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Münchhausen

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Vierzehntes Kapitel

Eine furchtbare Laune des Geschicks

»Triumph!« rief der Schriftsteller, als Münchhausens Zimmer rein geworden war.

»Triumph!« rief der Freiherr und sprang vom Lager auf. »Das war eine Schlacht, wie die an der Moskwa, und schlafend habe ich sie gewonnen, bloß durch meinen General habe ich gesiegt.«

»Lassen wir die sinistern Erinnerungen ruhen!« versetzte der Schriftsteller. »Sie wollten Euch zerreißen, wie die Bacchantinnen den Orpheus und jeder wollte sich seinen Teil zueignen, aber ich habe Euch ganz, unzerteilt, unzerstückelt erhalten, Reifenschläger, Gooseberry u.s.w. u.s.w.«

»... Professor Pips, Lord Drum, Mr. Raquette, Legationsrat von Sachtleben, Duca di... di...«

»... u.s.w. u.s.w. Vertieft Euch nicht in die Vergangenheit. Fort aus dem verwünschten Schlosse! Wenn noch jemand käme —«

Münchhausen schrak etwas zusammen, dann aber faßte er sich und sagte: »Dieser Jemand wird nicht kommen. Es wäre ja die albernste Laune, eine Laune, die ich selbst dem Schicksale nicht zutraue, wenn ein junger, plumper, unerfahrener Mensch mich ausfindig machte; zudem ist das Schloß in diesem verruchten Nebel auf zwanzig Schritte Entfernung nicht zu sehen.«

Ein Hacken wie mit einem Beile ließ sich über ihren Köpfen vernehmen, zugleich sang Emerentia unten lauter, ohne daß die Worte verständlich waren. Der Wind schnob, pfiff, die Wände schütterten. Der Schriftsteller machte ein ängstliches Gesicht. Er verlangte, daß Münchhausen augenblicklich mit ihm das Schloß verlassen solle. — »Nein!« rief der Freiherr, »dort im Schlafe ist mir ein allerliebstes spirituelles Billett an den Erbprinzen eingefallen, worin ich ihm den Plan unserer künftigen geheimen genialen Lebensweise vorzeichnen will, und zugleich ein submisses Danksagungsschreiben an den regierenden Herrn für meine semioffizielle Anstellung in den angemessensten Ausdrücken; solche Ideen, Penséen, Attrappen und Calembourgs müssen aber improvisiert und nicht destilliert werden, nur aus dem Stegreif geraten sie.«

»Toller Mensch!« rief der Schriftsteller und bezeichnete ihm den Ort, wo er seiner mit den Wechseln zur Reise nach Dünkelblasenheim warten wollte. Es war ein Dorf ganz in der Nähe, wo sich eine für Altertumsfreunde merkwürdige Kirche mit einer sonderbar geformten Krypte befand. — »Bestellt ein gutes Abendessen, sprengt einen Burschen für doppeltes Trinkgeld nach der Stadt, um uns Champagner zu verschaffen; wir wollen einen lustigen Abend haben und uns des Lebens freuen, das wie Champagner zu brausen beginnt!« rief der Freiherr seinem Kurator nach.

Er ging trällernd ein paarmal in der Stube auf und nieder, richtete den umgestürzten Tisch auf, legte sich zwei Bogen Postpapier zurecht, und schrieb nun, während das Schloß schütterte, der Wind heulte und das Lied Emerentias unten wie das Lied der Parzen immer schrillender klang, gleichzeitig die beiden Briefe, den spirituellen und den submissen, erst eine Zeile Geist an den Erbprinzen und dann eine Zeile Angemessenes an den regierenden Herrn.

Dazwischen schnitt er lustige Grimassen, pfiff die Anfänge von Opernarien, oder deklamierte große Rauscheworte aus Tragödien. Sein buntes, abenteuerliches, wildes Leben war ihm während des Schlafes in der Schlacht vor der Seele vorübergegangen, er fühlte sich von sich begeistert, er war in einer komischen Ekstase. Das Leben bei Hofe, seine wunderbare Doppelstellung zwischen den Hühneraugen des alten und dem geistigen Bedürfnisse des jungen Herrn sah ihn aristophanisch schillernd an, er blickte in eine ganze Welt von Schnurren und diplomatischen Faxen hinein.

