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Die Mohicaner von Paris

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Die Mohicaner von Paris
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Erstes bis viertes Bändchen

I
In welchem der Verfasser den Vorhang von dem Theater aufhebt, wo sein Drama spielen soll

Will der Leser mit mir eine Pilgerfahrt nach den Tagen meiner Jugend machen und die Hälfte vom Laufe meines Lebens, das heißt ein Vierteljahrhundert zurückgehen, so werden wir miteinander am Anfange des Jahres der Gnade 1827 Halt machen, und wir werden den Generationen, die aus dieser Zeit datieren, sagen, was das physische und moralische Paris der letzten Jahre der Restauration war.

Beginnen wir mit dem physischen Anblick des neuen Babylon

Von Osten nach Westen war Paris im Jahre 1827 Ungefähr, was es 1854 ist. Paris am linken Ufer der Seine ist natürlich stationär und zielt eher darauf ab, sich zu entvölkern, als zu bevölkern; im Gegensatze zur Civilisation, welche vom Osten nach dem Westen fortschreitet, schreitet Paris, diese Hauptstadt der civilisirten Welt, vom Süden nach dem Norden fort; Montrouge reißt Montmartre an sich.

Die einzigen wirklichen Arbeiten, welche auf dem linken Ufer von 1827 bis 1854 gemacht wurden, sind der Platz und die Fontaine Cuvier, die Rue de l’Ecole-Polytechnique, die Rue de l’Quest, die Rue de Bonaparte, der Orleans-Bahnhof, der der Barrière du Maine; endlich die Sainte-Clotilde-Kirche, die sich auf der Place Belle-Chasse erhebt, der Palast des Staatsrathes auf dem Quai d’Orsay und das Hotel des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten auf dem Quai des Invalides.

Ganz anders war es auf dem rechten Ufer, das heißt in dem zwischen dem Pont d’Austerliz und dem Pont d’Jena begriffenen Raume, längs dem Fuße des Montmartre. Im Jahre 1827 erstreckte sich Paris in Wirklichkeit im Osten nur bis zur Bastille, – und es war noch das ganze Boulevard Beaumarchais zu bauen; im Norden nur bis zur Rue de la Tour d’ Auvergne und der Rue de la Tour-des-Dames, und im Westen nur bis zum Schlachthause du Roule, und der Allee des Veuves.

Dach vom Quartier des Faubourg Saint-Antoine, das von der Place de la Bastille bis zur Barrière du Trone geht; dem Quartier Popincourt, das dem Faubourg Saint-Antoine bis zur Rue Ménilmontant geht; vom Quartier des Faubourg du Temple, das von der Rue Ménilmontant zum Faubourg Saint-Martin geht, vom Quartier Lafayette, das dem Faubourg Saint-Martin bis zum Faubourg Peissonnière geht; dem Quartier Turgot endlich, vorn Quartier Trudaine, vom Quartier Berda, vom Quartier Tivoli, vom Quartier der Place de l’Europe, vom Quartier Beaujon; von den Rues de Milan. de Madrid, Chaptal, Boursauld, de Laval, de Lendres, d’Amsterdam, de Constantinopel, de Berlin, u.s.w.  u.s.w. war nach nicht die Rede. Quartiere, Plätze, Squares, Straßen, der Zauberstab der Fee, die man die Industrie nennt, hat sie alle aus der Erde hervorspringen gemacht, um als Gefolge für die Fürsten des Handels zu dienen, welche man die Eisenbahnen von Lyon, von Straßburg, von Brüssel, und vom Havre nennt.

In fünfzig Jahren wird Paris den ganzen Raum ausgefüllt haben, der heute zwischen seinen Vorstädten und seinen Festungswerken leer bleibt; dann wird Alles, was Vorstadt ist, Paris sein, und neue Vorstädte werden sich an allen Oeffnungen dieser ungeheuren Ringmauer ausdehnen.

Wir haben gesehen, was das physische Paris 1827 war; sehen wir nun, was das moralische war.

