Eroberungen

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Formen und Funktionen sexueller Gewaltakte

Erst mit den Verfahren vor den Internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien (ICTY, seit 1994) und für Ruanda (ICTR, seit 1997) sowie mit dem im Jahr 2000 in Kraft getretenen Statut des ständigen Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag (IStGH) wurden sexuelle Gewalttaten im Völkerrecht neu bewertet und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schwere Kriegsverbrechen und Völkermord kodifiziert.[218] In die neue Rechtsprechung flossen auch Erkenntnisse aus der feministischen Forschung ein. Maßgebend ist die Einsicht, dass die Ausübung sexueller Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten kein vereinzeltes» Kavaliersdelikt «ist, sondern regelhaft ausgeübt wird, um das gegnerische Kollektiv zu schädigen. Da zum Auftrag einer Armee gemeinhin auch der Schutz und die Verteidigung der» eigenen «Frauen gehören, ist es naheliegend, dass die Frauen des Gegners zu einem zentralen Angriffsziel werden können. Sie verkörpern nicht nur das zu verteidigende Territorium; sondern gelten auch als diejenigen, die das (biologische und soziale) Fortleben einer Gesellschaft sichern und ihre Kultur vermitteln.[219] Ein Angriff auf die sexuelle Identität, Intimsphäre und Reproduktionsfähigkeit vermag daher zu einer Waffe zu werden, um das soziale Gefüge, die Kultur und die biologischen Grundlagen des Gegners zu zerstören.[220] In den Worten Ruth Seiferts ausgedrückt, stellt der weibliche Körper eine» symbolische Repräsentation des Volkskörpers «dar, womit die Vergewaltigung von Frauen zur» symbolischen Vergewaltigung des Körpers dieser Gemeinschaft «wird.[221]

Diese neue Betrachtungsweise sexueller Gewalt ist seit den 1990er Jahren international auf viel Resonanz gestoßen. Inzwischen konzentriert sich die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema immer stärker auf Vergewaltigung als Waffe in genozidalen Konflikten; die geschlechtsspezifischen Aspekte des Verbrechens drohen dabei gar verdrängt oder verleugnet zu werden.[222] Vor diesem Hintergrund ist die neuere Rechtsprechung bereits wieder in die Kritik geraten.[223] Unabhängig von solchen Erwägungen zu den gesellschaftspolitischen Interpretationen und der juristischen Praxis haben jedoch gerade die Entwicklungen im Völkerrecht dazu geführt, dass der Blick auf sexuelle Gewaltverbrechen in den letzten Jahren wesentlich genauer geworden ist. Insbesondere die Ausdifferenzierung der Tatbestände danach, ob es sich um erzwungene Nacktheit, sexuelle Folter, Vergewaltigung mit dem Penis, Vergewaltigung mit den Händen, Vergewaltigung mit Gegenständen, sexuelle Versklavung, erzwungene Prostitution, Zwangsschwängerung oder erzwungene Schwangerschaft[224] handelt, macht das Spektrum der Verbrechen – die Unterschiedlichkeit der Motive, des Geschehens, der Funktionen und der Bedeutungen – deutlich.[225]

Im Zusammenhang damit hat sich auch gezeigt, dass ein Teil der sexuellen Gewalttaten die vorherrschenden geschlechtsspezifischen Erwartungen unterläuft. So kennen wir heute zum Beispiel einige Fälle, in denen Frauen die Männer in ihrer Umgebung zu sexueller Gewalt (gegen Frauen und gegen Männer) angestiftet oder derartige Taten selbst verübt haben.[226] Die detaillierte Dokumentation sexueller Gewalttaten in kriegerischen Konflikten, die in den letzten Jahren vor allem von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch durchgeführt worden ist, belegt überdies, dass es in vielen bewaffneten Konflikten zu sexueller Gewalt gegen Männer kommt – laut Ruth Seifert eines der» am besten gehüteten Tabus unserer Kultur«.[227] Nach der Auffassung der Opfer wie auch der Täter wird ein Mann durch seine sexuelle Unterwerfung feminisiert und zumindest symbolisch aus dem männlichen Herrschaftsverbund ausgeschlossen.[228] Bis heute ist es daher für viele Männer unmöglich, sich (und anderen) einzugestehen, zum Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein. Tatsächlich ist gerade Vergewaltigung ein Begriff, der fast ausschließlich für Gewalttaten gegen Frauen reserviert bleibt. Antije Krog interpretiert dies als sexistische Abgrenzung:»Dadurch machen sie [die Männer, R. M.] Vergewaltigung zu einer Frauensache.«[229]

 

Im Lichte derartiger Debatten, die deutlich machen, dass das Phänomen sexuelle Gewalt weitaus vielschichtiger ist, als lange angenommen, sollen im Folgenden die historischen Quellen betrachtet werden. Dabei definiere ich manche Gewaltakte als sexuell, die von den Zeitzeuginnen und – zeugen vermutlich nicht (oder jedenfalls nicht bewusst) so verstanden worden sind.[230] Erzwungenes Auskleiden oder Leibesvisitationen beispielsweise lassen sich durchaus als sexuelle Übergriffe deuten, zumal wenn sie mit anderen Gewaltformen einhergehen. Ebenso wird die Begutachtung des Penis, um zu überprüfen, ob ein Mann beschnitten ist – und daraus Rückschlüsse auf seine Religion zu ziehen —, in der Forschung immer häufiger als Angriff gegen die sexuelle Integrität von Jungen und Männern gewertet.[231]

Im deutschsprachigen Raum wird heute oftmals der Begriff sexualisierte Gewalt für die hier zur Debatte stehenden Gewalttaten verwendet. Dahinter steht der Gedanke, dass es bei dieser Form von Gewalt nicht um Sexualität geht, sondern um» die Ausübung von Macht auf Seiten der Täter, um Erniedrigung, Demütigung und Zerstörung«, wie Karin Griese es in ihrer Einleitung zu dem Sammelband» Sexualisierte Kriegsgewalt und ihre Folgen «formuliert.[232] Den Anstoß zu solchen Überlegungen gab Susan Brownmiller 1975 in ihrem Buch» Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft«, in dem sie die vorherrschende gesellschaftliche Annahme, Vergewaltigung sei sexuell motiviert, als Ursache dafür ausmachte, dass Frauen eine (Mit-)Schuld für ihre Vergewaltigung zugesprochen bekamen. Die gängigen Vorstellungen von männlicher und weiblicher Sexualität suggerierten laut Brownmiller, Frauen würden erobert und vergewaltigt werden wollen – eine Sichtweise, die sie als Männerphantasien zurückwies.[233] Stattdessen vertrat sie die These, Sexualität stelle bei Vergewaltigungsfällen kein eigenständiges Motiv dar, sondern sei lediglich ein Machtmittel, mit dem Männer Frauen unterwerfen.[234]

