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Olympia von Clèves

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»Nun?« fragte der Major.

»Nun! ich wollte Sie um etwas Anderes bitten,« sagte Banniére. »Sie sehen, ich bin ruhig, entschlossen, ich scherze beinahe; doch Sie müssen an meiner Stimme, welche zittert, wenn ich von Olympia spreche, an meinem Gesicht, das erbleicht, wenn ich an sie denke, begreifen, Sie müssen sogar sehen, daß in diesem Namen ein zauberhaftes Interesse liegt, welches viel mächtiger ist, als das Interesse meines Lebens. Ich werde indessen sterben, ohne daß ich zu lächeln aufhöre, aber es hängt von Ihnen ab, mein Herr, daß dieses Lächeln ein Dank, ein Erguss der Dankbarkeit, welche ich meinem Wohltäter jenseits des Grabes widmen werde, oder eine einfache Prahlerei eines Menschen ist, der Ihre Dragoner nötigt, zu sagen: »»Das ist ein Braver!«« Wollen Sie mir einen Dienst leisten, Herr Major? Wollen Sie mir in den sechs letzten Stunden meines Lebens das Glück meines ganzen Daseins geben? Wollen Sie, der Sie mich ohne Zorn tödten, eben so sanft für mich sein, als die Musketenkugel, die mich morgen ohne Schmerz tödten wird?«

»Sprechen Sie,« sagte der Major ganz bewegt, ganz erschüttert durch diese von einem tief liebenden Herzen ausgehende Beredsamkeit.

»Ich bitte Sie, mit meiner Frau in mein Gasthaus, in das kleine Zimmer, das noch voll ist von ihren Wohlgerüchen und unserer Liebe, zurückkehren zu dürfen; die Jasminblüten und die Rebwinden stiegen in der vergangenen Nacht bis zur Höhe unseres Fensters herauf und sandten uns während unseres Schlummers ihre Düste zu, die mich bis zum hellen Tage schlafen gemacht haben. Dieses Zimmer ist geschlossen, ein Fenster geht auf den Garten, eine Thür aus die Treppe, ein anderes Fenster aus die Straße: stellen Sie zwei Dragoner unter jedes von diesen Fenstern, einen Dragoner unten an die Treppe; tun Sie etwas Besseres, nehmen Sie mein Ehrenwort und das meiner Frau, daß wir Ihnen nicht zu entwischen suchen werden; ich werde Ihnen dies mit meinem Blute unterzeichnen, Herr Major, wenn es sein muss; morgen um fünf Uhr bin ich bereit, aber mittlerweile seien Sie edelmütig, als ein guter, braver, rechtschaffener Offizier, der Sie sind; lassen Sie mich bei meiner Frau, alle Zeit zubringen, die mir zu leben bleibt.«

De r Major fühlte, daß ihm sein Her, bis zur Kehle aufstieg; er fing damit an, daß er sich am Kopf kratzte: schüttelte seine von einer Träne, die an ihrem Ende zitterte, gequälten Wimpern; er hustete, ging in seinem Kabinett auf und ab und suchte das tiefe Mitleid auszureißen, welches in seine Seele gerade die Kühnheit dieses Vorschlags gepflanzt hatte.

»Ah! Major,« fügte Banniére mit sanftem Tone bei, »wenn Sie es abschlagen, schlagen Sie es spät ab: ich habe so viel Zeit, um zu leiden; wenn Sie es bewilligen, bewilligen Sie es rasch: ich habe so wenig Zeit, um glücklich zu sein.«

Der Major stieß ein sehr kräftiges Hum! aus und trat so gewaltig auf dem Boden auf, daß die Sporen an seinen Stiefeln klirrten.

Er erstickte, dieser würdige Major.

Endlich schien er plötzlich einen Entschluss zu fassen und stampfte mit dem Fuße..

Auf den Ruf seines Fußes trat ein Dragoner-Unteroffizier ein.