Karl X. regierte seit zwei Jahren; seit fünf Jahren war Herr von Villèle Präsident des Conceil; seit drei Jahren war Herr Delavau auf Herrn Anglès, der so schwer im Prozesse Manbreuil compromittirt, gefolgt.

König Karl X.war gut; er hatte ein zugleich schwaches und redliches Herz und ließ um sich die zwei Parteien wachsen. welche ihn, während sie ihn zu befestigen glaubten. stürzen sollten: die Ultra-Partei und die Priester-Partei.

Herr von Villèle war weniger ein Staatsmann, als ein Börsenmann; er wußte die öffentlichen Fonds in Bewegung zu setzen, zu verrücken, umzurühren, unter einander zu mengen; das war aber Alles. Uebrigens persönlich ein ehrlicher Mann, der sich von den Finanzen nach fünf Jahren, so arm. als er eingetreten war, und nachdem ihm Milliarden durch die Hände gegangen, zurückziehen sollte.

Herr Delavau war ohne persönlichen Werth, ganz und gar, nicht dem König, sondern der doppelten Partei, weiche in seinem Namen regierte,. Ergeben. Sein Personalchef forderte Beichtzettel von den Angestellten und selbst von den Agenten; man konnte nicht als Polizeispion angenommen werden, wenn man nicht wenigstens in einer der dem Tage der Zulassung vorhergehenden zwei Wochen gebeichtet hatte.

Der Hof war traurig und wurde nur erheitert durch die Jugend. das Bedürfniß nach Zerstreuung und die künstlerische Seite des Charakters der Frau Herzogin von Berry.

Die Aristokratie war ängstlich und gespalten: ein Theil klebte an den halb liberalen Traditionen von Ludwig XVIII. und behauptete, die Ruhe der Zukunft hänge von einer weisen Vertheilung der Gewalt unter die drei großen Staatskörper, den König, die Kammer der Pairs und die Deputirten-Kammern ab; der andere Theil warf sich mit aller Heftigkeit rückwärts, wollte 1827 wieder mit 1788 verknüpfen, leugnete die Revolution, leugnete Bonaparte, leugnete Napoleon, und glaubte keine andere Stütze nötig zu haben, als die an welcher sich Ludwig IX., ihr Ahnherr, und Ludwig XIV., ihr Vorfahre, festgehalten hatten, nämlich das göttliche Recht.

Das Bürgerthum war, was es zu allen Zeiten gewesen ist: ein Freund der Ordnung, ein Begünstigter des Friedens; es wünschte eine Aenderung und zitterte, diese Aenderung könnte stattfinden; es schrie gegen die Nationalgarde, gegen den Verdruß, Wachdienste thun zu müssen, und wurde wüthend. als man im Jahre 1828 die Nationalgarde auflöste. Im Ganzen folgte es dem Leichenbegängnisse des Generals Foy, nahm Partei für Grégoire und für Manuel, unterschrieb bei den Touquet-Ausgaben und kaufte zu Millionen die Tabaksdosen mit der Charte.

Das Volk war offen von der Opposition,. ohne genau zu wissen, ob es bonapartistisch oder republikanisch; es wußte nur, daß die Bourbonen nach Frankreich im Gefolge der Engländer, der Oesterreicher und der Kosaken zurückgekehrt waren. Da es aber die Engländer, die Oesterreicher und die Kosaken haßte. So haßte es natürlich auch die Bourbonen und wartete nur auf den Augenblick, sich Ihrer zu entledigen . . . Jede neue Verschwörung wurde mit freudigem Zuruf begrüßt: für das Volk waren Didier, Berton, Carré Märtyrer; die vier Sergenten von la Rochelle Götter!

Nachdem wir nun auf drei successiven Stufen vom König zur Aristokratie, von der Aristokratie zum Bürgerthum und vom Bürgerthum zum Volke herabgestiegen sind, steigen wir noch eine Stufe tiefer herab, und wir werden uns an den nur von den bleichen Laternen der Rue de Jerusalem beleuchteten Rändern der Gesellschaft befinden.

Nehmen Sie an, wir seien an den Abend der Fastnacht von 1827 versetzt.

