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La San Felice Band 12

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Drittes Capitel.
Der Tag des 13. Juni

Ohne Zweifel waren im Voraus Befehle ertheilt worden, daß diese drei Kanonenschüsse ein doppeltes Signal sein sollten.

Kaum war nämlich der letzte verhallt, so hörten die beiden Gefangenen im Castello Nuovo, welche am Tage vorher verurtheilt worden, in dem nach ihrem Kerker führenden Corridor die eiligen Tritte eines Trupps Bewaffneter.

Ohne ein Wort zu sprechen, warfen sie sich einer in des andern Arme, denn sie begriffen sofort, daß ihre letzte Stunde geschlagen hatte.

Die, welche die Thür öffneten, fanden die Gefangenen einen in des andern Arm, aber resigniert und lächelnd.

»Sind Sie bereit, Bürger?« fragte der Officier, welcher die Escorte commandirte und welchem empfohlen worden, gegen die Verurtheilten mit der größten Schonung und Rücksicht zu verfahren.

Beide antworteten: »Ja,« gleichzeitig André mit der Stimme, Simon durch eine Kopfbewegung.

»Dann folgen Sie uns,« sagte der Officier.

Die beiden Verurtheilten warfen auf ihr Gefängniß jenen letzten Blick der Trauer und der Rührung, welche der Verurtheilte, den man zum Tode führt, stets auf seinen Kerker zu werfen pflegt, und in Folge jenes Wunsches, den der Mensch empfinden etwas zurückzulassen, kratzte André mit einem Nagel seinen Namen und den seines Vaters in die Wand ein, so daß sich diese Namen über dem Bett eines jeden befanden.

Dann folgte André den Soldaten, in deren Mitte sein Vater bereits Platz genommen.

Eine schwarz gekleidete Frau erwartete sie in dem Hofe, den sie zu durchschreiten hatten. Mit festem Schritt kam sie ihnen entgegen.

André stieß einen lauten Schrei aus und begann an allen Gliedern zu zittern.

»Die Chevalière San Felice!« rief er.

Luisa sank auf die Knie nieder.

»Warum knieen Sie, Signora, während Sie doch Niemanden um Verzeihung zu bitten haben?« fragte André.

»Wir wissen Alles. Der wirklich Schuldige hat sich selbst angegeben. Lassen Sie mir auch die Gerechtigkeit widerfahren, zu erklären, daß, ehe ich Michele’s Brief erhalten, Sie schon den meinigen besaßen.«

Luisa schluchzte.

»Mein Bruder!« murmelte sie.

»Ich danke!« sagte André.

»Mein Vater, segne deine Tochter.«

Der alte Mann näherte sich Luisa und legte seine Hand auf ihr Haupt.

»Möge Gott Dich segnen, wie ich Dich segne, mein Kind, und von deiner Stirn selbst den Schatten des Unglücks fern halten.«

Luisa ließ den Kopf auf die Knie herabsinken und brach in lautes Schluchzen aus. Der junge Backer ergriff eine lange Locke ihres wallenden blonden Haares und drückte sie begierig an seine Lippen.«

»Bürger!« murmelte der Officier.

»Wir sind bereit,« sagte André.

Bei dem Geräusch der sich entfernenden Tritte richtete Luisa den Kopf empor und folgte knieen bleibend und mit, ausgestreckten Armen den Verurtheilten mit den Augen, bis sie hinter der Ecke des aragonesischen Triumphbogens verschwanden.

Wenn irgend etwas den unheimlichen Eindruck dieses Trauerzuges noch vermehren konnte, so war es die Einsamkeit und das Schweigen der Straßen, welche die Verurtheilten passierten, obschon diese Straßen die volkreichsten von Neapel waren.

Von Zeit zu Zeit jedoch öffnete beim Geräusch eines bewaffneten Trupps sich verstohlen eine Thür oder ein Fenster, man sah ein schüchternes Gesicht, welches fast allemal einer Person weiblichen Geschlechts angehörte, durch die Oeffnung lugen und dann schloß die Thür oder das Fenster sich schneller wieder, als sie sich geöffnet hatten.

Man hatte zwei Waffenlose in der Mitte eines Trupps Bewaffneter gesehen und man errieth, daß diese beiden Männer zum Tode geführt wurden.

So durchschritten sie Neapel in seiner ganzen Länge und kamen endlich auf den sogenannten Altmarkt, dem gewöhnlichen Hinrichtungsplatz, heraus.

»Hier ist es,« murmelte André Backer.

