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Erinnerungen eines Policeman

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»Wirklich!« erwiederte ich, »sollte die »Columbia« , durch den Sturm nach Plymouth zurückgetrieben werden?«

»Ich glaube es,« versetzte der alte Matrose, »aber so gewiß wie das Ende der Welt ist’s noch nicht.«

»Aber wenn das Schiff,« fragte ich weiter, »wieder in den Hafen einläuft, zu welcher Stunde des Abends können wir es dann erwarten?«

»Das kann ich Ihnen nicht so genau sagen, Sir,« erwiederte Tom Davis; »ich bin ja kein Meerschwein, daß ich den Sturm aus die Minute prophezeien könnte. Aber so viel kann ich Ihnen sagen, wenn Sie in zwei Stunden noch auf diesem Fleck stehen, so wird Ihnen der Wind alle Knöpfe vom Rock losreißen . . . Die »Columbia« kann von Glück sagen, wenn sie wieder festliegt, wo sie vor einer Stunde die Anker lichtete.«

Die Prophezeiung des alten Matrosen, der ich wegen ihrer humoristischen Färbung wenig Glauben schenkte, wurde mir von anderen Sachverständigen bestätigt, und ohne Zeit zu verlieren, ergriff ich kräftige Maßregeln, um die Ausschiffung George Masters zu verhindern, falls die »Columbia« wirklich gezwungen würde, auf der Rhede Schutz zu suchen.

Nachdem ich meinen Plan entworfen und alle Verhaltungsbefehle ertheilt hatte, entließ ich die beiden Localbeamten und begab mich in den Gasthof, wo ich Tags vorher eingekehrt war.

2

Als ich in die Straße kam, wo der Gasthof lag, stieß ich auf zwei mir begegnende Personen, deren Anwesenheit in Plymouth mich sehr in Erstaunen setzte, ja sogar mit Schmerz erfüllte. Diese beiden Personen gehörten nemlich zu der Familie George Masters’; die eine hatte ich schon gesehen, es war seine Frau, welche, wie schon erwähnt, aus einer achtbaren Familie der City war. Wahrscheinlich war sie nach Plymouth gekommen, um ihrem Gatten zur Flucht behilflich zu seyn; aber die Ausführung des Planes schien der jungen Frau eben keine große Freude zu machen, denn sie war schrecklich blaß und ihre Augen waren von Thränen geröthet.

Mrß. Masters war ein höchst reizendes Wesen, in der Ruhe mußte ihr Gesicht blendend schön seyn. Ihr Begleiter war ein alter Mann, der durch sein weißes Haar und sein ernstes, ehrwürdiges Gesicht auf den ersten Anblick imponirte.

Die junge Frau erröthete, als sie mich bemerkte, denn sie kannte mich, und mochte die Ursache meiner Anwesenheit in Plymouth wohl ahnen. Dann ließ sie den Arm ihres Begleiters los und trat auf mich zu.

Wie unangenehm mir diese Begegnung auch war, so stand ich doch still, um ihr einige Minuten zu opfern. Aber ihr Begleiter flüsterte ihr einige Worte zu; sie besann sich und Beide gingen weiter, nachdem mich die junge Frau durch eine stumme Verbeugung begrüßt hatte.

Ich hatte seit acht Uhr Morgens keinen Bissen gegessen ; ich ging in den Gasthof, um zu speisen. Nach dem Essen begab ich mich wieder an den Hafen. Ich überzeugte mich nun, daß der alte Seemann Recht gehabt hatte.

Der Wind hatte sich gedreht, er bließ heftig aus Südwesten und die hochgehende See war der sichere Verbote eines wahren Sturmes. Von Minute zu Minute zuckten Blitze am Horizont. Es wurde immer finsterer, die Wogen gingen immer höher.

»Wir werden eine traurige Nacht bekommen, Sir,« sagte ein Hafenbeamter zu mir, »ich glaube, daß die »Columbia« mit der Flut umkehren wird.«

»Um welche Zeit erwarten Sie die Rückkehr des Schiffes?« fragte ich.

»Als ich drüben auf dem Thurm Wache stand, hatte ich bereits ein gutes Stück Weges zurückgelegt ; es wird mindestens drei Stunden ausbleiben, und vor neun oder zehn Uhr wird es nicht auf der Rhede eintreffen, vorausgesetzt daß der hartnäckige Capitän sich nicht entschließt, den Kampf mit den Elementen zu bestehen; denn zuweilen will der Commandant eines Schiffes durchaus nicht umkehren, und setzt sich lieber der Gefahr eines Schiffbruches aus.«

Das Wetter war so kalt und rauh, daß mir die Lust verging, noch ein paar Stunden am Hafen zu warten. Ich dankte daher dem Hafenwächter für die Auskunft und begab mich wieder in den Gasthof »Royal George«; zuvor aber theilte ich den beiden Localbeamten, die in einem Kaffeehause meine weitern Befehle erwarteten, das Resultat meiner Nachforschungen mit.