Seit zwei Jahren gibt es keine Polizei-Maskeraden mehr; die Wagen, deren doppelte Reihe die Boulevards durchfurcht ganz beladen mit Poissarden und Malins, welche, so oft sie sich kreuzen, anhalten, sind Privatwagen.

Einige von diesen Wagen geübten im Grunde einem vortrefflichen jungen Manne Namens Labattue, der drei oder vier Jahre später an einer Brustkrankheit in Pisa sterben wird,. und obgleich er Alles in der Welt thut, daß man erfahre, daß diese ungeheuren Maskeraden, diese Hornbläser, diese Reiter ihm gehören, wollen die Zuschauer doch beharrlich nichts von seinem Namen wissen und thun Lord Seymour die Ehre an.

Unter den Cabarets sind am meisten in der Mode: bei der Courtille Desnoyers, der Salon de Flore, die Courtille; bei der Barrière du Maine Tonnelier.

Die besuchten Bälle sind: die Chaumière, gehalten von Lahire; – zwei Racen, welche heute zu verschwinden im Begriffe sind, tanzen dort auf dem Vulcan der sie verschlingen soll: die Studenten, die Grisetten; die Lorette und die Arthurs, welche ihre Stelle eingenommen haben, sind noch unbekannt: Gavarni wird für sie sein reizendes Auslader-Costume1 schaffen; der Prade der dem Justizpalaste gegenüber blinkt; das Colyssée. Das hinter dem Chateau d’Eau steht; die Porte Saint-Martin und Frankoni, welche allein mit der großen Oper das Privilegium der Maskenbälle haben.

Wohl verstanden, wir sprechen hier von der Oper nur der Erinnerung wegen: in der Oper tanzt man nicht, man geht spazieren, die Frauen im Domino, die Männer im schwarzen Frack.

Auf den andern Bällen, bei Desnoyers, im Salon de Flore. bei Tonnelier. in der Caumière, im Prado, im Colyssée. bei der Porte Saint-Martin, bei Frankoni tanzt man auch nicht: man chahuttirt.

Die Chahut war ein gemeiner Tanz, gegen den der Cancan das, was der Stummel und der Galgenknaster gegen die Havannah-Cigarre sind.

Tief unter allen diesen Orten, die wir genannt haben, sind die abscheulichen Löcher. die man Freischenken nennt.

Es gibt sieben in Paris:

,Zur Schwarzen Katze Rue de la Vieille Draperie, in der Cité;

Zum Weißen Kaninchen, dem Gymnase gegenüber;

Zu den Sieben Billards, in der Rue de Bondy; Hotel d’Angleterre, Rue Saint-Honoré, der Cirette gegenüber;

Bei Paul Niquet, Rue aux Fers;

Bei Baratte, in derselben Straße.

Endlich bei Bordier, an der Ecke der Rue Aubry-le-Boucher und der Rue Saint-Denis.

Zwei von diesen Freischenken haben Specialitäten.

Die Schwarze Katze vereinigt besonders die Diebe à la carouble und à la fourline; das Weiße Kaninchen die charrieurs, die scionneurs und die vantarniers.

 

Oh! Man beruhige sich. wir werden uns nicht in einen Rothwälsch-Dialog einlassen und ein Buch machen, das man nur mit Hälfe des schändlichen Wörterbuchs von Bicêtre und der Conciergerie verstehen kann.

Wir entledigen uns im Gegentheil, um nicht mehr darauf zurückzukommen, aller dieser ekelhaften Ausdrücke, die uns eben so sehr als unsern Lesern widerstreben würden.

Sagen wir also rasch, was die Diebe à la carouble und à la fourline, die charrieurs, die scionneurs und die vantarniers sind.

Die Diebe à la carouble sind Diebe mit falschen Schlüsseln.

Die Diebe à la fourline sind Leute, welche Börsen, Uhren, Schnupftücher aus den Taschen stehlen.

Die charrieurs sind diejenigen. welche bei den Wechslern unter dem Vorwande eintreten, sie wollen Stücke mit dem Bildniß dieses oder jenes Königs, mit dieser oder jener Jahreszahl wählen. und während die die verlangten Stücke wühlen, für fünfzig Franken davon in jeden Aermel schieben.