Der alte Backer schaute sich um.

»Wahrscheinlich,« murmelte er.

Dennoch aber ging es immer noch weiter über den Markt hinweg.

»Wo führt man uns hin?« fragte Simon auf deutsch.

»Wahrscheinlich sucht man einen bequemeren Platz, als dieser hier ist,« antwortete André in derselben Sprache.

»Man bedarf einer Mauer und hier gibt es nur Häuser.«

Als sie auf den kleinen Platz der Kirche del Carmine gelangten, berührte André seinen Vater am Ellbogen und zeigte mit den Augen auf eine der Wohnung des Pfarrers gegenüberstehende Verbindungsmauer ohne irgend welche Oeffnung.

Es war dies dieselbe, an welcher man gegenwärtig ein großes Crucifix angebracht sieht.

»Da,« antwortete Simon.

In der That lenkte der Officier, welcher den kleinen Trupp commandirte, seine Schritte nach dieser Richtung. Die beiden Verurtheilten beschleunigten ihren Schritt, traten aus den Reihen heraus und stellten sich an die Mauer.

»Wer wird von den Beiden zuerst sterben?« fragte der Officier.

»Ich!« rief der alte Backer.

»Mein Herr,« fragte Andre den Officier, schaben Sie ausdrücklichen Befehl, uns nur Einen nach dem Andern zu erschießen?«

»Nein, Bürger,« antwortete der Officier; »eine dahin lautende Instruction habe ich nicht erhalten.«

»Nun dann, wenn es Ihnen gleich wäre, so würden wir Sie um die Gunst bitten, mit einander und gleichzeitig erschossen zu werden.«

»Ja, ja,« sagten fünf oder sechs Stimmen unter der Escorte, »das können wir Ihnen schon zu Gefallen thun.«

»Sie hören es, Bürger,« sagte der mit dieser traurigen Mission beauftragte Offieier, »ich werde Alles, was in meinen Kräften steht, thun, um Ihre letzten Augenblicke zu versüßen.«

»Man gewährt unsere Bitte!« rief der alte Backer hoch erfreut.

»Ja, mein Vater,« sagte André indem er ihn umschlang »wir wollen diese Herren, die so freundlich gegen uns sind, nicht lange warten lassen.«

»Haben Sie Sie noch um eine letzte Gunst zu bitten oder irgend einen Auftrag zu ertheilen?« fragte der Officier.

»Nein,« antworteten die beiden Verurtheilten.

»Nun denn, da es einmal sein muß,« murmelte der Offieier, »aber so wahr ich lebe, man hat uns da ein häßliches Handwerk aufgenöthigt.«

Mittlerweile hatten die beiden Verurtheilten während André seinen Vater immer noch umschlungen hielt, sich mit dem Rücken an die Mauer gestellt.

»Stehen wir so recht, meine Herren?« fragte der junge Backer.

Der Officier machte eine bejahende Geberde.

Dann drehte er sich nach seinen Leuten herum und fragte:

»Sind die Gewehre geladen?«

»Ja.«

»Wohlan, dann stellt Euch. Macht schnell und seht zu, daß sie nicht lange leiden. Es ist dies der einzige Dienst, den wir ihnen leisten können.«

»Ich danke Ihnen, mein Herr,« sagte André.

Was nun geschah, ging rasch vorüber wie ein Gedanke.

Man hörte schnell auf einander die Commandoworte:

»Fertig! – Schlagt an! – Feuer!«

Dann krachte eine Salve.

Alles war vorüber.

Die Republikaner von Neapel hatten, durch das Beispiel derer von Paris verleitet, eine jener blutigen Thaten begangen, zu welchen das Fieber des Bürgerkrieges oft das beste Gemüth und die heiligste Sache verlockt. Unter dem Verwand, den Bürgern jede Hoffnung auf Verzeihung, den Kämpfenden jede Aussicht auf Rettung zu rauben, hatten sie einen Blutstrom zwischen sich und die königlicher Gnade gezogen – eine unnütze Grausamkeit, welche nicht einmal die Entschuldigung der Nothwendigkeit für sich hatte.

Allerdings waren dies die einzigen Opfer; sie genügten aber, um den bis jetzt makellosen Mantel der Republik mit einem unvertilgbaren Blutflecken zu besudeln.

In demselben Augenblick, wo die beiden Backer von denselben Kugeln getroffen einer in des andern Armen todt niedersanken, übernahm Bassetti das Cammando der Truppen von Capodichino, Manthonnet das der Truppen von Capodimonte und Writz das der Truppen der Magdalena.

