Festmahl der Drachen

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Из серии: Ring der Zauberei #3
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KAPITEL SECHS

Gareth marschierte in seinem Gemach auf und ab. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Er war fassungslos, dass er es nicht geschafft hatte, das Schwert zu ziehen, und versuchte, die Auswirkungen dessen zu erfassen. Er fühlte sich wie betäubt. Er konnte kaum glauben, dass er dämlich genug gewesen war, zu versuchen, das Schwert zu ziehen, das Schicksalsschwert, das die letzten sieben Generationen lang kein MacGil erfolgreich gezogen hatte. Wie war er auf die Idee gekommen, dass er besser sein würde als seine Vorfahren? Warum hatte er angenommen, dass es ihm anders ergehen würde?

Er hätte es wissen sollen. Er hätte vorsichtig sein sollen, hätte sich niemals selbst überschätzen sollen. Er hätte sich damit zufriedengeben sollen, den Thron seines Vaters zu haben. Warum musste er es drauf ankommen lassen?

Nun wusste jeder seiner Untertanen, dass er nicht der Auserwählte war; seine Herrschaft würde nun dadurch getrübt sein; vielleicht würden sie nun auch mehr Gründe haben, ihn des Mordes an seinem Vater zu verdächtigen. Er konnte jetzt schon sehen, dass sie ihn anders ansahen als zuvor, als wäre er ein wandelnder Geist, als würden sie sich bereits darauf vorbereiten, bald einen neuen König zu haben.

Schlimmer noch, zum ersten Mal in seinem Leben war sich Gareth seiner selbst nicht ganz sicher. Sein ganzes Leben lang hatte er sein Schicksal deutlich vor sich gesehen. Er war sich sicher gewesen, dass er dazu bestimmt war, den Platz seines Vaters einzunehmen, zu herrschen und das Schwert zu führen. Sein Selbstvertrauen war bis auf die Grundfesten erschüttert. Nun war er sich gar nichts mehr sicher.

Was am schlimmsten war: er konnte nicht aufhören, dieses Bild vom Gesicht seines Vaters vor sich zu sehen, das ihm erschienen war, bevor er das Schwert zog. War dies seine Rache gewesen?

„Bravo“, ertönte eine langsame, sarkastische Stimme.

Gareth wirbelte herum, erschrocken, dass noch jemand außer ihm im Zimmer war. Er erkannte die Stimme sofort; es war eine Stimme, die ihm über die Jahre zu vertraut geworden war, und die er gelernt hatte, zu verachten. Es war die Stimme seiner Gemahlin.

Helena.

Da stand sie, in einer entfernten Ecke des Raumes, und betrachtete ihn, während sie an ihrer Opium-Pfeife sog. Sie nahm einen tiefen Zug, hielt den Atem an und blies dann langsam aus. Ihre Augen waren blutunterlaufen und er konnte sehen, dass sie schon zu lange geraucht hatte.

„Was tust du hier?“, fragte er.

„Dies ist immerhin mein Brautgemach“, erwiderte sie. „Ich kann hier alles tun, was ich will. Ich bin deine Frau und deine Königin. Vergiss das nicht. Ich regiere dieses Königreich nicht weniger als du. Und nach deinem Debakel heute würde ich den Ausdruck regieren eher locker sehen.“

Gareths Gesicht brannte rot auf. Helena hatte schon immer eine Gabe besessen, ihn mit dem tiefsten Tiefschlag zu treffen, im unpassendsten Moment. Er hasste sie mehr als jede andere Frau in seinem Leben. Er konnte kaum fassen, dass er je eingewilligt hatte, sie zu heiraten.

„Meinst du?“, zischte Gareth und marschierte wutentbrannt auf sie zu. „Du vergisst, dass ich König bin, Weib, und dich einsperren lassen kann, genauso wie jeden anderen in meinem Reich, egal, ob du meine Frau bist oder nicht.“

Sie lachte ihn aus, ein spöttisches Schnauben.

„Und weiter?“, fuhr sie zurück. „Sollen sich deine Untertanen dann über deine sexuellen Vorlieben den Kopf zerbrechen? Nein, das bezweifle ich doch sehr stark. Nicht in der intriganten Welt von Gareth. Nicht im Kopf eines Mannes, dem es wichtiger ist als jedem anderen, was die anderen von ihm halten.“

Gareth blieb vor ihr stehen und erkannte, dass sie eine Art hatte, durch ihn durchzublicken, die ihn bis auf die Knochen nervte. Er verstand ihre Drohung und sah ein, dass es zwecklos war, mit ihr zu streiten. Und so stand er schweigend da, wartend, die Hände zu Fäusten geballt.