»Sechs Mann,« sagte er, »um Befehle zu empfangen, und . . .«

»Und ein Wachtmeister?«

»Nein, ein Offizier.«

Banniére hatte begriffen, daß Ihm seine Bitte bewilligt worden war; er hatte sich aus die Knie geworfen; er küsste die Hände des Majors, er weinte.

»Donner!« brummte der Major; »machen wir ein wenig ein Ende. mein Braver!«

Ohne Zweifel horchte Olympia an der Thür, denn in diesem Augenblick trat sie ein und fiel Banniére um den Hals.

»Olympia,« sprach Banniére, »danken Sie dem Herrn Major, wir kehren Beide bis morgen früh um fünf Uhr in das kleine Zimmer unseres Gasthauses zurück.«

Olympia antwortete nichts; sie machte mit dem Kopfe und den Lippen ein schwermütiges Zeichen des Dankes.

»Ehe wir weggehen,« fügte Banniére bei, »gib dem Herrn Major, der uns dieses Glück bereitet, Dein Wort als adeliges Fräulein, daß Du nichts tun wirst, um mich dem Schicksale entgehen zu machen, welches mir vorbehalten ist.«

»Nichts,« sagte sie, »ich gebe mein Wort darauf.«

»Und ich, Herr Major,« sprach Banniére, »ich füge das meinige bei; überdies hält Sie nichts ab, Ihre Garantien zu nehmen. Morgen, wenn es mir gestattet ist, Sie noch einmal zu sehen, erwartet Sie der aufrichtigste, der glühendste Dank, mit der je ein menschliches Herz eine Wohltat erwidert hat.«

Der Major drückte Banniére die Hand und gab dem mit der Überwachung des Gasthauses beauftragten Offizier seine Befehle.

Olympia und Banniére gingen mit Champmeslé voran, um über das Boulevard zu schreiten, das nach ihrer Wohnung führte.

Der Offizier ging an ihrer Seite.

Die Mannschaft folgte ihnen aus zehn Schritte.

Champmeslé, als sie in das kleine Zimmer gekommen waren, segnete Banniére, umarmte weinend die zwei Unglücklichen und flüsterte Banniére die traurigen Worte in's Ohr:

»Um wie viel Uhr wollen Sie, daß ich Sie morgen, im Namen Gottes, wiedersehe?«

»Um vier Uhr, mein teuerster Freund,« erwiderte Banniére.

Als sie ihre Thür schlossen, schlug es elf Uhr in der benachbarten Kirche. Olympia fiel schluchzend in den Lehnstuhl, den Banniére ihr vorgerückt hatte.

XCIV.
Höchste Freud, . – Höchster Schmerz

Die Jasmine und die Rebwinden stiegen, wie Banniére gesagt hatte, längs der Mauer bis zum Gesimse des Fensters empor; sie umrahmten mit ihrem grüner Blätterwerk und Ihren weißen Blüten diese Öffnung, durch welche die reine Lust und die Mondstrahlen still, schweigend eintraten.

Die Dragoner setzten sich in den Garten, lagerten auf der Straße und unter der Treppe, wie es Banniére verlangt hatte.

Da begann unter den zwei sich selbst überlassen,: Liebenden, der Austausch süßer Worte, unterbrochen vor Tränen, welche der Stolz bei Banniére, die Klugheit und die Verzweiflung bei Olympia zurückgehalten hatten.

Eine entsetzliche Nacht, in der jeder Seufzer eine Minute, jedes Wort einen Fortschritt bezeichnete!

Die Sterne glänzten am Himmel, diese Sterne, welche Olympia am andern Tage abermals um dieselbe Stunde von demselben Fenster aus würde sehen können, während die Augen ihres teuren, viel geliebten Banniére nie mehr etwas Anderes, als die Finsternis des Grabes sehen sollten.

Banniére lebte, er betäubte sich, er sammelte alle seine Liebe für diese Frau, an die ihn morgen nichts mehr binden würde.

Bleich und kalt wie eine Leiche, erhob Olympia nicht einen Augenblick den Kopf von der Brust ihres Gatten.