Es wurde verabredet, daß ich die Rückkehr der »Columbia« von acht bis zehn Uhr erwarten sollte; falls das Schiff dann noch nicht da wäre, sollten die beiden Agenten abwechselnd auf dem Hafendamm Wache halten.

Die Verabredung wurde ganz laut getroffen, und die Anwesenden hörten Alles was wir sprachen. Diese Unbesonnenheit brachte mir Unglück.

Das Feuer brannte lustig im Camin des Gastzimmers und die sanfte Wärme that mir so wohl, daß ich gegen meinen Willen in einen süßen Schlaf versank. Ich war in der legten Nacht nicht ins Bett gekommen und der Wind hatte mein Gesicht dergestalt gepeitscht, daß mir unwillkürlich die Augen zufielen. Aber ich war längst gewöhnt, zu einer bestimmten Zeit zu erwachen; ich überließ mich daher unbesorgt dem Schlummer, nachdem ich meine Uhr hervorgezogen hatte, um zu sehen, wie lange Zeit ich der Ruhe widmen dürfe.

Ich legte meine Uhr auf den Tisch, auf den ich mich stützte. Es war kaum halb sieben.

Bald darauf erwachte ich mit der verworrenen Idee, daß ich zu lange geschlafen und daß während meines Schlummers Jemand ins Zimmer gekommen sey. Ich sah indeß Niemand im Gastzimmer, und meine Uhr zeigte erst sieben Uhr zwanzig Minuten.

Ich erhob mich aus meinem Lehnstuhl und öffnete das Fenster, um das Wetter zu beobachten. Das Wetter war furchtbar ; es wäre ganz vergebens gewesen, sich vor der Rückkehr der »Columbia« dem Regen und der Kälte auszusetzen. Um den Schlaf zu verscheuchen, nahm ich eine Zeitung und begann zu lesen.

Kaum hatte ich meine Aufmerksamkeit den politischen Nachrichten zugewandt und die mich umgebenden Gegenstände vergessen, so that sich die Thür des Gastzimmers auf und Mistreß Masters erschien mit ihrem Begleiter

Die junge Frau grüßte erröthend, der alte Herr nahm am Camin Platz. Bald entschuldigte sie sich höflich durch ihre unerwartete Ankunft meine Einsamkeit gestört zu haben.

Ich beantwortete diese Entschuldigung in eben so höflichen Ausdrücken und erwartete mit wehmüthiger Theilnahme und Neugier die Erklärung dieser Störung, wie es die beiden Fremden nannten.

Die junge Frau schlug ihre rothgeweinten Augen nieder, sie schien sehr traurig zu seyn. Ich beklagte von ganzem Herzen das Unglück dieses reizenden Wesens und bedauerte im Stillen, daß ich nichts für sie thun konnte, denn sie schien mir wirklich der innigsten Theilnahme werth.

Auch der alte Mann schien sehr traurig und niedergeschlagen zu seyn; seine Hände zitterten und seine Augen starrten mit unheimlichem Ausdruck in das lustig lodernde Caminfeuer.

Ich wollte mich aus dem Gastzimmer entfernen, um das unangenehme Gespräch, welches mir die Haltung des alten Mannes in Aussicht stellte, zu vermeiden; aber als ich aufstand, sah er mich ernst an und sagte:

»Mr. Waters, dieser Krieg der Elemente, dieser wilde Tumult der physischen Natur ist nur ein sehr schwaches Abbild der beständigen Erschütterungen und Kämpfe in des moralischen Welt . . .«

Sehr erstaunt über diese philosophirenden Worte machte ich eine leichte Verbeugung und erwartete die Fortsetzung dieser sonderbaren Rede.

»Für schwache, kurzsichtige Wesen wie wir,« fuhr er fort, »ist es schwer, die leitende, sorgsame Hand, welche die Ereignisse dieses buntbewegten, ziellosen Lebens leitet, zu beobachten und in ihrem Wirken zu verfolgen. Kämpfe des Glaubens mit der Erfahrung sind eine harte Prüfung für die Menschheit, und es ist ihr sehr schwer, das Kleinod des Glaubens rein und fleckenlos zu bewahren . . . Ach! Das mit seinem satanischen Stolz prunkende Verbrechen und die verfolgte Unschuld sind selbst für große Philosophen schwer zu ergründende Gegenstände.«

Ich wußte in der That nicht, was ich zu diesem wunderlichen Wortschwall sagen sollte. Um etwas davon zu verstehen, mußte ich die Fortsetzung abwarten; ich gab daher durch eine höfliche, ernste Verbeugung zu erkennen, daß ich mit den Bemerkungen des alten Herrn ganz übereinstimmte.

