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Elim

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IV
Der Aufenthalt

Das Leben der Familie van Naarvaessen und der übrigen Hausgenossen war sehr ruhig und sogar einförmig. Der Herr vom Hause war fast immer in der Fabrik beschäftigt, und seine Ehehälfte widmete sich den häuslichen Geschäften mit wahrem Fanatismus, obgleich sie dieselben füglich ihren dienstbaren Geistern hätte überlassen können.

Das Hauswesen war die einzige Leidenschaft, welcher die gute Dame jemals gefröhnt hatte. Der Mann ist, wenigstens im Naturzustande, für ein rastlos thätiges, für ein Nomadenleben, das Weib hingegen für das stille Walten und Ordnen im Hause geschaffen ; das Weib ist von der Natur berufen, das Haus zu verschönern, eine behagliche Häuslichkeit zu schaffen. Das Feuer auf dem Herde ist die Sonne einer guten Hausfrau.

Diese Wahrheit würde jedem Beobachter eingeleuchtet haben, der Frau van Naarvaessen gesehen hätte, wie sie, einem Planeten gleich, um das Küchenfeuer kreisete und von demselben Licht und Glanz entlehnte. Es schien fast, als hätte sie die stumme Sprache der alten Teller und Schüsseln und Töpfe verstanden, welche die unverkennbaren Merkmale eines langen Dienstes an sich trugen. Hier konnte man, wie in einem Invalidenhause, einen Theetopf ohne Nase, eine Tasse ohne Arm, eine Kaffeekanne ohne Beine sehen ; aber alle diese Krüppel wußte die kluge Hausfrau noch zu wichtigen Diensten zu benutzen. In der Erfindung und schmackhaften Zubereitung der Speisen stand sie dem berühmten Kochkünstler Vatel keineswegs nach, obwohl ich bezweifle, daß sie über verspätete Ankunft der Seefische je in solche Verzweiflung gekommen ist, wie er. Ihre Pfeffergurken zum Beispiel, die zwanzig Meilen in der Runde berühmt waren, hatten etwas eigenthümlich Pikantes, Appetiterregendes, und waren noch von keinem Gastronomen in dieser Vollkommenheit dargestellt worden. Außerdem hatte sie eine noch in keinem Kochbuche vorhandene Aepfeltorte entdeckt oder vielmehr erfunden; das Recept wollte sie ihrer Tochter erst an ihrem Hochzeittage mittheilen.

Da die Mutter fast immer in der Küche, der Vater in der Fabrik war und die Familie sich nur bei Tische zusammenfand, so hatte Elim, der natürlich neben dem Stickrahmen Jane’s sein Standquartier nahm, hinlänglich Zeit und Muße, sie zu betrachten und mit ihr zu plaudern. Diese Betrachtungen und süßen Plaudereien wurden nur von Zeit zu Zeit durch das Vorlesen einiger Gedichte unterbrochen, oder Elim zeichnete in dem Album der schönen Holländerin. In diesen Zwischenacten, die man wohl mit größerem Rechte die Exposition des Stückes nennen konnte, erzählte ihr der junge Seemann mit einer Wärme, welche selbst den harten russischen Schnee hätte schmelzen können, die Freuden der Schlittenfahrten; er schilderte ihr die von Puschkin so schön besungenen herrlichen Sommernächte, in denen die Sonne den Horizont nicht zu verlassen scheint.

»O, das möchte ich sehen!« erwiederte dann Jane ganz entzückt.

»Warum nicht?« sagte Elim lachend und sah sie mit einem Blicke an, der deutlich sagte, was sein Mund verschwieg.

Jane schlug dann seufzend die Augen nieder und fing wieder an zu arbeiten.

Woran sie wohl dachte?

Vormals hätte ich es Dir sagen können, lieber Leser, aber jetzt habe ich vergessen, woran junge Mädchen denken.

Elim Belosor, der schon von Natur heiter war, wurde in der Gesellschaft des reizenden jungen Mädchens sehr liebenswürdig; aber er wurde von Jane an Heiterkeit und Liebenswürdigkeit noch übertroffen.