„Was willst du von mir?“, sagte er langsam, versuchte, sich unter Kontrolle zu halten und nichts Unüberlegtes zu tun. „Du kommst doch nur dann zu mir, wenn du etwas willst.“

Sie lachte, trocken und spöttisch.

„Wenn ich etwas will, dann nehme ich es mir. Ich bin nicht hier, um dich um etwas zu bitten. Sondern eher, um dir etwas zu sagen: dein gesamtes Königreich ist gerade Zeuge geworden, wie du versagt hast, das Schwert zu ziehen. Was bedeutet das für uns?“

„Was meinst du, uns?“, fragte er und war sich nicht sicher, worauf sie hinauswollte.

„Dein Volk weiß nun, was ich immer schon gewusst habe: dass du ein Versager bist. Dass du nicht der Auserwählte bist. Herzlichen Glückwunsch. Zumindest ist es hiermit offiziell.“

Er blickte sie erzürnt an.

„Mein Vater ist ebenso gescheitert, das Schwert zu ziehen. Das hielt ihn nicht davon ab, erfolgreich als König zu regieren.“

„Aber es hat sich auf sein Königtum ausgewirkt“, schnappte sie zurück. „Auf jeden Augenblick davon.“

„Wenn du so unglücklich bist mit meinen Unfähigkeiten“, fauchte Gareth, „warum verschwindest du nicht einfach von hier? Verlass mich! Verlass unseren Scherz von einer Ehe. Ich bin jetzt König. Ich brauche dich nicht länger.“

„Gut, dass du diesen Punkt zur Sprache bringst“, sagte sie, „denn genau das ist der Grund meines Besuches. Ich möchte, dass du unsere Ehe offiziell beendest. Ich will eine Scheidung. Da ist ein Mann, den ich liebe. Ein richtiger Mann. Einer deiner Ritter, genauer gesagt. Er ist ein Krieger. Wir sind verliebt, es ist wahre Liebe. Anders als jede Liebe, die ich je kannte. Lass dich von mir scheiden, damit ich diese Affäre nicht länger verheimlichen muss. Ich möchte, dass unsere Liebe öffentlich sein kann. Und ich will mich mit ihm verheiraten.“

Gareth starrte sie schockiert an. Er fühlte sich ausgehöhlt, als wäre ein Dolch in sein Herz gestoßen worden. Warum musste Helena auftauchen? Warum ausgerechnet jetzt? Es war zu viel für ihn. Es fühlte sich an, als würde die Welt ihn treten, während er am Boden lag.

Zu seiner Überraschung musste Gareth feststellen, dass er doch tiefe Gefühle für Helena hegte, denn als er von ihren eigenen Lippen hörte, dass sie eine Scheidung wollte, passierte etwas in ihm. Es störte ihn. Trotz allem wurde ihm dadurch klar, dass er keine Scheidung von ihr wollte. Wenn es von ihm ausging, war das eine Sache; doch wenn es von ihr ausging, war das etwas anderes. Er wollte nicht, dass sie bekam, was sie wollte, und schon gar nicht so einfach.

Vor allem aber fragte er sich, wie eine Scheidung sein Königtum beeinflussen würde. Ein geschiedener König würde zu viele Fragen aufwerfen. Und trotz allem verspürte er Eifersucht gegenüber diesem Ritter. Und war gekränkt darüber, wie sie ihm seine mangelnde Männlichkeit unter die Nase rieb. Er wollte Rache üben. An ihnen beiden.

„Das kannst du nicht haben“, schnappte er. „Du bist an mich gebunden. Du steckst für immer fest als meine Ehefrau. Ich werde dich nie gehen lassen. Und sollte ich diesem Ritter je begegnen, mit dem du mich betrügst, werde ich ihn foltern und hinrichten lassen.“

Helena fauchte ihn an.

„Ich bin nicht deine Ehefrau! Du bist nicht mein Ehemann. Du bist kein Mann. Unsere Verbindung ist unheilig. Das war sie von dem Tag an, an dem sie geknüpft wurde. Es war eine arrangierte Partnerschaft für Machtzwecke. Die ganze Sache ekelt mich an—hat sie schon immer. Und es hat meine einzige Möglichkeit ruiniert, wirklich verheiratet zu sein.“

Sie keuchte vor aufsteigender Wut.

