Stolz und Vorurteil

Текст
Из серии: Klassiker bei Null Papier
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

3. KAPITEL

So sehr sich in­des­sen Mrs. Ben­net, eif­rig von ih­ren fünf Töch­tern un­ter­stützt, dar­um be­müh­te, es war kei­ne auch nur ei­ni­ger­ma­ßen zu­frie­den­stel­len­de Be­schrei­bung des neu­en Nach­barn aus ih­rem Mann her­aus­zu­be­kom­men. Die An­grif­fe er­folg­ten von den ver­schie­dens­ten Sei­ten, ge­ra­de­wegs als Fra­gen oder un­ter Harm­lo­sig­keit ge­tarnt oder wie­der als schein­bar ganz fern-lie­gen­de An­deu­tun­gen, aber er ließ sich in kei­ne Fal­le lo­cken. Zu­letzt muss­ten sie sich mit dem zu­frie­den­ge­ben, was Lady Lu­cas ih­nen aus zwei­ter Hand be­rich­ten konn­te. Sir Wil­liam war ent­zückt ge­we­sen. Er sei noch sehr jung, un­ge­wöhn­lich gut aus­se­hend, au­ßer­or­dent­lich wohl­er­zo­gen, und, als Krö­nung des Gan­zen, er be­ab­sich­ti­ge, an dem nächs­ten Ball mit ei­ner grö­ße­ren Ge­sell­schaft teil­zu­neh­men… Wo konn­te es da noch feh­len! Zwi­schen gern tan­zen und sich ver­lie­ben war nur noch ein klei­ner, ein fast un­ver­meid­li­cher Schritt! Mr. Bingleys Herz wur­de Ge­gen­stand der leb­haf­tes­ten Er­ör­te­run­gen und Er­war­tun­gen.

»Wenn ich es er­le­ben darf, dass eine mei­ner Töch­ter als Her­rin in Ne­ther­field ein­zieht«, sag­te Mrs. Ben­net zu ih­rem Mann, »und wenn es mir ge­lin­gen soll­te, die an­de­ren eben­so gut un­ter­zu­brin­gen, dann wird mir je­der Wunsch er­füllt sein.«

Nach ei­ni­gen Ta­gen er­wi­der­te Mr. Bingley Mr. Ben­nets Be­such und blieb mit ihm etwa zehn Mi­nu­ten in der Biblio­thek. Er hat­te die lei­se Hoff­nung ge­habt, we­nigs­tens einen Blick auf die jun­gen Da­men wer­fen zu dür­fen, von de­ren Schön­heit er schon viel ge­hört hat­te; aber der Va­ter war al­les, was er zu se­hen be­kam. Die Da­men selbst wa­ren ein we­nig mehr vom Glück be­güns­tigt; ge­lang es ih­nen doch, von ei­nem Fens­ter im obe­ren Stock fest­zu­stel­len, dass er einen blau­en Man­tel trug und ein schwar­zes Pferd ritt.