In einer französischen Lehranstalt erzogen, hatte die junge Holländerin die guten Eigenschaften einer Französin, mit denen sie die Gemüthlichkeit und Offenheit ihrer Heimat verband. Dazu kam ihre tadellose, sich mit jedem Tage mehr entfaltende Schönheit, welche durch kindliche Schalkhaftigkeit noch erhöht wurde. Elim wurde zuweilen nachdenkend und schweigsam, und diese Träumereien waren ihm oft süßer als die heiterste Freude. Jane hingegen war immer heiter; sie war noch zu arglos, sie kannte weder das Glück noch das Leid der Liebe. Oft zürnte ihr Elim ob dieser ewig heitern gleichmäßigen Stimmung; aber sein Zorn wich schnell unter den harmlosen Neckereien des holden Kindes, und die beiden jungen Leute fingen bald wieder an zu lachen wie zwei Kinder.

So verging eine regnerische Woche.

Endlich klärte sich der Himmel aus und Jane schlug ihrem Gast einen Spaziergang in den Garten vor. Die Wege waren mit feinem, glänzendem Sand bestreut; alle Hügel waren sorgfältig gepflegt und gesäubert, wie Mandeltorten; die Bäume waren pyramidenförmig, die Sträuche in Form von Blumenvasen und Fächern beschnitten. Die Schöpfung schien unter dem Hobel eines Tischlers durchgegangen zu sein. Nichts hatte die natürliche Form. Auf einer schmalen Brücke hätten sich zwei Hühner nicht ausweichen können. Blumen blühten unter hölzernen chinesischen Sonnenschirmen, um die matten Strahlen der Octobersonne abzuhalten, und ein Jäger schlug sein Gewehr auf eine Ente an, die seit zwanzig Jahren auf dem Teiche schwamm, ohne daß es ihr eingefallen war, davonzufliegen.

Elim fragte, ob ein auf einem Thurme sitzender Storch nicht von Marmor sei.

»O, wir sind noch keine Heiden,« erwiederte Jane lachend. »Und obgleich dieser Vogel bei uns, wie bei den alten Egyptern, der Gegenstand einer gewissen Verehrung ist, so erbauen wir ihm doch keinen Tempel und verehren ihn nicht wie einen Götzen.«

»Das ist schade, denn Mynheer Quentin scheint wie zum Priester dieses magern Götzen geschaffen zu sein ; er hat ja dessen Nase und Mund.«

»Wie gefällt Ihnen unser Garten?«

»Er ist sehr merkwürdig – ein wahres Museum. Leider kann ich ihn nicht in der Blüthezeit sehen.«

»Sie können sich wohl darüber trösten, denn unter der Schere des Gärtners sieht er im Sommer gerade so aus wie im Winter; vielleicht sieht er im Sommer noch etwas trübseliger aus. – Jetzt will ich Ihnen das Reich der Blumen zeigen, wo sie blühen wie Ihre nordischen Schönen.«

Jane öffnete die Thür des Treibhauses. Hinter einem Drahtgitter hüpften und flatterten viele seltsame Vögel. Einige derselben flogen herbei und setzten sich auf den Finger der holden Wärterin und pickten Brot aus ihrem Munde.

Elim lächelte über diese Idylle.

»Es ist allerliebst,« sagte er, »aber im Grunde sind Ihre gefiederten Schützlinge doch Gefangene.«

»Im Gegentheil,« erwiederte Jane, »ich würde meine Schützlinge zu Gefangenen Anderer machen, wenn ich ihnen die Freiheit gäbe. Die armen Thiere kommen fast alle aus warmen Ländern und würden unfehlbar umkommen.«

»Sie sind so gut, Jenny, daß selbst ein Falk unter Ihrer Obhut nicht an die Freiheit denken würde.«

»Ein Falk! ich danke, es ist heutzutage nicht mehr Sitte, daß Damen einen Raubvogel auf der Hand tragen. Ich fürchte die Falken, sowohl für mich als für meine Vögel.«

»Sie irren sich, liebe Jane; ein gut gezähmter Falk ist ein allerliebster Vogel. Bei Ihnen würde er von Zuckerwerk und Liebkosungen leben.«