„Du wirst mir diese Scheidung geben, oder ich werde vor dem gesamten Königreich enthüllen, was für eine Art Mann du wirklich bist. Du entscheidest.“

Mit diesen Worten drehte ihm Helena den Rücken und marschierte durch den Raum und zur offen Tür hinaus, die sie einfach hinter sich offen stehen ließ.

Gareth stand alleine in dem steinernen Gemach, lauschte dem Echo ihrer Schritte und spürte einen kalten Schauer durch seinen Körper ziehen, den er nicht abschütteln konnte. Gab es noch irgendetwas Handfestes, an das er sich halten konnte?

Während Gareth bebend dastand und die offene Tür anstarrte, kam zu seiner Überraschung eine weitere Gestalt durch sie herein. Er hatte kaum Zeit gehabt, seine Unterhaltung mit Helena zu verdauen, alle ihre Drohungen zu verarbeiten, als ein allzu vertrautes Gesicht hereinspazierte. Firth. Der übliche Sprung in seinem Schritt fehlte, als er zaghaft ins Zimmer trat, mit einem schuldbewussten Ausdruck auf dem Gesicht.

„Gareth?“, fragte er mit unsicherer Stimme.

Firth starrte ihn mit weiten Augen an, und Gareth konnte sehen, wie schlecht er sich fühlte. Er sollte sich auch schlecht fühlen, dachte Gareth. Immerhin war es Firth gewesen, der es ihm in den Kopf gesetzt hatte, das Schwert zu ziehen; der ihn schlussendlich davon überzeugt hatte; der ihn glauben gemacht hatte, dass er mehr war, als er war. Ohne Firths Einflüsterungen, wer weiß? Vielleicht hätte Gareth nie versucht, es zu ziehen.

Gareth wandte sich ihm brodelnd zu. In Firth hatte er endlich etwas gefunden, an dem er seine gesamte Wut auslassen konnte. Immerhin war Firth derjenige gewesen, der seinen Vater getötet hatte. Es war Firth, dieser dämliche Stalljunge, der ihn überhaupt in dieses ganze Schlamassel gebracht hatte. Nun war er nichts als ein weiterer gescheiterter Nachfolger in der MacGil-Linie.

„Ich hasse dich“, brodelte Gareth. „Was habe ich jetzt von deinen Versprechungen? Was habe ich von deinem Vertrauen, dass ich das Schwert ziehen kann?“

 

Firth schluckte und blickte nervös drein. Er war sprachlos. Es war deutlich, dass er nichts zu sagen hatte.

„Es tut mir leid, mein Herr“, sagte er. „Ich habe mich geirrt.“

„Du hast dich in vielen Dingen geirrt“, schnappte Gareth.

In der Tat, je mehr Gareth darüber nachdachte, umso klarer wurde ihm, wie sehr sich Firth geirrt hatte. Tatsächlich, wenn Firth nicht gewesen wäre, wäre sein Vater heute noch am Leben—und Gareth würde nicht in diesem Schlamassel stecken. Das Gewicht des Königtums würde nicht auf seinem Haupt lasten, all diese Dinge würden nicht so schieflaufen. Gareth sehnte sich nach einfacheren Tagen, als er nicht König war; als sein Vater noch lebte. Er verspürte ein plötzliches Verlangen, dass alles wieder so wäre, wie es früher war. Aber das konnte er nicht. Und Firth war an allem schuld.

„Was tust du hier?“, drängte Gareth.

Firth räusperte sich, sichtlich nervös.

„Ich hörte...Gerüchte...Getuschel unter den Dienern. Mir ist zu Ohren gekommen, dass dein Bruder und deine Schwester Fragen stellen. Sie wurden im Dienstbotenquartier gesichtet. Wo sie den Abfluss nach der Mordwaffe durchsuchten. Dem Dolch, mit dem ich deinen Vater erstochen habe.“

Gareths Körper wurde bei diesen Worten eiskalt. Er war vor Schock und Furcht erstarrt. Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?

Er räusperte sich.

„Und was haben sie gefunden?“, fragte er mit trockener Kehle, aus der er die Worte kaum herausbrachte.

Firth schüttelte den Kopf.