Solche Thesen von Brownmiller und anderen haben einen Prozess des Umdenkens ausgelöst. Frauen wird bei Vergewaltigungen zwar nach wie vor häufig eine (Mit-)Schuld unterstellt, dennoch haben sich Medienberichterstattung und Rechtsprechung seit den 1970er Jahren in vielen Ländern deutlich verändert. Brownmillers Trennung von Gewalt (als Effekt patriarchaler Macht) und Sexualität (als Ausdruck oder Mittel dieser Macht) ist gleichwohl problematisch. Denn sie verschleiert das Spezifische dieser Art von Gewalttaten. Sie negiert, dass auch gewaltsamer Sex Sexualität ist: Ein Vergewaltiger empfindet Lust, er genießt es, den (physisch und psychisch verfassten) Körper eines anderen Menschen gegen dessen Willen in Besitz zu nehmen. Und diejenigen, die in einer solchen Situation Ohnmacht erfahren, sind nicht nur mit den Aggressionen des Angreifers konfrontiert, sondern auch mit seiner sexuellen Übermacht.[235]

In Abgrenzung von Brownmiller begreift Ann Cahill Vergewaltigung als» verkörperte Erfahrung«. Eine Person wird zum Opfer, weil sie im Moment der Tat auf ihre körperlichen Eigenschaften als Frau oder Mann reduziert wird. Und genau diese Reduktion macht den Angriff immer auch sexuell. Dabei erachtet Cahill es als zweitrangig, ob die Motivation des Täters primär sexuell ist oder in seinem Bedürfnis nach Macht begründet liegt. Sie macht vielmehr deutlich, dass beides untrennbar miteinander verwoben ist,[236] und wird damit meines Erachtens der Spezifik des Phänomens eher gerecht. Im Anschluss an Cahill spreche ich daher hier von sexueller Gewalt.[237]

Welche unterschiedlichen Formen diese im Kontext des Vernichtungskrieges in der Sowjetunion annehmen konnte, wird im Folgenden dokumentiert. Dabei unterscheide ich zunächst zwischen unterschiedlichen Kriegs- und Besatzungssituationen. Gegen wen richteten sich die Gewaltakte; machten die Täter Unterschiede im Hinblick auf den nationalen, ethnischen oder religiösen Hintergrund der Opfer? Und welche Funktionen erfüllte sexuelle Gewalt – für sich genommen, aber auch an andere Gewaltformen gekoppelt? Im Anschluss an diese Fragen gehe ich dann der Innensicht der Truppe nach: Wie wurde sexuelle Gewalt innerhalb der Wehrmacht und der SS verhandelt, und wie gingen die Militärführung und die einzelnen militärischen Einheiten mit solchen Gewalttaten um?[238]

Situationen

Eine Untersuchung der Geschichte sexueller Gewalt während des Krieges und der Besatzung in der ehemaligen Sowjetunion stützt sich zwangsläufig auf Überlieferungen, die von zeitgenössischen Vorstellungen und subjektiven Erfahrungen heterosexueller Gewalt sowie von geschlechtsspezifischen Zuschreibungen von Schuld und Scham geprägt sind. In vielen Fällen geben die Quellen nur wenige verlässliche Details wieder. Man kann heute in der Regel nicht nachweisen, ob das Beschriebene sich tatsächlich auf diese Weise zugetragen hat. Zudem muss man damit rechnen, dass Betroffene oder Augenzeuginnen und – zeugen Details verschweigen, etwa weil sie ihnen zu intim erscheinen, oder ausschmücken, um die besondere Grausamkeit der Täter zu betonen (womit zumindest im Subtext unterstrichen wird, dass die Opfer den deutschen Männern hilflos ausgeliefert waren und es außerhalb des Möglichen lag, Gegenmaßnahmen zu ergreifen).[239]

Angesichts dieser Problematik geht es in den folgenden Ausführungen weniger um die einzelnen Erzählungen, die lediglich als Beispiele herangezogen werden, sondern ausschlaggebend sind die Fülle und das Ensemble der Quellen: Zu jeder Schilderung gibt es andere, die ähnliche sexuelle Gewalttaten beschreiben. In der Gesamtschau werden auch die geschlechtsspezifischen Besonderheiten in den Erzählweisen deutlich – von Tätern, Opfern, Zuschauerinnen und Zuschauern. Da der Fokus dieser Arbeit darauf liegt, den Umgang mit sexueller Gewalt in den» besetzten Ostgebieten «generell zu beleuchten, werden hier Erzählungen aus unterschiedlichen Territorien nebeneinandergestellt; das jeweilige Kriegsgeschehen vor Ort wird dabei nur in Umrissen nachgezeichnet.