»Ja wohl, um eines schönen Tages davonzufliegen.«

»Nein, um wie eine Taube unter Ihrer Obhut zu bleiben.«

»Was Sie da sagen, Elim, gehört in das Reich der Fabel. Ich kann nicht glauben, daß ein Falk seine Krallen nur als Zierde trage. – Doch wir wollen die Vögel verlassen und die Blumen besuchen. Mein Vater ist ein großer Blumenfreund.«

»Die Blumenzucht ist eine unterhaltende Beschäftigung für alte Leute als Erinnerung an vergangene Freuden und eine nützliche Lehre für junge Leute.«

»Ja wohl, Herr Philosoph. Ich würde die Blumen auch gern haben, wenn sie länger dauerten. Es ist für mich immer ein wehmüthiger Anblick, sie absterben zu sehen.«

»Die Blumen sind glücklicher als wir, Jane. Wir sterben, wie sie, und sie haben keine Schmerzen zu erdulden, wie wir.«

»Ja wohl , aber sie kennen auch unsere Freuden f nicht.

O! ich beneide das Loos der Blumen nicht, ich gestehe es . . . Sie sind wohl ein Botaniker, Elim?«

»Ich bin nur ein Blumenliebhaber, weiter nichts. Die Namen bulbosa, barbata, grundifolia, grandiflora sind mir so fremd wie das arabische Alphabet.«

»Und Sie schämen sich nicht, Ihre Unwissenheit an diesem Orte zu gestehen? Sie müssen wissen , daß Sie in dem Floratempel des berühmtesten holländischen Botanikers sind.«

»Ich gestehe diese Unwissenheit nicht nur, ich bereue sie auch nicht; ich bin wie die Nachtigall der persischen Dichter: ich verehre die Rose, nur die weiße Rose.«

»Das ist nicht genug, Elim. Wenn Sie sich in der Achtung meines Vaters einen dauernden Platz sichern wollen, so müssen Sie mit ihm von den Stengeln, Blättern, Blumenkelchen und Staubfäden aller seltenen Blumen zu sprechen wissen.«

»Ihr Rath ist für mich ein Gesetz, Jane. Ich bin bereit, nicht nur mich wie eine Biene an die Blumen zu hängen, sondern mich weit von der Erde aufzuschwingen, wenn Sie mich mit der duftenden Essenz Ihrer Wissenschaft besprengen wollen. Nur von der Flora kann ich die Gesetze ihres Reiches und die Namen ihrer Unterthanen lernen. Fangen wir also schon heute unsere Lectionen an.«

»Sehr gern. Sehen Sie zum Beispiel diese Blume, sie heißt Aster.«

»Das heißt der Stern,« sagte Elim; »ich kenne zwei Sterne. Der Himmel hat keine klareren und glänzenderen, nur diesen Sternen folgend möchte ich mein Schiff über den Oecan steuern.«

»Ach! lieber Freund, Ihr Ocean jagt mir immer einen Schrecken ein, wenn ich daran denke, seitdem Sie beinahe darin ertrunken sind. Wir wollen lieber vom Himmel heruntersteigen, wir sind ja doch nicht würdig, ihn zu bewohnen.«

»Das ist sehr leicht, wenn der Himmel selbst zur Erde heruntersteigt.«

»Ihre Poesie ist sehr schwer zu verstehen, Elim. Nicht wahr, das nennt man Pathos? – Sehen Sie, hier ist eine Verwandte Ihrer vielgeliebten Rose: die Moosrose.«

»Finden Sie nicht, daß sie frostig aussieht in ihrer Haut?«

»Da ist eine seltene Blume, die man das chinesische Feuer nennt.«

 

»Das aber nur dann brennt, wenn es in Ihren Händen ist.«

»Diese Blume soll nach der Versicherung der Indier weinen , wenn man sie vom ihrem Stengel abbricht.«

»Und wahrscheinlich ruft sie: Reiße mich nicht los!«

»Mir hat sie nie das zugerufen, denn ich habe nie einer Blume weh gethan. – Jetzt nehmen Sie sich in Acht, daß Sie nicht einschlafen, denn hier ist die ganze Familie der Mohnblumen.«

»Ich fürchte nicht , daß sie mich einschläfern, ich bin dem Gegengift zu nahe. Ich spreche aus Erfahrung; wenn Sie mir sagen: Gute Nacht, Elim, so schlafe ich die ganze Nacht nicht.«