Die Straßen waren allerdings öde und leer, dafür aber waren alle Mauern der Castelle und alle Terrassen der Häuser mit Zuschauern bedeckt, welche mit bloßen Augen oder mit dem Fernrohr in der Hand zu sehen suchten, was auf jenem unermeßlichen Schlachtfelde vorginge, welches sich von Granatello bis Capodimonte erstreckt.

Auf dem Meere sah man, von Torre dell’ Annonciata bis zur Magdalenenbrücke, die ganze kleine Flottille des Admirals Caracciolo. Dieselbe ward beherrscht von den zwei feindlichen Kriegsschiffen, der von dem Grafen von Thurn commandirten »Minerva« und dem von dem Capitän Ball commandirten »Seahorse«. Letzteren haben wir Nelson an jenem denkwürdigen Abend begleiten sehen, wo jede Dame des Hofes ihren Vers gemacht und wo alle diese vereinigten Verse das Akrostichon Carolina gebildet hatten.

Die ersten Schüsse, welche man hörte, der erste Rauch, den man aufsteigen sah, war vor dem kleinen Fort Branntello.

Sei es nun, daß Tschudi und Sciarpa die Befehle des Cardinals nicht erhalten, oder dieselben nicht schnell genug ausgeführt hatten, kurz, Panedigrano und seine tausend Sträflinge erschienen allein auf dem Sammelplatz, marschieren aber deswegen nicht weniger kühn gegen das Fort.

Allerdings begannen auch die beiden Fregatten, als sie Panedigano anrücken sahen, um ihn zu unterstützen, ihr Feuer gegen das Fort Granatello.

Salvato verlangte fünfhundert Mann Freiwillige stürzte sich mit dem Bojonnet auf diese Räuberbande, sprengte sie auseinander, tödtete gegen hundert Mann und kehrte mit nur wenigen Verwundeten, die überdies fast alle nur von den Kugeln der beiden englischen Schiffe getroffen worden, in das Fort zurück.

Als der Cardinal in Somma anlangte, ward ihm diese Schlappe gemeldet.

Cesare dagegen war glücklicher gewesen. Er hatte die Befehle des Cardinals pünktlich befolgt, außerdem aber als er erfahren, daß das Schloß von Portici schlecht bewacht und die Bevölkerung für den Cardinal sei, Portici angegriffen und sich zum Herrn des Castells gemacht.

 

Dieser Posten war wichtiger als der von Resina, weil die Straße dadurch besser gesperrt ward.

Er setzte den Cardinal von seinem Erfolg in Kenntniß und bat ihn zugleich um neue Befehle.

Der Cardinal trug ihm auf, sich so gut als möglich zu befestigen, um Schipani den Rückzug vollständig abzuschneiden, und schickte ihm tausend Mann Verstärkung.

Dies war es eben, was Salvato fürchtete. Von der Höhe des kleinen Fortes Granatello hatte er einen bedeutenden Trupp gesehen, welcher um den Fuß des Vesuvs herum gegen Portici verrückte. Er hatte schießen gehört und nach einem kurzen Kampfe war das Feuer verstummt.

Nun war ihm klar, daß die Straße nach Neapel abgeschnitten sei, und er bestand darauf, daß Schipani, ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, gegen Neapel marschiere, das Hinderniß beseitige und mit seinen durch das Fort von Vigliana geschützten fünfzehnhundert oder zweitausend Mann wieder zurückkehre, um die Zugänge zur Magdalenenbrücke zu vertheidigen.

Schipani aber, welcher schlecht unterrichtet war, behauptete, der Feind werde auf der Straße von Sorento anrücken.

Eine lebhafte Kanonade, welche sich in der Richtung von der Magdalenenbrücke her vernehmen ließ, verrieth, daß der Cardinal Neapel von dieser Seite angriff.

Wenn Neapel sich achtundvierzig Stunden hielt und wenn die Republikaner eine äußerste Anstrengung machten, so konnte man von der Position, in welche sich der Cardinal begeben, Nutzen ziehen und anstatt daß Schipani abgeschnitten worden wäre, hätte der Cardinal sich zwischen zwei Feuern gesehen.

Nur mußte ein Mann von Muth, von gutem Willen und Einsicht, welcher im Stande war alle Hindernisse zu überwinden, nach Neapel zurückkehren und von hier entscheidenden Einfluß auf die Berathungen der Oberhäupter der Republik äußern.