In diesem Rausche vernahm er nicht, daß jemand mit entschiedenem Schritte die Treppe heraufkam, die Türe öffnete und sich hinter ihn stellte. Er saß, das Haupt tief auf die Briefbogen gebückt, so daß ihm der Fremde nicht in das Gesicht sehen konnte. Nachdem dieser einige Augenblicke so stillschweigend gestanden hatte, während Münchhausen immer emsig fortschrieb, sagte der Fremde: »Verzeihen Sie meine Dreistigkeit, ich suche den Herrn Baron —«

Münchhausen fuhr empor, unwillkürlich fiel sein Blick in den gegenüberhangenden Spiegel; er sah das Antlitz des Fremden darin, die Feder entsank seiner Hand, sein gelbes Gesicht wurde nicht grünlich, sondern weißgrau, seine Züge, die eben sich sarkastisch geformt hatten, blieben wie gefroren in diesem Ausdrucke stehen, sein Mund öffnete sich; er glich einer komischen Maske aus Stein. Der Fremde seinerseits stand gleichfalls vor Überraschung regungs- und sprachlos. So bildeten die beiden, welche sich hier so wunderbar fanden, einige Sekunden lang die seltsamste Gruppe.

»Was!?« rief endlich Münchhausen, als er die Sprache wiederfand. — »Was!?« rief der Fremde.

»Habe ich so unerwartet die Ehre, den Herrn Grafen von Waldburg« — stammelte Münchhausen.

»Zu dienen, Herr Schrimbs oder Peppel«, versetzte der Jäger.

»Ei, das ist ja heute ein an plötzlichen Rencontres überaus gesegneter Tag«, sagte der Freiherr, dessen Züge jetzt wieder flüssig wurden, um in ein unverhehlbares Beben überzugehen. — »Der Teufel hole den Teufel!« fügte er ingrimmig murmelnd hinzu. »Er hat mich mit den Possenspielen des Morgens und mit dem Lockgesange des Erbprinzen eingelullt, um mich nun unter die Fäuste dieses Schwaben zu werfen.«

»In der Tat, ich erwartete Sie nicht hier«, sagte der Jäger. »Da es sich indessen wider alles Vermuten so fügt —«

»So will ich den Herrn vom Hause rufen, nach dem Sie, wenn ich nicht irre, verlangten«, rief Münchhausen, sprang auf und wollte zur Türe hinausrennen. — Der Jäger vertrat ihm aber den Weg, sah auf die Pistole, die am Boden lag und sagte kalt: »Ich danke Ihnen, Herr Schrimbs oder Peppel. Den Herrn Baron will ich mir schon selbst aufsuchen zu seiner Zeit, erst aber mit Ihnen ein altes Geschäft in Ordnung bringen.«

»Wenn ich Sie nur verstände!« versetzte Münchhausen.

Der Jäger erhob die Pistole vom Boden und sagte: »Ich werde mich gleich ganz deutlich machen, Herr Schrimbs oder Peppel.«

»Freiherr von Münchhausen, wenn ich bitten darf«, rief der Held, sich selbst vergessend.

»Desto besser. So sind Sie also von Adel und ich kann Sie bei dieser Qualität für mein Vorhaben um so fester halten.«

Fünfzehntes Kapitel

Wie der Freiherr von Münchhausen plötzlich Mut bekommt und überhaupt ein ganz anderer Mann ist, als mancher sich denken mag

Münchhausen machte Schritte nach dem Fenster zu. Der Jäger aber, welcher allen seinen Bewegungen mit dem Scharfblicke eines Falken folgte, sprang ihm vor und warf die von außen angelehnte Leiter in den Hof. — »Sie scheinen mich verhindern zu wollen, frische Luft zu schöpfen«, sagte Münchhausen, gezwungen lächelnd.