Eroberung

Am 22. Juni 1941 marschierten die deutschen Truppen in die UdSSR ein. Sie drangen rasch vor, und Städte wie Wilna[240] und Kauen[241] (Litauen), Bialystok[242] und Minsk[243] (Weißrussland) oder Riga[244] (Lettland) wurden binnen weniger Tage eingenommen. Auf den Fotografien, die die Soldaten in den ersten Wochen der Besatzung aufnahmen, sind häufig Einheimische, insbesondere Frauen, zu sehen, die die Fremden freundlich und neugierig willkommen heißen.[245] Solche Aufnahmen waren keineswegs gestellt; sie spiegelten die Stimmung einer breiten Mehrheit in den annektierten Westgebieten der Sowjetunion wider, die den Deutschen zwar abwartend, aber durchaus positiv gegenüberstand, galten diese doch als» Befreier von den Bolschewisten«.[246] Antisemitismus war weit verbreitet, zumal große Teile der Gesellschaft die Juden mit dem verhassten kommunistischen System gleichsetzten.[247] Die jüdische Bevölkerung war von Beginn an mit Verfolgungsmaßnahmen und Gewalt konfrontiert. Der Überlebende Jefim Gechtman erlebte die Eroberung in Riga. In seinen Aufzeichnungen, die er noch während des Krieges verfasste, berichtet er auch von sexueller Gewalt:

 

In dieser ersten Nacht des Besatzungsregimes veranstalteten die Offiziere des Württemberg-Badischen Grenadier-Regiments in der Marinska-Straße Nr. 10 ein Saufgelage. Zu dieser Orgie ließen sie sich einige Dutzend jüdischer Mädchen kommen, zwangen sie, sich völlig zu entkleiden, zu tanzen und zu singen. Viele der Unglücklichen wurden vergewaltigt, danach auf den Hof geführt und erschossen.[248]

Gechtmann schildert eine Situation direkt nach der Einnahme der Stadt. Als Hauptverantwortlichen für die Orgie nennt er einen Hauptmann Bach. Sein Bericht ist eindeutig und bleibt doch ungenau. Man erfährt weder, wer die Jüdinnen auf welche Weise dazu gebracht hat, in das genannte Haus zu kommen, noch, was mit den Frauen geschah, die nicht ermordet wurden. Tatsächlich sind die meisten Aussagen über sexuelle Gewalttaten von solchen Unklarheiten geprägt.[249]

Auch aus dem Bericht eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten wissen wir, dass manche Männer die unübersichtliche Situation in den ersten Tagen nach der Einnahme einer Stadt nutzten, um in Privathäuser einzudringen und Frauen, auch Jüdinnen, zu vergewaltigen. Eltern oder Nachbarn, die versuchten, den Frauen zu Hilfe zu kommen, liefen wie die Vergewaltigungsopfer Gefahr, sofort umgebracht zu werden.[250] Die» sexuelle Eroberung «der Frauen des Feindes stellte offenbar eine Form der Belohnung für den militärischen Erfolg dar. Ruth Seifert hat darauf hingewiesen, dass es in der historischen Gesamtschau zu den ungeschriebenen Gesetzen des Krieges gehört, dem Sieger in den kurzen entregelten Phasen unmittelbar nach Kämpfen Gewalt gegen Frauen zuzubilligen. Diese Verbrechen werden von den Militärbehörden üblicherweise unter Androhung hoher Strafen verboten, aber in der Realität zumeist nur in Ausnahmefällen angeklagt und im Ganzen vertuscht, verschwiegen und verleugnet.[251]

Auch für die deutschen Soldaten existierten entsprechende Verbote, wie im Verlauf dieses Kapitels noch gezeigt werden wird. Am strengsten untersagt waren sexuelle Kontakte mit Jüdinnen, stellten sie doch einen Verstoß gegen die» Rassegesetze «dar.[252] Gleichwohl hielten sich die Männer offenbar nicht strikt daran, gibt es doch zahllose Berichte über sexuelle Erniedrigungen und Vergewaltigungen von Frauen, die im Sinne der NS-Rassenideologie als Jüdinnen verachtet wurden. Für die Frontdivisionen, die als Erste in immer neue Gebiete vordrangen und oft nur wenige Tage in einer Region blieben, war häufig nicht erkennbar, ob es sich bei den Frauen, die ihnen begegneten, um Jüdinnen handelte.[253] Sobald die Kampfhandlungen im Wesentlichen vorüber waren, setzte die Wehrmacht jedoch eine Militärverwaltung ein, die die Bevölkerung registrierte, worunter auch die Erfassung und Kennzeichnung der jüdischen Einwohnerschaft fiel.[254] Aber auch danach kam es weiterhin zu Vergewaltigungen jüdischer Frauen. Oft scheinen Wehrmachts- und SS-Angehörige davon ausgegangen zu sein, dass das Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Jüdinnen – zwecks Vermeidung von» Rassenschande«– im» Osten «weniger ernst genommen werde als innerhalb der Reichsgrenzen.

Einige Zeuginnen und Zeugen berichten auch, deutsche Soldaten hätten gerade junge jüdische Frauen sexuell gequält und ihnen gewissermaßen vorgehalten, dass der intime Kontakt mit ihnen verboten war; oder sie hätten sie mit dem Hinweis, sie seien zu schön, getötet.[255] Ein besonders detailreicher Bericht stammt von Sala Pawlowicz, die ihre Erinnerungen 1964 unter dem Titel» I will survive «veröffentlicht hat. Es handelt sich um eine der wenigen Schilderungen, in denen eine Frau ihr eigenes Erleben sexueller Gewalt sehr ausführlich darstellt; daher soll sie hier wiedergegeben werden, auch wenn sich das Geschilderte bereits Ende 1939 in Polen zutrug. Im Alter von 15 Jahren erlebte Sala Pawlowicz die deutsche Besetzung von Lask.[256] Schon zu Beginn der militärischen Besetzung wurde sie gemeinsam mit anderen Jugendlichen zur Arbeit für die Deutschen verpflichtet. Eines Tages bemerkte sie, dass der Polizist, der ihre Gruppe bewachte – ein sogenannter Volksdeutscher —, sie beobachtete. Schließlich fragte er sie, ob sie jüdisch sei, und sie bejahte. Als sie am selben Abend auf der Polizeistation darauf wartete, nach Hause gehen zu dürfen, sprach ebendieser Bewacher sie wieder an:

«Du! Du mit den roten Haaren!«, rief er und zeigte auf mich.»Komm hierher, der Rest von euch Versagern, verschwindet, bevor ich anfange zu kotzen! Bewegt euch!«Ich wollte mich mit den anderen auf den Weg machen.»Du! Verdammt, du da, komm hierher!«Irgendwie drehte ich mich um und stieg die Stufen hoch.»Abschaum!«Er ließ seine Reitpeitsche über meinen Rücken sausen und stieß mich in den Raum hinein. Dort unterhielten sich andere Deutsche. Der Offizier ließ mich in der Mitte des Raumes stehen und sprach eine Minute mit ihnen. Sie lachten und zeigten mit obszönen Gesten auf mich. Ich konnte nicht hören, was sie sagten, in meinem Kopf drehte sich alles. Ich hatte ein oder zwei der Mädchen gesehen, über die sie sich hergemacht hatten. Mir wurde übel, und ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie es mir ergehen mochte.