Sie sagte ihm in vier Stunden nicht ein Wort, aus Furcht, ein einziges von denjenigen zu verlieren, welche von diesem Munde fielen, den der Tod aus immer schließen sollte.

Aus der Schwelle des Todes, vergaßen sich diese Liebenden so in den Extasen des Lebens.

Der Tag graute indessen am Horizont.

Eine bleiche Linie öffnete jenseits der Berge das Himmelsgewölbe, und die Flüsse fingen an aus der Finsternis hervorzukommen wie unheilvolle Schwerter, welche düstere Engel aus ihren Scheiden ziehen würden.

Die Kühle drang ins Zimmer ein und machte einen Schauer über die zarten Glieder von Olympia laufen, welche durch ein Schluchzen ihr Stillschweigen brach.

Man hörte sodann den Gesang eines Vogels im Garten und beinahe gleichzeitig die Stimme eines Soldaten aus der Straße.

Es schlug vier Uhr in derselben Kirche, in welcher am Abend vorher unempfindlich die Glocke den Anfang dieses tödtlichen Glückes geschlagen hatte.

Sie schlug ebenso das Ende desselben.

Ein kleines Geräusch, ähnlich dem Kratzen der Höflinge an der Thür der Könige, machte sich an der Thür von Banniére hörbar. Es war Champmeslé, der die Nacht in Gebeten im anstoßenden Zimmer zugebracht hatte und, seinem Versprechen getreu, nun eintrat, um mit seinem Freunde von Gott zu reden.

Eine seltsame Freude, welche die Vorsehung diesen Unglücklichen bereitete! Der Priester, der dem Verurteilten den Tod ankündigte, war diesmal nur ein zärtlicher Freund mit sanftem Gesicht, mit liebkosendem Auge; ein Freund voll von Herz und Verstand; ein Engel, der, statt traurig die Pforten des Lebens zu schließen, herbeikam und mit einem unbeschreiblich»Lächeln der Barmherzigkeit die Pforten des Himmels öffnete.

Er setzte sich Banniére und Olympia gegenüber, welche ihre Hände verschlungen hielten.

»Sprechen Sie zu uns Beiden, mein Freund,« sagte Olympia.

»Oh! ich habe Ihnen nichts zu sagen. Sie sind beredter, als ich; ich kenne Ihr Herz auf einen Seufzer auf ein Wort; Gott hat Ihnen vergeben, Gott segnet Sie, Gott wird Ihnen im andern Leben belohnen, was Sie in diesem erdulden werden.«

»Nicht wahr, mein Freund,« sprach Banniére, »Sie finden, daß Gott uns sehr leiden lässt?«

»Ja, da er Sie trennt.«

»Oh!« erwiderte Olympia mit einem Lächeln, das den Ursprung und den Grund ihrer ganzen Ruhe enthüllte, »Gott wird uns nicht trennen, mein Vater.«

Dann fügte sie leiser und die Augen zum Himmel aufschlagend bei:

»Ich hoffe es wenigstens.«

»Wie, und was wollen Sie damit sagen?« fragte Champmeslé erstaunt.

»Ich sage, Gott ist groß und gut, mein Vater, und er misst den Schmerz nach der Stärke; das ist es, was ich sage.«

Banniére begriff und schloss seine Frau zärtlich in seine Arme.

Elektrisiert durch diese Dankbarkeit, fühlte sich Olympia beherzt und sah nichts mehr für ihren Heldenmut Unmögliches.

Sie umarmte Banniére und zog in die Mitte des Zimmers die große Kiste, welche am Tage vorher der Frachtwagen von Paris unter der Adresse des Ehepaars gebracht hatte.

»Was suchst Du, mein Kind?« fragte Banniére.

»Ich suche frische Wäsche gestickt für meinen Geliebten, damit er zum Tode nicht wie ein gemeiner Soldat, sondern wie ein Edelmann geht,« antwortete Olympia.

 

»Ah! das gefällt mir,« sagte Banniére.