»Mein Herr«, fuhr der Jäger mit seiner tiefen Stimme, die in diesem Raume wie ein Donner klang, auf, »ich will im Gegenteile mit Ihnen einen Gang in die freie Luft machen. Zu dieser Pistole wird sich eine zweite hier irgendwo herum finden, denn ein Paar gehört immer zusammen, und sonach ersuche ich Sie, mir anzuzeigen, wo diese zweite liegt und etwas Pulver und Blei, denn so wahr ich der bin, dessen Namen Sie genannt haben, heute werden Sie mir nicht verschwinden, sondern mir für das anmutige Märlein vom Gänserich und Gänschen Rede stehen. Obgleich ich Sie beinahe vergessen hatte, in ganz andere Empfindungen verloren, so lebt doch bei Ihrem Anblicke in mir das Gedächtnis an das auf, was ich mir und hauptsächlich meiner Anverwandten schuldig bin.«

»Wenn ich mich über den Sinn Ihrer Reden nicht täusche, so wollen Sie sich mit mir schießen?« sagte der Freiherr, mit den Nasenflügeln zitternd. — Sein Gegner machte eine unruhige Bewegung. — »Nur noch eine Frage: War das Märchen von Gänserich und Gänschen witzig?« — Der Jäger schlug die Augen nieder. — »Nun denn — Ihr Schweigen ist auch eine Antwort — was beweiset dann Ihr Pistolenschuß gegen den Witz? Sie schießen das sterbliche Individuum Münchhausen nieder, der Witz bleibt von Ihrer Kugel ungetroffen und lebt unsterblich fort.«

»Es ist noch sehr die Frage, ob ich Sie treffe; Sie können ebensowohl mich erschießen!« rief der Jäger.

»Nein«, sagte Münchhausen auf einmal ganz ruhig, indem er den Jäger von oben bis unten mit seinen Blicken musterte, »Sie werden mich totschießen, wenn ich mich Ihrem Pistolenlaufe gegenüberstelle. Ich weiß das sicherlich. Der verrückte Zufall, der die Verspätung meiner Person an diesem Orte zuließ, der Sie nicht einige Minuten später kommen machte, wo Sie in das leere Nest getreten wären, beweiset mir, daß das Schicksal gegenwärtig betrunken ist und hin und her torkelt. Mich ergreift, mich ergreift die heiße, dicke, blinde Faust! Gerade so ein junger Herr und Graf, der ein junger Herr und Graf ist, wird berufen, einem Manne, wie ich bin, das Lebenslicht auszublasen. Ich weiß, daß Sie noch nie etwas getroffen haben, mich würden Sie treffen, wenn ich so toll wäre, Ihnen zur Scheibe zu dienen. Um also Ihnen ein großes Verbrechen an den Erwartungen der Welt und der Welt einen großen Verlust zu ersparen —«

»Refüsieren Sie das Duell?« fragte der Jäger zornfunkelnd.

»Ja«, versetzte der Freiherr ruhig. — »Das Duell ist für Narren und junge Landjunker, die weiter nichts als Blut in sich haben. Wissen Sie, was in mir steckt? Geist! Geist! Geist! Wenn ich sterbe, stirbt ein ganzes Göttergeschlecht von Einfällen, Phantasien, unvergleichlichen Sprüngen der Laune und Erfindung. Können Sie meinen über das ganze Erdenrund verbreiteten Anhängern Ersatz schaffen? Nein. Sind Sie imstande, den Erbprinzen über mich zu trösten? Nein. Und also sage ich Ihnen, wie Mirabeau seinen Herausforderern, die ihn mit dem Munde nicht widerlegen konnten, sagte: »Wartet, bis die Konstitution fertig sein wird« — warten Sie, bis ich alle meine Erzählungen, die dieses Rund wie ungeborene Embryonen bevölkern, vorgetragen haben werde.« — Er schlug bei den letzten Worten an seinen Kopf.

 

Des Jägers Züge begannen, die äußerste Verachtung auszudrücken. Seine Gestalt erhob sich stolz, er stand wie ein Löwe da, der, seine Beute zu verschlingen eben im Begriff, plötzlich von ihrem Zittern zu einer geringschätzigen Großmut hingerissen, die aufgehobene Tatze sinken läßt.

