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Die Fünf und Vierzig

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Viertes Kapitel
Die zwei Brüder

Nach einer Viertelstunde kam Henri zurück; er hatte auf einem Hügel, den die Nacht zu unterscheiden verhinderte, eine beträchtliche Abtheilung französischer Truppen cantonirt und verschanzt gesehen.

Mit Ausnahme eines breiten Wassergrabens, der den von den Gendarmen von Aunis besetzten Flecken umgab, fing die Ebene an, sich wie ein Teich, den man leert, frei zu machen, da, die natürliche Abhängigkeit des Erdbodens das Gewässer gegen das Meer hinzog, und mehrere Punkte des Terrain, welche höher lagen, als die anderen, erschienen allmälig wieder wie nach einer Sündfluth.

Koth und Schlamm bedeckten die ganze Landschaft, und es bot ein trauriges Schauspiel, als man, wie der Wind nach nach den auf der Ebene ausgebreiteten Dunstschleier aufhob, etwa fünfzig Reiter sich durch den Morast arbeiten und, ohne daß es ihnen gelang, den Flecken oder den Hügel zu erreichen suchen sah.

Man hatte vom Hügel aus ihre Nothschreie gehört, und deshalb erschollen die Trompeten unablässig.

Sobald der Wind den Nebel vollends vertrieben hatte, erblickte Henri aus dem Hügel die französische Fahne, die sich stolz am Himmel entrollte.

Die Gendarmen hoben ihre Standarte in die Höhe, und man hörte von beiden Seiten Musketenschüsse als Freudenzeichen. Gegen elf Uhr schien die Sonne auf diese Scene der Verwüstung; sie trocknete einige Theile der Ebene und machte den Kamm eines Verbindungsweges gangbar.

Henri, der zuerst diesen Pfad versuchte, nahm an dem Geräusch der Hufeisen seines Pferdes wahr, daß eine gepflasterte Straße, welche eine kreisförmige Biegung bildete, von dem Flecken nach dem Hügel führte; er schloß daraus, die Pferde würden bis über die Hufe, bis an das halbe Bein, bis an die Brust vielleicht, in den Morast einsinken, aber durch den soliden Grund des Bodens unterstützt nicht weiter gehen.

Er forderte auf, den Versuch zu machen, und als Niemand sich dem Unternehmen anschließen wollte, empfahl er Remy und seine Gefährtin dem Fähnrich und wagte sich hinaus auf den gefahrvollen Weg.

In demselben Augenblick, wo er den Flecken verließ, sah man einen Reiter vom Hügel herabkommen und es wie es Henri that, versuchen, sich auf den Weg nach dem Flecken zu begeben.

Der ganze Abhang des Hügels war mit zuschauenden Soldaten besetzt, welche ihre Arme zum Himmel erhoben und den unvorsichtigen Reiter durch ihr Flehen zurückhalten zu wollen schienen.

Die zwei Trümmer des großen französischen Armeecorps verfolgten muthig ihren Weg und gewahrten bald, daß ihre Aufgabe minder schwierig war, als sie hatten befürchten können, und besonders, als man für sie befürchtet.

Ein breiter Wasserstrahl, der aus einer durch das Anstoßen eines Balken erzeugte Oeffnung hervorkam, wusch, wie absichtlich, die schlammige Chaussée und entblößte unter seiner durchsichtigeren Woge den Grund des Grabens, den das thätige Huf der Rosse suchte.

Schon waren die Reiter nur noch zweihundert Schritte den einander entfernt.

»Frankreich!« rief der Reiter, der vorn Hügel herabkam.

Und er löste sein von einer weißen Feder beschattetes Toquet.

»Ah! Ihr seid es, Monseigneur,« rief Henri mit einem Freudenschrei.

»Du, Henri, Du, mein Bruder,»rief der andere Reiter.

Und auf die Gefahr, rechts oder links vom Wege abzukommen, sprengten sie auf einander zu, und unter dem wüthenden Beifallsgeschrei der Zuschauer des Fleckens und des Hügels umarmten sich bald die beiden Reiter lang zärtlich.

Sogleich entblößten sich der Flecken und der Hügel: Gendarmen und Chevaulegers, hugenottische und katholische Edelleute stürzten auf den durch die beiden Brüder geöffneten Weg.

Bald waren die beiden Lager vereinigt; die Arme öffneten sich, und auf dem Wege, wo Alle den Tod zu finden geglaubt hatten hörte man drei tausend Franzosen: Dank dem Himmel! und: Es lebe Frankreich! rufen.