Champmeslé schüttelte den Kopf und sprach zu Olympia:

»Das ist ein Gedanke der Hoffart, meine Tochter. Warum ihn von Gott und seinem Seelenheile in diesen letzten Augenblicken durch die Sorgfalt für den Putz abziehen?«

Aber Olympia hörte nicht aus die sanfte Vorstellung ihres Freundes; sie hatte durch einander aus der Kiste Hemden und Spitzen genommen und streute unnötige Dinge auf dem Boden umher.

Dann kleidete sie Banniére an, so daß er frisch war, als der Offizier mit seinem Degenknopf ein Viertel nach vier Uhr an die Thür klopfte.

»Treten Sie ein,« rief Banniére dem Offizier zu. Und da er eingetreten war, sprach er mit Heiterkeit zu ihm:

»Sehen Sie, mein lieber Herr, wir sind pünktlich.«

Der Offizier verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor diesem unter der Blässe des jungen Ehepaars blendenden doppelten Mute.

»Wenn Sie bereit sind, so wollen Sie mir folgen,« sagte er.

Olympia warf einen Mantel auf ihre Schultern und war zuerst bereit.

Der Offizier schaute sie mit Erstaunen an.

»Lassen Sie uns gehen!« sagte sie.

»Wohin, Madame?« fragte er Olympia, indem er sie am Arm zurückhielt.

»Wohin mein Gatte geht.«

»Sie können unmöglich die Absicht haben, Ihrem Gatten zu folgen, Madame,« rief der Offizier.

»Ei! ich bitte, warum nicht?« fragte Olympia das Haupt erhebend.

»Weil das empört, Madame. Meine Soldaten sind keine Henker, und nicht ein Dragoner wird auf einen Mann in Gegenwart seiner Frau feuern.«

«Ah! das ist ein Grund mehr!« rief sie.

»Seien Sie doch vernünftig,« sprach der Offizier, der sich Gewalt antat, um nicht seiner Gemütsbewegung zu unterliegen, »Meine Befehle sind bestimmt.«

»Verzeihen Sie, mein Herr,« sagte Banniére, der bei dem Streite in das Mittel treten wollte, .ist denn einer Frau nicht erlaubt, ihrem Manne den Arm zu geben, wenigstens biss zu . . .«

»Auf keine Weise, mein Herr,« erwiderte der Offizier, »und ich rechne auf Sie, daß Sie Madame bewegen, sich nicht in eine solche Lage zu versetzen.«

»Nie,« sprach Olympia; »ich werde in diesem Punkte weder Ihnen, noch ihm gehorchen. Wohin er geht, werde ich auch gehen,«

»Madame,« sagte der Offizier, »Sie zwinge, »ich zur Strenge.«

»Mein Herr!« rief Olympia.

»Es ist nicht meine Schuld.«

Der Offizier wandte sich nach der Thun und und rief:

«Dragoner!«

Zehn Mann erschienen, denn es war Verstärkung von der Kaserne geschickt worden.

»Sechs Mann, um den Verurteilten zu eskortieren,« sagte der Offizier, »vier Mann, um Madame in diesem Zimmer zu bewachen und nicht aus den Augen zu lassen.«

Dann zu Champmeslé:

»Auf. Herr Abbé, was Teufels! helfen Sie uns doch!«

Diesem Ausruf und mehr noch seiner eigenen Vernunft gehorchend, strengte sich Champmeslé an, um Olympia zu bewegen, deren Schmerz, bis zu diesem Augenblick durch Bande zurückgehalten, welche endlich zerreißend dem Sturme Schwung gaben, nun ausbrach.

Banniére selbst hatte mit seinen Ermahnungen, mit seinem Flehen nicht die Macht, seine Frau zu beruhigen. Zwischen zwei Todeskämpfen geteilt, sing Champmeslé an seinen Mut und seine Entschlossenheit zu verlieren.

Sollte er mit diesem Sterbenden oder mit dieser Verzweifelten von' Gott, der einzigen Zuflucht des Menschen im Tode oder in der Verzweiflung, reden?