Bald dar­auf wur­de auch die Ein­la­dung zum Es­sen ab­ge­schickt. Mrs. Ben­net war sich schon über alle Ge­rich­te und Gän­ge klar, mit de­nen sie haus­frau­li­che Ehre ein­zu­le­gen ge­dach­te; da kam sei­ne Ant­wort und schob all die schö­nen Plä­ne auf un­be­stimm­te Zeit auf. Mr. Bingley be­dau­er­te sehr, am fol­gen­den Tag nach Lon­don fah­ren und sich da­her des Ver­gnü­gens be­rau­ben zu müs­sen, der Ein­la­dung usw. usw. Mrs. Ben­net war ganz un­glück­lich. Sie konn­te sich gar nicht den­ken, was das für eine An­ge­le­gen­heit sein moch­te, die ihn schon so bald nach sei­ner An­kunft in Hert­fords­hi­re nach Lon­don zu­rück­rief. Der Ge­dan­ke, er kön­ne viel­leicht zu der Sor­te jun­ger Män­ner ge­hö­ren, die stän­dig von ei­nem Ort zum an­de­ren flat­tern, an­statt sich mit ei­nem fes­ten Wohn­sitz zu be­gnü­gen – in die­sem Fall Ne­ther­field –, wie es sich ge­hör­te, be­gann sie ernst­lich zu be­un­ru­hi­gen. Und sie schöpf­te erst wie­der ein we­nig Mut, als Lady Lu­cas ihr ge­gen­über die Mög­lich­keit er­wähn­te, er sei doch viel­leicht nur nach Lon­don ge­fah­ren, um sei­ne große Ball­ge­sell­schaft nach Ne­ther­field zu ho­len. Bald dar­auf ver­brei­te­te sich das aus si­che­ren Quel­len stam­men­de Gerücht, Mr. Bingley wer­de mit zwölf Da­men und sie­ben Her­ren auf dem Fest er­schei­nen. Zwölf Da­men! Die jun­gen Mäd­chen hör­ten die­se Nach­richt mit großer Be­sorg­nis. Aber auch sie fass­ten wie­der Mut, als die Zahl zwölf am Tage vor dem Ball auf sechs – fünf Schwes­tern und eine Cou­si­ne – be­rich­tigt wur­de. Die Ge­sell­schaft, die tat­säch­lich den großen Fest­saal be­trat, war dann schließ­lich nicht zahl­rei­cher als ins­ge­samt nur fünf Per­so­nen: Mr. Bingley, sei­ne bei­den Schwes­tern, der Gat­te der äl­te­ren und ein un­be­kann­ter jun­ger Mann.

Mr. Bingley sah sehr gut aus und mach­te einen vor­neh­men Ein­druck. Sei­ne gan­ze Hal­tung und Art, sich zu ge­ben, wa­ren na­tür­lich und von ei­ner un­ge­zwun­ge­nen Freund­lich­keit. Die Schwes­tern wa­ren mit gu­tem, ei­ge­nem Ge­schmack nach der letz­ten Mode ge­klei­det und muss­ten zwei­fel­los zu den Schön­hei­ten der Lon­do­ner Ge­sell­schaft ge­zählt wer­den. Mr. Hurst, dem Schwa­ger Mr. Bingleys, war die gute Fa­mi­lie an­zu­se­hen; mehr al­ler­dings auch nicht. Mr. Dar­cy, der jun­ge Freund, da­ge­gen war bald mit sei­ner großen, schlan­ken Fi­gur, sei­nem an­ge­neh­men Äu­ße­ren und sei­nem vor­neh­men Auf­tre­ten Mit­tel­punkt der Auf­merk­sam­keit des gan­zen Saa­l­es. Kein Wun­der, dass in we­ni­ger als fünf Mi­nu­ten die ver­bürg­te Nach­richt ih­ren Lauf über alle Lip­pen nahm, Mr. Dar­cy ver­fü­ge über zehn­tau­send Pfund im Jahr. Die Her­ren ge­stan­den ihm sein un­ge­wöhn­lich statt­li­ches und männ­li­ches We­sen zu, die Da­men ver­si­cher­ten, er sehe noch bes­ser aus als Mr. Bingley, und die Bli­cke von je­der­mann folg­ten ihm be­wun­dernd den hal­b­en Abend lang; dann aber wan­del­te sich die an­fäng­li­che Auf­fas­sung von der Vor­nehm­heit sei­nes Auf­tre­tens voll­stän­dig in das Ge­gen­teil um, wor­auf­hin die Hoch­flut der Ach­tung, die man ihm ent­ge­gen­ge­bracht hat­te, rasch ab­zueb­ben be­gann. Denn man konn­te nicht um­hin, die Fest­stel­lung zu ma­chen, dass Mr. Dar­cy hoch­mü­tig war, auf die an­we­sen­de Ge­sell­schaft her­ab­sah und an nichts An­teil neh­men woll­te. Nichts, nicht ein­mal sein großer Grund­be­sitz in Der­by­s­hi­re, war ein Aus­gleich für sein ab­wei­sen­des und we­nig freund­li­ches Be­neh­men. Je­den­falls konn­te er in kei­ner Wei­se mit sei­nem Freund Mr. Bingley ver­gli­chen wer­den.