»Meine Herren,« sprach plötzlich die Stimme eines hugenottischen Officiers: »Es lebe der Herr Admiral! müssen wir rufen, denn dem Herrn Herzog von Joyeuse und keinem Andern verdanken wir das Leben in dieser Nacht dieses Glück, unsere Landsleute zu umarmen.«

Ein ungeheurer Beifallsruf empfing diese Worte.

Die zwei Brüder wechselten ein paar mit Thränen, benetzte Worte; dann fragte Joyeuse Henri:

»Und der Herzog?«

»Er ist todt,« antwortete dieser.

»Ist die Nachricht sicher?«

»Die Gendarmen von Aunis haben sein ertrunkenes Pferd gesehen und an einem Zeichen erkannt. Dieses Pferd zog an seinem Steigbügel einen Reiter nach, dessen Kopf in das Wasser getaucht war.«

»Das ist ein trauriger Tag für Frankreich,« sprach der Admiral.

Dann sich gegen seine Leute umwendend:

»Auf, meine Herren, verlieren wir keine Zeit. Sind einmal die Wasser abgelaufen, so werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach angegriffen; verschanzen wir uns, bis uns Nachrichten und Lebensmittel zugekommen sind.«

»Aber, Monseigneur,« erwiederte eine Stimme, »die Cavalerie wird nicht marschiren können, die Pferde haben seit gestern um vier Uhr nichts gefressen, die armen Thiere sterben vor Hunger.«

»Es ist Korn auf unserem Lagerungsplatz,»sagte der Fähnrich, »doch wie machen wir es mit der Mannschaft?«

Ei!« versetzte der Admiral, »wenn es Korn gibt, braucht man nicht mehr; die Menschen werden wie die Pferde leben.

»Mein Bruder,« sagte Henri, »macht, daß ich Euch einen Augenblick sprechen kann.«

»Ich will den Flecken besetzen,« erwiederte Joyeuse, »wähle eine Wohnung für mich und erwarte mich dort.«

Henri suchte seine beiden Gefährten wieder auf.

»Ihr seid inmitten einer Armee,« sagte er zu Remy; »ich rathe Euch, verbergt Euch in der Wohnung, die ich nehmen werde; es geziemt sich nicht, daß Jedermann die edle Frau sieht. Diesen Abend, wenn Alles schläft, werde ich darauf bedacht sein, Euch freier zu machen.«

Remy quartierte sich mit Diana in der Wohnung ein, die ihnen der Fähnrich der Gendarmen überließ, der durch die Ankunft von Joyeuse einfacher Officier unter den Befehlen des Admirals geworden war.

Gegen zehn Uhr kam der Herzog von Joyeuse mit schmetternden Trompeten in den Flecken, ließ seine Leute einquartieren und gab strenge Befehle zur Vermeidung jeder Unordnung.

Dann ließ er Gerste an die Mannschaft, Hafer an die Pferde, und Wasser an Jedermann austheilen, wies den Verwundeten einige Fässer Bier und Wein an, die man in den Kellern fand, und verzehrte selbst im Angesicht Aller ein Stück schwarzes Brod mit einem Glas Wasser. Und als er hierauf die Posten visitirte, wurde er überall wie ein Retter mit Ausrufungen der Liebe und Dankbarkeit empfangen.

»Nun gut,« sagte er, als er zurückkehrend sich mit seinem Bruder allein fand, »nun mögen die Flamänder kommen, und ich werde sie schlagen, und beim wahrhaftigen Gott! wenn das so fortgeht, werde ich sie sogar fressen, denn ich habe gewaltigen Hunger; und,« fügte er leise zu Henri bei, indem er in eine Ecke sein Brod warf, in das er mit so großer Begeisterung zu beißen geschienen hatte, »das ist eine abscheuliche Speise.«

Dann schlang er seinen Arm um den Hals seines Bruders und sprach:

»Laß uns nun plaudern, Freund, und sage mir, wie Du nach Flandern kommst, während ich Dich in Paris glaubte.«

»Mein Bruder,« erwiederte Henri, »das Leben wurde mir unerträglich und ich reiste ab, um Dich in Flandern aufzusuchen.«

»Immer aus Liebe?« fragte Joyeuse.