Der junge Polendeutsche kam zurück und ging vor mir auf und ab.»Gut, du, streif das ab!«Ich starrte ihn an.»Zieh dich aus!«Mein Gesicht wurde heiß und prickelte. Mit schweren Fingern knöpfte ich langsam meine Bluse auf, dann wurden meine Hände durch ihr eigenes Gewicht herabgezogen.

«Was? Immer noch taub? Aus! Aus! Das ist nicht aus, meine Liebe, das ist nur aufgeknöpft!«Ich streifte die Bluse ab und ließ sie auf den Boden fallen. Er sah mich einige Sekunden lang an.»Was ist los? Du schämst dich doch nicht etwa? Du bist nichts Besonderes, aber ich mag dich! Komm schon, komm schon! Mach weiter!«Ich war unfähig, mich zu bewegen.»Dann werde ich es für dich tun!«, schrie er und riss meinen Rock und meinen Unterrock herunter.»Das ist ein Anfang! Nun lass uns zum Rest kommen!«Und er riss meine Unterwäsche herunter. Ich blinzelte und taumelte rückwärts, meinen Körper bedeckend.

«Steh auf!«Er packte mich und zerrte mich hoch.»Lass uns das mal angucken!«Er schlug mich ins Gesicht.»Hier, nun … sehr hübsch … sehr hübsch, meinst du nicht?«Er drehte sich zu den anderen, und sie nickten und lachten.

Der Raum drehte sich immer schneller vor meinen Augen. Ich spürte seine Hände auf mir, und dann war ich in einem kleinen Büro und der Deutsche hielt eine lange, schwere Peitsche in der Hand.»Du weißt nicht, wie man gehorcht … Ich werd’s dir zeigen. Aber ich kann dich nicht haben, du Abschaum, weil du jüdisch und dreckig bist. Was für eine Schande!«Er zog die Peitsche über meine Brüste.»Das ist es, was du statt meiner bekommst, dafür, dass du eine dreckige Judin bist!«Er schlug mich immer wieder mit der Peitsche, und ich wurde ohnmächtig.[257]

Sala Pawlowicz’ Beschreibung macht deutlich, dass ihr Peiniger sie zu bestrafen suchte, weil er sie begehrte, es aber seinen Überzeugungen zuwiderlief, mit ihr – der» artfremden «Jüdin – sexuell zu verkehren. Er brachte sie vor den Augen der anderen Deutschen in sein Büro und tauschte sogar noch obszöne Bemerkungen mit ihnen aus – offensichtlich rechnete er also mit ihrem Einverständnis. Pawlowicz’ Erzählung der Folter dreht sich vor allem um die Reitpeitsche in den Händen ihres Peinigers. Auch zahlreiche jüdische und nichtjüdische Zeitzeuginnen ebenso wie ehemalige Soldaten berichten davon, dass deutsche Männer vor allem Peitschen, aber auch Waffen oder Stöcke verwendet hätten, um nackte oder halbnackte Frauen zu quälen.[258] Die Praxis, Frauen auf ihre Brüste und ihr Geschlecht zu schlagen, wurde offensichtlich häufiger als Einschüchterungs- oder Foltermethode angewandt.[259] Auch Männer wurden mitunter mit Waffen oder Stöcken zwischen den Beinen berührt oder auf ihr Geschlecht geschlagen.[260] Krog zitiert in diesem Zusammenhang die Politologin Sheila Meintjes, die davon ausgeht, dass sexuelle Folter je nach Geschlecht des Opfers unterschiedlichen Zielen dient. Während sie bei Männern zu sexueller» Passivität «führe und auf diese Weise körperliche Stärke und politische Macht vernichten solle, ziele Folter bei Frauen darauf, die weibliche Sexualität zu» aktivieren«; die Täter wiesen den Frauen somit nachdrücklich einen gesellschaftlichen Platz als verfügbare Sexualobjekte zu.[261]

Aus zahlreichen Berichten geht hervor, dass auch einheimische Männer, die mit den deutschen Besatzern kollaborierten, sexuelle Gewalttaten gegen jüdische Frauen verübten, wenn sie unter sich waren, aber mitunter auch gemeinsam mit Deutschen. So wurden beispielsweise jüdische Frauen und Mädchen, die man nach der Eroberung Lembergs ins Gefängnis einlieferte, von ukrainischen Polizisten unter den Augen der Deutschen gezwungen, sich auszukleiden, wobei man die Halbnackten dann fotografierte.[262] In ihrer Studie» Die ›Endlösung‹ in Riga «schildern Andrej Angrick und Peter Klein die Vergewaltigung von Frauen durch Offiziere des Arajs-Kommandos, einer lettischen Hilfsformation der deutschen Sicherheitspolizei. Die jüdische Überlebende Ella Medalje, die im Sommer 1941 im Sitz des Arajs-Kommandos verhört und erniedrigt worden war, beschrieb diese Ereignisse in den 1970er Jahren vor einem Hamburger Gericht. Sie selbst sei vergleichsweise glimpflich davongekommen, was sie sich damit erklärte, dass einer der Wächter sie für eine Nichtjüdin gehalten habe. Andere Frauen hätten weniger Glück gehabt:

Da öffnete sich eines Abends, als wir bereits auf dem Fußboden unser Nachtlager bereiteten, die Tür und zwei Perkonkrustleute mit Taschenlampen traten ein. Sie leuchteten jeder Frau ins Gesicht und betrachteten sie. Dann befahlen sie den Frauen, die ausgesucht worden waren, ihnen der Reihe nach zu folgen. Nach einiger Zeit kam eine Frau in schrecklicher seelischer Verfassung zurück, und die Perkonkrustleute nahmen eine andere Frau mit. Auf diese Weise brachten sie sechs bis sieben Frauen nach oben, wo sich die Arbeitszimmer der Vorgesetzten befanden. […] Am nächsten Tag wurden diese sechs bis sieben Frauen auf einen Lastwagen gesetzt, der sich im Hofe befand, und irgendwohin abtransportiert. Ich kann nur annehmen, daß man sie erschossen hat.[263]