Der Offizier machte dieser Szene, diesen Schreien, diesen Tränen mit der Unbeugsamkeit eines Soldaten, der der Sklave einer Pflicht ist, ein Ende.

Die sechs Dragoner von der Eskorte zogen Banniére fort, und die vier anderen schlossen Olympia ohne Drohungen in einen Kreis ein, den sie nicht durchbrechen konnte. Sie sank mitten in diesem Kreise, erschöpft, mit trockenen Augen, auf die offene Kiste, auf der noch alle die geliebten Gegenstände, welche Banniére gehört hatten, heraus lagen.

Champmeslé hielt, den Verurteilten unter dem Arm, zerfloss in Tränen, drückte Banniére an seine Brust, ließ ihn das Kruzifix küssen und rührte so tief das Herz der Soldaten, daß mehr als Einer die Straße entlang unter dem Gewichte seiner Gemütsbewegung und seiner Tränen schwankte.

Man erblickte bald, das heißt nach hundert und fünfzig bis zwei hundert Schritten, das an die Kaserne anstoßende Gehege, wo die Hinrichtung stattfinden sollte.

Durch einen erschrecklichen Zufall konnte von diesem Gehege aus die ganze Compagnie von Banniére, welche mit geladenen Gewehren ausgestellt war, deutlich das Fenster mit den Jasminen und Rebwinden sehen hinter dem die entsetzliche Trennungsszene vorgefallen war, welche in allen ihren Einzelheiten zu erzählen wir nicht den Mut gehabt haben.

Als Olympia wieder zu sich kam oder vielmehr sich in sich selbst fand, hatte bei ihr die Aufregung der tiefsten Erschlaffung Platz gemacht.

Sie schlug die Augen auf, schaute umher und erblickte vier Dragoner, welche, jeder in eine der Ecke des Zimmers zurückgezogen, allen ihren Bewegungen mit einer Art von Furcht folgten.

Die Sanftheit ihrer Augen, das Zittern ihrer Hände, das Schauern ihres ganzen Leibes bewiesen ihnen, daß die Krise vorüber war.

Keiner von diesen vier Männern wagte es indessen, ein Wort, auch nur ein einziges Wort an die arme Frau zu richten.

Einer von ihnen näherte sich seinem Kameraden, berührte ihn bei der Schulter und sagte:

»Wahrhaftig, wir müssten diese kleine Dame nicht hier lassen.«

«Und warum nicht?« fragte der Dragoner.

»Schau doch; aber schau, ohne daß es das Ansehen hat, als schautest Du.«

Und mit dem Ende seines Musketon bezeichnete er seinem Kameraden das Fenster, das nach dem Garten ging.

Von da aus erblickte man in der Tat, jenseits der mageren Bäume des Gärtchens und von zwei bis drei anderen Gärten das Gehege, in welchem die Dragoner zu Pferde und das kommandierte Reservecorps mit den Offizieren die Ankunft des traurigen Zuges erwarteten.

Um dahin zu gelangen, hatte Banniére mit seiner Eskorte einen ziemlich großen Umweg machen müssen.

Überdies marschierte man langsam.

Einige wegen der frühen Morgenstunde und der Unwissenheit, in der sich die Stadt über das, was vorging, befand, noch seltene Neugierige fingen an die Mauern zu ersteigen, auf die Bäume zu klettern und die Straßen zu besetzen.

Der Dragoner, den sein Kamerad auf Alles dies aufmerksam machte, fühlte sich sehr unbehaglich.

»Ah! es ist wahr,« sagte er leise; »die Unglückliche wird von hier aus hören; versuchen wir es, sie wegzuführen.«

»Oder wenigstens das Fenster zu schließen.«

»Sie wird dennoch hören.«

Dieses Gespräch entzog nicht Olympia der bodenlosen Niedergeschlagenheit, in welche sie versunken war.