»Nein, aus Verzweiflung. Ich schwöre Dir jetzt Anne, ich bin nicht mehr verliebt; meine Leidenschaft ist die Traurigkeit.«

»Mein Bruder, mein Bruder,« rief Joyeuse, »erlaube mir, Dir zu sagen, daß Du auf eine elende Frau gerathen bist.«

»Warum?«

»Ja, Henri, es geschieht, daß bei einem gewissen Grad von Schlechtigkeit oder Tugend die geschaffen Wesen den Willen Gottes überschreiten und sich zu Henkern oder Mördern machen, was die Kirche gleichmäßig verwirft; aus zu viel Tugend keine Rechnung tragen für die Leiden Anderer ist barbarische Exaltation, ist Mangel an christlicher Menschenfreundlichkeit.«

»Oh! mein Bruder, mein Bruder,« rief Henri, »verleumde die Tugend nicht.«

»Oh! ich verleumde die Tugend nicht, ich klage nur das Laster an. Ich wiederhole Dir also, diese Frau ist eine elende Frau, ihr Besitz, so wünschenswert er sein mag, wird nie die Qualen ausgleichen, die sie Dich erdulden läßt. Ei! mein Gott! in einem solchen Fall muß man seine Kräfte und seine Macht gebrauchen, denn man greift entfernt nicht an, sondern vertheidigt sich nur auf eine gesetzliche Weise. Henri, ich weiß, daß ich an Deiner Stelle das Haus dieser Frau im Sturm genommen hätte; ich hätte sie selbst genommen wie dieses Haus, und dann, wenn sie, nach der Gewohnheit jedes Geschöpfes, das eben so demüthig seinem Sieger gegenüber wird, als es wild vor dem Kampfe war, dann, wenn sie ihre Arm um Deinen Hals geschlungen und gesagt hätte: »»Henri ich bete Dich an,«« hätte ich sie zurückgestoßen und ihr erwiedert: »»Ihr thut wohl daran, Madame; die Reihe ist nun an Euch, ich habe genug gelitten, daß Ihr nur auch leidet.««

Henri ergriff die Hand seines Bruders-und sprach:

»Du denkst nicht ein Wort von dem, was Du da sagst, Joyeuse.«

»Doch, bei meiner Treue.«

»Du, der Gute, der Edle!«

»Edelmuth gegen Leute ohne Herz ist Thorheit, Bruder.«

»Oh! Joyeuse, Joyeuse, Du kennst diese Frau nicht.«

»Tausend Teufel! ich will sie nicht kennen.«

»Warum?«

»Weil sie mich dahin brächte, daß ich beging, was Andere ein Verbrechen nennen würden, und was ich einen Akt der Gerechtigkeit nenne.«

»Oh! mein guter Bruders,« sprach der junge Mann mit einem engelischen Lächeln, »wir glücklich bist Du, daß Du nicht liebst! … Doch wenn es Euch gefällt, Herr Admiral, lassen wir meine tolle Liebe und sprechen wir von Dingen des Kriegs.«

»Auch gut; wenn wir länger von Deiner Tollheit sprächen, würdest Du mich auch toll machen.«

 

»Ihr seht, daß es uns an Proviant fehlt.«

»Ich weiß es, und habe schon an ein Mittel gedacht, uns zu verschaffen.«

»Und habt Ihr eines gefunden?«

»Ich denke ja.«

»Welches?«

»Ich kann mich hier nicht vom Platze rühren, ehe ich Nachrichten von der Armee erhalten habe insofern meine Stellung gut ist und ich sie gegen fünffache Kräfte vertheidigen würde; doch ich kann eine Abtheilung von meinen Leuten auf Entdeckung ausschicken; sie werden vor Allem Kunde finden, was das wahre Leben der Leute in unserer Lage ist; sodann Lebensmittel, denn in der That, dieses Flandern ist ein schönes Land.«

»Nicht zu sehr, mein Bruder, nicht zu sehr.«

»Oh! ich spreche nur vom Boden, wie ihn Gott geschaffen und nicht von den Menschen, welche ewig das Werk Gottes verderben. Begreifst Du, Henri welche Thorheit dieser Prinz begangen hat; was er Alles zu Grunde gerichtet hat; wie der Stolz und die Uebereilung diesen unglücklichen Franz so rasch ins Verderben stürzten! Gott hat seine Seele, sprechen wir nicht mehr von ihm; doch in der That, er konnte sich unsterblichen Ruhm und eines der schönsten Königreiche Europas erwerben, während er nur die Angelegenheiten von wem… von Wilhelm dem Duckmäuser betrieben hat. Weißt Du übrigens, Henri, daß sich die Antwerpner gut geschlagen haben?«

»Und Du auch, wie man sagt, mein Bruder?«

»Ja, ich hatte einen meiner guten Tage, und dann hat mich Eines aufgeregt.«

»Was?«

»Daß ich auf dem Schlachtfelde einen mir bekannten Degen traf.«

»Einen Franzosen?«

»Einen Franzosen.«

»In den Reihen der Flamänder?«

»An ihrer Spitze, Henri; das ist ein Geheimniß, das man erforschen muß, um ein Seitenstück zu der Viertheilung von Salcède auf der Grève zu geben.«