Münchhausens Glieder flogen, er faßte irr mit der Hand in sein Haar, welches sich gesträubt hatte. Es war ein erbarmenswürdiger Anblick. — »Ja«, rief er dumpf und keuchend, indem er die Worte mühsam hervorstieß, »ich fürchte mich vor dem Tode! Der gedankenloseste Narr, der sich nicht vor ihm fürchtet! Da wird mein Leib liegen, und da herum verspritzt mein Gehirn, die Werkstatt prächtiger Gebilde. Um den Mund noch ein Spott, der nicht sterben kann, und den die bleichen Lippen doch verschweigen müssen. Und dann die erstickende Erde über einem — eingepackt wie ein Hering, nur leider nicht eingesalzen — dieses allgemeine Burken der Menschengeschlechter — und endlich gar die Würmer — o pfui! pfui! Aus — aus mit dem letzten Atemzuge!

Woher kommen wir, als aus dem Nichts? — Wohin werden wir gehen anders als ins Nichts? Wir entstehen, also werden wir auch vergehen. Leugnet die Konsequenz, wenn Ihr‘s wagt! Ich sagte es mir oft, wenn ich um Mitternacht bei meiner Kerze eingeschlafen war, dann auffuhr in Gedanken der Vernichtung und mein entsetztes Gesicht gegenüber im Spiegel sah...

Aber das Leben auch nur ein Fieber, ein Fieber des Nichts, mithin ein krankes Nichts! — schüttelt‘s ab, ihr meine Nerven, laßt Euch nicht unterkriegen, Ihr meine tapferen Muskeln und Sehnen — die Knochen bleiben ja doch eine Zeitlang nachher übrig — nichts in der Welt geht über ein schönes, reinliches Skelett — so — so — so — ah! ah! Luft! Wärme! Immer besser! besser! Dieu merci, es ist überstanden —«

Der Jäger hatte während dieser verworrenen Reden dem Freiherrn den Rücken gewendet und das Pistol an einen Nagel gehängt. Jetzt wollte er, ohne dem von ihm verachteten Feinde einen Blick zu gönnen, aus der Türe gehen. Münchhausen aber rief ihm mit fester Stimme zu: »Herr Graf, ich ersuche Sie, zu bleiben!« — Der Jäger drehte sich um und sah erstaunt einen verwandelten Menschen. Münchhausens Glieder hatten Ruhe gewonnen, er stand, wie ein Mann stehen muß, sein Gesicht sah gleichmütig und zuversichtlich aus.

Im gesetztesten Tone sprach er: »Wenn Sie sich zu dem alten Herrn Baron hinauf bemühen wollen, der sich da oben mit Holzhacken ein Vergnügen zu machen scheint, so werden Sie vermutlich von ihm eine zweite Pistole nebst Pulver und Kugeln erhalten können. Ich nehme diese da an der Wand und bin bereit, mit Ihnen draußen die begehrte Schießübung anzustellen.«

Die Reihe, in Verwirrung zu geraten, war jetzt an dem Jäger, der sich in diese plötzliche Umwandelung einer Memme nicht zu finden wußte. — »Gehen Sie, mein Herr«, sagte Münchhausen, »warum staunen Sie? Der Mut ist ein Paroxysmus, die Feigheit ist auch ein Paroxysmus. Ich habe diesen Paroxysmus, an dem manche Menschen zeitlebens leiden, in einem akuten Anfalle überstanden. Fortan werde ich sein, was freilich bis jetzt zu dem vollen Blütenkranze meiner Eigenschaften noch mangelte, ein todverachtender Held.«

Der junge Jäger, der sich diesem urplötzlich entstandenen Heroismus gegenüber mit Worten nicht zu helfen wußte, fuhr in seiner Unbehülflichkeit heraus: »Ich fürchte, Sie sind auch darin nur wieder ein Lügner.«

»Lügner!« rief Münchhausen stolz. — »Jetzt haben Sie mich beleidigt, stärker, als ich Sie beleidigt hatte. Ich könnte jetzt den ersten Schuß verlangen; der Lügner verzichtet aber auf dieses Recht. — Lügner!« wiederholte er mit Hoheit. »Es kann sein, daß mir der Mund über dieses Kapitel bald versiegelt werden wird. Deshalb fühle ich mich veranlaßt, Ihnen in aller Kürze ein Kollegium von Lüge und Wahrheit zu lesen.