Die scionneurs sind diejenigen, welche mit einem Schnupftuche oder einem Stricke den Hals einer Person umwickeln, die sie bestehlen wollen, und sie auf ihre Schultern laden, während ihre Genossen sie durchstören.

Die vantarniers endlich sind diejenigen, welche nur zu stehlen, bei Nacht, mit Hilfe von Strickleitern durch die Fenster einsteigen.

Die fünf anderen Freischenken sind ganz einfach Sammelplätze von Dieben aller Kategorien.

Um diese ganze Bevölkerung von freigelassenen Galeerensklaven, von Betrügern, von Freudenmädchen, von Dieben aller Art, von Banditen jeder Gattung zu überwachen, hat ein Arrondissement nur sechs Inspectoren und einen Friedensbeamten; die Stadtsergenten sind noch nicht geschaffen und werden es erst 1828 durch Herrn von Belleyme.

Diese Inspectoren thun den Dienst in bürgerlicher Tracht.

Jede von ihnen verhaftete Person wird zuerst nach dem Saint-Martin-Saale, das heißt nach dem Depot geführt; hier hat man gegen sechzehn Sous für die erste Nacht und gegen zehn Sous für die anderen Nächte ein Recht auf ein besonderes Zimmer. Von da werden die Männer nach der Force oder nach Bicêtre, die Mädchen nach den Madelonettes in der Rue des Fontaines. Beim Temple, die Diebinnen nach Saint-Lazare in der Rue de Faubourg Saint-Denis geschickt.

Die Hinrichtungen finden auf der Grève statt.

Herr von Paris2 wohnt in der Rue des Marais Nr. 43.

Die erste Frage. die der Leser an sich selbst macht, oder die er an uns machen würde, wenn wir ihm nicht entgegen kämen, ist: »Da die Polizei weiß, wo die Diebe zu nehmen sind, warum nimmt sie dieselben nicht?«

Die Polizei kann nur auf frischer That verhaften, das Gesetz ist in diesem Punkte positiv, und die Diebe aller Klassen wissen das wohl.

Könnte die Polizei anders verhaften, als mit der Hand in der Tasche, so brauchte sie, da sie fast Alle kennt, nur ihr Garn in allen Winkeln und Höhlen von Paris auszuwerfen, und es gäbe keine Diebe mehr, oder in jedem.Falle so wenig, daß es nicht der Mühe werth wäre, sich darüber zu beklagen.

Heute besteht keine von diesen Freischenken mehr: die einen sind bei den Abbrüchen Verschwunden, welche die Verschönerung von Paris nothwendig machte die sondern sind geschlossen, erloschen, todt.

Bordier allein ist am Leben geblieben; doch die Freischenke von 1827 ist ein eleganter Laden von Spezereiwaaren geworden, wo man getrocknete Früchte, Confituren und seine Liqueurs verkauft, und hat nichts mehr von der unsauberen Höhle, in welche wir unsere Leser zu führen genötigt sind.

II
Die Cavaliere der Halle

Wir haben unsere Leser schon darauf aufmerksam gemacht, das erste Blatt unseres Buches trage das Datum der Fastnacht vom Jahre der Gnade 1827 an sich.

Nur berührte dieser Tag der äußersten Tollheit seine letzte Stunde: es sollte Mitternacht schlagen.

Drei junge Leute gingen Arm in Arm die Rue Saint-Denis hinab; zwei von ihnen trällerten die Hauptmotive der Quadrillen, die sie im Colyssée gehört, wo sie die ersten Stunden der Nacht zugebracht hatten; der Dritte beschränkte sich darauf, daß er spielend in den goldenen Knopf eines Stöckchens biß.

Die zwei Trällernden trugen die Livree des Tages und die Verkleidung jener Zeit.