Die Lage war eine höchst kritische. Wie Dante konnte auch Salvato sagen:

»Wenn ich bleibe, wer wird dann gehen? Und wenn ich gehe, wer wird dann bleiben?«

Er entschloß sich dennoch zu gehen, indem er Schipani zugleich empfahl, seine Verschanzungen nicht eher zu verlassen, als bis er von Neapel einen bestimmten Befehl erhalten, welcher ihm anzeigte, was er zu thun habe.

Dann und stets von dem treuen Michele begleitet, welcher ihm bemerklich machte, daß er auf glattem Felde unnütz, in den Straßen von Neapel dagegen sehr nützlich sein könnte, in eine Barke, ließ sich nach der Flottille Caracciolo’s rudern, gab sich dem Admiral zu erkennen, theilte diesem seinen Plan, welcher Billigung und Zustimmung fand, mit, passierte wieder durch die Flottille, welche das Meer mit einer Feuerflöthe und das Gestade mit einem Hagel von Kugeln und Granaten bedeckte, ruderte gerade auf das Castell Nuovo zu und langte am Molo an.

Es war auf der einen wie auf der andern Seite kein Augenblick zu verlieren. Salvato und Michele umarmten einander. Michele eilte nach dem Altmarkt und Salvato nach dem Castello Nuovo, wo die Berathung stattfand.

Sklave seiner Pflicht, ging er geraden Weges in das Zimmer hinauf, wo er das Directorium zu finden wußte, und setzte seinen Plan den Direktoren auseinander, welche demselben Beifall zollten.

Man wußte aber, daß Schipani ein sogenannter Eisenkopf war. Man wußte, daß er keine anderen Befehle annehmen würde, als von Writz oder Bassetti, seinen beiden Chefs. Deshalb verwies man Salvato an Writz, welcher an der Magdalenenbrücke kämpfte.

Salvato verweilte einen Augenblick bei Luisa, welche er dem Tode nahe fand, und welcher er das Leben wieder gab, wie ein Sonnenstrahl die Wärme zurückgibt. Er versprach, sie, ehe er in den Kampf zurückkehrte, noch einmal zu besuchen, warf sich aus ein frisches Pferd, welches er mittlerweile hatte bringen lassen, und galoppierte dann in gestrecktem Galopp den Quai entlang, welcher nach der Magdalenenbrücke führte.

Hier tobte der Kampf in voller Wuth. Der kleine Fluß Sebeto trennte die Kämpfenden. Zweihundert Mann, die sich in das umfangreiche Gebäude der Granili geworfen, schossen aus allen Fenstern heraus.

Hier war der Cardinal, an seinem Purpurmantel deutlich erkennbar, mitten im Feuer Befehle ertheilend, und immer mehr den Glauben verbreitend, daß er für die Kugeln, die ihm um die Ohren pfiffen, unverwundbar sei, und daß die Granaten, welche zwischen den Beinen seines Pferdes platzten, nichts über ihn vermöchten.

Stolz unter den Augen eines solchen Anführers zu sterben, und sicher, wenn sie fielen, die Thore des Paradieses sich ihnen sofort öffnen zu sehen, kehrten die fortwährend zurückgeschlagenen Sanfedisten doch unaufhörlich mit neuer Begeisterung zum Angriff zurück.

Auf der Seite der Patrioten wer der General Writz ebenso leicht zu sehen, wie aus Seiten der Sanfedisten der Cardinal. Zu Pferde wie dieser durchritt er die Reihen und feuerte die Republikaner zur Vertheidigung an, ebenso wie der Cardinal zum Angriff anfeuerte.

Salvato sah ihn von Weitem und ritt gerade auf ihn zu. Der junge General schien an das Pfeifen der Kugeln so gewöhnt zu sein, daß er nicht mehr darauf achtete; als aus das Pfeifen des Windes.

So dichtgedrängt die Reihen der Republikaner auch waren, so wichen sie doch vor ihm auf die Seite. Man erkannte einen höheren Offizier, selbst wenn man nicht Salvato selbst erkannte.

Mitten in dem Feuer trafen die beiden Generale zusammen.

Salvato setzte Writz den Zweck seines Kommens auseinander. Er hatte die Ordre bereits schriftlich ausgefertigt und gab sie Writz zu lesen, welcher sich damit einverstanden erklärte. Nur die Unterschrift fehlte.

Salvato sprang vom Pferde, welches er einem seiner Calabresen, den er in dem Wirrwarr erkannte, zu halten gab, und ging in ein benachbartes Haus, welches als Ambulanz diente, um eine in Tinte getauchte Feder zu holen.