Herr Graf, alle Menschen sind Lügner, nur mehr oder weniger entwickelte. Die sogenannten tugendhaften und edeln Charaktere haben nur nicht den Verstand zur echten und vollkommenen Lüge; ihre Lüge bleibt ihnen im Blute, zwischen dem massigen Fleische oder den dicken Stirnhäuten stecken, sie bringen es höchstens zur Halblüge, zu der egoistischen Lüge. Lügen Sie nicht, Herr Graf, wenn Sie sich so zornig, so nach meinem Blute lüstern darstellen, oder tun, als liege Ihnen die Ehre Ihrer Muhme Clelia am Herzen? Das Duell mit mir ist Ihnen im Grunde ganz gleichgültig, aber Sie haben Ihren schwäbischen Vettern gesagt: »Wo ich den Schelm treffe, da geht es ihm übel«, und nun halten Sie Ihr Wort, wie wenn Sie gesagt hätten: »Heute nachmittag wollen wir zusammen spazierengehen.« — Hinz lügt, wenn er zu Kunzen sagt: »Ich freue mich, Sie wohl zu sehen«, denn er weiß gar nicht, ob Kunzen wohl ist und von Freude ist sein Herz weit entfernt; Kunz lügt, wenn er an Hinzen schreibt: »Der Ihrige«, denn er gehörte niemals Hinzen. Der Familienvater lügt, wenn er von Pflichten gegen Frau und Kinder redet; nein, sein Haus ist seine Bequemlichkeit, und die muß er sich natürlich seinerseits auch zu erhalten wissen; der Offizier, der seine Leute mit einer Rede vom Vaterlande in das Feuer führt, lügt; denn an das Vaterland denkt er nicht, sondern ans Avancement, wenn die Burschen ihm mutig folgen; der Prediger auf der Kanzel lügt, der Richter im Richterstuhle lügt, der Fürst auf dem Throne lügt — sie lügen alle, alle, nur haben sie nicht die Virtuosität darin, sie bringen ungeschickte, phantasielose, entkräftete Lügen hervor, und ihr schweres Blut, ihr massiges Fleisch, ihre dicken Stirnhäute nennen die Halblügner Tugend.

Wie anders bei uns begünstigten Sonntagskindern, deren es freilich immer nur wenige gibt, ich aber bin ihr Chef! Gleich schönen, nackten, schlafenden Mädchen liegen die Dinge um uns her, der Empfängnis gewärtig; wir heiraten sie nicht in plumper Ehe, wir zeugen nicht mit ihnen schläfrig-legitime Kinder, nein, Don Juans der Erfindung, gehen wir zwischen diesen wollüstig geöffneten Lippen, zwischen diesen Busen und Hüften auf und nieder und scherzen hier und küssen dort, und erwacht fühlen sie sich Mütter, worüber die alten Vettern und Basen sich des Todes verwundern wollen; den gesegneten Schößen aber entspringen kleine mutige Kobolde, tolle Kinder der Liebe, an denen freilich kein gutes Haar und kein wahres Wort ist. — Sie sind ein durchaus rechtschaffener Mann, Herr Graf, und unfähig solches Leichtsinnes, danken Sie Gott für Ihre Tugend, aber richten Sie nicht über unsereinen. Ich bin der Cäsar der Lügen; ich kann von mir sagen, wie »der krummnasige Kerl von Rom«: »Ich kam, sah und — log!««

»Jetzt hole ich das Pistol!« rief der Jäger.

»Das wäre nun eine Antwort! — Aber halt noch einen Augenblick!« sagte Münchhausen, zog aus seinem Busen eine goldene Kapsel von ziemlicher Größe, drückte am Scharnier, daß sie aufsprang und ließ den Jäger hineinsehen. Es lag ein Päckchen Staatspapiere, fest zusammengefaltet, darin und am inneren Rande waren Namen eingraviert, die der Jäger auf das Geheiß seines wunderlichen Feindes lesen mußte. — »Was soll das?« fragte er.