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:

»Es ist nicht mehr zu bezweifeln, Mr. Waters, daß die »Columbia« gezwungen seyn wird, nach Plymouth zurückzukehren; der Gatte dieser Unglücklichen wird daher in die Hände des Gesetzes fallen . . . in die Hände des blinden, ungerechten, schonungslosen Gesetzes, welches an alle Menschen einen und denselben Maßstab legt, als ob die Leidenschaft, welche wie dieser Sturm tobt, die Einen nicht zu Riesen, die Andern zu Pygmäen machte . . .«

Er hielt wieder einen Augenblick inne.

»Ich hätte Ihnen sagen sollen,« setzte er hinzu, »daß ich Thompson heiße.«

Ich verneigte mich.

»Sie können glauben, Mr. Waters, daß Sie nach der Aufklärung dieser unglücklichen Angelegenheit mehr als jeder Andere das Verhängniß beklagen werden, welches im Bunde mit den Elementen die sicher geglaubte Beute auf die Küste zurückwirft Sie können leicht denken, daß auch mein Herz sehr schmerzlich dadurch berührt wird . . .«

»Ist der That, Sir,« antwortete ich, »Ihr Name gibt Sie als den Vater dieser jungen Dame zu erkennen.«

»Ja, Mr Waters, ja,« erwiederte er lebhaft, »und zugleich der Schwiegervater des Schuldlosen, den Sie mit so rastlosem Eifer verfolgen, daß er Ihnen nicht entgehen kann . . . Doch ich mache Ihnen keine Vorwürfe darüber, Sie thun nur, was Sie für Ihre Pflicht halten. Fahren Sie nur fort, die Fügungen der Vorsehung sind unerklärlich.«

Die junge Frau begann laut zu schluchzen. Sie hielt ihren Gatten für schuldlos, und ihr Instinct sagte ihr, daß er noch ihrer Liebe und Achtung werth sey.

»Ich muß diesem peinlichen Gespräch ein Ende machen, Sir,« sagte ich zu dem alten Herrn; »es thut mir sehr weh, in Gegenwart dieser Dame über die Schuldlosigkeit oder Schuld ihres Gatten mit Ihnen zu rechten. Das Gesetz hält ihn für schuldig, ich darf nur mit den Augen des Gesetzes sehen. George Masters täuscht Sie, Madame, wenn er sich schuldlos nennt; brechen Sie dieses Gespräch ab, ich könnte sonst vermuthen, Sie wollten meine Leichtgläubigkeit täuschen.«

 

»Das ist keineswegs meine Absicht, Mr. Waters, und ich glaube, daß mich der achtbare Name Thompson, den ich führe, gegen jedes ungerechte Mißtrauen schützen wird.«

»Ich kenne Ihren fleckenlosen Ruf, Madame,« erwiederte ich mit einer Verbeugung; »die Familie Thompson steht mit Recht in hoher Achtung; aber Sie können Beide im Irrthum seyn, wenn Sie an die Schuldlosigkeit des Verfolgten glauben: die Beweise seiner Schuld sind klar und deutlich.«

»Er ist schuldlos!« betheuerte die junge Frau; »er ist der beste Gatte, der edelste Mensch.«

»Es ist vergebens, diese peinliche Unterredung fortzusetzen,« sagte ich, meinen Hut nehmend; »wenn George Masters schuldlos ist, so wird er freigesprochen, darauf können Sie sich verlassen ; die Justiz irrt sich nicht so oft, wie man glaubt. Es ist meine Pflicht, als Werkzeug der Justiz zu handeln. Es ist acht Uhr und ich sehe mich genöthigt, dieses Gespräch abzubrechen. Entschuldigen Sie mich, daß ich mich Ihnen empfehle . . .«

Die junge Frau fiel mir ins Wort und trat mir in den Weg.

»Noch einen Augenblick, Mr. Waters!« sagte sie mit bittender Stimme.

»Ja, noch einen Augenblick!« setzte Thompson hinzu.