Maschinenmäßig sich bewegend, Irrte ihre Hand über die Wäsche, die Spitzen, die Stoffe hin, welche zerstreut in der Kiste und um diese lagen, – süße Reliquien, teure Verlassenschaft, wie der lateinische Dichter sagt, Erinnerungen an eine Zeit, welche die Liebe war.

Nach der Hand erwachten die Augen, welche auch die Gegenstände um sie her erkannten.

Und als ob der abwesende, schon aus der Reise nach der Ewigkeit begriffene Banniére sich bei seiner Frau in die Erinnerung hätte zurückrufen wollen, war der erste Gegenstand, den die Blicke von Olympia trafen, der Rock, zu welchem Banniére in der kleinen Kirche Notre-Dame-de-Lorette sich hatte trauen lassen.

Von der Kammerfrau zusammengelegt und fest eingepackt, entriss dieser von den Wohlgerüchen der Schärpe oder der Handschuhe, welche in seiner Nähe lagen, durchduftete Rock Olympia von Clèves einen schmerzlichen Seufzer.

Ach! sie dachte eben so wenig an das, was sie tat, als die Tochter Jairi an das Leben dachte, da sie am Rande des Grabes wieder zu sich kam; aber sie fühlte zugleich etwas wie einen Schmerz und wie ein Vergnügen.

Der Schmerz, das war das gegenwärtige Leben, das Vergnügen, das war die Erinnerung an die Vergangenheit.

Olympia entfaltete langsam diesen Rock; es schien ihr, als müsste sie Banniére in demselben wiederfinden. Ihre Finger wurden indessen verletzt durch das so feine Gewebe des Futters, und das Gewicht des Kleides, so leicht es war, ermüdete ihren leidenden Arm; mit einer langsamen, abgemessenen, beinahe automatischen Bewegung hob sie den Rock bis zu Ihren Lippen empor, verbarg ihr Gesicht im Stoffe, brach in Tränen aus und ergoss sich in einem so schmerzlichen Schluchzen, daß Alles im Zimmer, Blumen, Geräte, Vorhänge, bebte und schauerte, Alles bis auf das Her, der vier Soldaten.

Diese jammervollen Erschütterungen, welche eine so vollkommene Schönheit vernichteten, schienen einem von den Dragonern so unerträglich zu sein, daß er das Zimmer verließ, da er sich lieber einer Bestrafung, als der Qual, ein so trostloses Schauspiel anzusehen, aussetzen wollte.

Einer von seinen Kameraden ahmte ihm nach. Olympia hatte nichts bemerkt.

»Siehst Du,« sagte der Erste zum Andern, »das Gefängnis, die Ketten, was es auch sein mag, – doch ich will nicht da sein, wenn sogleich die Flintenschüsse ihren Rauch dieser Frau bis ins Gesicht treiben werden.«

Und der Dragoner hockte aus die Stufen der Treppe nieder und drückte seine beiden Hände an seine Ohren.

Olympia schluchzte fortwährend und küsste dabei den Hochzeitrock von Banniére.

Plötzlich näherte sich einer von den Soldaten, welcher widerstanden hatte und trotz des Schluchzens, der Tränen, die ihm das Herz zerrissen, an seinem Posten geblieben war, dieser Soldat, sagen wir, nähert, sich Olympia, um ein wenig den Lauf Ihres Schmerzes zu verändern, und sagte zu ihr, da er nicht wusste, wie er mit ihr sprechen sollte, damit sie Mitleid mit sich selbst hätte:

»Verzeihen Sie, mein Frauchen, Sie verlieren etwas.«

Und er hob einen viereckigen Umschlag.aus, der aus dem Rocke gefallen war, und reichte ihn Olympia.

Die Kälte dieses Papiers, die spitzige Ecke, an der sich ihre Hand stieß, erweckten die junge Frau; sie schaute den Sprechenden an, nahm zerstreut das Papier und erkannte den Brief von Herrn von Mailly, den weder Banniére, noch sie an ihrem Hochzeitabend hatte lesen wollen, und der, da er im Rocke ihres Mannes geblieben, von der Kammerfrau mit dem Kleide in die Kiste geworfen worden war.