Mr. Bingley hat­te sich bald schon mit all den vor­nehm­lichs­ten An­we­sen­den be­kannt­ge­macht. Er tanz­te je­den Tanz, war leb­haft und auf­ge­räumt, är­ger­te sich nur dar­über, dass das Fest so früh zu Ende sein soll­te, und sprach da­von, einen Ball auf Ne­ther­field zu ge­ben. Sol­che Lie­bens­wür­dig­keit be­darf kei­ner wei­te­ren Lo­bes­wor­te. Welch ein Ge­gen­satz zwi­schen ihm und sei­nem Freund! Mr. Dar­cy tanz­te nur je ein­mal mit Mrs. Hurst und mit Miss Bingley und lehn­te es ab, ir­gend­ei­ner an­de­ren Dame vor­ge­stellt zu wer­den. Den größ­ten Teil des Abends brach­te er da­mit zu, im Saal her­um­zu­ge­hen und hin und wie­der mit dem einen oder der an­de­ren von sei­nen Be­kann­ten ein paar Wor­te zu wech­seln. Über sei­nen Cha­rak­ter brauch­te auch kein Wort mehr ver­lo­ren zu wer­den. Er war der hoch­mü­tigs­te, un­an­ge­nehms­te Mensch auf der Welt, und man konn­te nur hof­fen, dass man ihn zum letz­ten Male ge­se­hen hat­te.

Sei­ne hef­tigs­te Geg­ne­rin war Mrs. Ben­net; denn zu der all­ge­mei­nen Miss­s­tim­mung kam bei ihr ein per­sön­li­cher Grund hin­zu, der ihre Ab­nei­gung noch be­deu­tend ver­schärf­te: Mr. Dar­cy hat­te eine ih­rer Töch­ter be­lei­digt.

Da die Her­ren sehr in der Min­der­zahl wa­ren, hat­te Eli­sa­beth zwei Tän­ze aus­las­sen müs­sen; und in die­ser Zeit war Mr. Dar­cy wäh­rend sei­nes ge­lang­weil­ten Rund­gan­ges für einen kur­z­en Au­gen­blick ihr so na­he­ge­kom­men, dass sie nicht um­hin konn­te, ein Ge­spräch zwi­schen ihm und Mr. Bingley mit an­zu­hö­ren; der hat­te die Tan­zen­den ver­las­sen, um sei­nen Freund aus sei­ner In­ter­es­se­lo­sig­keit zu rei­ßen.

»Los, Dar­cy«, sag­te er, »du musst auch ein­mal tan­zen. Es wird mir zu dumm, dich in die­ser blö­den Wei­se hier al­lein her­um­ste­hen zu se­hen. Wenn du doch schon hier bist, ist es viel ver­nünf­ti­ger, du tanzt.«

»Al­les an­de­re lie­ber als das! Du weißt, wie sehr ich es ver­ab­scheue, mit je­mand zu tan­zen, den ich nicht ken­ne. Und in ei­ner Ge­sell­schaft wie die­ser hier wäre es ge­ra­de­zu un­er­träg­lich. Dei­ne Schwes­tern ha­ben bei­de einen Part­ner, und au­ßer ih­nen gibt es auch nicht ein ein­zi­ges Mäd­chen im gan­zen Saal, mit dem sich zu zei­gen nicht eine Stra­fe wäre.«

»Nicht für ein Kö­nig­reich möcht’ ich solch ein Mäk­ler sein wie du!« rie­f Bingley aus. »Auf Ehre, ich hab’ noch nie so vie­le net­te Mäd­chen auf ein­mal ken­nen­ge­lernt wie heu­te Abend; vie­le sind so­gar ganz un­ge­wöhn­lich hübsch.«

»Du tanzt ja auch mit dem ein­zi­gen Mäd­chen, das hier wirk­lich gut aus­sieht«, er­wi­der­te Dar­cy und schau­te gleich­zei­tig zu Jane hin­über.