»Nun, theurer Herr, Ihr seid zu meiner großen Freude unversehrt zurückgekommen; doch ich, der ich noch nichts gethan habe, muß wohl etwas thun.«

»Was wollt Ihr thun?«

»Gebt mir das Commando über die Leute, die Ihr abschicken wollt.«

»Nein, das ist zu gefahrvoll, Henri; ich würde Euch dieses Wort vor Fremden nicht sagen, doch Ihr sollt nicht eines lichtlosen, unbekannten und folglich häßlichen Todes sterben. Diese Leute können auf ein Corps von jenen gemeinen Flamändern stoßen, welche mit Dreschflegeln und Sensen fechten: Ihr tödtet tausend; es bleibt Einer übrig, dieser schneidet Euch entzwei oder entstellt Euch.«

»Mein Bruder, bewillige mir das, um was ich Dich bitte; ich werde alle Vorsichtsmaßregeln nehmen und verspreche Dir, hierher zurückzukommen.«

»Ah! ich begreife.«

»Was begreifst Du?«

»Du willst den Versuch machen, ob nicht der Lärmen einer glänzenden That das Herz der Spröden zu erweichen vermag. Gestehe, daß es dies ist, was Dich so hartnäckig macht.«

»Ich gestehe es, wenn Du es willst, mein Bruder.«

»Es sei, Du hast Recht, die Frauen, welche einer großen Liebe widerstehen, ergeben sich zuweilen einem kleinen Lärmen.«

»Ich hoffe das nicht.«

»Dann bist Du ein dreifacher Narr, wenn Du es ohne Hoffnung thust. Höre, Henri, suche keinen anderen Grund für die Weigerung dieser Frau, als den, daß es eine launenhafte Person ist, welche weder Herz noch Augen hat.«

»Du gibst mir das Commando, nicht wahr, Bruder?«

»Es muß sein, da Du es willst.«

»Ich kann noch diesen Abend aufbrechen?«

»Das ist nothwendig; Du begreifst, daß wir nicht mehr länger warten können.«

»Wie viel Mann stellst Du zu meiner Verfügung?«

»Hundert, nicht mehr. Ich kann meine Stellung nicht entblößen, das begreifst Du wohl, Henri.«

»Weniger, wenn Du willst, mein Bruder.«

»Nein, denn ich möchte Dir gern das Doppelte geben können. Nur verpfände mir Dein Ehrenwort, daß Du, wenn Du es mit mehr als drei hundert Mann zu thun hast, Deinen Rückzug nimmst, statt Dich tödten zu lassen.«

»Mein Bruder,« erwiederte Henri lächelnd, »Du verkaufst sehr theuer einen Ruhm, den Du mir nicht überlassen.«

»Oh! mein Bruder Henri, ich verkaufe ihn Dir weder, noch werde ich ihn Dir schenken; ein anderer Officier wird die Recognoscirung commandiren.«

»Gib Deine Befehle, und ich werde sie vollziehen.«

»Du wirst Dich also nur mit gleichen, doppelten oder dreifachen Kräften in einen Kampf einlassen, dies aber nicht überschreiten.«

»Ich schwöre es Dir.«

»Seht gut; welches Corps willst Du nun haben?«

»Laß mich hundert Mann von den Gendarmen von Aunis nehmen; ich habe viele Freunde in diesem Regiment, und wenn ich mir meine Leute auswähle, kann ich thun, was ich will.«

»Es sei, Gendarmen von Aunis.«

»Wann soll ich ausbrechen?«

»Auf der Stelle. Nur lässest Du die Ration der Mannschaft auf einen Tag, den Pferden auf zwei Tage geben. Erinnere Dich, daß ich schnelle und sichere Nachrichten zu haben wünsche.«

»Ich gehe, mein Bruder, hast Du noch einen geheimen Befehl?«

»Verbreite den Tod des Herzogs nicht. Uebertreibe meine Streitkräfte, und wenn Du den Körper des Prinzen findest, laß ihn, obgleich er ein böser Mensch, ein armseliger General war, da er im Ganzen zum Hause Frankreich gehörte, in eine eichene Kiste legen und durch Deine Gendarmen zurücktragen, damit man ihn in Saint-Denis beerdigen kann.«

»Gut, mein Bruder; ist das Alles?«

»Es ist Alles.«

Henri nahm die Hand seines älteren Bruders, um sie zu küssen, doch dieser schloß ihn in seine Arme.