Der Dritte, derjenige, welcher nicht sang, der in der Mitte zwischen den zwei Andern ging. der der Aelteste von den Dreien zu sein schien, oder wenigstens der Ernsthafteste. der seine zwei Freunde um einen Kopf überragte und, wie gesagt. in den Knopf seines Stockes biß, – war in einen von den braunen Tuchmänteln mit Sammetkragen gehüllt, wie man sie zu jener Zeit trug, heute aber nur noch an den Giebeln der Werte von Chateaubriand und Byron sieht.

Dieser kaut aus einer Künstler-Soirèe, welche in der Rue Sainte-Appoline stattgefunden hatte.

Unter seinem Mantel war er bekleidet mit schwarzen langen Hosen, die ein nerviges Bein mit feinen Gelenken hervorheben, und an seinem zierlichen Fuße trug er einen durchbrochenen seidenen Strumpf und einen lackierten Escarpin; militärisch zugeknöpft, – obschon es sichtbar war, daß der Mann durchaus in keiner Beziehung zur Armee stand. – ließ sein schwarzer Frack oben und unten nur die äußersten Enden einer weißen Piquéweste vorschauen; sein Hals spielte bequem in einer Binde von schwarzem Atlaß. und sein Kopf, dessen Haare sich von Natur kräuselten, war bedeckt mit einem von jenen abgeplatteten Hüten, die man auf dem Ball unter dem Arme trug und, wenn man wegging, bis auf die Ohren eindrückte, eine Kopfbedeckung, die man Claque-Hut nannte.

Hätten die spärlichen Wanderer. welche zu dieser Stunde der Rue Saint-Denis folgten, den Mantel aufheben können, in den sich der Unbekannte drapiere, dessen Anzug wir in diesem Augenblicke beschreiben, sie würden sich versichert haben. daß dieses unter dem Knöchel zugeknöpfte und wie Tricot anliegende Beinkleid. dieser Frack mit dem eleganten Schnitt und den anmuthig fallenden Schößen. diese Weste von englischem Piqué mit ciselirten goldenen Knöpfen offenbar aus dem Magazin von einem der ausgezeichnetsten Schneider des Boulevard de Gand kamen und für einen von den jungen Modeherren verfertigt werden waren. die man zu jener Zeit noch Dandys nannte, während man sie heute mit dem schon ein wenig abgenutzten Namen Löwen bezeichnet.

Und dennoch schien derjenige, welcher diese Kleidung trug, entfernt nicht die Prätension zu haben, für einen Elegant gelten zu wollen; es genügte in der That, ihn einen Moment anzuschauen. um die Gewißheit zu erlangen, daß man vor den Augen nicht das hatte, was man einen Mann nach der Mode nennt: er hatte in seinem ganzen Wesen etwas, was eine zu große Unabhängigkeit der Bewegungen offenbarte, um auf eine von den Gliederpuppen, welche Sklaven der Falten ihrer Halsbinde oder der Steife ihres Kragens sind, anwendbar zu sein. Sodann hatten sich seine Hände, als widerstrebte ihnen diese fashionable Fessel, bei seinem Abgange aus der Soirèe eiligst der Handschuhe entledigt, was am Zeigefinger der Rechten einen von den dicken Ringen zu sehen erlaubte, welche, genannt Ringe à la chevalièr als Siegel dienten, mochten sie nun mit einer persönlichen Devise oder einem Familienwappen versehen sein.

Uebrigens bildeten die zwei anderen jungen Leute einen seltsamen Contrast mit dieser Art von Byron’schen Erscheinung. Costümirt, wie wir schon bemerkt haben, als Starke der Halle oder vielmehr als Malins, wie man damals sagte. bekleidet mit Westen von weißem Plüsch mit kirschrothem Kragen und weiß und blau gestreiften Atlaßhosen; den Leib umschloßen der Eine mit einem rothen Kaschemir. der Andere mit einem gelben; an den Füßen seidene Strümpfe mit goldenen Zwickeln und Schuhe mit Diamantschnallen; von oben bis unten mit Bändern von allen Farben aufgeputzt; den langhaarigen Hut umgeben mit einer Guirlande von weißen und rosenfarbigen Camelien, von denen die bescheidenste in dieser Jahreszeit nicht weniger als einen Thaler bei Madame Bayen oder bei Madame Prevost, den damals berühmtesten Blumenhändlerrinnen, kostete; die Wangen hoch gefärbt vom Purpur der Jugend, das Feuer in den Augen, die Freude auf den Lippen, die Fröhlichkeit tut Herzen, die Sorglosigkeit in goldenen Buchstaben auf ihre ganze Person geschrieben, waren diese zwei jungen Leute wohl die doppelte Verkörperung der französischen Heiterkeit, das Bild der lustigen Vergangenheit, deren Leichenbegängniß ihr Freund, schwarz gekleidet, düster wie die Zukunft, frommer Waise anzuführen schien.