„Das weiß ich nicht, mein Herr. Ich weiß nur, dass sie etwas verdächtig finden.“

Gareth verspürte einen neu aufwallenden Hass auf Firth, von einer Kraft, die er nicht für möglich gehalten hatte. Wenn er nicht so ein Tollpatsch wäre, wenn er die Waffe ordentlich entsorgt hätte, wäre er jetzt nicht in dieser Lage. Firth hatte ihm eine Schwachstelle hinterlassen.

„Ich werde dies nur einmal sagen“, sagte Gareth, näherte sich Firth, bis sie Gesicht an Gesicht standen, und warf ihm den härtesten Blick zu, den er aufbringen konnte. „Ich will dein Gesicht nie wieder sehen. Verstehst du mich? Verlasse meine Gegenwart und komm nie wieder zurück. Ich werde dir einen Posten weit weg von hier zuweisen. Und wenn du je wieder einen Fuß in diese Burg setzt, versichere ich dir, ich werde dich verhaften lassen.

UND JETZT RAUS!“, kreischte Gareth.

Mit Tränen in den Augen rannte Firth aus dem Zimmer. Seine Schritte hallten ihm lange nach, als er durch den Korridor davonlief.

Gareths Gedanken trieben zurück zum Schwert, zu seinem misslungenen Versuch. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er ein großes Unglück für sich selbst in Bewegung gesetzt hatte. Er fühlte sich, als hätte er sich gerade selbst eine Klippe hinuntergestoßen und würde von diesem Zeitpunkt an nur seinen Fall vor Augen haben.

Er stand wie mit dem Stein verwurzelt in der dröhnenden Stille der Gemächer seines Vaters, bebend, und fragte sich, was um alles in der Welt er da angezettelt hatte. Noch nie hatte er sich so allein gefühlt, so von Selbstzweifeln geplagt.

Fühlte sich so das Königsein an?

*

Gareth rannte die steinerne Wendeltreppe hinauf, ein Geschoss nach dem anderen, und eilte auf die äußerste Brüstung der Burg hinauf. Er brauchte Frischluft. Er brauchte Zeit und Platz zum Nachdenken. Er brauchte einen Blickpunkt über sein Königreich, eine Möglichkeit, seinen Hof zu sehen, sein Volk, und sich daran zu erinnern, dass all das ihm gehörte. Und dass, trotz all der alptraumhaften Ereignisse des Tages, er immer noch König war.

Gareth hatte seine Bediensteten fortgeschickt und war alleine hochgelaufen, eine Treppe nach der anderen, schwer keuchend. Er hielt an einem Treppenabsatz an, beugte sich vornüber und schöpfte Luft. Tränen rannen seine Wangen hinunter. Er sah immerzu das Gesicht seines Vaters, das ihm an jeder Ecke vorwurfsvoll entgegenblickte.

„Ich hasse dich!“, schrie er in die Leere.

Er hätte schwören können, dass er zur Antwort spöttisches Gelächter hören konnte. Das Gelächter seines Vaters.

Gareth musste von hier weg. Er rannte weiter, so schnell er konnte, bis er endlich oben angekommen war. Er platzte durch die Tür, und die frische Sommerluft traf sein Gesicht.

Er holte tief Luft, kam zu Atem, genoss den Sonnenschein in der warmen Brise. Er nahm seinen Mantel ab, den Mantel seines Vaters, und warf ihn zu Boden. Er war zu heiß—und er wollte ihn nicht länger tragen.

Er eilte an den Rand der Brüstung und krallte sich an die Steinmauer, schwer atmend, auf seinen Hof hinunterblickend. Er konnte die nie enden wollende Menschenmenge sehen, die aus der Burg hervorsickerte. Sie verließen die Zeremonie. Seine Zeremonie. Er konnte ihre Enttäuschung von hier oben nahezu spüren. Sie sahen so klein aus. Er grübelte darüber nach, dass sie alle unter seiner Herrschaft standen.

Doch wie lange noch?

„Königtümer sind merkwürdige Angelegenheiten“, ertönte eine uralte Stimme.

Gareth wirbelte herum und sah überrascht, dass Argon nur wenige Fuß von ihm entfernt stand, in einen weißen Umhang mit Kapuze gehüllt, seinen Stab in der Hand. Er starrte auf ihn zurück und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel—doch seine Augen lächelten nicht. Sie glühten, blickten geradewegs durch ihn durch, und sie machten Gareth nervös. Sie sahen zu viel.