»Armer Elim! Jetzt begreife ich warum Sie oft am Tage träumen. – Wo waren wir doch stehen geblieben? Ich glaube bei dieser Tulpe – Nein – ich merke, daß ich ebenfalls zerstreut werde, und die Lehrerin sollte doch dem Schüler gegenüber ihre Gedanken beisammen haben. Sehen Sie den Cactus, der im Jahre nur einmal blüht, und noch dazu in der Nacht. Die arme Blume lebt nur zwei Stunden, dann fallen die Blätter ab.«

»Zwei Stunden! Aber er blüht doch, er erfreut zwei Stunden die schönen Augen, die ihn ansahen. Ich möchte mehre Jahre meines Lebens hingeben, wenn ich zwei Stunden blühen und geliebt werden könnte.«

Elim sah seine holde Lehrerin zärtlich an. Jane sah diesen Blick und schlug die Augen nieder.

»Es ist sehr warm hier,« sagte sie, ihren Shawl auf die Schultern zurückwerfend.

Sie öffnete die Thür des Treibhauses.

»Jetzt lassen Sie uns die erste Lection wiederholen,« sagte sie; »wir wollen doch sehen, welchen Platz mein Schüler errungen hat – ob er zur Strafe in einem Winkel stehen oder die Erlaubniß haben soll im Hofe zu spielen. Sagen Sie mir zum Beispiel, Herr Elim, was für eine Blume dies ist,« fragte sie und pflückte eine Tuberose.

»Ich weiß es nicht,« antwortete Elim, der seine schalkhafte Lehrerin immerfort ansah.

»Aber mein Gott! was wissen Sie denn?« sagte sie mit komischem Ernste.

»Lieben, nur leidenschaftlich lieben,« erwiederte der unwissende Schüler und faßte ihre beiden Hände.

»Was heißt das?« fragte sie mit einer Unbefangenheit, die gar nichts Erzwungenes hatte.

Man denke sich, eine dreißigjährige Schöne habe diese Frage gethan, dann wäre es Verstellung, keine Natürlichkeit, keine wahre unbefangene Aeußerung. Ich habe gar manche Definition der Liebe gelesen und gehört, ja sogar lange Abhandlungen über diesen Gegenstand verdaut, aber ich möchte doch mit Jane fragen: »Was ist Liebe?«

Einige sagen, lieben sei verlangen; Andere meinen, die Liebe sei das gänzliche Vergessen der materiellen Seite der Liebe; bald behauptet man, es gebe keine Liebe ohne Geld; bald hört man sagen, reiche Leute hätten keinen Begriff von der Liebe. Ja die Philosophen, Spiritualisten, Platoniker, selbst die Liebenden mögen sich den Kopf zerbrechen, um das Wesen der Liebe zu ergründen, die Sache wird dadurch nur verwickelter.

Wir dürfen uns daher nicht wundern, daß der junge Seeoffizier durch diese Frage in große Verlegenheit gesetzt wurde. Er wußte kein Wort zu antworten und senkte seine Blicke auf die Blume, welche Jane in der Hand hielt, und ohne zu bedenken was er sagte, antwortete er:

»Es ist eine Glockenblume.«

Jane brach in ein lautes Gelächter aus.

»Sie sind ein ungelehriger Schüler,« sagte sie muthwillig, »und ich glaube daß man in Ihrem Gedächtniß so wenig wie in dem Petersburger Schnee, von welchem Sie mir unlängst erzählten, Blumen pflanzen kann.«

»Ein Paradiesvogel gefällt uns, wir finden ihn schön, wir haben deshalb gar nicht nöthig seinen wahren Namen kennen zu lernen. Wir wissen, daß er vom Himmel kommt, und das genügt uns. Angenommen, liebe Jane, uns Beiden wäre der Name einer Blume unbekannt, würden wir den Duft derselben minder schön finden?«

»Das will ich nicht behaupten, aber wie mich dünkt, ist es doch besser, sich an dem Duft der Blume zu laben, und zugleich den Namen derselben zu kennen. – Die Glockenblumen haben nicht diese großen Blätter – sehen Sie doch —«

Elims Augen waren keineswegs unthätig, und um besser zu sehen, hob er die Hand seiner holden Lehrerin zu seinen Augen empor, und zugleich neigte er das Gesicht zu ihrer Hand.