Frauen, insbesondere Jüdinnen, die in diesen ersten Tagen nach der Eroberung aufgegriffen und in Polizeigefängnisse gebracht worden waren, wurden mitunter auch direkt im Beisein ihrer Mitgefangenen in oder vor einer Zelle vergewaltigt.[264] Selbst wenn sie, wie im hier zitierten Fall, aus der Zelle herausgeholt und an einem anderen Ort gebracht wurden, wussten oder ahnten die Mitgefangenen, was passiert war. Zu der besonderen Beschämung, die diese Situation für die betroffenen Frauen nach sich ziehen konnte, kam insofern die Befürchtung hinzu, dass die Vergewaltigung auch außerhalb des Gefängnisses bekannt werden würde. Bei den Mitgefangenen erzeugte diese Mitwisserschaft ebenfalls Scham sowie die Angst, als Nächste an der Reihe zu sein. Vergewaltigung fungierte demnach als direkte Drohung, als Symbol der Macht und als nonverbales Kommunikationsmittel zwischen Besatzern und Besetzten.[265]

Insbesondere in Haftsituationen konnte es außerdem zu Gruppenvergewaltigungen kommen. Zeugenaussagen dazu sind allerdings äußerst selten;[266] Hinweise lassen sich – wie der eingangs zitierte Molotow-Bericht gezeigt hat – vor allem in Schriften finden, die während des Krieges als sowjetische Propaganda eingesetzt wurden. Dies lässt aber nicht notwendigerweise darauf schließen, dass entsprechende Taten auch besonders selten vorkamen; es könnte auch damit zusammenhängen, dass die Scham der Opfer wie der Zeuginnen und Zeugen in solchen Fällen besonders groß war.

Man muss davon ausgehen, dass an solchen gemeinsamen Taten auch Soldaten beteiligt waren, die allein möglicherweise keine Vergewaltigung verübt hätten. Joshua Goldstein hat gezeigt, dass der Konformitätsdruck bei Gruppenvergewaltigungen eine große Rolle spielt und die vollzogene Tat zudem oft das Loyalitätsgefühl der Einheiten stärkt. Er argumentiert, die kollektive Täterschaft führe dazu, dass der Einzelne oft keinerlei Verantwortungsgefühl verspüre. Miranda Alison hat dem gegenüber die These aufgestellt, die Verbundenheit der Männer würde gerade aus dem Bewusstsein der geteilten Verantwortung entstehen.[267]

Forschungen aus den vergangenen Jahren haben überdies ergeben, dass Gruppenvergewaltigungen im Krieg häufig in einer hierarchischen Rangfolge vollzogen werden. Der Offizier mit dem höchsten Rang ist der Erste, der in den Körper der Frau eindringt. Die untergeordneten Soldaten zollen ihm Respekt und warten, bis sie an der Reihe sind. In der lebensbedrohlichen Situation des Krieges, in der die Männer in hohem Maße aufeinander angewiesen sind, bestätigen sie, so die Interpretation von Ruth Seifert und Rolf Pohl, auf diese Weise ihren Bund und bekräftigen die Verlässlichkeit der militärischen Hierarchie. Mit einer» Mischung aus Lust und Zerstörungsbereitschaft «treffen sie sich nacheinander (oder gleichzeitig) im Körper einer Frau und versichern sich damit gegenseitig ihrer Männlichkeit und ihrer sexuellen Potenz.[268] Die Ende 1941 in London publizierten Propagandaschrift» Comrade Genia «beschreibt dieses Element von Gruppentaten ausführlich. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin schildert Genia Demianova, eine russische Lehrerin, ihre sexuelle Versklavung. Ob es ihre Person wirklich gegeben hat beziehungsweise ob die Schilderungen auf dem Erleben einer realen Erzählerin beruhen, vermag ich nicht zu beurteilen. Der Bericht soll hier aber dennoch vorgestellt werden, um zu zeigen, auf welche Weise zu Propagandazwecken auf vorherrschende gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen zurückgegriffen wurde. Beschrieben wird, wie Genia Demianova am 5. August 1941 in Pleskau[269] (Russland) verhaftet und in einem Schulgebäude, das vormals ihr Arbeitsplatz war und nun das Hauptquartier der Deutschen ist, verhört wird. Nach einem misslungenen Fluchtversuch foltert der kommandierende Offizier sie mit einer Peitsche und vergewaltigt sie brutal. Danach prahlt er mit seinem sexuellen Erfolg:

Man hört tosenden Jubel, das Klirren von Gläsern. Der Feldwebel steht in der offenen Tür:

«Die wilde Katze ist gezähmt«, sagt er.»Männer, sie war eine Jungfrau. Was sagt ihr dazu?«

Ein weiterer Ausbruch des Jubels, dann schließt er die Tür. Aber ich bleibe nicht lange allein. Die anderen kamen rein. Zehn, einhundert, eintausend, einer nach dem anderen. Sie warfen sich auf mich, gruben sich in meine Wunden, während sie mich schändeten. […]

Dann ging alles an mir vorbei. Die Deutschen kamen nach wie vor, schleuderten mir obszöne Worte entgegen, lachten über mich, während sie mich folterten. Ich sah sie, aber ich spürte keinen Schmerz.

Ich war in einer Trance, ich konnte nur noch vermuten, was mir geschah, aber ich wusste es nicht mit Sicherheit.[270]

Eine wichtige Rolle spielt hier, dass das Opfer vor der Vergewaltigung noch» Jungfrau «gewesen war, was in Russland wie auch in vielen anderen Ländern während des Zweiten Weltkrieges mit Reinheit und Unberührtheit in Verbindung gebracht wurde.[271] Durch ihre Vergewaltigung verlor eine Frau die kulturelle Zuschreibung der Unschuld und galt fortan als» beschmutzt«. Im gesellschaftlichen Verständnis war ihre Ehre dann ebenso verletzt wie die des männlichen Kollektivs, das nicht in der Lage gewesen war, sie zu schützen.[272] Nicht nur in Propagandaschriften, auch in Zeuginnenaussagen spielte – wie bereits erläutert – die Jungfräulichkeit von Vergewaltigungsopfern eine wichtige Rolle. Damit hoben die Erzählerinnen und Erzähler die Unschuld der Opfer hervor und betonten gleichsam die Unmenschlichkeit der Täter. Vergewaltigung von sexuell» unberührten «Frauen hatte insofern ebenso wie Gruppenvergewaltigung einen hohen symbolischen und propagandistischen Wert.