»Du versprichst mir noch einmal,« sagte Joyeuse, »daß dies keine List ist, die Du anwendest, um Dich im Kampfe tödten zu lassen?«

»Mein Bruder, ich hatte diesen Gedanken, als ich zu Dir kam; doch ich schwöre Dir, dieser Gedanke ist nicht mehr in mir.«

»Und seit wann hat er Dich verlassen?«

»Seit zwei Stunden.«

»Bei welcher Gelegenheit?«

»Mein Bruder, entschuldigt mich.«

»Gehe, Henri, gehe, Deine Geheimnisse gehören Dir. Oh! wie gut bist Du, mein Bruder.«

Und die jungen Leute warfen sich zum zweiten Male einander in die Arme, trennten sich dann – nicht ohne noch den Kopf umzudrehen und sich mit einem Lächeln und mit der Hand zu grüßen.

Fünftes Kapitel
Die Expedition

Ganz entzückt der Freude, kehrte Henri eiligst zu Diana und Remy zurück.

»Haltet Euch in einer Viertelstunde bereit, wir brechen auf,« sagte er zu ihnen. »Ihr werdet zwei gesattelte Pferde vor der Thüre der kleinen hölzernen Treppe finden, welche auf diesen Gang zuführt; mischt Euch unter unser Gefolge und sprecht kein Wort.«

Dann auf den Balcon tretend, der um das ganze Haus lief, rief er:

»Trompeter der Gendarmen, blase zum Aufsitzen.«

Sogleich erscholl der Appel im Flecken, der Fähnrich und seine Mannschaft stellten sich vor dem Hause auf.

Ihre Leute kamen hinter ihnen mit einigen Maulthieren und zwei Wagen. Remy und seine Gefährtin verbargen sich, nach dem Rathe, den man ihnen gegeben, mitten unter den Leuten.

»Gendarmen,« sprach Henry, »mein Bruder, der Admiral, hat mir für den Augenblick das Commando über Eure Compagnie übergeben und mich beauftragt, auf Kundschaft auszugehen; hundert von Euch sollen mich begleiten; die Sendung ist gefährlich, doch Ihr sollt für das Heil Aller vorwärts marschiren. Wer sind die Leute, welche freiwillig gehen?«

Die drei hundert Mann boten sich an.

»Meine Herren,« sprach Henri, »ich danke Euch Allen; mit Recht sagt man, Ihr seid das Beispiel der Armee gewesen; doch ich kann nur hundert Mann von Euch nehmen; ich will keine Wahl treffen, der Zufall soll entscheiden.«

»Mein Herr,« fuhr Henri fort, indem er sich an den Fähnrich wandte, »ich bitte, laßt das Loos ziehen.«

Während man diese Operation vornahm, gab Joyeuse seinem Bruder seine letzten Instructionen.

»Höre, Henri,« sprach der Admiral, »die Felder trocknen sich aus; es muß, wie die Leute aus der Gegend versichern, eine Verbindung zwischen Contecq und Rupelmonde bestehen; Du marschirst zwischen einem Bach und einem Fluß, dem Rupel und der Schelde; für die Schelde findest Du vor Rupelmonde von Antwerpen dahin geführte Schiffe; es ist nicht unerläßlich, daß Du den Rupel passirst. Ich hoffe, Du wirst nicht einmal nöthig haben, bis Rupelmonde zu marschiere, um Proviantmagazine oder Mühlen zu finden.«

Nach diesen Worten schickte sich Henri an, abzugehen.

»Warte doch,« sagte Joyeuse, »Du vergissest die Hauptsache: meine Leute haben drei Bauern genommen, ich gebe Dir einen, der Dir als Führer dienen soll. Kein falsches Mitleid; bei dem ersten Anschein von Verrath einen Pistolenschuß oder einen Dolchstoß.«

Als dieser letzte Punkt geordnet war, umarmte er seinen Bruder zärtlich und gab Befehl zum Aufbruch.

Die durch das Loos vom Fähnrich gezogenen hundert Mann setzten sich, Du Bouchage an der Spitze, sogleich in Marsch.

Henri stellte den Führer zwischen zwei Gendarmen, welche beständig die Pistole in der Hand hielten.

Remy und seine Gefährtin waren mit den Leuten vom Gefolge vermischt. Henri hatte keine Ermahnung in Beziehung auf sie gegeben; er dachte, die Neugierde sei schon hinreichend erregt, um sie noch durch eher gefährliche, als nützliche Vorsichtsmaßregeln zu vermehren.

Er selbst nahm, ohne daß er seine Gäste durch einen einzigen Blick ermüdet oder belästigt hatte, nachdem er den Flecken verlassen, seinen Platz wieder auf der Seite der Compagnie ein.