»Ich werde aufrichtig seyn. Ich bin hierher gekommen, Sie um Rath zu fragen. Sie haben von dem Vater des jungen Mannes, von Joel Masters gehört ?«

»Allerdings,« antwortete ich; »er war ein Spieler von Profession, ein sehr übel berüchtigter Mensch – oder um es beim rechten Namen zu nennen, der größte Schurke von der Welt.«

»Sie haben den unwürdigen Vater des armen George sehr richtig geschildert. Kennen Sie die Handschrift des Elenden?«

»Ich habe triftige Gründe, sie zu kennen; denn ich erhielt unlängst einen Brief, den mit der alte Schurke schrieb, um seinen Sohn meinen Nachforschungen zu entziehen.«

»Nun, da Sie die Handschrift Joels kennen, Mr. Waters, so haben Sie die Güte, diesen Brief zu lesen: er ist von Liverpool datirt, wo er sich gestern befand, um sich nach Amerika einzuschiffen.«

Der alte Mann reichte mir einen Brief, in welchem ich sogleich die Schriftzüge Joel Meisters erkannte. Ich begann zu lesen; aber bei der zweiten Zeile hielt ich inne, um Thompson anzusehen.

»Lesen Sie weiter, Mr. Waters,« sagte Thompson; »lesen Sie weiter.«

Der Brief überraschte mich wirklich in hohem Grade; es war ein umfassendes Bekenntniß, das Joel Masters seinem Sohne ablegte. Der Alte erklärte, er habe das seinem Sohne zur Last gelegte Verbrechen begangen, und ermächtigte ihn, seines Vaters Schuld zu erklären, falls es ihm nicht gelänge, England zu verlassen.

»Dieser Brief,« sagte ich, nachdem ich ihn gelesen, »ist sehr wichtig; »aber ich möchte das Couvert sehen.«

»Das Couvert?«

»Ja; denn es muß mit dem Poststempel Liverpool versehen und das Datum der Aufgabe daraus ersichtlich seyn.

Thompson sah in seiner Brieftasche nach und durchsuchte alle seine Rocktaschen, das Briefcouvert fand sich nicht.

»Ohne allen Zweifel,« sagte er verlegen, »habe ich das Couvert in meinem Zimmer fallen lassen. Ich will sogleich in den Gasthof eilen, wo ich eingekehrt bin, um es zu holen. Haben Sie die Güte, meine Rückkehr zu erwarten. Es ist mein sehnlicher Wunsch, Sie von der Schuldlosigkeit des armen George zu überzeugen. Erweisen Sie mir und meiner Tochter noch diese Gefälligkeit . . . ich werde nicht lange ausbleiben; in einigen Minuten bin ich wieder da.«

Thompson eilte zum Zimmer hinaus. Ich machte eine Bewegung, um ihn zurückzuhalten, aber er war schon fort.

Ich wandte mich nun zu Mistreß Masters, die immer noch schluchzte.

»Madame,« sagte ich, »ich habe keine Zeit zu verlieren. Geben Sie Ihrem Herrn Vater den Rath, Joels Brief dem Advocaten, der Ihren Mann vertheidigen wird, zu übergeben; nur der Vertheidiger kann einen wirksamen Gebrauch davon machen.«

»O! Sir,« Schluchzte die junge Frau und sah mich mit ihren rothgeweinten Augen an; »Sie glauben unsern Worten nicht, Sie haben kein Erbarmen.«

»Verzeihen Sie, Madame,« erwiederte ich, »ich habe nicht das Recht, die Wahrheit Ihrer Worte zu bezweifeln, aber eben so wenig steht es in meiner Gewalt, an den mir ertheilten Befehlen etwas zu ändern.«

»Sagen Sie mir aufrichtig, Mr. Waters, « versetzte Mrß. Masters, Hagen Sie mir, ob die von diesem Briefe gegebene Hoffnung wirklich ein Schutz für meinen Mann seyn kann?«

Ich war um eine Antwort sehr verlegen; aber Mrß. Masters gab meinem Stillschweigen eine Bedeutung: sie fand in diesem Stillschweigen die Verurtheilung ihres Gatten. Sie wurde von Zuckungen befallen und verlor die Besinnung.

Ich hätte Leute herbeirufen und mich an den Hafen begeben sollen, wohin mich die Pflicht rief. Ich sah nach der Uhr; es war halb neun und folglich war keine Zeit zu verlieren. Aber ich ließ mich zum Mitleid rühren: ich leistete ihr die für ihren Zustand nöthige Hilfe und brachte sie endlich wieder zur Besinnung.

Aber als sie wieder zu sich selbst gekommen war, hatte ich keine Ruhe mehr.