Die Folge davon war, daß sein Gesicht mit dem ihrigen in ziemlich gleiche Höhe kam, und da die halb offene Thür des Treibhauses einen Luftzug bewirkte, berührten die vom Winde aufgehobenen langen Locken Jane’s sein Gesicht.

Elim schaute auf, er sah in einer Entfernung von wenigen Linien die blauen Augen, die rosigen Wangen und den frischen Mund der lieblichen Botanikerin, er fühlte ihren würzigen Athem.

Es ist eine bekannte Thatsache, daß Frauenhaare außerordentlich elektrisch sind. Elim hatte nicht die Kraft, dieser elektrischen Wirkung zu widerstehen. Er schlang seinen Arm um Jane’s schlanken Leib und drückte, ihren leisen Schrei der Ueberraschung unterdrückend, einen feurigen Kuß auf ihre Lippen.

Jane entwand sich seinen Armen.

»O! Herr Elim,« sagte sie, »das hätte ich nicht von Ihnen gedacht!«

Sie brach in Thränen aus und lief davon. In wenigen Augenblicken war sie aus dem Treibhause verschwunden.

Elim blieb regungslos, mit ausgebreiteten Armen an derselben Stelle stehen. Er war wie vernichtet. Eine in seiner Tasche zerplatzte Bombe würde ihn weniger erschreckt haben, als diese unerwartete Strenge, die mit dem kindlichen, unbefangenen Wesen der jungen Holländerin so sehr im Widerspruch stand.

V
Was die Liebe ist

Elim rieb sich die Augen, er glaubte zu träumen. Warum war Jane so böse? Woher kam ihr Zorn?

»Ich glaubte ihr doch nicht so gleichgültig zu sein,« sagte er zu sich. »Sie schien mein Geplauder mit Wohlgefallen anzuhören und die Sprache meiner Augen zu beantworten. Der Kuß, den ich ihr gab, war freilich ganz unerwartet, aber ihre Lippen entzogen sich den meinigen nicht. Es ist nicht möglich, daß ich mich hierin geirrt habe.«

Elim begab sich ganz verlegen und zaghaft in das Speisezimmer zurück. Aber er suchte vergebens die Blicke seiner Angebeteten. Jane schmollte in allem Ernst, und wenn sich der Schuldige ein Herz faßte sie anzureden, so antwortete sie ihm kurzweg: Ja oder Nein.

Aber Elim ließ nicht nach; je kälter sich Jane gegen ihn zeigte, desto größere Mühe gab er sich, ihre Verzeihung zu erlangen. Endlich glaubte er ihrem Beispiel folgen zu müssen; er zog sich, fest entschlossen weder zum Thee noch zum Abendessen zu erscheinen, in sein Zimmer zurück.

»Ich weiß wahrhaftig nicht was ich davon denken soll,« sagte er, mit starken Schritten im Zimmer auf- und abgehend. »So jung und schon so launenhaft – ja, ich kann wohl sagen: boshaft! Es ist fürwahr ein Glück, daß sie mein Herz noch nicht ganz erobert hat —«

Bei diesen Worten seufzte er.

»Sie ist allerdings schön, das ist nicht zu läugnen,« fuhr er in seinem Selbstgespräch fort. »Sie ist eine Hebe an Jugendreiz und Anmuth – aber bös wie eine Schlange. – Ja, ja, Jungfrau Jane, es ist aus mit uns. Du kannst jetzt, wenn Dir’s Vergnügen macht, mit Mynheer Quentin cokettiren.«

Elims Selbstgespräch wurde durch das Erscheinen des Dieners unterbrochen.

»Ist es gefällig zum Thee zu kommen?« fragte der Diener.

»Wie?« fragte Elim, sich rasch umwendend und den dienstbaren Geist anstarrend.

»Ich frage, ob’s gefällig ist zum Thee zu kommen?« wiederholte er.

»Ich komme den Augenblick,« antwortete der junge Seeoffizier.