Der Marsch der Truppe war langsam, der Weg fehlte zuweilen plötzlich unter den Füßen der Pferde, und die ganze Abtheilung sah sich in den Koth versunken.

So lange man die Chaussée nicht gefunden hatte, die man suchte, mußte man sich darein ergeben, daß man wie in Fesseln marschirte.

Zuweilen durchfurchten bei dem Geräusch der Pferde; entfliehende Gespenster die Ebene; dies waren Bauern; welche sich ein wenig zu sehr beeilten, auf ihren Boden zurückzukommen, und in die Hände dieser Feinde, die sie hatten vernichten wollen, zu fallen befürchteten.

Zuweilen waren es auch unglückliche, von Kälte und Hunger halbtodte Franzosen, welche unfähig, gegen bewaffnete Leute zu fechten, da sie nicht wußten, ob sie auf Freunde oder Feinde stießen, es vorzogen, den Tag abzuwarten, um ihren peinlichen Marsch wieder fortzusetzen.

Man machte zwei französische Meilen in drei Stunden; diese zwei Meilen führten die kühne Patrouille an das Ufer des Rupel, an dem eine steinerne Chaussée hinlief; doch nun folgten die Gefahren auf die Schwierigkeiten, ein paar Pferde verloren den Boden in den Zwischenräumen der Steine, oder schlüpften auf den kothigen Steinen aus und rollten mit ihren Reitern in das noch rasche Wasser des Flüßchens.

Mehr als einmal kamen Schüsse von irgend einem am andern Ufer angebundenen Fahrzeug; sie verwundeten zwei Armeeknechte und einen Gendarme.

Einer von diesen Knechten wurde an der Seite von Diana verwundet; sie offenbarte ein Bedauern für den Mann, aber keine Furcht für sich.

Henri zeigte sich unter diesen verschiedenen Umständen als ein würdiger Kapitän als ein wahrer Freund für seine Leute; er marschirte voran, nöthigte seine ganze Truppe, seiner Spur zu folgen, und vertraute weniger auf; seinen eigenen Scharfsinn als auf den Instinkt des Pferdes, das ihm sein Bruder gegeben hatte, so daß er auf diese Art Jedermann zum Heile führte, während er allein den Tod wagte.

Drei Meilen von Rupelmonde trafen die Gendarmen ein halbes Dutzend um ein Torffeuer gekauerter Soldaten: die Unglücklichen kochten ein Viertel Pferdefleisch, die einzige Nahrung, die sie seit zwei Tagen hatten bekommen können.

Die Erscheinung der Gendarmen versetzte die Genossen dieses traurigen Mahles in große Unruhe; zwei oder drei standen auf, um zu fliehen; doch einer blieb sitzen, hielt, sie zurück und sagte:

»Nun wohl wenn es Feinde sind, so werden sie uns umbringen, und dann ist doch wenigstens Alles sogleich vorbei.«

»Frankreich! Frankreich!« rief Henri, der diese Worte gehört hatte, »kommt zu uns, arme Leute.«

Als die Unglücklichen Landsleute erkannten, liefen sie auf dieselben zu; man gab ihnen Mäntel, einen Schluck Wachholderbranntwein; man fügte die Erlaubniß bei, hinter die Knechte auf das Kreuz zu steigen.

So folgten sie der Abtheilung.

Eine halbe Meile weiter fand man vier Chevaulegers mit einem Pferd für vier; sie wurden ebenfalls mitgenommen.

Endlich kam man an das Ufer der Schelde; die Nacht war finster; die Gendarmen fanden hier zwei Männer, welche in schlechtem Flämisch den Bootsmann zu bewegen suchten, sie auf das andere Ufer überzusetzen.

Dieser weigerte sich unter Drohungen.

Der Fähnrich sprach Holländisch. Er rückte sachte an der Spitze der Colonne vor, während diese Halt machte, hörte er die Worte:

 

»Ihr seid Franzosen, Ihr müßt hier sterben; Ihr kommt nicht hinüber.«

Der eine von den zwei Männern setzte ihm einen Dolch an die Kehle sagte, ohne daß er sich Mühe gab, in seiner Sprache zu reden, in vortrefflichem Französisch zu ihm:

»Du wirst hier sterben, obgleich Du ein Flamänder bist, wenn Du uns nicht auf der Stelle hinüberführst.«

»Haltet fest, meine Herren, haltet fest,« rief der; Fähnrich, »in fünf Minuten sind wir bei Euch.«

Aber während der Bewegung, welche die Franzosen machten, als sie diese befreundeten Worte hörten, band der Schiffer den Knoten los, der seine Barke am Ufer festhielt, stieß rasch ab und ließ sie auf dem Ufer.