Damit kam er zu Writz zurück und reichte ihm die Feder.

Writz schickte sich an, die Order auf dem Bogen seines Sattels zu unterzeichnen.

Diesen Augenblick der Unbeweglichkeit benutzend, nahm ein sanfedischer Capitän einem Calabresen die Muskete aus den Händen, schlug auf den General an und gab Feuer.

Salvato hörte einen dumpfen Schlag, auf welchen ein Seufzer folgte. Writz neigte sich zu ihm herab und sank ihm in die Arme.

Sofort erscholl der Ruf: »Der General ist todt! Der General ist todt!«

»Verwundet! nur verwundet!« rief Salvato seinerseits, »und wir werden ihn rächen!«

Dann schwang er sich auf das Pferd des Gefallenen und rief:

»Werfen wir uns auf dieses Gesindel und Ihr werdet sehen, daß es auseinanderstiebt wie Spreu vor dem Winde.«

Und ohne sich erst umzusehen, ob man ihm folge, sprengte er, von nur drei oder vier Reitern begleitet, auf die Magdalenenbrücke los.

Eine Salve von etwa zwanzig Musketenschüssen tödtete zwei seiner Leute und zerschlug seinem Pferde einen Schenkel, so daß es unter ihm zusammenbrach. Er fiel aber, seiner gewohnten Kaltblütigkeit treu, mit aufgespreizten Beinen, um nicht unter das fallende Pferd zu gerathen, und mit beiden Händen auf den Holftern, welche glücklicherweise mit ihren Pistolen versehen waren.

Die Sanfedisten stürzten auf ihn. Mit zwei Pistolenschüssen tödtete er zwei Mann, griff dann zu seinem Säbel, den er, während er schoß mit den Zähnen gehalten, und verwundete, nachdem er die Pistolen als nun unnütz von sich geschleudert, einen dritten.

In diesem Augenblick glaubte man ein Erdbeben zu hören und der Boden erzitterte buchstäblich unter den Hufen der Pferde.

Es war Nicolino, welcher, als er die Gefahr, in welcher Salvato schwebte, vernommen, an der Spitze seiner Husaren herbeieilte um ihm beizustehen, oder ihn zu befreien.

Die Husaren nahmen die ganze Breite der Brücke ein. Nachdem Salvato kaum der Gefahr entgangen, von den sanfedistischen Bajonneten durchbohrt zu werden, stand jetzt zu fürchten, daß die Hufe der patriotischen Pferde ihn zermalmen würden.

Durch Nicolinos Annäherung von seinen Gegnern befreit, aber, wie wir eben bemerkt, in Gefahr schwebend, zertreten zu werden, schwang er sich auf das Brückengeländer und sprang darüber hinweg.

Die Brücke war frei, der Feind zurückgeschlagen. Die moralische Wirkung, welche der Tod des Generals Writz geäußert, war nun durch einen materiellen Vortheil aufgewogen.

Salvato schwamm durch den Sebeto und sah sich wieder in den Reihen der Republikaner.

Man hatte Writz nach der Ambulanz getragen. Salvato eilte hin. Wenn Writz noch Kraft genug hatte, zu unterzeichnen, so sollte er dies thun. So lange nach ein Lebenshauch in der Brust des Obergenerals zuckte, mußten seine Befehle ausgeführt werden.

Writz war nicht todt, sondern blos ohnmächtig. Salvato schrieb die Ordre, welche mit der Feder zugleich der sterbenden Hand des Generals entfallen war, noch einmal, suchte sein Pferd, welches er auch wieder fand, empfahl hartnäckige Vertheidigung und sprengte wieder davon, um Bassetti in Capodichino aufzusuchen.

Binnen weniger als einer Viertelstunde war er dort.

Bassetti unterhielt hier die Vertheidigung mit weniger, Mühe als da, wo der Cardinal war.

Salvato konnte ihn daher bei Seite nehmen und ihn in doppelten Exemplaren die Ordre für Schipani ausfertigen lassen, damit, wenn vielleicht das eine nicht an seine Adresse gelangte, dies doch mit dem andern der Fall wäre.

Er erzählte ihm, was so eben an der Magdalenenbrücke geschehen, und verließ ihn nicht eher, als bis er ihm den Schwur abgenommen, Capodichino bis aufs Aeußerste zu vertheidigen und zu der Bewegung des nächstfolgenden Tages mitzuwirken.

Salvato mußte, um nach dem Castello Ruovo zurückzugelangen, die ganze Stadt durchreiten.