»Es ist drei Viertel auf neun, Madame,« sagte ich ungeduldig, »ich bedaure Sie von Herzen, aber ich kann nicht länger verweilen, ich muß gehen.«

»So gehen Sie,« antwortete die junge Frau, plötzlich aufstehend; gehen Sie . . . aber ich werde Ihnen folgen.«

Es lag mir wenig daran, ob Mistreß Meisters mir folgte oder nicht, wenn ich nur zur rechten Zeit auf meinem Posten war.

Ich eilte an den Hafen und trotz der Dunkelheit sah ich ganz deutlich ein Schiff, das der »Columbia« glich. Die Segel waren eingezogen und es schienen alle Vorkehrungen zum Uebernachten im Hafen getroffen zu seyn.«

»Was für ein Schiff liegt dort vor Anker?« fragte ich einen Matrosen und deutete mit dem Finger auf das Schiff, welches meine Aufmerksamkeit erregte.

»Es ist die Columbia,« antwortete er.

»Wann ist die Columbia eingelaufen?«

»Es schlug halb zehn, als der Capitän und die Passagiere ans Land stiegen.«

»Wie! halb zehn?« erwiederte ich betroffen; »es ist ja kaum neun Uhr.«

»Ihre Uhr muß zu spät gehen. Sir,« sagte der Matrose; »denn ehe Sie fünf Minuten älter sind, wirds in der Stadt zehn schlagen.«

Die nächste Thurmuhr schien diese Worte des Matrosen abgewartet zu haben, um seine Meinung zu bestätigen. Der erste Glockenschlag ertönte ; ich zählte, es schlug zehn.

Während die Glockenschläge die Luft durchzitterten, hörte ich ein spöttisches , höhnendes Gelächter aus weiblichem Munde. Ich ahnte sogleich, woher es kam, und fühlte zum ersten Male in meinem Leben Lust, ein Frauenzimmer durchzuprügeln.

Mistreß Masters, die reizende junge Frau mit den sanften Taubenaugen, die im Gasthof zum »Royal George« so trostlos, mitleidswürdig gewesen war, stand laut lachend einige Schritte von mir und sah mich mit beispielloser Frechheit an.

»Mr. Waters,« höhnte sie, »Ihre Uhr zeigt vielleicht die Londonerstunde; aber es ereignet sich zuweilen, insbesondere zu Plymouth, daß eine Uhr eine Stunde schlummert, wie ihr Besitzer . . . Adieu, Mr. Waters. Merken Sie wohl, adieu, und nicht auf Wiedersehen; denn ich hoffe, daß ich Sie nie wieder sehen werde.«

Bei diesen Worten verschwand die junge Frau in der Dunkelheit, ohne daß es mir in den Sinn kam, sie zu verfolgen. «

»Sind Sie Mr. Waters?« fragte mich ein Zollbeamter, der auf den Quai ging.

»Ja,« antwortete ich ungeduldig. »Was wollen Sie von mir?«

»Sehr wenig, Sir,« antwortete er; »ich wollte Ihnen nur sagen, daß Joel Masters, der im Gasthofe »zum Royal George« mit Ihnen gesprochen, mir aufgetragen hat, Ihnen zu sagen, daß er unendlich bedauert, Ihnen die letzten Stunden dieses Abends nicht widmen zu können ; die Ankunft seines Sohnes zu Plymouth habe ihn gezwungen, die Stadt auf der Stelle zu verlassen. Einer weitern Erklärung , sagte er, bedürfe es nicht, Sie würden diese Nothwendigkeit einsehens.«

Ich hätte hundert Pfund Sterling gegeben, um mir die Freude zu machen, den Zollbeamten ins Meer zu werfen; aber ich widerstand dieser Versuchung und begab mich voll Ingrimm wieder in den Gasthof.

Joel Masters und sein Sohn entkamen nach Amerika. Einige Jahre später erfuhr ich, daß der alte Gauner den Lohn seiner Thaten im Strafhause erhielt.

Der sanfte, wohlthuende Einfluß der Mistreß Masters, die ihrem Gatten über den Ocean gefolgt war, machte aus George einen neuen Menschen; er gab seinen Kenntnissen und Talenten eine bessere Richtung, machte sein Glück und wurde einer der geachtetsten Bürger von Cincinnati.

V.
Die Industrieritter

1

Der Hauptagent eines ziemlich bedeutenden französischen Handlungshauses, der seinen Wohnsitz zu London hatte, erschien eines Morgens in großer Bestürzung in ScotlandsYard und zeigte dem Oberinspector an, es sey ihm eine sehr beträchtliche Summe in englischen Banknoten, Gold und Wechseln gestohlen worden. Er habe eine Reise nach Frankreich gemacht, und nach etwa zehntägiger Abwesenheit habe er bei seiner vor einigen Stunden stattgefundenen Rückkehr die traurige Entdeckung gemacht, daß seine eiserne Geldkiste ganz ausgeplündert worden. Der Dieb müsse sich durchaus falscher Schlüssel bedient haben, denn die Geldkiste sey verschlossen und keine Spur eines gewaltsamen Einbruchs sichtbar gewesen.