Die Erinnerung an Herrn von Mailly erregte bei Olympia weder Zorn, noch Hass.

Das Herz war schon vor Banniére gestorben, welches nun sterben sollte.

Indessen war der Graf wohl der Urheber dieser Katastrophe; er hatte wohl an den Major geschrieben, um ihm diese strengen und entschiedenen Instruktionen zu geben, kraft welcher man Banniére jeden Aufschub und jede Gnade verweigert hatte.

Herr von Mailly war also wohl die Ursache des Todes dieses Unschuldigen.

Olympia erbrach maschinenmäßig das Siegel, um etwas zu berühren, was Banniére berührt hatte.

Der Umschlag fiel, der Brief blieb in den Händen von Olympia, welche die Augen aus folgende Zeilen heftete:

»Madame,

»Da Sie zu heiraten im Begriffe sind, so habe ich Ihnen ein Hochzeitgeschenk zu machen, und ich glaube Ihnen kein kostbareres bieten zu können, alt die Freiheit Ihres Gatten.

»Herr Banniére hat eine Anwerbung bei meinen Dragonern unterzeichnet: man hat ihn gesucht, man verfolgt Ihn als Deserteur, und wenn man ihn wiederfände, würde man Sie seiner berauben; denn da ich nach Wien abreise, so wäre ich nicht da, um ihn zu beschützen. Ich habe außerordentlich strenge Befehle für die Bestrafung solcher Verbrechen unter meinen Soldaten gegeben, und die Ordonnanzen des Königs sind bestimmt.

»Sie werden also unter diesem Umschlag einen andatirten Urlaub finden, den ich auf den Tag nach dem, an welchem er aus dem Gefängnis gekommen, das heißt gerade aus den Tag, wo er aus der Kaserne entwichen ist, zurückgehen lasse.

»Aus diese Art ist er vor allen Verfolgungen geschützt und gehört ungestört Ihnen. Bin ich im Stande gewesen, etwas zur Sicherung Ihres Glückes beizutragen, welches seitdem ich Sie kenne, das beständige Ziel meiner Wünsche gewesen ist, so werde ich mich noch ein Mal Ihren seligen Diener nennen.

»Graf von Mailly.«

Olympia erhob sich und stieß einen so durchdringenden Schrei aus, daß selbst diejenigen Dragoner herbeiliefen, welche das Zimmer verlassen hatten.

Sie hatte in einer Hand diesen Brief des Graf von Mailly und in der andern Hand ein Papier, das folgende Zeilen enthielt:

»Gültig als unbegrenzter Urlaub, bewilligt durch mich, den Obersten des Regiments Mailly, dem freiwillig eingetretenen Dragoner Banniére. »

Lyon, den 28. März, 1729.«

»Aber,« rief Olympia keuchend und das Papier vor dem Gesicht der Dragoner schüttelnd, »aber er ist also gerettet.«

 

»Gerettet, sagen Sie? wer?«

»Banniére, mein Mann!«

Die Dragoner schauten sich an und zuckten die Achseln beim Anblick der Freude dieser armen Frau, die sie für wahnsinnig hielten.

Sie sah, was in ihrem Geiste vorging, und sagte ungeduldig, Ihnen begreiflich zu machen, was vorgefallen war;

»Lest doch, lest doch! sein Urlaub, sein Urlaub gegeben vom Obersten. Lasst mich vorbei! lasst mich vorbei!

Die Dragoner versperrten ihr den Weg.

»Aber lest doch!« rief sie in Verzweiflung.

Gott wollte, daß Einer von ihnen lesen könnte.

»Es ist wahr! es ist wahr!« sagte er; »es ist der Urlaub des armen Jungen, unterzeichnet vom Obersten.«

»Ei! geschwinde, geschwinde!« riefen die Andern; »kommen Sie, kommen Sie, arme Frau.«

»Du,« sagte Einer, »lauf voraus, lauf, lauf!«

»Oh! mein Gott! Oh! mein Gott!« rief Olympia, welche von fern dem Soldaten aus dem Boulevard nachrannte.