Wie fanden sich nun diese der Tracht nach und wie es schien, den Charakteren nach so verschiedenen Männer beisammen, und warum gingen sie zu Fuß zu einer solchen Stunde in einer der fünfzig kothigen Straßen, welche Paris vom Boulevard Saint-Denis zum Quai de Gèvres durchziehen?

Das ist ganz einfach: die zwei Starken hatten keinen Wagen vor der Thüre des Colyssée gefunden; der junge Mann mit dem braunen Mantel hatte vergebens einen in der Rue Sainte-Appoline gesucht.

Schon ziemlich erhitzt durch den Punsch und den Bischof hatten die zwei Starken beschlossen, Austern in der Halle zu essen.

Bei voller Vernunft erhalten durch ein paar Gläser Orgeat und Johannisbeersaft. kehrte der junge Mann mit dem braunen Mantel, um sich schlafen zu legen, nach seiner Wohnung, in der Rue de l’Université, zurück.

Alle Drei begegneten sich zufällig an der Ecke der Rue Saint-Appoline und der Rue Saint-Denis; die zwei Malins erkannten einen Freund in dem jungen Manne mit dem braunen Mantel, der sie sicherlich nicht erkannt hätte.

Beide riefen einstimmig:

»Sieh da! Jean Robert!«

»Ludovic! Petrus! erwiderte der junge Mann mit dem braunen Mantel.

Im Jahre 1827 nannte man sich nicht mehr Pierre, sondern Petrus, nicht mehr Louis, sondern Ludovic.

Alle Drei drückten sich die Hände auf das Innigste, und man fragte einander, was man zu einer so ungewöhnlichen Stunde auf dem Pflaster des Königs mache.

Die Erklärung wurde von beiden Seiten gegeben.

Wonach die zwei Malins. von denen der Eine, Petrus, ein Maler, und der Andere, Ludovic, ein Arzt, ihrem Freunde, der ein Dichter war, so dringlich zuredeten, er möge mit ihnen bei Bordier in der Halle zu Nacht speisen, daß Jean Robert einwilligte.

Das war also unter ihnen festgesetzt worden, und nach der Geschwindigkeit ihres Marsches dem Ziele zu hätte man glauben können, es sei dies ein Entschluß, von dem Keiner von den Dreien wieder abgehen Würde, als plötzlich, zwanzig Schritte von der Cour Batave, Jean Robert stehen blieb.

»Ah!« fragte er, »nicht wahr, es ist fest beschlossen, daß wir zu Nacht speisen? . . . Bei wem sagt Ihr?«

»Bei Bordier.«

»Gut! bei Bordier?«

»Gewiß ist es fest beschlossen,« erwiderte einstimmig Petrus und Ludovic; warum nicht?«

»Weil es immer noch Zeit ist, zurückzuweichen, wenn man eben eine Dummheit machen will.«

»Eine Dummheit! Und worin?«

»Ei! darin, daß Ihr, statt ruhig bei bei Very, bei Philippe oder bei den Frères-Provencaux zu soupieren, die Nacht in einer gemeinen Schenke zubringen wollt, wo wir einen Aufguß von Campecheholz unter dem Vorwande von Bordeaux trinken und Katzenfleisch statt Gehägekaninchen essen werden.«

»Was Teufels hast Du denn heute Abend gegen Katzenfleisch und Campecheholz, o Dichter? fragte Ludovic.«

»Mein Lieber,« fragte Petrus, »Jean Robert hat einen großen Succeß im Theâtre-Francais gehabte er gewinnt hundert und fünfzig Franken alle zwei Tage; seine Taschen sind voll Gold, und er ist Aristokrat geworden.«

»Werdet Ihr nicht etwa sagen, Ihr geht aus Sparsamkeit dorthin?«

»Nein,« erwiderte Ludovic: »um ein wenig von Allem zu befühlen.«

»Puh! eine schöne Notwendigkeit!« rief Jean Robert.