»Ja, sie ist das wun­der­bars­te Ge­schöpf, das mir je vor Au­gen ge­kom­men ist! Aber ge­ra­de hin­ter dir sitzt eine ih­rer Schwes­tern, die sehr nett aus­sieht und wahr­schein­lich auch sehr nett ist. Ich wer­de mei­ne Dame bit­ten, dich ihr vor­zu­stel­len.«

»Wel­che meinst du?« Dar­cy dreh­te sich um und be­trach­te­te Eli­sa­beth, bis sie un­ter sei­nem Blick hoch­sah. Da­rauf­hin wand­te er sich wie­der an sei­nen Freund und mein­te gleich­gül­tig: »Er­träg­lich, aber nicht ge­nü­gend, um mich zu rei­zen. Au­ßer­dem habe ich heu­te kei­ne Lust, mich mit jun­gen Da­men ab­zu­ge­ben, die von den an­de­ren Her­ren sitz­en­ge­las­sen wor­den sind. Kehr du nur wie­der zu dei­ner Tän­ze­rin zu­rück und son­ne dich in ih­rem Lä­cheln; bei mir ver­geu­dest du doch nur dei­ne Zeit.«

Mr. Bingley folg­te sei­nem Rat, und Dar­cy nahm sei­nen Rund­gang wie­der auf. Eli­sa­beths An­sicht über ihn war nicht sehr freund­lich, aber nichts­de­sto­we­ni­ger be­rich­te­te sie ih­ren Freun­din­nen voll Hu­mor ihr klei­nes Er­leb­nis; denn da sie selbst von Na­tur lus­tig und hei­ter war, lach­te sie gern, auch wenn es auf ihre ei­ge­nen Kos­ten ging.

Im Üb­ri­gen ver­lief je­doch der Abend zur volls­ten Zufrie­den­heit der gan­zen Fa­mi­lie. Mrs. Ben­net hat­te die Freu­de ge­habt, ihre äl­tes­te Toch­ter von dem Ne­ther­field-Kreis ak­zep­tiert zu se­hen: Mr. Bingley hat­te zwei­mal mit ihr ge­tanzt, und sei­ne Schwes­tern zeich­ne­ten sie durch größ­te Zu­vor­kom­men­heit aus. Ja­nes Freu­de und Stolz hier­über wa­ren wohl nicht ge­rin­ger als die ih­rer Mut­ter, aber sie ließ es sich nicht so sehr an­mer­ken. Eli­sa­beth teil­te als gute Schwes­ter Ja­nes Freu­de. Mary hat­te sich Miss Bingley ge­gen­über als das ge­bil­dets­te jun­ge Mäd­chen aus der gan­zen Nach­bar­schaft rüh­men ge­hört. Und die bei­den Jüngs­ten, Ca­the­ri­ne und Ly­dia, konn­ten das un­wahr­schein­lichs­te Glück für sich in An­spruch neh­men, nicht einen ein­zi­gen Tanz aus­ge­las­sen zu ha­ben, und das war das ein­zi­ge, wor­auf es ih­nen vor­läu­fig bei ei­nem Ball an­kam.

 

Sie kehr­ten da­her alle in bes­ter Lau­ne nach Long­bourn zu­rück, dem Dorf, des­sen vor­nehms­tes Haus das ihre war. Mr. Ben­net war noch auf. In Ge­sell­schaft ei­nes gu­ten Bu­ches ver­gaß er die Zeit. Am heu­ti­gen Abend kam noch ein gut Teil Neu­gier­de hin­zu, ihn wach zu hal­ten; er woll­te doch gern wis­sen, wie das Fest ver­lau­fen war, das so vie­le Hoff­nun­gen er­weckt hat­te. Im Stil­len hat­te er wohl er­war­tet, die vor­ge­fass­te Mei­nung sei­ner Frau über den neu­en Nach­barn ent­täuscht zu se­hen; dass er sich sei­ner­seits ge­täuscht hat­te, dar­über wur­de er nicht lan­ge im Zwei­fel ge­las­sen.