Monsieur Lebreton, so hieß der Handlungsagent, überreichte uns ein Verzeichniß der gestohlenen Wertpapiere, so wie die Nummern der Banknoten, und gab uns überdies noch mündlich alle wesentlichen Nachweisungen.

Vor Allem wurde nachgefragt, ob die Noten an der Bankcasse zur Einlösung vorgewiesen waren. Es war nicht eine einzige vorgewiesen worden. Es wurde nun Befehl gegeben, die Banknoten nicht einzulösen und in den Zeitungen wurde die Beschreibung der Wechsel nebst den Nummern der Banknoten bekannt gemacht. Einige Tage nachher wurde für die Verhaftung oder Auffindung der Thäter ein bedeutender Preis gesetzt.

Diese Schritte blieben erfolglos, und ungeachtet der rastlosen Bemühungen der Polizeibeamten war nicht die mindeste Spur der Verbrecher zu entdecken.

Inzwischen kam Mr. Bellebon, ein Associé des bestohlenen Handlungshauses, nach England herüber, um bei den Nachforschungen behilflich zu seyn. Er machte uns natürlich die dringendsten Vorstellungen und erschöpfte sich in Bitten, Alles aufzubieten was zur Entdeckung der Thäter führen führen könne. Wenn sich die Wechsel und Banknoten nicht wieder fänden, sey das Haus ruinirt und eine Heirath, von der sein Lebensglück abhänge, müsse dann rückgängig gemacht werden. Aber vergebens schickte die Sicherheitsbehörde ihre geschicktesten Agenten ab, die ganze Angelegenheit blieb in undurchdringliches Dunkel gehüllt.

Endlich erhielt der Hauptagent Alexander Lebreton, der zuerst die Anzeige gemacht hatte, einen Brief mit dem Poststempel Saint-Martin. Dieser Brief enthielt das Anerbieten, die Banknoten und Wechsel – mit Ausnahme des Geldes – zurückzuerstatten. Der Betrag des Goldes belief sich auf etwa tausend Pfund Sterling, die Banknoten und Wechsel machten mehr als das Zehnfache dieser Summe aus, und das französische Handlungshaus hatte sie zur Deckung einiger bedeutender in London zu leistenden Zahlungen bestimmt. Für die Herausgabe dieser Wertpapiere forderte man noch weitere tausend Pfund Sterling.

Lebreton gab sich um so mehr Mühe, die Agenten der Polizei zur Thätigkeit anzueifern, da dieser Verlust großentheils durch seine Nachlässigkeit in der Ausführung der Befehle des Hauses Bellebon verursacht worden war. Er hatte nämlich von Paris den Auftrag erhalten, jene Wechsel zu negociren und dem Bankhause Hoare und Comp. eine bedeutende Zahlung zu leisten. Sobald er diese Zahlung geleistet haben würde, sollte er die Reise nach Paris machen. Lebreton aber hatte den Auftrag umgekehrt; er hatte zuerst die Reise nach Paris gemacht und sich vorbehalten, die Wechsel nach seiner Rückkehr zu negociren; aber bei der Rückkehr hatte er, wie wir gesehen, seine Casse leer gefunden.

In dem oben erwähnten, mit dem Poststempel Saint-Martin (einem Londoner Stadtbezirke) versehenen Briefe, den das Haus Bellebon unter der Adresse Lebreton’s erhalten hatte, wurde folgende Vermittlung vorgeschlagen : wenn man die Wechsel und Banknoten gegen ein Lösegeld von tausend Pfund Sterling zurückzuerhalten wünsche, möge man eine auf den Inhalt des Briefes sich beziehende gebeimnißvolle Anzeige in die »Times« einrücken, und als Antwort auf diese Anzeige werde die Angabe, wie die Zurückerstattung der Wertpapiere zu bewerkstelligen, sogleich erfolgen.

Bellebon, durch diesen Vorfall in die größte Verlegenheit gesetzt, folgte überdies dem Zuge seines Herzens und war schon im Begriff, den Antrag anzunehmen. Er legte dem Polizeidirector den anonymen Brief vor, schilderte ihm seine Verlegenheit und gestand ihm die dringenden Zahlungen, die er zu leisten hatte. Aber der Director lehnte jede Mitwirkung entschieden ab, und erklärte ihm, daß er seinen Wunsch nicht einmal durch Stillschweigen erfüllen werde.