In der Strada Foria sah er eine ungeheure Zusammenrottung welche ihm den Weg versperrte. Diese Zusammenrottung oder dieser Auflauf war durch einen Mönch veranlaßt der auf einem Esel saß und eine große Fahne trug. Auf dieser Fahne sah man den Cardinal Ruffo, vor dem heiligen Antonius von Padua knieend, welcher in seinen Händen mehrere Rollen Stricke hielt, die er dem Cardinal darreichte.

Der schon ohnehin hochgewachsene Mönch überragte auf seinem Thiere sitzend die ganze Menge, welcher er erklärte, was auf der Fahne vorgestellt sei.

Der heilige Antonius war nämlich dem Cardinal Ruffo im Traume erschienen und hatte ihm, indem er ihm eine Menge Stricke zeigte, gesagt, daß in der Nacht vom 13. zum 14. Juni, das heißt in der nächstfolgenden, die Patrioten einem unter ihnen geschmiedeten Complotte zufolge die Absicht hätten, sämtliche Lazzaroni aufzuknüpfen und nur die Kinder am Leben zu lassen, um diese dann im Atheismus zu erziehen, und daß zu diesem Zwecke von dem Directorium eine Austheilung von Stricken unter die Jacobiner bewirkt worden sei.

Glücklicherweise hatte der heilige Antonius, dessen Namenstag auf den 14. fiel, nicht gewollt, daß an seinem Festtage ein solches Attentat verübt werde, und wie durch das von dem Mönche entrollte und geschwenkte Banner bestätigt ward, vom Herrn des Himmels nie Erlaubniß erhalten, seine treuen Bourbonisten vor der Gefahr, in welcher sie schwebten, zu warnen.

Der Mönch forderte zugleich die Lazzaroni auf, die Häuser der Patrioten zu durchsuchen und Alle aufzuknüpfen, in deren Häusern man Stricke finden würde.

Seit zwei Stunden machte der Mönch, welcher von dem Altmarkte nach dem Palazzo Borbonico hinaufritt, alle hundert Schritte Halt, und wiederholte mitten unter dem Geschrei und den Drohungen von hundert Lazzaroni eine ähnliche Proclamation.

Salvato, welcher nicht die Tragweite kannte, welche die Rede des Capuziners haben konnte, in welchem unsere Leser ohne Zweifel bereits Fra Pacifico erkannt, welcher, indem er wieder in den gemeinen Stadttheilen von Neapel erschien, seine alte Popularität und noch einen bedeutenden Grad neue gefunden hatte – Salvato, sagen wir, wollte weiterreiten, als er durch die Strada Giovanni a Carbonara einen Trupp jener Verworfenen kommen sah, welche einen mit Stricken gekrönten Kopf auf der Spitze eines Bajonnetes trugen.

Der, welcher den Kopf trug, war ein Mann von vierzig bis fünfundvierzig Jahren und gräßlich anzuschauen, denn er war mit Blut bedeckt, weil der Kopf, den er auf der Spitze des Bajonnetes trug, frisch abgeschnitten war und das Blut auf ihn herabträufeln ließ. Zu seiner natürlichen Häßlichkeit, zu seinem Barte, der so roth war wie der des Judas, zu seinem struppigen, durch den Blutregen an seinen Schläfen festgeklebten Haar gesellte sich eine breite Schmarre, welche quer über das ganze Gesicht wegging und das linke Auge theilte.

Hinter ihm kamen andere Männer, welche abgeschnittene Beine und Arme trugen.

Diese gräßlichen Trophäen näherten sich unter dem Rufe: »Es lebe der König! Es lebe die Religion!«

Salvato erkundigte sich was diese unheimliche Prozession zu bedeuten habe, und erfuhr, daß in Folge der Proclamation Fra Pacifico’s, und weil in dem Keller eines Fleisches mehrere Stricke gefunden worden, der arme Teufel unter dem Geschrei: »Das sind die Stricke, womit man uns hängen wollte!« erwürgt und in Stücke gerissen worden war. Sein in zwanzig Theile zerstückelter Körper war an die Haken seines Verkaufladens gehängt worden, während man seinen mit Stricken umflochtenen Kopf nebst seinen Armen und Beinen durch die Stadt getragen hatte.

 

Er hieß Cristosero. Es war derselbe, welcher Michele ein russisches Geldstück verschafft hatte.