»Wir ha­ben einen herr­li­chen Abend ver­bracht.« Da­mit kam sie ins Zim­mer. »Ein wun­der­vol­ler Ball! Ich wünsch­te, du wärst da­ge­we­sen. Jane wur­de be­wun­dert – es ist gar nicht zu be­schrei­ben! Alle sag­ten, wie gut sie aus­se­he; und Mr. Bingley fand sie wun­der­schön und hat zwei­mal mit ihr ge­tanzt! Stell’ dir das bit­te vor, mein Lie­ber! Zwei­mal hat er mit ihr ge­tanzt! Und sonst hat er kei­ne ein­zi­ge zum zwei­ten Mal auf­ge­for­dert! Zu­erst for­der­te er Miss Lu­cas auf. Ich hab’ mich rich­tig ge­är­gert, als er mit ihr tanz­te; doch er hat sie gar nicht ge­mocht, na ja, weißt du, das wäre wohl auch schwer mög­lich ge­we­sen. Aber schon wäh­rend des ers­ten Tan­zes schi­en ihm Jane auf­zu­fal­len; er er­kun­dig­te sich, wer sie sei, ließ sich vor­stel­len, und bat sie um den nächs­ten Tanz. Dann tanz­te er den drit­ten mit Miss King und den vier­ten mit Ma­ria Lu­cas und den fünf­ten wie­der mit Jane und den sechs­ten mit Liz­zy und dann noch ein Bou­lan­ger-Me­nuett hin­ter­her…«

»Um Got­tes wil­len, ich will nichts mehr von Mr. Bingleys Tän­ze­rin­nen hö­ren!« un­ter­brach Mr. Ben­net sie un­ge­dul­dig. »Wäre er ein we­nig rück­sichts­vol­ler ge­gen mich ge­we­sen, hät­te er nur halb so viel ge­tanzt. Scha­de, dass er sich nicht schon beim ers­ten Tanz den Fuß ver­staucht hat.«

»Aber«, fuhr Mrs. Ben­net fort, »ich bin ganz ent­zückt von ihm! Er sieht un­ge­wöhn­lich gut aus! Und sei­ne Schwes­tern sind rei­zen­de Da­men. Ihre Klei­der wa­ren das ele­gan­tes­te, was ich je ge­se­hen habe. Die Spit­zen an Mrs. Hursts Kleid ha­ben gut und ger­ne…«

Sie wur­de wie­der un­ter­bro­chen. Ihr Mann leg­te auf das ener­gischs­te Ver­wah­rung da­ge­gen ein, jetzt einen Dis­kurs über Spit­zen und Mo­den er­tra­gen zu müs­sen. Sie sah sich da­her ge­zwun­gen, das The­ma in eine an­de­re Rich­tung ab­zu­len­ken, und be­rich­te­te mit ehr­li­cher Ent­rüs­tung und ei­ni­gen Über­trei­bun­gen von dem un­glaub­li­chen Be­tra­gen des Mr. Dar­cy.

»Aber das weiß ich und das kann ich dir ver­si­chern«, schloss sie nach ei­ni­ger Zeit, »Liz­zy ver­liert nicht viel, wenn sie sei­nem Ge­schmack nicht ent­spricht; er ist ein ganz schreck­lich un­an­ge­neh­mer, scheuß­li­cher Mensch und gar nicht wert, dass man sich um ihn küm­mert. Nicht zum Aus­hal­ten war es, wie hoch­mü­tig und ein­ge­bil­det er hin- und her­ging und sich wun­der wie groß­ar­tig vor­kam! ›Er­träg­lich – aber nicht ge­nü­gend, um ihn zu rei­zen –!‹ Ich wünsch­te, du wärst da­ge­we­sen, mein Lie­ber, um ihn ein we­nig zu­recht­zu­stut­zen, du ver­stehst dich so gut dar­auf. Ich fin­de den Men­schen ab­scheu­lich!«