 

Bellebon wiederholte seine Bitte, aber der Polizeidirector erwiederte: »Wir können Ihnen solche Zugeständnisse nicht machen; Sie selbst sollten ein solches Anerbieten mit Entrüstung zurückweisen. Uns verbietet es die Pflicht, Ihnen die Ehre, davon Gebrauch zu machen. Wenn Sie meinen Rath unbeachtet lassen, und die Sache in so ungesetzlicher Weise verfolgen, so werde ich mich genöthigt sehen, einen Criminalprozeß gegen Sie anhängig zu machen.«

Bellebon fügte sich und überließ die ganze Angelegenheit der Einsicht und Erfahrung des Polizeidirectors; bat ihn jedoch dringend, die Nachforschungen mit der größten Thätigkeit fortzusetzen.

Um indeß kein Mittei, welches zu neuen Aufklärungen führen könnte, unversucht zu lassen, wurde verabredet, den von den Dieben selbst geschriebenen Brief in den »Times« abdrucken zu lassen-

Der Brief wurde abgedruckt, und am andern Morgen kam die erwartete Antwort. Sie lautete folgendermaßen:

»Monsieur Lebreton wird sich allein um vier Uhr Nachmittags in Old-Manor-House, Green-Lane, Nerrington, einfinden und die für die Zurückgabe der Wechsel und Banknoten festgesetzte Summe mitbringen. Diese Summe muß in Gold seyn.«

Diese letzte Vorsichtsmaßregel war ganz erklärlich: jede Banknote hat eine Nummer; diese Nummern können der Bank im Voraus angezeigt und die Inhaber der Banknoten erkannt werden.

Das Postscriptum des in französischer Sprache geschriebenen Briefes erklärte ferner, um jeden Verrath zu vermeiden, werde Lebreton in dem genannten Gasthause nur einen Brief finden, welcher ihm den Ort anzeigen werde, wo die Angelegenheit endgültig erledigt werden solle. Auf jeden Fall müsse er sich zu diesem zweiten Stelldichein ebenfalls allein und in aller Stille begeben; es sey ein offener Ort, wo jede Ueberraschung unmöglich sey.

Der Antrag der Gauner war mit einer so ausfallenden Zuversichtlichkeit und Arglosigkeit gemacht, daß es sehr zweifelhaft schien, ob es jemals gelingen werde, der schlauen Industrieritter habhaft zu werden.

Es wurde indeß ein recht sinnreicher Plan entworfen, um die Diebe in eine Falle zu locken.

Lebreton begab sich der Einladung zu Folge gegen vier Uhr Nachmittags in das bezeichnete Gasthaus; aber fand daselbst weder Brief noch Boten und es war weder im Innern von Old-Manor-House noch draußen die mindeste Spur einer geheimen Beobachtung zu bemerken.

Lebreton mußte unverrichteter Sache wieder fortgehen; er begab sich ins Polizeiamt und erzählte was vorgegangen oder vielmehr nicht vorgegangen war.

Am andern Morgen kam ein zweiter Brief mit der Anzeige, daß die Unterhändler bei dem gestrigen Stelldichein nicht erschienen seyen, weil sie die Nachricht erhalten, daß man ihnen nachstelle. Wenn Mr. Bellebon, hieß es in dem Briefe weiter, nicht aufrichtig und offen zu Werke gehe, und den mindesten Grund zum Argwohn gebe, so werde man die Wechsel und die Banknoten ohne weiteres verbrennen; vielleicht werde man sogar von den Wechseln einen für das Haus Bellebon noch nachtheiligern Gebrauch machen. Die Art und Weise, wie man in diesem Falle darüber verfügen werde, müsse den Sturz dieses Hauses unvermeidlich machen.

In diesem entscheidenden Zeitpunkte kam ich in London an. Ich war sehr erzürnt über die Erfolglosigkeit meiner Reise nach Plymouth und über das Entkommen der beiden Gauner Joel und George Masters. Mein Vorgesetzter lachte über meinen Zorn und noch mehr über die außerordentliche Schlauheit und Gewandtheit jener Industrieritter. Um mich einigermaßen zu trösten, sagte er, nachdem er meinen Bericht gehört hatte:

»Mr. Waters, ich habe mit Sehnsucht Ihre Rückkehr erwartet und die Angelegenheit, die ich Ihnen übertragen werde, kann durch Ihren Eifer und ihre Gewandtheit zu einem Resultat kommen, welches Sie für das Mißlingen Ihrer letzten Sendung reichlich entschädigen wird. Sie sprechen so gut französisch, als ob Sie jenseits des Canal la Manche geboren wären. Ihre genaue Kenntniß dieser Sprache wird Ihren Verkehr mit dem bestohlenen Gentleman erleichtern, denn er versteht sehr wenig englisch.«

Mein Chef erzählte mir alle auf den Cassendiebstahl bezüglichen Umstände und deutete dabei aus gewisse Einzelheiten, die auf den ersten Anblick ein schwaches Licht auf die Begebenheit warfen. aber später von großem Nutzen für mich waren.