»Nun ja,« sagte er, als der Diener fort war, »ich will gehen – aber ich will sie gar nicht beachten, ich will thun als ob sie gar nicht da wäre.«

Elim erschien mit scheinbarer Heiterkeit im Salon, und statt sich, wie gewöhnlich, an die Seite der Tochter vom Hause zu sehen, nahm er neben Herrn van Naarvaessen Platz und fing an mit ihm zu plaudern und zu scherzen.

Aber Jane, die sonst immer an Allem was Elim sagte und that, theilnahm, schien seine Anwesenheit gar nicht zu bemerken.

Noch mehr: sie schien alle Gewohnheiten des Gastes vergessen zu haben. Er konnte keinen stark gezuckerten Thee trinken, und sie that ihm drei große Stücke Zucker in die Tasse; sie bot ihm Rahm an und sie wußte recht gut, daß Elim den Thee mit Citronensaft nahm.

Elim war höchst aufgebracht. Jane war in seinen Augen ein weiblicher Unhold, ein Dämon. Er konnte sich freilich nicht verhehlen, daß er noch nie einen so liebenswürdigen Unhold gesehen hatte. Seine Entrüstung war so groß, daß er unschlüssig war, ob er sich für das ganze Leben von ihr lossagen, oder sie in Gegenwart ihrer Eltern – in seine Arme schließen und an sein Herz drücken sollte.

Ich habe mich oft gefragt, was für Liebende süßer sei: der erste Kuß oder der erste Zwist. Aber es ist zum Rasendwerden, wenn beides zusammenkommt.

Elim begab sich vor Wuth fast erstickend wieder in sein Zimmer. Hätte er den Monolog Figaro’s im Gedächtniß gehabt, so würde er ihn von einem Ende zum andern hergesagt haben; aber da er ihn nicht wußte, rief er aus dem Steggreif:

»O! die Weiber! die Weiber!«

Um nicht noch einmal in Versuchung zu kommen, im Salon zu erscheinen, kleidete er sich aus und legte sich zåhneknirschend ins Bett.

Um Mitternacht noch warf er sich von der einen Seite auf die andere, ohne einen andern Gedanken gefunden zu haben, als einige Variationen über das ewige Thema:

»O die Weiber! die Weiber!«

Endlich um zwei Uhr in der Nacht schlief er ein. Aber was ging im Schlafe mit ihm vor? Welch ein furchtbarer Alp drückte ihn? – Ich weiß es nicht, genug, er erwachte auf dem Teppich vor seinem Bett.

Er kleidete sich an und wusch sein glühendes Gesicht mit kaltem Wasser. Aber er fühlte sich noch nicht hinlänglich erfrischt und ging in den Garten, um seine Gedanken für ein neues Selbstgespräch zu sammeln.

Ohne zu wissen warum, näherte er sich der Thür des Treibhauses. Er fand den Gärtner, der eine Gießkanne in der Hand und die Pfeife im Munde hatte.

»Es ist wohl Niemand da?« fragte Elim, um wenigstens etwas zu sagen.

»Was! Niemand!« erwiederte der Holländer; »es sind ja mehr als tausend Blumen und wohl zweihundert Vögel da!«

»Ein guter Witz!« sagte Elim, indem er in das Treibhaus ging und die Thür hinter sich zuzog.

Der Holländer schüttelte den Kopf und ging lächelnd fort.

Elim näherte sich unwillkürlich dem Tuberosengebüsch, neben welchem er gestern so glücklich und so unglücklich gewesen war. Er schien, wie die indische Peri, von dem Blumenduft ganz berauscht zu werden; die würzige Luft drang durch alle seine Poren und erfüllte ihn mit süßer Wehmuth.

»O mein Gott« flüsterte er, »ich war noch nie so glücklich und zugleich so unglücklich!«

Er setzte sich auf eine ganz von Rosenstöcken umgebene Bank und überließ sich seiner wehmüthigen Stimmung.

So saß er lange, den Kopf auf beide Hände gestützt. Sein übervolles Herz wurde nun leicht, denn die lange zurückgehaltenen Thränen machten sich Luft. Er hatte weder die Kraft noch den Willen mehr sich Zwang anzuthun, und wie mit sich selbst redend, sagte er mit dem Ausdruck der innigsten Zärtlichkeit:

»Jane! meine geliebte Jane!«

In diesem Augenblicke glaubte er ein leichtes Geräusch an seiner Seite zu hören, als ob ein Vogel aufgeflogen wäre.