Ob und inwiefern deutsche Wehrmachts- und SS-Angehörige über ihre Verantwortung für sexuelle Gewalttaten (in der Gruppe oder allein) nachdachten, ist bisher nicht untersucht worden. Selbstzeugnisse ehemaliger Soldaten legen allerdings die Vermutung nahe, dass sie eine Vergewaltigung nicht unbedingt als Gewalt verstanden. In einigen Aufzeichnungen wird die» Erbeutung «von Frauen in humorigem Ton und manchmal anzüglich als etwas geschildert, das jenseits der eigentlichen Kriegshandlungen gelegen habe. Im Tagebuch des Generalmajors Jürgen W., Artillerist bei der 20. Infanteriedivision, heißt es beispielsweise am 7. Oktober 1941 über einen militärischen Erfolg seiner Einheit im Raum Nawlja[273] (Russland):

Das Btl. [Bataillon] greift links am Wald vorbei gegen Mittag in Richtung auf Saltanowka an, dorthin soll sich der Russe verzogen haben. Wir ziehen bald nach, gehen dicht vor dem Ort mit Grundrichtung Süd in Stellung; das mehrere Kilometer lange Dorf soll durchkämmt werden, ehe wir weiter vorgehen. Nach Aussagen der Ortseinwohner waren hier heute früh noch etwa 20 Panzer und über 1000 Mann. Wenn wir da reingeplatzt wären! Meine Herren! Das Dorf wird gesäubert, in schneidigem Angriff, ála Truppenübungsplatz, geht die 6. Kp. [Kompanie] vor, macht 120 Gefangene und reiche Beute. Auch ein Wohnwagen mit» Damens «für die tapferen Russen wird erbeutet, die Insassinnen sind allerdings durch das M.G.-Feuer leicht beschädigt; aber warum ziehen sie auch in den Krieg.»Leckere Mädchen «meinen die Landser, als sie zurückkommen.[274]

W.s Darstellung offenbart einen gewissen Stolz sowie Erleichterung über den günstigen Zeitpunkt und die zügige und professionelle Abwicklung des Einsatzes. Über die Gewalt, zu der es bei der» Säuberung «des Dorfes gekommen sein muss, geht er hinweg und beschränkt sich auf die Feststellung, der Angriff sei» schneidig «erfolgt. Als Besonderheit erwähnt er lediglich die weibliche Beute, wobei er andeutet, es habe sich um Prostituierte im Gefolge der Roten Armee gehandelt. Es ist nicht nachweisbar, ob dies den historischen Gegebenheiten entspricht oder ob die als» Damens «diffamierten Frauen nicht eigentlich Soldatinnen oder Krankenschwestern der Roten Armee waren. In jedem Fall verdeutlicht seine rhetorischen Frage —»warum ziehen sie auch in den Krieg«—, dass er militärische Operationen für eine reine Männersache hielt.

Dass die Landser sich dieser» Frauen des Feindes «bemächtigen dürften, steht für W. offenkundig außer Frage. Wovon die Soldaten eigentlich» zurückkommen«, thematisiert er nicht weiter. Dazu passt, dass W. die Frauen als Ware darstellt —»leicht beschädigt«, aber» lecker«. Die Vorstellung, dass den Soldaten als Ausgleich für die Härten und Entbehrungen ihres Kriegserlebens eine Belohnung zustünde, durchzieht in der Tat W.s gesamtes Tagebuch: Woche für Woche schreibt er über» leckeres «Essen und» feine «Genussmittel wie Bohnenkaffee, Rotwein und Sekt (die vermutlich von Plünderungszügen stammen) und versucht zu begründen, warum er und seine Männer sich diese jeweils verdient hätten.[275] Frauen, so macht die Diktion der zitierten Tagebuchstelle deutlich, fielen aus seiner Sicht in dieselbe Kategorie.