Es gab so viele Dinge, die Gareth Argon sagen wollte, ihn fragen wollte. Doch nun, da er bereits gescheitert war, das Schwert zu ziehen, fiel ihm nichts mehr davon ein.

„Warum hast du es mir nicht gesagt?“, flehte Gareth mit Verzweiflung in der Stimme. „Du hättest mir sagen können, dass ich nicht dazu bestimmt war, es zu ziehen. Du hättest mir die Blamage ersparen können.“

„Und warum sollte ich das tun?“, fragte Argon.

Gareth funkelte ihn an.

„Du bist kein wahrer königlicher Ratgeber“, sagte er. „Du hättest meinem Vater aufrichtig Rat gegeben. Doch nicht mir.“

„Vielleicht war er aufrichtigen Rates würdig“, erwiderte Argon.

Gareths Wut vertiefte sich. Er hasste diesen Mann. Und er gab ihm die Schuld.

„Ich will dich nicht um mich haben“, sagte Gareth. „Ich weiß nicht, warum mein Vater dich angestellt hat, aber ich will dich nicht in Königshof haben.“

Argon lachte - ein hohler, beängstigender Laut.

„Dein Vater hat mich nicht angestellt, närrischer Junge“, sagte er. „Noch sein Vater vor ihm. Es ist meine Bestimmung, hier zu sein. Tatsächlich kann man wohl sagen, ich hätte sie angestellt.“

Argon trat plötzlich einen Schritt nach vor und es wirkte, als würde er in Gareths Seele starren.

„Kann man dasselbe von dir behaupten?“, fragte Argon. „Ist es deine Bestimmung, hier zu sein?“

Seine Worte trafen Gareth, schickten einen Schauer durch ihn. Genau das war es, was Gareth sich selbst fragte. Gareth fragte sich, ob es eine Drohung war.

„Wer durch Blut herrscht, wird mit Blut regieren“, verkündete Argon, und mit diesen Worten drehte er ihm flink den Rücken zu und zog von dannen.

„Warte!“, schrie Gareth, der nicht länger wollte, dass er wegging; er brauchte Antworten. „Was meinst du damit?“

Gareth wurde das Gefühl nicht los, dass Argon ihm die Botschaft übermittelte, dass er nicht lange regieren würde. Er musste wissen, ob er das damit gemeint hatte.

Gareth rannte ihm nach, doch als er näherkam, verschwand Argon vor seinen Augen.

Gareth blickte sich in alle Richtungen um, doch er sah nichts. Er hörte nur ein hohles Gelächter irgendwo in den Lüften.

„Argon!“, schrie Gareth.

Er drehte sich erneut herum, dann blickte er in den Himmel hinauf, sank auf ein Knie und warf den Kopf in den Nacken. Er kreischte:

„ARGON!“

KAPITEL SIEBEN

Erec marschierte an der Seite des Herzogs mit Brandt und einem Dutzend der herzoglichen Gefolgschaft durch die engen Gassen von Savaria, eine wachsende Menschentraube hinter sich herziehend, dem Haus des Dienstmädchens entgegen. Erec hatte darauf bestanden, dass er sie umgehend kennenlernen wollte, und der Herzog wollte ihm persönlich den Weg weisen. Und wo der Herzog hinging, folgte ihm jedermann. Erec warf einen Blick auf die große und wachsende Gefolgschaft und war peinlich berührt, als er feststellte, dass er die Wohnstatt dieses Mädchens mit dutzenden Leuten im Schlepptau erreichen würde.

Seit er sie zum ersten Mal erblickt hatte, hatte Erec an nicht viel anderes denken können. Wer war dieses Mädchen, fragte er sich, die so nobel schien, und doch als Dienstmagd am Herzogshof arbeitete? Warum war sie so hastig vor ihm geflohen? Wie kam es, dass in all seinen Jahren, bei all den königlichen Damen, denen er begegnet war, diese die einzige war, die sein Herz berührt hatte?

Sein Leben lang von Adel umgeben, selbst der Sohn eines Königs, konnte Erec andere Adelige in einem Augenblick erkennen—und er spürte von dem Moment an, da er sie erspäht hatte, das sie von weitaus höherem Stand war als dem, den sie derzeit einnahm. Er brannte vor Neugier darauf, zu wissen, wer sie war, woher sie kam und was sie hier machte. Er brauchte eine weitere Gelegenheit, sie zu Gesicht zu bekommen, um zu sehen, ob er es sich eingebildet hatte, oder ob seine Gefühle gleichbleiben würden.