Was seinen Mörder betraf, den Salvato, wenn auch nicht am Gesicht, doch an der Stimme wieder erkannte, so war dies derselbe Beccajo, der mit noch mit fünf Anderen, unter den Befehlen Pasquales de Simone in der Nacht vorn 22. zum 23. September Salvato überfallen und dem er durch einen Säbelhieb das Auge gespalten hatte.

Bei dieser Erklärung, welche ihm ein Bürger gab, der, weil er dieses ganze Geräusch gehört, sich auf die Schwelle seiner Thür gewagt hatte, konnte Salvato sich nicht länger halten. Er riß den Säbel aus der Scheide und stürzte sich auf diese Cannibalen.

Die erste Bewegung der Lazzaroni war, die Flucht zu ergreifen; als sie aber sahen, daß sie ihrer hundert waren, während Salvato ganz allein war, so begannen sie sich zu schämen und kehrten sich wieder drohend gegen den jungen Officier.

Drei oder vier gutgezielte Säbelhiebe beseitigten jedoch die Kecksten, und Salvato würde sich auch aus dieser schlimmen Affaire gezogen haben, wenn nicht das Geschrei der Verwundeten und besonders das Gebrüll des Beccajo den Trupp aufmerksam gemacht hätten, welcher Fra Pacifico begleitete und dabei zugleich die von diesem bezeichneten Häuser durchsuchte.

Etwa dreißig Mann sonderten sich daher von dem Haupttrupp ab, und kamen, um der Bande des Beccajo hilfreiche Hand zu leisten.

Nun sah man jenes eigenthümliche Schauspiel, wie ein einziger Mann sich gegen sechzig, glücklicherweise nur schlecht Bewaffnete vertheidigte, und mitten unter sie hineinsprengend, sich Bahn brach, als ob sein Pferd Flügel gehabt hätte. Zehnmal hätte er entfliehen können, sowohl durch die Strada de l’Orticello, als auch durch die Grotta della Marsa, oder durch den Vico de Ruffi; aber es schien, als wolle er die für ihn augenscheinlich so schlechtstehende Partie nicht eher aufgeben, als bis er zu dem verworfenen Anführer dieser Mörderbande hindurchgedrungen wäre, und denselben gezüchtigt hätte.

Der Beccajo aber, der, weil er sich in der Mitte des Trupps befand, in seinen Bewegungen freier war, schlüpfte ihm fortwährend so zu sagen zwischen den Händen, gerade so wie der Aal zwischen denen des Fischer, hindurch.

Plötzlich erinnerte Salvato sich der Pistolen. Er nahm deshalb den Säbel in die linke Hand, zog eines der Pistolen aus der Halfter und spannte es.

Unglücklicherweise war er, um sicher zu zielen, genöthigt, sein Pferd anzuhalten. In dem Augenblick aber, wo Salvato den Zügel anzog, brach sein Pferd plötzlich unter ihm zusammen.

Ein Lazzarone hatte sich zwischen die Beine des Thieres gedrängt und ihm das Kniegelenk durchschnitten.

Der Pistolenschuß ging in die Luft.

Diesmal hatte Salvato nicht Zeit, sich aufzuraffen, oder sein zweites Pistol aus der andern Halfter zu ziehen. Zehn Lazzaroni stürzten sich auf ihn, fünfzig Messer hoben sich drohend gegen ihn.

Plötzlich aber warf sich ein Mann unter diejenigen, welche den Gestürzten erdolchen wollten, indem er rief:

»Laßt ihn leben! laßt ihn leben!«

Der Beccajo hatte, als er die Hartnäckigkeit sah, womit Salvato ihn verfolgte, diesen nämlich erkannt, und begriffen, daß er auch selbst erkannt war.

Nun aber achtete er den Muth des jungen Mannes hinreichend, um zu wissen, mit, welcher Gleichgültigkeit dieser, den Tod im Kampfe hinnehmen würde.

Dieser Tod sollte ihm daher nicht beschieden sein.

»Und warum sollen wir ihn leben lassen? antworteten zwanzig Stimmen.

»Weil es ein Franzose ist, weil es der Adjutant des Generals Championnet ist, weil es mit einem Worte derselbe ist, der mir diesen Säbelhieb versetzt hat.«

Und er zeigte die fürchterliche Schwarm welche sein Gesicht durchfurchte.

»Aber was willst Du denn mit ihm machen,« fragte man.