Aber Banniére war schon sehr weit entfernt, er hatte eine Viertelstunde vor denjenigen, welche ihm nachliefen, voraus.

Olympia rief Gott und seine Engel an; sie wünschte Flügel dem braven Soldaten, der ihr voran eilte und selbst lies, um toll zu werden.

Endlich erreichte sie den Eingang des Geheges, schrie Gnade, und schüttelte über ihrem Kopfe den Urlaub von Herrn von Mailly.

Sie sah die ausgestellten Dragoner ihr Geschrei durch Geschrei erwidern, sie rollte unter die Reihen, sie durchschnitt die Menge, immer Gnade rufend und ihre Hand bewegend.

Plötzlich, in dem Augenblick, wo sie Banniére aufrecht und vereinzelt vor einer Mauer erschaute, erschütterte eine furchtbare, tödtliche Explosion die Luft, und der Körper, den sie so eben noch kräftig und stolz ans seinen Beinen gespannt gesehen hatte, schwankte und fiel, halb durch eine Rauchwolke verschleiert, auf den Sand.

Tausend schmerzliche Schreie antworteten auf den Schrei von Olympia.

Sie stürzte in die Arme von Champmeslé; zwanzig Offiziere umringten sie seufzend.

Sie reichte ihnen kalt, stumm, erschrecklich, das Papier, das eine Sekunde früher ihrem Gatten das Leben rettete.

Ein langes Schauern des Schmerzes durchlief die Reihen der Soldaten, und man sah selbst die Offiziere sich unter dem Gewichte dieses unschuldigen Blutes beugen, das in Feuertropfen auf ihr Haupt zurückgefallen war.

Der Eindruck war so mächtig gewesen, daß Alle den Todten über der Witwe vergessen hatten.

Auf dem Boden ausgestreckt, verlor Banniére sein Blut durch fünf tödtliche Wunden, alle in der Brust. Eine sechste hatte ihm einen Arm zerschmettert.

Die Kugeln hatten sein Gesicht verschont, das edler und schöner in seinem Todeskampfe, als es je in den seligsten Tagen seines Glückes gewesen war.

Olympia näherte sich ihm, kniete nieder, neigte sich über diesen bebenden Körper und rief Banniére bei seinem Namen.

Er öffnete seine schon geschlossenen Augen, erkannte seine Frau, und seine Züge erleuchteten sich mit einem letzten Lächeln. Er wollte den Arm gegen Olympia ausstrecken, doch der Vorderarm konnte die Erde nicht verlassen: er war, wie gesagt, von einer Kugel zerschmettert worden.

Olympia drückte ihre Lippen aus die ihres Gatten, tauchte ihre Augen in die des Sterbenden, und trank langsam den Tod aus dieser letzten Verschmelzung.

Sie gab einen leichten Schrei von sich, Ihr Herz war gebrochen.

Ihre Kräfte verließen sie alsbald, ihr Kopf erschwerte sich, sie verlor das Gleichgewicht und rollte verschlungen mit demjenigen, welchen sie so sehr geliebt, in das laue, frisch rote Blut, das Banniére mit dem Leben verlor.

Da wandte Banniére, dem Gott, daß er sich dieser letzten Umarmung erfreue, sie zu überleben gestattet hatte, einen Blick der Danksagung dem Himmel zu, lenkte diesen Blick wieder auf das edle, nach ihm getroffene und dennoch vor ihm todte Geschöpf zurück und sprach:

»O mein Gott! ich danke Dir, sie wird also nur mir gehören in dieser und in der andern Welt!«

Und er verschied.

Champmeslé kniete in den Sand zu den zwei Märtyrern nieder und verließ sie dann nicht mehr, bis sie in einem Grabe vereinigt waren.

Er hatte für sie seine erste Trauungsmesse gelesen, er las für sie seine erste Todtenmesse.

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