„Meine Diener berichten, dass sie in den Vororten der Stadt lebt“, erklärte der Herzog unterwegs. Während sie durch die Straßen zogen, öffneten die Leute auf allen Seiten die Fensterläden und blickten hinunter, erstaunt von der Anwesenheit des Herzogs und seines Gefolges in den Straßen des gemeinen Volkes.

„Scheinbar ist sie Dienstmagd bei einem Gastwirt. Niemand kennt ihren Ursprung, woher sie kommt. Man weiß nur, dass sie eines Tages in unsere Stadt kam und als Schuldmagd bei jenem Wirten anfing. Ihre Vergangenheit, so scheint es, ist ein Mysterium.“

Sie bogen in eine weitere Seitengasse, und die Pflastersteine unter ihnen wurden etwas unebener, die kleinen Behausungen rückten näher zusammen und wurden baufälliger, je weiter sie gingen. Der Herzog räusperte sich.

„Ich nahm sie als Dienstmagd für besondere Anlässe an den Hof auf. Sie ist ruhig, bleibt für sich. Niemand weiß viel über sie. Erec“, sagte der Herzog schließlich und legte Erec eine Hand auf den Arm, „seid Ihr Euch ganz sicher? Diese Frau, wer immer sie ist, ist nur ein gewöhnliches Weib. Ihr habt die Wahl unter allen Frauen des Königreichs.“

Erec blickte ihn mit der gleichen Intensität an.

„Ich muss dieses Mädchen wiedersehen. Mir ist egal, wer sie ist.“

Der Herzog schüttelte verständnislos den Kopf und sie alle zogen weiter, bogen in eine Straße nach der anderen, passierten gewundene, enge Gassen. Je weiter sie kamen, wurde dieser Teil von Savaria immer schäbiger, die Straßen mit Betrunkenen gefüllt, von Dreck gesäumt, voller Hühner und streunender Hunde. Sie passierten eine Taverne nach der anderen, und das Geschrei der Kundschaft war auf den Straßen zu hören. Mehrere Betrunkene stolperten vor ihnen her, und als die Nacht hereinbrach, wurden die Straßen mit Fackeln erleuchtet.

„Macht Platz für den Herzog!“, rief sein Oberdiener aus, eilte vor ihm her und schob Trunkenbolde zur Seite. Die gesamte Straße entlang wichen zwielichtige Gestalten zur Seite und sahen staunend zu, wie der Herzog mit Erec an seiner Seite vorbeizog.

Endlich erreichten sie ein kleines, bescheidenes Wirtshaus aus Stuck mit einem aufragenden Schindeldach. Es sah aus, als könnte es vielleicht 50 Gäste in der ebenerdigen Taverne fassen, mit ein paar Gästezimmern im oberen Stock. Die Vordertür hing schief in der Angel, ein Fenster war zerbrochen, die Lampe am Eingang hing schief und die Flamme darin flackerte aus Mangel an Wachs. Das Geschrei von Betrunkenen quoll aus den Fenstern hervor, während sie sich alle vor der Türe versammelten.

Wie konnte ein so feines Mädchen an solch einem Ort arbeiten?, wunderte sich Erec entsetzt, als er das Geschrei und Gegröle von drinnen hörte. Sein Herz brach beim Gedanken daran; an die Demütigungen, die sie an einem solchen Ort wohl erleiden musste. Es ist nicht gerecht, dachte er. Er fühlte sich fest entschlossen, sie vor all dem zu retten.

 

„Warum müsst Ihr nur an den schlimmstmöglichen Ort kommen, um eine Braut zu wählen?“, fragte der Herzog, an Erec gewandt.

Auch Brandt wandte sich an ihn.

„Letzte Chance, mein Freund“, sagte Bandt. „Hinter uns wartet eine ganze Burg voll königlicher Damen.“

Doch Erec schüttelte entschlossen den Kopf.

„Öffnet die Tür“, befahl er.

Ein Diener des Herzogs eilte vor und riss sie auf. Der Gestank von abgestandenem Bier wogte hervor und ließ ihn angewidert zurückschrecken.

Im Inneren hingen Betrunkene über dem Tresen, saßen an hölzernen Tischen, schrien übermäßig laut, lachten, spotteten und stießen einander herum. Es waren grobe Kerle, das konnte Erec auf den ersten Blick sehen, mit zu großen Bäuchen, unrasierten Wangen und ungewaschener Kleidung. Keiner von ihnen ein Krieger.