4. KAPITEL

Als Jane und Eli­sa­beth in ih­rem Zim­mer al­lein wa­ren, ver­trau­te die Äl­te­re, die bis da­hin kaum in die Lob­prei­sun­gen Mr. Bingleys ein­ge­stimmt hat­te, ih­rer Schwes­ter an, wie sehr sie ihn be­wun­de­re. »Er ist al­les, was ein jun­ger Mann sein soll­te«, sag­te sie, »ver­nünf­tig und doch fröh­lich und leb­haft; und sein Auf­tre­ten – ich hab’ noch nie so et­was er­lebt: gleich­zei­tig so un­ge­zwun­gen und so wohl­er­zo­gen!«

»Gut aus­se­hen tut er auch«, er­wi­der­te Eli­sa­beth, »das kann ei­nem jun­gen Mann eben­falls nicht scha­den. Also al­les in al­lem, ein idea­ler Typ!«

»Dass er mich ein zwei­tes Mal zum Tan­zen auf­for­der­te, das war doch sehr schmei­chel­haft. Das hat­te ich gar nicht er­war­tet!«

»Nicht? Ich ja. Das ist der große Un­ter­schied zwi­schen uns: dich über­rascht so et­was im­mer, mich nie. Was hät­te selbst­ver­ständ­li­cher sein kön­nen, als dass er dich noch ein­mal auf­for­der­te? Es konn­te ihm ja nicht gut ent­gan­gen sein, dass du min­des­tens fünf­mal hüb­scher warst als alle an­de­ren Mäd­chen im Saal. Nein, das war kei­ne be­son­de­re Höf­lich­keit von ihm. Aber es stimmt, er ist wirk­lich sehr nett, und mei­nen Se­gen hast du. Dir ha­ben schon ganz an­de­re Hohl­köp­fe ge­fal­len!«

»Aber Liz­zy!«

»Ich weiß – du hast eine reich­lich über­trie­be­ne Nei­gung, je­der­mann nett zu fin­den. Du ent­deckst nie­mals einen Feh­ler an Men­schen. Die gan­ze Welt ist in dei­nen Au­gen gut und schön. Ich glau­be, ich habe dich noch nie über ir­gend­wen et­was Un­freund­li­ches sa­gen hö­ren!«

»Ich möch­te na­tür­lich nicht un­über­legt und has­tig ur­tei­len; aber ich sage doch im­mer, was ich wirk­lich den­ke.«

»Eben, das weiß ich ja – das ist ja ge­ra­de das Wun­der: so ver­nünf­tig zu sein, wie du es doch bist, und da­bei so rüh­rend blind ge­gen­über den Tor­hei­ten und der Dumm­heit dei­ner Mit­menschen! Ge­spiel­te Auf­rich­tig­keit ist eine ge­wöhn­li­che Er­schei­nung – man trifft sie über­all. Aber Auf­rich­tig­keit ohne Hin­ter­ge­dan­ken oder Ne­ben­ab­sich­ten, nur das Bes­te in je­dem se­hen und das noch ver­bes­sern, wäh­rend man das Schlech­te nicht be­ach­tet, und das noch in al­ler Auf­rich­tig­keit – das kannst nur du! Sei­ne Schwes­tern moch­test du also auch? Ganz so wohl­er­zo­gen wie er sind sie ja­wohl nicht.«

»Das al­ler­dings nicht, we­nigs­tens er­scheint es zu­nächst so. Aber die bei­den sind ganz rei­zend, wenn man mit ih­nen spricht. Miss Bingley wird auch auf Ne­ther­field woh­nen blei­ben und ih­rem Bru­der das Haus füh­ren. Es soll­te mich sehr wun­dern, wenn wir in ihr nicht eine sehr an­ge­neh­me Nach­ba­rin be­kämen.«

