorurtheil beherrscht; obgleich Protestantin, hatte sie lächelnd ihre Religion abgeschworen. Ludwig des XIV. fromme Heuchelei verlangte ihren Uebertritt zum Katholizismus. (Jetzt ist man so bedenklich nicht mehr!) Die Prinzeß Charlotte sprach sich sehr frei über diesen Umstand aus:

»Bei meiner Ankunft in Frankreich,« sagt die sehr naiv, »schickte man mir drei Bischöfe, die über Religion mit mir reden mußten; ihre Glaubensansichten waren alle verschieden; ich nahm die Ouintessenz von ihren Ansichten und bildete mir daraus meine eigne Religion.«1

Wirklich gaben die Streitigkeiten unter der höheren Geistlichkeit der Welt damals ein neues Aergerniß, indem sie nicht nur die Ungewißheit aller menschlichen Religionsansichten, sondern auch die Irrgläubigkeit der katholischen Priester bewiesen.

Von seiner ersten Gemahlin hatte der Herzog v. Orleans zwei Töchter gehabt; von Charlotte hatte er noch zwei Kinder: Philipp v. Orleans und Elisabeth Charlotte v. Orleans.

Die Ehegatten trennten sich nach Art vornehmer Leute, indem sie einander gegenseitig volle Freiheit ließen.

Charlotte setzte ihre angefangenen Memoiren fort und ergötzte sich daran, die Niederträchtigkeiten und Laster des Hofes zu kritisieren. Der Herzog v. Orleans hingegen benutzte seine Freiheit, um seine gewohnte Lebensweise fortzusetzen und versenkte sich immer tiefer in die gemeine und verabscheuungswürdige Schwelgerei, zu der er sich unwiderstehlich hingezogen fühlte.

Unterdessen errang Ludwig XIV. durch seine mörderischen und räuberischen Kriegsthaten und Erfolge, einen blutigen Ruf, einen verabscheuungswürdigen Ruhm. Was frommt eine Berühmtheit, die durch Verzweiflung und Untergang der Völker erkauft wird? . . . Ludwig XIV. hielt. Alles, was er versprochen hatte, als er, fünf zehn Jahr alt, es wagte, das Parlament von Paris diese einzige Versammlung, die obgleich schwach und schlaff, noch einigermaßen demokratisch war, aufzuheben. Doch diesem Tyrannen den Prozeß zu machen, über den man die Nation zu täuschen versucht hat, ist Sache eines andern Werkes als dieses ist.

Ludwig XIW. saß jetzt vierzehn Jahre auf dem Throne; Frankreich war ungeachtet der unumschränkten Gewalt, unter der es seufzte, die aufgeklärteste und mächtigste Nation in Europa. Aus dem Schooße dieses unterdrückten Volkes waren kräftige Geister entsprossen. Ludwig XIV. hatte durch seine Treulosigkeit und Herrschsucht fast ganz Europa gegen Frankreich bewaffnet. Er erschien 1677 wieder an der Spitze seines Heeres; dieses Mal entriß der Herzog von Orleans sich auf einen Augenblick, dem Schlamme, in welchen er versunken war und begleitete ihn. Der Herzog belagerte Saint-Omer, und ging dann bis Cassel, dem Prinzen von Oranien entgegen. Wenn er Sieger war, so gebührt die alleinige Ehre, davon den Marschällen d’Humières u. v. Luxembourg; dem ohngeachtet gewann der Herzog v. Orleans bei diesem Feldzuge einen, wenn auch nur vorübergehenden, militärischen Ruf. Ludwig XIV. war darüber eifersüchtig und der Herzog v. Orleans erschien nie wieder bei der Armee. Er betrübte sich darüber nicht und versank wieder in Unthätigkeit und Schwelgerei. Er verbrachte seine Zeit nur mit verworfenen Frauen und Günstlingen, deren Rolle noch abscheulicher war.

Um diesem Orleans einen weniger beschimpfenden Beinamen in der Reihe der Glieder seiner Familie zu geben, könnte man ihn den Baulustigen nennen. Er vergrößerte das Palais-Royal, welches sein Bruder ihm gegeben hatte, und wo jene berüchtigten Orgien stattfanden, deren Vorsitzer dieser abscheuliche Orleans war. Es ist nicht Aufgabe der Geschichte, die näheren Umstände dieser Schändlichkeiten aufzuzählen, welche den Namen Orleans besudelten.

So oft Ludwig XIV. etwas Entehrendes unternehmen wollte, wendete er sich an seinen Bruder. Ihn hatte er beauftragt, seine Bastarde zu vermählen. Er that noch mehr: er schlug ihm für seinen Sohn eine Verbindung vor, welche die Royalisten im Stillen als entehrend betrachteten. Er bot ihm nämlich Fräulein v, Blois an. Orleans willigte ein; Leute seiner Art sind nicht genau nehmend.

Die Begebenheiten von nun an bis 1693 übergehen wir mit Stillschweigen. Ludwig XIV. hatte sich ganz Europa zum Feinde gemacht. Das Unglück, Frankreichs war vollständig; es fehlte an allen Hilfsmitteln, Geld, Mannschaft, Alles hatte Ludwig XIV. erschöpft. Das allgemeine Elend war so groß, daß das Volk vor Hunger: sterbend, einem Könige der nur auf Befriedigung seines Ehrgeizes bedacht war, den Gehorsam versagte. Das Murren war so allgemein wie das Elend. Ludwig brachte indessen mit erneuten Anstrengungen nochmals eine Armee zusammen. Er setzte sich an ihre Spitze und ließ Orleans zurück, im Besitz jenes dem Vaterlande so unheilbringenden Titels eines General-Lieutenants des Königreichs. Orleans that nichts, um das Elend seines dem Kriege und der Hungersnothgeweihten Volkes zu lindern, als daß er bei einer Reise nach der Bretagne, die er damals unternahm, von seiner Carosse herab etwas kleine Münze unter die Bettler an der Straße warf.

1Memoiren der Pfalzgräfin
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