Erec machte mehrere Schritte hinein, den Raum nach ihr durchsuchend. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Frau wie sie an so einem Ort arbeiten konnte. Er fragte sich, ob er vielleicht zur falschen Behausung gekommen war.

„Entschuldigt, mein Herr, ich bin auf der Suche nach einer Dame“, sagte Erec zu dem Mann, der neben ihm stand, hoch und breit, mit großem Bauch und unrasiertem Gesicht.

„Bist du das?“, rief der Mann spottend aus. „Nun, da bist du hier falsch! Dies ist kein Freudenhaus. Aber dort gegenüber ist eins—und wie ich höre, haben sie dort feine, runde Frauen!“

Der Mann lachte Erec übermäßig laut ins Gesicht, und einige seiner Kumpanen fielen mit ein.

„Es ist kein Freudenhaus, nach dem ich suche“, erwiderte Erec wenig belustigt, „sondern eine einzelne Frau; eine, die hier arbeitet.“

„Du meinst wohl das Dienstmädel des Wirten“, rief ein anderer aus, ein weiterer großer, betrunkener Mann. „Sie ist wahrscheinlich hinten irgendwo und schrubbt den Boden. Zu schade—ich wünschte, sie wäre hier oben, auf meinem Schoß!“

Die Männer brüllten vor Lachen los, überwältigt von ihren eigenen Witzen, und Erec lief beim Gedanken daran rot an. Er schämte sich für sie. Dafür, dass sie all diese Kerle bedienen musste—es war eine Erniedrigung, über die er gar nicht nachdenken wollte.

„Und du bist…?“, ertönte eine neue Stimme.

Ein Mann trat vor, noch breiter als die anderen, mit dunklem Bart und Augen, die Mundwinkel tief nach unten gezogen, einem breiten Kiefer, umringt von mehreren zwielichtigen Gesellen. Er hatte mehr Muskeln als Fett an sich, und er kam bedrohlich auf Erec zu, eindeutig sein Revier verteidigend.

„Versuchst du, mein Dienstmädel zu klauen?“, forderte er. „In dem Fall, raus mit dir!“

Er trat vor und packte nach Erec.

Doch Erec, von Jahren des Trainings abgehärtet, der größte Ritter des Königreichs, hatte Reflexe jenseits der Vorstellungskraft dieses Mannes. In dem Augenblick, als seine Hand Erec berührte, sprang er in Aktion, packte sein Handgelenk, wirbelte ihn blitzschnell herum, packte ihn am Hemdrücken und stieß ihn quer durch den Raum.

Der große Mann flog wie eine Kanonenkugel, und er riss mehrere Männer mit sich zu Boden, wo sie in der kleinen Stube allesamt mit einem Krachen wie Kegel aufschlugen.

Der ganze Raum verfiel in Schweigen, als jedermann stehen ließ, was er gerade tat, um zuzusehen.

„KÄMPFT! KÄMPFT!“, riefen die Männer im Chor.

Der Wirt stolperte verwirrt auf die Beine, dann ging er mit einem Schrei auf Erec los.

Diesmal wartete Erec nicht ab. Er trat vor, um seinem Angreifer entgegenzutreten, hob einen Arm und schlug dem Mann direkt mit dem Ellbogen ins Gesicht, was ihm die Nase brach.

Der Wirt stolperte zurück, dann brach er zusammen und landete mit dem Hintern auf dem Boden.

Erec trat vor, richtete ihn auf und hob ihn dann trotz seiner Größe hoch über seinen Kopf. Er machte mehrere Schritte und warf den Mann von sich, der durch die Luft flog und den halben Raum mit sich zu Boden riss.

Alle Männer im Raum standen wie angewurzelt, stellten ihren Sprechchor ein, wurden still, erkannten langsam, dass unter ihnen jemand Besonderer war. Der Barmann aber kam plötzlich mit einer hoch erhobenen Glasflasche auf ihn zugestürmt, die er auf Erec zielte.

Erec hatte damit gerechnet und seine Hand lag schon am Schwert—doch bevor Erec es ziehen konnte, trat sein Freund Brandt neben ihm hervor, zog einen Dolch von seinem Gürtel und hielt dem Barmann dessen Spitze an die Kehle.