Eli­sa­beth schwieg dazu; sie war da­von nicht so über­zeugt wie ihre Schwes­ter. Das Auf­tre­ten der bei­den Da­men aus Lon­don war nicht da­nach ge­we­sen, um ihr un­ein­ge­schränk­tes Ge­fal­len zu er­re­gen; sie be­ob­ach­te­te schär­fer und war nicht so vor­schnell in ih­rem Ur­teil, zu­mal sie sich nicht, wie ihre Schwes­ter, durch ein per­sön­li­ches In­ter­es­se ver­pflich­tet fühl­te. Zwei­fel­los, die bei­den wa­ren wirk­li­che Da­men; sehr wohl in der Lage, in bes­ter Stim­mung zu sein, so­lan­ge sie sich gut un­ter­hal­ten fühl­ten, und freund­lich, so­bald ih­nen so zu­mu­te war, aber zwei­fel­los eben­so hoch­mü­tig und ein­ge­bil­det. Sie sa­hen recht gut aus, hat­ten eine vor­treff­li­che Er­zie­hung in ei­ner der vor­nehms­ten Schu­len Lon­d­ons ge­nos­sen, konn­ten über ein Ver­mö­gen von zwan­zig­tau­send Pfund ver­fü­gen, wa­ren ge­wohnt, mehr aus­zu­ge­ben, als ih­rem Ver­mö­gen ent­sprach, und ver­kehr­ten in der bes­ten Ge­sell­schaft – kurz, sie hat­ten al­len Grund, das Bes­te von sich sel­ber und we­ni­ger gut von an­de­ren zu den­ken. Au­ßer­dem ge­hör­ten sie ei­ner an­ge­se­he­nen nor­deng­li­schen Fa­mi­lie an, eine Tat­sa­che, die ih­nen stän­dig mehr ge­gen­wär­tig zu sein schi­en als die an­de­re Tat­sa­che, dass das Fa­mi­li­en­ver­mö­gen aus Han­dels­ge­schäf­ten stamm­te.

Mr. Bingleys Va­ter, der im­mer den Wunsch ge­hegt hat­te, sich einen Land­be­sitz zu kau­fen, aber zu früh ge­stor­ben war, um sich sei­nen Wunsch er­fül­len zu kön­nen, hin­ter­ließ sei­nem Sohn ein Erbe von na­he­zu ein­hun­dert­tau­send Pfund. Mr. Bingley be­ab­sich­tig­te nun aus­zu­füh­ren, was sei­nem Va­ter ver­sagt ge­blie­ben war; bald dach­te er an die­se Ge­gend, bald an jene. Aber da er jetzt ein schö­nes Haus in Lon­don be­saß und dazu noch über Ne­ther­field ver­fü­gen konn­te, er­schi­en es al­len, die sei­ne Ge­nüg­sam­keit kann­ten, als höchst wahr­schein­lich, dass er sich nun nicht wei­ter um­se­hen, son­dern den An­kauf ei­nes Land­be­sit­zes der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on über­las­sen wer­de.

Sei­ne Schwes­tern wa­ren nicht so ge­nüg­sam und hät­ten es lie­ber ge­se­hen, wenn ihr Bru­der auf ei­ge­nem Grund und Bo­den säße. Das hielt aber kei­nes­wegs die jün­ge­re da­von ab, in dem nur ge­mie­te­ten Ne­ther­field dem Haus­halt vor­zu­ste­hen; und die äl­te­re Schwes­ter, Mrs. Hurst, die einen Mann in ho­her ge­sell­schaft­li­cher Stel­lung und in schlech­ten Ver­mö­gens­ver­hält­nis­sen ge­hei­ra­tet hat­te, be­trach­te­te die­ses Ne­ther­field nach Be­darf als ihr ei­ge­nes Heim.