Doch einer von den Gendarmen, der begriff, von welchem Nutzen das Fahrzeug sein konnte, trat mit seinem Pferde in den Fluß und streckte den Bootsmann mit einem Pistolenschuß nieder.

Ohne Führer drehte sich das Schiff um sich selbst; da es aber noch nicht die Mitte des Flusses erreicht hatte, trieb es der Wirbel zum Ufer zurück.

Die zwei Männer bemächtigten sich desselben, sobald es am Rande war, setzten sich sogleich darin fest.

Der Fähnrich wunderte sich über den Eifer, mit dem sie sich abzusondern suchten, und fragte:

»Ei! meine Herren, wer seid Ihr denn, wenn’s beliebt?«

»Mein Herr, wir sind Officiere vom Regiment der Marine, und Ihr Gendarmen von Aunis, wie es scheint.«

»Ja, meine Herren, und wir fühlen uns sehr glücklich, Euch nützlich sein zu können; werdet Ihr uns nicht begleiten?«

»Gern, meine Herren.«

»So steigt auf die Wagen, wenn Ihr zu müde seid, uns zu Fuß zu folgen.«

»Darf ich Euch fragen, wohin Ihr geht?« sagte derjenige von den Marineofficieren, welcher noch nicht gesprochen hatte.

»Mein Herr, wir haben Befehl, bis Rupelmonde vorzurücken.«

»Nehmt Euch in Acht,« erwiederte derselbe Officier, »wir sind nicht früher über den Fluß gesetzt, weil eine Abtheilung Spanier, von Antwerpen kommend, vorübergezogen ist; nach Sonnenuntergang glaubten wir es wagen zu können; zwei Menschen flößten keine Unruhe ein, doch Ihr, eine ganze Truppe.«

»Es ist wahr,« sprach der Fähnrich, »ich will unsern Anführer rufen.«

Er rief Henri; dieser näherte sich fragte, was es gebe.

»Diese Herren,« antwortete der Fähnrich, »haben heute am Morgen eine Abtheilung Spanier getroffen, welche demselben Wege folgten, wie wir.«

»Und wie viel waren es?« fragte Henri.

»Ungefähr fünfzig Mann.«

»Nun, und das hält Euch auf?«

»Nein, Herr Graf; doch ich glaube, es wäre klug, wenn wir uns auf jeden Fall des Bootes versichern würden; zwanzig Mann haben darin Platz, und wenn es dringend wäre, über den Fluß zu setzen, so könnte in fünf Fahrten, indem wir unsere Pferde am Zügel nachziehen würden, die Operation beendigt sein.«

»Es ist gut, man behalte das Schifft es müssen sich Häuser bei der Verbindung des Rupel und der Schelde finden.«

»Es ist dort ein Dorf,« sagte eine Stimme.

»Gehen wir dahin; der von dem Zusammenlauf zweier Flüsse gebildete Winkel ist eine gute Position. Gendarmen, vorwärts Marsch! Zwei Mann fahren mit dem Boot den Fluß hinab, während wir an der Seite hinreiten.«

»Wir wollen das Boot lenken, wenn es Euch genehm ist,« sagte einer von den beiden Officieren.

»Es sei, meine Herren,« sprach Henri, »aber verliert Euch nicht aus dem Gesicht, und folgt uns, sobald wir uns in dem Dorf festgesetzt haben.«

»Doch wenn wir das Boot verlassen und man es uns wieder nimmt?«

»Ihr werdet hundert Schritte vom Dorf einen Posten von zehn Mann finden, dem Ihr es übergebt.«

»Gut,« sprach der Marineofficier, mit einem kräftigen Ruderschlag entfernte er sich vom Ufer.

»Sonderbar,« sagte Henri, »als er sich wieder in Marsch setzte, »das ist eine Stimme, die ich kenne.«

Eine Stunde nachher fand man das Dorf, das von dem Detachement Spanier bewacht wurde, von dem der Officier gesprochen hattet im Augenblick, wo sie es am wenigsten erwarteten, überfallen, leisteten sie kaum Widerstand.

Henri ließ die Gefangenen entwaffnen, schloß sie in das stärkste Haus des Dorfes ein und stellte einen Posten von zehn Mann davor, um sie bewachen zu lassen.

Ein anderer Posten von zehn Mann wurde zur Bewachung des Bootes abgeschickt.

Zehn weitere Leute wurden als Schildwachen auf verschiedenen Posten zerstreut, mit dem Versprechen, nach Verlauf einer Stunde abgelöst zu werden.