218Vgl. Statut. Zur genauen Definition der unterschiedlichen Tatbestände vgl. auch Women’s Caucus for Gender Justice, Definitions. Die» Verfolgung aus Gründen des Geschlechts«(Persecution on Gender Grounds) gilt nun ebenfalls als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Als grundsätzlichere Bewertung des IStGH-Statuts und des Umgangs mit diesen Straftatbeständen vgl. u.a. De Brouwer, Supranational Criminal Prosecution, S. 410ff.; Möller, Völkerstrafrecht, S. 376ff.; Mischkowski,»›Damit die Welt‹«, S. 154ff.
219Alison,»Sexuelle Gewalt in Zeiten des Kriegs«, S. 41.
220Ebenda, S. 40ff.
221Seifert,»Krieg und Vergewaltigung«, S. 101.
222Mischkowski,»›Ob es den Frauen selbst‹«, S. 243ff.; Bos,»Feministische Deutungen«, S. 105 und S. 115ff.
223Campbell, Transitional Justice; Eboe-Osuji,»Rape as Genocide«.
224Im Unterschied zur erzwungenen Schwängerung (forcible impregnation) durch Vergewaltigung oder künstliche Befruchtung wird das Opfer bei der erzwungenen Schwangerschaft (enforced pregnancy) durch weitere Gefangenschaft zudem gezwungen, das Kind auszutragen (Möller, Völkerstrafrecht, S. 362).
225Vgl. u.a. De Brouwer, Supranational Criminal Prosecution, S. 85ff.; Mischkowski,»Sexualisierte Gewalt«, S. 21ff.; Copelon,»Gendered War Crimes«, S. 195ff.
226Vgl. z.B. den Fall von Pauline Nyiramasuhuko, die ehemalige ruandische Ministerin für Familie und Frauen (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Ruanda, Anklageschrift Pauline Nyiramasuhuko). Vgl. auch Alison,»Sexuelle Gewalt in Zeiten des Kriegs«, S. 53.
227Seifert,»Im Tod und Schmerz«, S. 243.
228Zu sexueller Gewalt gegen Männer vgl. u.a. Alison,»Sexuelle Gewalt in Zeiten des Kriegs«, S. 42f.; Goldstein, War and Gender, S. 357–360; Sivakumaran,»Sexual Violence Against Men«; Carpenter, Gender-Based Violence; Krog, Country, S. 182; Zipfel,»Ausnahmezustand«, S. 64ff.; Seifert,»Im Tod und Schmerz«, S. 243; Oosterhoff/Zwanikken/Ketting,»Sexual Torture of Men«, S. 70.
229Im Bericht der Schriftstellerin und Journalistin Antije Krog über die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission, TRC) in Südafrika heißt es, die männlichen Zeugen hätten in Bezug auf ihre eigenen sexuellen Gewalterfahrungen davon gesprochen,»anal penetriert worden zu sein oder dass man ihnen Eisenstangen eingeführt «habe; das Wort Vergewaltigung sei dabei aber nicht gefallen (Krog, Country, S. 182, auch zit. in: Toit,»Feminismus«, S. 13). Auch in der Bundeswehr wird der Begriff» sexuelle Gewalt «nur in Verbindung mit Frauen benutzt; sexuelle Gewalt gegen Männer taucht dagegen im Bericht des Wehrbeauftragten unter der Überschrift» Alkoholmissbrauch «auf (Lenz/Walter/Jungnitz,»Gewalt gegen Männer«, S. 175). Gaby Zipfel geht davon aus, dass auf diese Weise die Verletzungsoffenheit von Männern kaschiert werden soll, vgl. Zipfel,»Ausnahmezustand«, S. 56ff. und S. 64ff.
230Vgl. dazu auch Bergen,»Sexual Violence«, S. 180ff.
231Weitzman,»Living on the Aryan Side«, S. 201ff. Zur Begutachtung des Penis als Mittel, um den Gegner zu demütigen, vgl. auch das Forschungsprojekt von Nayanika Mookherjee, Universität Lancaster, zum Krieg in Bangladesch.
232Griese,»Einleitung«, S. 9.
233Brownmiller, Gegen unseren Willen, S. 224ff.
234Ebenda, S. 21f. und S. 301.
235Cahill, Rethinking Rape, S. 16ff. und S. 113ff. Zur Kritik an der ersten Welle der feministischen Theorie zu sexueller Gewalt vgl. auch Marcus,»Fighting Bodies«; und Heberle,»Deconstructive Strategies«.
236Cahill, Rethinking Rape, S. 192f.
237Helga Amesberger, Katrin Auer und Brigitte Halbmayr verdeutlichen in ihrer Studie zu sexualisierter Gewalt in Konzentrationslagern, dass auch Frauen, die Demütigungen und Gewalt gegen andere Frauen» miterlebt «haben, schwer traumatisiert sein können. Sie verwenden daher einen erweiterten Begriff von sexualisierter Gewalt (Amesberger/Auer/Halbmayr, Sexualisierte Gewalt, S. 52ff.). In der wissenschaftlichen Diskussion hat dies in den vergangenen Jahren mitunter dazu geführt, dass in einem Atemzug von sexueller (= erlebter) und sexualisierter (= miterlebter) Gewalt die Rede ist. Meines Erachtens ist diese Trennlinie aber oft schwer zu ziehen, und auch die damit einhergehende Hierarchisierung halte ich für problematisch.
238Ich orientiere mich dabei unter anderem an Überlegungen von Elisabeth Heineman und Dagmar Herzog zur Frage des Koppelung von Sexualität, Rassenvorstellungen und Gewalt; vgl. Heineman,»Sexuality and Nazism«, S. 55 und S. 65; Herzog, Politisierung der Lust, S. 76f.
239Vgl. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt» Weiblichkeitsvorstellungen «in Kapitel I.
240Nach dem Anschluss Litauens an die UdSSR am 3. 8. 1940 war Wilna zwischenzeitlich Hauptstadt der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauen. Die deutsche Besetzung begann am 23. 6. 1941 und endete am 13. 7. 1944.
241Die Stadt wurde am 24. 6. 1941 von den deutschen Truppen erobert und war bis 1944 besetzt.
242Ursprünglich polnische Stadt, die nach dem Hitler-Stalin-Pakt kurzzeitig zur Sowjetunion gehörte, bis die deutschen Truppen am 27. 6. 1941 einmarschierten.
243Am 28. 6. 1941, nur sechs Tage nach Kriegsausbruch, hatten SS und Wehrmacht die Stadt erobert.
244Das erste deutsche Regiment drang am 29. 6. 1941 in die lettische Hauptstadt ein, vgl. Angrick/Klein,»Endlösung «in Riga, S. 70ff.