Ich erkläre,« sprach Ludovic, »daß ich mich nur mit diesem einfältigen Costume, in Dem ich ansehe wie ein Müller der bei der Conscription gezogen, aufgeputzt habe, um heute Abend in der Halle zu soupieren: ich soupiere dort, oder ich soupiere gar nicht.«

»Ah! ja,« versetzte Petrus, »Du sprichst als Mediciner; das Hospital und das Amphitheater der Anatomie haben Dich auf alle Schauspiele, so häßlich sie sein mögen vorbereitet; als Philosoph und Materialist bist Du gepanzert gegen alle Ueberraschungen. Ich, der ich in meiner Eigenschaft als Maler nicht immer Campechwein zu trinken und Katzenfleisch zu essen gehabt habe; ich, der ich in den Vorschlag der Löwen eingetreten und in den Graben der Bären hinabgestiegen bin, wenn ich nicht drei Franken hatte, um den Vater Saturnin oder Mademoiselle Rosine die Blonde zu mir herauskommen zu lassen; ich bin nicht ekel . . . Gott sei Dank! Aber,« fügte er bei, indem er auf seinen Gefährten mit der hohen Gestalt deutete. »dieser eindrucksfähige junge Mann, dieser empfindsame Dichter, dieser Erbe von Byron, dieser Fortsetzer von Göthe, kurz dieser Jean Robert, welches Gesicht wird er in dem schlechten Hause machen? Hat er mit seinen kleinen Händen, mit seinem kleinen Fuß, mit seinem reizenden creolischen Accent die geringste Idee von der Art, wie man sich in der Welt, in der wir ihn vorstellen wollen benehmen muß? Hat er sich je nur gefragt. er, der bei der Nationalgarde nie mit dem linken Fuß abgehen konnte, mit weichem Fuße man in eine Freischenke eintrete, und seine keuschen, an den Jungen Kranken von Millevohe und an die Junge Gefangene vom Andrè Chenier gewöhnten Ohren, sind sie auch beschaffen, um die kleinen Scherze anzuhören, welche unter sich die Nachtcavaliere austauschen, welche diesen Ort emailliren? . . . Nein! . . . Was will er denn bei und machen? Wir kennen ihn nicht! Wer ist dieser Fremde, der sich in unsere Feste zu mischen wagt? Vade retro, Jean Robert!«

 

»Mein lieber Petrus,« antwortete der junge Mann, welcher der Gegenstand einer Diatribe gewesen, bei der wir, so weit es in unserer Macht lag, den Geist beibehielten, der zu jener Zeit in den Ateliers gang und gäbe war, »mein lieber Petrus, Du bist nur halb trunken, doch Du bist ganz Gasconier.«

»Ah! gut! ich bin von Saint-Lo! Wenn es Gasconier in Saint-Lo gibt, so wollen wir auch behaupten, es gebe Normannen in Tabres.«

»Nun denn! ich sage Dir, Gasconier von Saint-Lo! Du stellst Fehler zur Schau, die Du nicht hast, um gute Eigenschaften, die Du besitzt, zu verkleiden. Du spielst den Sittenlosen, weit Du naiv zu scheinen befürchtest; Du spielst das schlimme Subjekt, weil Du gut zu scheinen eröthest! Du bist nie in den Verschlag der Löwen eingetreten; Du bist nie in den Graben der Bären hinabgestiegen, und Du hast nie den Fuß in eine Schenke der Halle gesetzt, ebenso wenig als Ludovic, ebenso wenig als ich, ebenso wenig als die jungen Leute, die sich achten, oder die Handwerker, welche arbeiten.«