Der Barmann lief geradewegs darauf zu und blieb wie angewurzelt stehen, als die Klinge kurz davor war, seine Haut zu durchstoßen. Er stand mit vor Angst weit aufgerissenen Augen da, schwitzte, die Flasche hing wie erstarrt in der Luft. Die Auseinandersetzung hatte den Raum so still werden lassen, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte.

„Fallenlassen“, befahl Brandt.

Der Barmann tat es, und die Flasche zersprang am Boden.

Erec zog sein Schwert mit einem hellen, metallischen Klirren, ging auf den Wirten zu, der ächzend am Boden lag, und setzte es ihm an die Kehle.

„Ich werde dies nur einmal sagen“, verkündete Erec. „Schmeiß dieses gesamte Gesindel aus diesem Raum. Sofort. Ich verlange eine Audienz mit der Dame. Alleine.“

„Der Herzog!“, rief jemand aus.

Der ganze Raum drehte sich herum und erkannte endlich den Herzog, der von seinen Leuten flankiert am Eingang stand. Sie alle beeilten sich, ihre Kappen zu ziehen und ihre Köpfe zu beugen.

„Wenn der Raum nicht leer ist, wenn ich mit dem Sprechen fertig bin“, verkündete der Herzog, „werde ich jeden Einzelnen von euch hier umgehend einsperren lassen.“

Der Raum brach in Hektik aus, als alle Männer darin sich aufmachten, hinauszuhuschen, am Herzog vorbei und bei der Vordertür hinaus, ihre halbvollen Bierflaschen stehen lassend, wo sie waren.

„Und raus mit dir genauso“, sagte Brandt zum Barmann, senkte den Dolch, packte ihn am Haar und schob ihn durch die Tür hinaus.

Der Raum, in dem noch vor wenigen Augenblicken ein solch lärmendes Chaos geherrscht hatte, stand nun leer und still, mit Ausnahme von Erec, Brandt, dem Herzog und ein Dutzend seiner engsten Männer. Sie schlossen die Tür hinter sich mit einem heftigen Knall.

Erec wandte sich an den Wirten, der immer noch benommen am Boden saß und sich Blut von der Nase wischte. Erec packte ihn am Hemd, hob ihn mit beiden Händen hoch und setzte ihn auf eine der leerstehenden Bänke.

„Du hast mir das Geschäft für den ganzen Abend ruiniert“, beklagte sich der Wirt. „Dafür wirst du bezahlen.“

Der Herzog trat vor und zog ihm den Handrücken übers Gesicht.

„Ich kann dich dafür hinrichten lassen, dass du die Hand gegen diesen Mann erhoben hast“, schalt der Herzog. „Weißt du nicht, wer er ist? Dies ist Erec, der beste Ritter des Königs, der Kämpe der Silbernen. Wenn er so will, kann er dich selbst töten, jetzt gleich.“

Der Wirt blickte zu Erec hoch, und zum ersten Mal zog echte Angst über sein Gesicht. Er bebte nahezu auf seinem Sitz.

„Ich hatte keine Ahnung. Ihr habt Euch nicht angekündigt.“

„Wo ist sie?“, forderte Erec ungeduldig.

„Sie ist hinten und schrubbt die Küche. Was wollt Ihr von ihr? Hat sie etwas von Euch gestohlen? Sie ist nichts weiter als eine Schuldmagd, eine Dienerin.“

Erec zog seinen Dolch und hielt ihn dem Mann an die Kehle.

„Nenne sie noch einmal ‚Dienerin‘“, warnte Erec, „und du kannst dir sicher sein, ich schneide dir die Kehle durch. Verstehst du das?“, fragte er hart, während er die Klinge in die Haut des Mannes drückte.

Die Augen des Mannes füllten sich mit Tränen, und er nickte langsam.

„Bring sie her, und mach schnell“, befahl Erec und riss ihn auf die Beine, und versetzte ihm einen Stoß, der ihn quer durch den Raum schubste, auf die Hintertür zu.

Als der Wirt draußen war, hörte man das Klirren von Töpfen hinter der Tür, gedämpftes Schreien, und dann, wenige Augenblicke später, öffnete sich die Tür und heraus traten mehrere Frauen, in Lumpen, Kittel und Hauben gekleidet, von Küchenschmutz bedeckt. Es waren drei ältere Frauen um die sechzig, und für einen Moment fragte sich Erec, ob der Wirt wusste, von wem er gesprochen hatte.

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