»Rächen will ich mich!« rief der Beccajo. »Ich will ihn zusammenhacken wie Pastetenfleisch! ich will ihn bei langsamen Feuer rösten! ich will ihn aufknüpfen.«

Während er aber alle diese Drohungen Salvato so zu sagen ins Gesicht warf, schleuderte dieser, ohne ihn einer Antwort zu würdigen, mit übermenschlicher Anstrengung die fünf oder sechs Mann, welche ihn an Armen und Schultern gepackt hielten, von sich, richtete sich zu seiner ganzen Höhe auf, schwang seinen Säbel wild um den Kopf herum, und hätte mit einem Hiebe, um welchen ihn Roland beneidet haben würde, dem Beccajo den Kopf bis auf die Schultern gespalten, wenn der Bandit den Hieb nicht mit der Muskete pariert hätte, auf deren Bajonnet er den Kopf des unglücklichen Fleischers gespießt.

Wenn aber auch Salvato die Stärke Rolands besaß, so war doch sein Säbel unglücklicherweise nicht so fein gehärtet, wie Rolands Schwert, und die Klinge zersplitterte, indem sie den Musketenlauf traf, wie Glas. Da sie diesen Musketenlauf aber erst traf, nachdem sie die Hand des Beccajo getroffen, so fielen von dieser drei durchhauene Finger zur Erde.

Der Beccajo stieß ein Schmerz- und Wuthgebrüll aus.

»Zum Glück,« sagte er, ist es die linke Hand und ich habe immer noch die rechte, um Dich aufknüpfen zu können.«

Salvato ward mit den Stricken, welche man bei dem Fleischer weggenommen, gefesselt und in einen Palast getragen, in dessen Keller man soeben auch Stricke gefunden und dessen Hausgeräthschaften und Bewohner man zu den Fenstern hinauswarf.

Auf der Uhr der Vicaria schlug die vierte Stunde.

Zu derselben Stunde hielt der Geistliche Antonio Toscano das Versprechen welches er dem jungen General gegeben.

Da alle Stunden dieses in den Annalen von Neapel denkwürdigen Tages durch Beweise von Selbstverleugnung, Heldenmuth oder Grausamkeit charakterisiert wurden, so sehe mich genöthigt, Salvato, so gefährlich auch seine gegenwärtige Lage ist, zu verlassen, um zu sagen, auf welchem Punkte der Kampf stand.

Nach dem Tode des Generals Writz hatte der Vicecommandant Schipani die Leitung des Kampfes übernommen. Er war ein Mann von herkulischer Körperstärke und erprobtem Muth. Zweimal griffen die durch jenen Anprall der Gebirgsbewohner, welchem nichts zu widerstehen vermag, über die Brücke zurückgedrängten Sanfedisten Mann gegen Mann an. Hier sah man den Riesen Schipani, nachdem er eine Muskete von der Erde aufgerafft, dieselbe handhaben wie eine Keule und auf jeden Schlag einen Gegner niederschmettern.

In diesem Augenblick sah man jenen beinahe blinden Greis, welcher eine Muskete verlangt hatte, indem er zugleich versprochen, sich dem Feinde so dicht zu nähern, daß er sehr unglücklich sein wüßte, wenn er ihn nicht sähe – in diesem Augenblick, sagen wir, sah man Ludovici Strich seine beiden Neffen mehr schleppend, als von ihnen geführt, bis an den Rand des Sebeto heranrücken wo sie ihn verließen.

Hier war er von den Sanfedisten nicht mehr als ungefähr zwanzig Schritte entfernt. Eine halbe Stunde lang sah man ihn seine Muskete mit der Ruhe und Kaltblütigkeit eines alten Soldaten oder vielmehr mit der stoischen Verzweiflung eines Bürgers laden, der die Freiheit seines Landes nicht überleben will. Endlich fiel er und sein Körper verlor sich unter den vielen Leichen, welche sich am Rande des Flusses aufthürmten, oder ward vielmehr vergessen.

Der Cardinal sah ein, daß man den Uebergang über die Brücke nicht erzwingen würde, so lange das doppelte Feuer von dem Fort Vigliana und von Caracciolo’s Flottille seine Leute in der Flanke nahm.

Vor allen Dingen mußte er sich des Fortes bemächtigen. War einmal dieses genommen, so konnte er mit den Kanonen desselben die Flottille vernichten.

Wir haben bereits gesagt, daß das Fort von hundertundfünfzig oder zweihundert Calabresen unter dem Commando des Geistlichen Antonio Toscano stand.

Der Cardinal stellte Alles, was er an Calabresen hatte, unter die Befehle des Oberst Rapini, der selbst Calabrese war, und befahl ihm, das Fort zu nehmen, möchte es kosten was es wolle.

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