Ich verließ meinen Chef und ging nach Hause, um mit Ruhe einen Plan zu entwerfen, bevor ich die Verfolgung der Verbrecher begann.

Nach langer, sorgfältiger Prüfung der Sache beschloß ich vor Allem mit Bellebon zu sprechen, aber ich hielt eine Unterredung ohne Zeugen für nothwendig. Ich begab mich in ein Wirthshaus. schickte einen Kellner in den Gasthof, wo Bellebon wohnte und ersuchte den Letzteren um eine schleunige Unterredung in einer sehr dringenden und die Interessen seines Hauses nahe berührenden Angelegenheit Der Bote hatte den Auftrag, die Antwort sogleich zu überbringen.

Bellebon ließ mir sagen, daß er meinen Besuch erwarte.

Ich begab mich sogleich zu dem Banquier. Nach einer viertelstündigen Unterredung sah ich wohl ein, daß Bellebon zu jung, unbesonnen und arglos war, als daß ich es für gerathen gehalten hätte, ihn in meinen Plan einzuweihen.

Ich fragte ihn daher mit scheinbarer Gleichgültigkeit:

»Arbeitet Herr Lebreton in dem Comptoir. wo der Diebstahl begangen ist?« ’

»Ja, gewöhnlich arbeitet er dort,« antwortete er; »aber heute habe ich ihn in Angelegenheiten unseres Hauses nach Greenwich geschickt, er wird wohl erst diesen Abend zurückkommen. Wenn Sie aber den Ort wo der Diebstahl begangen wurde, noch einmal besuchen wollen, so ist es sehr leicht, die Untersuchung zu wiederholen.«

»Ich halte es für nothwendig,« erwiederte ich; »denn die erste Untersuchung ist nicht von mir, sondern von einem meiner Collegen geführt worden. Aber wenn Sie erlauben, will ich an Ihrem Arme in Ihr Comptoir gehen, damit Niemand den officiellen Charakter meines Besuchs ahne.«

Bellebon willigte lachend ein, und wir begaben uns Arm in Arm in sein Comptoir.

Ein ältliches Frauenzimmer öffnete uns die Thür eines Arbeitszimmers wo ein junger Mann saß und schrieb. Der Commis stand auf als wir eintraten. Er mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt seyn; die Hauptzierde seines ziemlich regelmäßigen Gesichts war ein prächtiger Schnurrbart. Der Blick, den er auf uns und insbesondere auf mich warf, war so voll Mißtrauen, daß ich ihm den Rücken zukehrte, um ihm nicht Zeit zulassen, sich meine Gesichtszüge zu merken

»Schicken Sie Ihren Commis unter irgend einem Vorwande fort,« flüsterte ich meinem Begleiter zu.

Bellebon trat auf ihn zu, als ob er etwas vergessen hätte.

»Apropos, Monsieur Dubarle,« sagte er ganz unbefangen zu ihm, »sind Sie bei Mr. Forster in der City gewesen?«

»Nein,« war die Antwort.

»Ich glaube es Ihnen doch gestern gesagt zu haben . . .«

»Entschuldigen Sie, ich erinnere mich nicht.«

»Nun, dann habe ich es vergessen. Gehen Sie doch schnell hin , es handelt sich um Eincassirung von zweihundert Pfund Sterling.«

Der Commis stand auf, nahm seinen Hut, warf mir noch einen unruhigen Blick zu und entfernte sich.

»Ich habe Ihren Wunsch erfüllt,« sagte Bellebon, »wir sind jetzt allein.«

»Ich wünsche nicht als Policeman erkannt zu werden,« sagte ich; »die genaue Durchsuchung Ihres Comptoirs und Ihres Hauses muß daher ohne Zeugen geschehen.«

»Gut, antwortete der Banquier, »ich will die Magd in einen entfernten Stadttheil schicken, um eine Bestellung zu machen.

»Ich wollte Sie darum ersuchen.«

Als die Aufwärterin fort war, traten wir ungestört in das Zimmer, wo sich die Cassa befand.

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