»Ein Vermächtnis an Ihre Ehre, wenn ich bleiben sollte«, sagte Münchhausen. »In Fällen, wie der unsrige, wo man sich ohne Sekundanten schießt, ist der Überlebende zu solchen Ritterdiensten verpflichtet. Ich habe eine Tochter —«

»Sie?«

»Ich; hab‘ sie, weil sie mein ist, könnte ich mit Polonius sagen, wollte ich scherzen, ich will aber über diese Tochter nicht scherzen. — Mein Herr, ich werde Ihnen jetzt nichts vorseufzen, mein Herr, ich werde Ihnen nichts vorweinen, überhaupt, mein Herr, nicht den Sentimentalen vor Ihnen spielen; ich werde Ihnen nur sagen, daß, auch wenn man viel gelogen und manches Abenteuer gehabt hat, es immer ein eigenes Gefühl bleibt, eine Tochter zu besitzen, von der man nicht weiß, wo sie ist. Ich zeugte sie vor nunmehr zwanzig Jahren fern von hier mit einer einfältigen aber ziemlich hübschen Gans. Sie lasen die Namen der Mutter, des Orts, auch wie ich damals hieß. Wenige Wochen nach ihrer Geburt sah ich sie zufällig bei einem alten Weibe, der sie übergeben worden war, und — da nahm ich mir einen Augenblick vor, zu werden, was man einen ordentlichen, gesetzten Mann nennt. Ich gab der Alten meine Barschaft für das Kind, weil es aber nicht viel war, so suchte ich ihren Eigennutz durch Hoffnungen zu ködern, imaginierte eine höchst seltsame Vorrichtung von Instrument, welches, wenn es richtig gebraucht wurde, die Herkunft des Kindes offenbarte, und bildete der Vettel ein, dadurch werde einmal ein hoher Stand ihres Pfleglings an das Tageslicht kommen. — So glaubte ich vorläufig für mein Fleisch und Blut gesorgt zu haben. Aber ich täuschte mich, denn als ich nach einiger Zeit in besseren Umständen mich wieder nach dem Kinde erkundigte, war das alte Weib durchgegangen, hatte vermutlich mein Geld sich zunutze gemacht und den Säugling vor eine fremde Pforte gelegt.«

»Wenn man Ihnen nur glauben dürfte —«

Hier aber geriet der Freiherr in einen erhabenen Zorn, daß er selbst seinem jungen Feinde imponierte. Er ballte die Fäuste, knirschte mit den Zähnen, rollte die Augen, stampfte mit den Füßen und rannte wie rasend einige Male auf und nieder. — »Bei Himmel und Hölle!« rief er, »wenn man ein Genie ist, muß man darum ein Gaudieb sein? — Bin ich ein zusammengeronnener Homunculus, wie der Spitzbube Karl mir nachplauderte, oder bin ich nicht ein Fabrikat, in derselben Retorte ausgebacken, worin Ihr anderen alle ausgebacken wurdet? — Sackerlot! Wenn ich von dem Kinde rede, so meine ich‘s ernsthaft, obgleich durchaus nicht empfindelnd — ich bitte mir Glauben für diese Versicherung aus. — Aber ich denke sie mir so reizend, so schön, so gut — so — so... ich kann‘s nicht aussprechen, wie ich sie mir denke. An etwas muß der Mensch seine Gedanken hängen, wenn er auch kein Herz hat.«

Er schlug wütend an seine Brust und schrie fast: »Nein! Nein! Hier ist kein Herz drinnen, ich weiß es! Alles leer, nüchtern, dumpf — oh! hu! ‚s ist, als wenn man an einen hohlen Topf schlägt. — Was kann ich dafür? Warum hat er mir keins hineingeschaffen? Anderen gibt er keinen Verstand, die werden von jedermann entschuldigt; mir gab er kein Herz, und die Entschuldigung soll nicht gelten? — Aber Gedanken habe ich und die hangen an der Tochter. Immer suchte ich sie, nimmer fand ich sie. Indessen habe ich einen Freund bei Ihnen in Stuttgart, der hat mir vor kurzem Hoffnung gemacht, es sei vielleicht möglich, dem Dasein des Kindes noch auf die Spur zu kommen. Ich schreibe seine Adresse auf, derweil Sie hinaufgehen. Schießen Sie mich tot, so besorgen Sie die Kapsel an die Adresse. Der Inhalt gehört dem Kinde, wenn es entdeckt wird, es ist von Geschenken erspart, die ich hin und wieder bekam, und ich habe lieber gehungert, als berührt, was ich einmal in der Kapsel zurückgelegt hatte.

Jetzt gehen Sie, und holen Sie die zweite Pistole!«

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