»Amen!« sprach Petrus gähnend.«

»Gähne und spotte« so lange Du willst, prunke mit Deinen eingebildeten Lastern, um die Galerien zu blenden, weil Du hast sagen hören, alle große Männer haben Laster gehabt, Andrea del Sarto sei Dieb gewesen, Rembrandt Völler; doch vor uns, die wir Dich als gut kennen, doch vor mir, der Dich wie einen jüngeren Bruder liebt, bleibe, was Du bist, Petrus: offenherzig und naiv, gefühlvoll und enthusiastisch. Ei! mein Lieber, wenn es erlaubt ist, blasiert, abgestumpft zu sein, – meiner Ansicht nach ist dies nie erlaubt, – so sei es gestattet, wenn man geächtet war wie Dante, verkannt wie Marchiavelli, oder verrathen wie Byron. Bist Du verrathen, verkannt oder geächtet gewesen? Betrachtest Du das Leben von der traurigen und unfruchtbaren Seite des Horizonts? sind Millionen in Deinen Händen zerschmolzen, ohne etwas Anderes darin zurückzulassen, als den Schmutz des Undanks oder die Narbe der Enttäuschung? Nein, Du bist jung, Du verkaufst Deine Bilder, Deine Geliebte ist Dir aufs Innigste ergeben, die Regierung hat bei Dir einen Tod des Sokrates bestellt: Ludovic wird Dir, wie des verabredet ist, als Phädon stehen, ich stehe Dir als Alcibades; was Teufels willst Du mehr? . . . In einer Freischenke zu Nacht speisen? Speisen wir mein Lieber! Das wird wenigstens ein Resultat haben: das Dich dergestalt anzuekeln, daß Du in Deinem Leben nicht mehr wirst dahin zurückkehren wollen.«

»Bist Du zu Ende, Mann mit dem schwarzen Frack?« sagte Petrus.

»Ja, ungefähr.«

»So laß uns weiter gehen.«

Petrus setzte sich in Marsch, indem er ein halb bacchisches, halb obszönes Lied anstimmte, als hätte er sich selbst beweisen wollen, die ernste und liebevolle Lection,die er von Jean Robert empfangen, habe keinen Eindruck auf ihn hervorgebracht.

Bei der letzten Strophe war man mitten in der Halle; es schlug halb ein Uhr in der Saint-Eustache-Kirche.

»Ah!« sagte Ludovic, der, wie man gesehen, wenig Theil an dem Gespräche genommen hatte und, ein nachdenkender und beobachtender Geist« sich leicht führen ließ, wohin man ihn führen wollte, überzeugt, überall, wohin der Mensch gehe, möge man ihn dem Menschen oder der Natur gegenüber führen, werde er Stoff zur Beobachtung oder zur Träumerei finden, »ah! es handelt sich nun darum, eine Wahl zu treffen . . . Treten wir bei Paul Niquet, bei Barutte oder bei Bordier ein?«

»Bordier ist mir empfohlen: treten wir bei Barbier ein,« erwiderte Petrus.

»Treten wir bei Bordier ein!« wiederholte Jean Robert«

»Wenn Du nicht etwa Deine Gewohnheiten oder Deine Zuneigungen in einem an dem Tempel hast, keuscher Säugling der Musen!«

»Oh! Du weißt wohl, daß ich nie in dieses Quartier gekommen bin . . . Wir gleichviel also! . . . Wir werden überall schlecht soupieren, und ich gebe keiner von diesen Schenken den Vorzug.«

‹Wir sind an Ort und Stelle. Scheint Dir die Schenke hinreichend einäugig?«

»Ich finde sie sogar blind!«

»Dann laß uns eindringen.«

Und seinen Hut auf sein Ohr drückend, lief Petrus in die Schenke mit der Ungezwungenheit, mit dem Sans facon und der Dreistigkeit eines alten Stammgastes der Anstalt.

Seine zwei Freunde folgten ihm.

1Les débardeurs, Auslader der Schiffe, haben in Paris eine besonders reizende Tracht.
2Das ist der Titel dies Henkers.
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