Er richtete sein in Thränen gebadetes Gesicht auf und stieß einen leisen Schrei aus.

Jane stand vor ihm.

Er breitete die Arme aus und wiederholte:

»Jane! meine geliebte Jane!«

Sie sank an seine Brust.

»O ! wie weh hast Du mir gethan , Jane!« sagte er.

Jetzt bot ihm Jane ihre keuschen rosigen Lippen zum Kuß. Und als hätte er gefürchtet, sie werde ihm wieder entschlüpfen, faßte er sie mit beiden Händen beim Kopf, und der Bund der beiden jungen Herzen wurde durch einen langen Kuß besiegelt.

Dann aber wehrte ihn Jane sanft ab.

»Warum wendest Du Dich ab von mir, Jane?« fragte er. »Ich weiß es nicht,« antwortete das holde Kind. »Ich wehre Dich nicht ab, mein Herz weiß nichts davon – meine Hände drängen Dich zurück. Nimm sie, dann werden sie sich willig gefangen geben.«

Elim nahm die lieben Hände und küßte sie.

Beide plauderten miteinander und sahen sich an und lachten, ohne zu wissen worüber. Sie duzten sich, und schwerlich hätten sie sagen können, aus wessen Munde zuerst das trauliche Du gekommen war.

»Was fehlte Dir denn gestern, Du böses Mädchen?« fragte Elim.

»Ich weiß es nicht. Ich lief davon, ohne zu wissen warum. Es war mir, als ob Du mir die Lippen mit einem glühenden Eisen verbrannt hättest.«

»Aber nachher? Aber Abends beim Thee?« fragte Elim weiter.

»Ich wollte Dich quälen,« antwortete Jane mit seinen Haaren spielend. »Aber ich will Dir nur gestehen, daß ich mich selbst gequält habe. Ich konnte nicht schlafen, ich habe Dich die ganze Nacht gerufen.«

 

»Gestern, mein Engel, fragtest Du, was Liebe ist,« sagte Elim zärtlich.

»Das ist also die Liebe?« erwiederte sie; »dann macht sie viel Schmerz – aber sie macht auch glücklich.«

»Du launisches Kind!« sagte Elim.

»O! zürne mir nicht, Elim. Ich fürchte mich, wenn Du böse bist. Als ich Dich kommen sah, war mir so bange, daß ich mich hinter dieser Blume versteckte. Du setztest Dich auf diese Bank – da schaute ich zwischen den Blumen durch. Ich sah, daß Du den Kopf auf die Hände stütztest. Ich wollte dies benutzen, um mich fortzuschleichen; aber auf einmal glaubte ich zu bemerken, daß Du weintest – es war mir nun nicht möglich, einen Schritt zu gehen, ich war wie festgebannt. Du kennst die Fabel von der Daphne, die in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde; ich betastete mich, um mich zu überzeugen, ob ich nicht auch ein Lorbeerbaum mit Zweigen und Blättern geworden sei.

Da sagtest Du: Jane, meine geliebte Jane! Ich fühlte mein Herz zerreißen – Du richtetest Dich auf, dein Gesicht war ganz mit Thränen benetzt. Ich glaubte ersticken zu müssen, und wenn Du nicht die Arme ausgebreitet hättest, so wäre ich ohnmächtig niedergesunken. – O, warum liebe ich Dich auch so unaussprechlich!«

»Du liebst zum ersten Male, Jane?«

»Und zum letzten Male,« setzte sie, die Hand auf’s Herz legend, hinzu. »Und Du?«

»O! ich,« erwiederte Elim mit Begeisterung; »es ist nicht genug, Dich in dieser Welt zu lieben – ich will Dich auch in jener Welt lieben!«

Jane fragte nun nicht mehr, was Liebe sei.

Die beiden Liebenden schieden. »Ewig! war das Abschiedswort, mit welchem sie sich die Hände drückten und noch einmal in die Arme sanken.

Sie gingen aus verschiedenen Thüren und begaben sich in ihre Zimmer zurück, um in der Stille glücklich zu sein.

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