245Während Soldaten und Offizieren der Roten Armee der Besitz eines Fotoapparats streng verboten war (Jahn,»Vorwort«, S. 7), sahen sich deutsche Wehrmachtssoldaten ausdrücklich ermuntert,»Kriegserlebnisse «in» lebenswahren Schnappschüssen «festzuhalten. Aufnahmen von Waffen, Gerät und Gelände, die der gegnerischen Aufklärung dienen konnten, waren allerdings seit dem 1. 4. 1940 verboten. Bei Verstößen drohte die Vernichtung des Negativs durch den Disziplinarvorgesetzten. Auf Anordnung der Waffen-SS war außerdem das Fotografieren von Exekutionen strengstens untersagt; vgl. Reifarth/Schmidt-Linsenhoff,»Kamera der Täter«, S. 485; Schmiegelt,»›Macht Euch um mich‹«, S. 25. Petra Bopp weist darauf hin, dass die Männer ihre Kameras häufig bei Plünderungen erbeuteten (Bopp, Fremde im Visier, S. 40).
246Zur Situation der einheimischen Bevölkerung vor dem Einmarsch der Deutschen vgl. Pohl, Herrschaft der Wehrmacht, S. 117ff., S. 129ff. und S. 135f.
247Zu den historisch gewachsenen nationalistischen und faschistischen Strukturen in den baltischen Ländern vgl. Hiden/Salmon, The Baltic Nations. Zur Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht, SS und einheimischen Nationalisten vgl. Müller, An der Seite der Wehrmacht, S. 167ff.
248Gechtman,»Riga«, S. 684.
249Vgl. zu entsprechenden Vorkommnissen z.B. auch die Aussagen von Bortniker,»›Wir lebten‹«, S. 63; und Feld,»›Die Stadt‹«, S. 131.
250Aussage Anton S., ehemaliger Sanitätsunteroffizier bei der 7. Kompanie des Infanterieregiments 81, zu Mogilew (Weißrussland) im Juli 1941, ZStdLJV, 202 AR-Z 589/63, Bd. 1, Bl. 176f., hier Bl. 177, in Auszügen abgedr. in: Hamburger Institut (Hg.), Verbrechen der Wehrmacht, S. 153.
251Seifert,»Krieg und Vergewaltigung«, S. 93.
252Vgl. z.B. Essner, Die» Nürnberger Gesetze«, S. 219ff.; Przyrembel,»Rassenschande«, S. 127ff.
253Vgl. z.B. die Beschreibung der ersten Begegnung mit deutschen Soldaten in: Pawlowicz, I will survive, S. 29.
254Die Registrierung der Bevölkerung ist im Zuge militärischer Besatzungen durchaus üblich. Im Fall der nationalsozialistischen Besatzung dienten die Listen allerdings der rassistischen und politischen Klassifizierung und damit der Vorbereitung entsprechender Verfolgungsmaßnahmen. Vgl. Pohl, Herrschaft der Wehrmacht, S. 134f.
255Vgl. z.B. Inciuriene,»Rettung und Widerstand in Kaunas«, S. 208. Die hier beschriebene Szene spielte sich allerdings später ab, nach der Errichtung des Ghettos in Kauen. Vgl. auch Brusch,»›Im Ghetto‹«, S. 69.
256Die deutschen Truppen nahmen die westpolnische Kreisstadt am 6. 9. 1939 ein.
257Pawlowicz, I will survive, S. 32.
258Vgl. z.B. die Aussage des Obergefreiten Arno Schwager, zit. in: Bordjugov,»Terror der Wehrmacht«, S. 62, das Tagebuch des ehemaligen Soldaten Lothar-Günther Hochschulz, zit. in: Heer,»Einübung«; oder die Erinnerungen der Überlebenden Inciuriene,»Rettung und Widerstand in Kaunas«, S. 208.
259Vgl. u.a.»In Bialystock«, S. 395; Sutzkever,»Das Ghetto von Wilna«, S. 508.
260Vgl. z.B. Stabholz, Seven Hells; Verbrechen und Strafe, S. 55. Vgl. auch Bergen,»Sexual Violence«, S. 182f.
261Krog, Country, S. 182. Dahinter stehen geschlechtsspezifische Stereotype, nach denen Männer ihre Sexualität beherrschen, wohingegen Frauen ihrer Sexualität ausgeliefert sind.
262Vgl. Heer,»Einübung«, S. 420. Für eine entsprechende Schilderung aus Lettland vgl. auch Inciuriene,»Rettung und Widerstand in Kaunas«, S. 202.
263Aussage Ella Medalje, 15. 1. 1979, Sta Hamburg, SB 37, 141 Js 534/60, Bl. 6310f., zit. in: Angrick/Klein,»Endlösung «in Riga, S. 81. Perkonkrust bedeutet übersetzt Donnerkreuz und bezeichnet die 1933 gegründete Organisation lettischer Faschisten. Ob Medaljes Zuordnung stimmt, ist allerdings ungewiss; Andrej Angrick und Peter Klein weisen darauf hin, dass auch Arajs-Leute und Milizionäre von jüdischen Zeugen oft als Perkonkrustler bezeichnet werden (ebenda, S. 80). Zur Vergewaltigung von Jüdinnen im Polizeipräsidium in den ersten Tagen nach der Eroberung Rigas vgl. auch Press, Judenmord in Lettland, S. 35. Zu entsprechenden Fällen in anderen Regionen vgl. u.a. Dean, Collaboration, S. 70, und Birn, Sicherheitspolizei in Estland, S. 54.
264Vgl. u.a.»Aus dem Tagebuch von Dr. Elena Kutorgiene-Buivydaite«, S. 652; Inber,»Odessa«, S. 139f.; Chiari, Alltag hinter der Front, S. 167 und S. 193.
265Zu sexueller Gewalt als Macht- und Kommunikationsmittel vgl. z.B. Card,»Rape as a Weapon«, S. 6ff.; Seifert,»Krieg und Vergewaltigung«, S. 101.
266Vgl. z.B. Gechtman,»Riga«, S. 684; Sabina Lustig, Zeugenaussage Nr. 03/8792, YV Arch, zit. n.: Ni Aolain,»Sex-based Violence«, S. 53.
267Goldstein, War and Gender, S. 365; Alison,»Sexuelle Gewalt in Zeiten des Kriegs«, S. 38.
268Seifert,»Krieg und Vergewaltigung«, S. 87f.; Pohl, Feindbild Frau, S. 478ff. Dieser Prozess des male bonding trägt homoerotische Elemente in sich, die verleugnet und negiert werden (Pohl,»Massenvergewaltigung«, S. 67f.).
269Die Stadt war vom 9. 7. 1941 bis zum 23. 7. 1944 von den Deutschen besetzt. Zu den genaueren Umständen vgl. Kormina/Styrkov,»Niemand und nichts«.
270Demianova, Comrade Genia [1941], S. 54–59, auch zit. in: Gertjejanssen, Victims, Heroes, Survivors, S. 297f.
271Zur zentralen Bedeutung des Jungfräulichkeitsmythos in Russland vgl. Greku,»Deutsche in sowjetischen Lehrbüchern«, S. 134 und S. 137.
272Zum Zusammenhang von Reinheit, Weiblichkeit, Nation und Ehre vgl. Yuval-Davis, Geschlecht und Nation, S. 18 und S. 78ff.
273Gebiet im Westen Russlands, in das die deutschen Truppen Ende September 1941 einmarschierten.
274Jürgen W., Tagebuch in Russland, HIS-Arch, NS-O 22, Karton 4.
275Ebenda, passim.
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