Mr. Bingley hat­te erst zwei Jah­re die Frei­heit des Mün­dig­s­eins ge­nos­sen, als eine zu­fäl­li­ge Emp­feh­lung ihm Ne­ther­field Hou­se ver­lo­ckend schil­der­te. Er fuhr hin, sah es sich eine hal­be Stun­de lang drin­nen und drau­ßen an, fand Ge­fal­len an der Lage und den Räum­lich­kei­ten und wur­de mit dem Ei­gen­tü­mer sehr schnell ei­nig.

Zwi­schen ihm und Dar­cy be­stand, trotz der großen cha­rak­ter­li­chen Ver­schie­den­heit, eine lang­jäh­ri­ge, fes­te Freund­schaft. Dar­cy schätz­te an Bingley sein na­tür­li­ches We­sen, sei­ne Frei­mü­tig­keit und sei­ne Lenk­bar­keit – Ei­gen­schaf­ten, die in kei­nem grö­ße­ren Ge­gen­satz zu sei­nen ei­ge­nen hät­ten ste­hen kön­nen, ob­gleich er mit sei­nen ei­ge­nen gar nicht un­zu­frie­den zu sein schi­en. Und Bingley sei­ner­seits fand eine star­ke Stüt­ze in der Ach­tung, die sein Freund ihm ent­ge­gen­brach­te, und ver­trau­te fest sei­ner über­le­ge­nen Men­schen­kennt­nis und Wel­ter­fah­rung. Dar­cy war auch der In­tel­li­gen­te­re von ih­nen; nicht, dass Bingley dumm war, aber Dar­cy war eben der Über­le­ge­ne­re. Gleich­zei­tig hat­te Dar­cy aber einen Zug von Hoch­mut, Ver­schlos­sen­heit und Ver­wöhnt­heit, und sein gan­zes We­sen war, wenn auch nicht ge­ra­de un­höf­lich, so doch nicht sehr ent­ge­gen­kom­mend. In die­ser Hin­sicht lief ihm sein Freund ent­schie­den den Rang ab. Bingley war über­all gern ge­se­hen; Dar­cy eck­te stän­dig an.

Die Art, in der sie sich über den Ball in Me­ry­ton un­ter­hiel­ten, war für bei­de be­zeich­nend. Bingley glaub­te, noch nie net­te­re Leu­te und hüb­sche­re Mäd­chen ge­se­hen zu ha­ben; alle wa­ren äu­ßerst freund­lich und zu­vor­kom­mend ge­gen ihn ge­we­sen, kei­ne Spur von Förm­lich­keit oder Steif­heit, er hat­te sich gleich gut Freund mit al­len An­we­sen­den ge­fühlt; und was Jane be­traf, er hät­te sich kein en­gel­haf­te­res We­sen vor­stel­len kön­nen. Dar­cy da­ge­gen hat­te nur eine große Men­schen­men­ge ge­se­hen, die durch we­nig Schön­heit und viel Une­le­ganz auf­fiel, für die er beim bes­ten Wil­len kein In­ter­es­se hat­te auf­brin­gen kön­nen und von der er we­der Ver­gnü­gen ge­habt noch Ent­ge­gen­kom­men er­fah­ren hat­te… Miss Ben­net – ja, er gab zu, dass sie nett aus­sah, nur lä­chel­te sie zu viel. Mrs. Hurst und ihre Schwes­ter er­ho­ben hier­ge­gen wei­ter kei­nen Ein­spruch, aber sie ge­stan­den ihre Zu­nei­gung und Be­wun­de­rung für Jane ein und er­klär­ten, sie sei ein lie­bes Mäd­chen, des­sen Freund­schaft sie nicht un­gern wei­ter pfle­gen woll­ten. Da­mit war also Miss Ben­net zum »lie­ben Mäd­chen« er­nannt, und Bingley fühl­te sich durch die­se Emp­feh­lung be­rech­tigt, von ihr und über sie zu den­ken, wie es ihm be­lieb­te.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»