Henri bestimmte nun, man könnte zu je zwanzig Mann Abendbrod nehmen, in dem Hause dem gegenüber, wo die spanischen Gefangenen eingeschlossen waren. Das Abendbrod der fünfzig bis sechzig ersten war bereit; es war das des Posten, den man aufgehoben hatte.

Henri wählte im ersten Stocke ein Zimmer für Diana, und für Remy, die er nicht mit den Andern wollte zu Nacht speisen lassen.

Er ließ am Tische den Fähnrich mit siebzehn Mann Platz nehmen und beauftragte ihn, zum Abendbrod mit ihm die zwei Marineofficiere, die Wächter des Bootes, einzuladen.

Dann, ehe er sich selbst zu Tische setzte, visitirte er seine Leute bei ihren verschiedenen Aufstellungen.

Nach einer halben Stunde kehrte Henri zurück. Diese halbe Stunde hatte genügt, allen seinen Leuten Quartier Nahrung zu sichern und die nothwendigen Befehle für einen etwaigen Ueberfall der Holländer zu geben. Trotz seiner Aufforderung, sich nicht um ihn zu bekümmern, hatten die Officiere auf ihn gewartet, um ihr Mahl zu beginnen; nur hatten sie sich zu Tische gesetzt, einige schliefen aus Müdigkeit auf ihren Stühlen.

Der Eintritt des Grafen erweckte die Schläfer und rasch erhoben sich die Erweckten.

Henri warf einen Blick im Saale umher.

Am Plafond aufgehängte kupferne Lampen verbreiteten einen rauchigen Schein.

Mit Broden, Käse, Schweinefleisch nebst einem Krug frischen Bieres für den Mann bedeckt, hätte die Tafel einen Appetit erregenden Anblick selbst für Leute geboten, denen es nicht seit vier und zwanzig Stunden an Allem gefehlt haben würde.

Man bezeichnete Henri den Ehrenplatz.

Er setzte sich und sprach:

»Esset Meine Herren.«

Sobald diese Erlaubniß gegeben war, bewies der Lärmen der Messer und Gabeln aus den Fayencetellern, daß sie mit einer gewissen Ungeduld erwartet und mit äußerster Zufriedenheit aufgenommen wurde.

»Ah! sprecht,« fragte Henri den Fähnrich, »hat man unsere zwei Marineofficiere wiedergefunden?«

»Ja, Herr.«

»Wo sind sie?«

»Dort am Ende der Tafel.«

Sie saßen nicht nur am Ende der Tafel, sondern am dunkelsten Orte des Zimmers.

»Meine Herren,« rief Henri, »Ihr habt einen schlechten Platz und eßt nicht, wie mir scheint.«

»Wir danken, Herr Graf,« erwiederte einer von ihnen, »wir sind sehr müde und bedürfen mehr des Schlafes als der Speise; wir sagten das schon Euren Herren Officieren, aber sie entgegneten beharrlich, es sei Euer Befehl, daß wir mit Euch zu Nacht speisten. Das ist eine große Ehre für uns, wofür wir Euch sehr dankbar sind. Doch wenn Ihr nichtsdestoweniger, statt uns länger zu behalten, die Güte haben wolltet, uns ein Zimmer zu geben. . .«

Henri hatte mit tiefer Aufmerksamkeit zugehört, doch offenbar hörte er mehr auf die Stimme, als auf die Worte.

»Und das ist auch die Ansicht Eures Gefährten?« sagte Henri, als der Marineofficier nicht mehr sprach.

Und er schaute diesen Gefährten, der seinen Hut auf die Augen niedergeschlagen hielt und hartnäckig kein Wort sprach.

Und er diesen Gefährten mit so tiefer Aufmerksamkeit an, daß mehrere Tischgenossen seinen Blicken zu folgen anfingen.

Genöthigt, die Frage, des Grafen zu beantworten, artikulirte der Unbekannte auf eine beinahe unverständige Weise die zwei Worte:

»Ja, Graf.«

Bei diesen zwei Worten bebte der junge Mann.

Er stand auf und ging auf das untere Ende des Tisches zu, während alle Anwesenden mit einer seltsamen Aufmerksamkeit den Bewegungen von Henri und der sichtbaren Kundgebung seines Erstaunens folgten.

Henri blieb bei den beiden Officieren stehen und sagte zu demjenigen, welcher zuerst gesprochen hatte:

»Mein Herr, gewährt mir eine Bitte.«

»Welche, Herr Graf?«

»Versichert mich, daß Ihr nicht der Bruder von Herrn Aurilly oder Herr Aurilly selbst seid.«

»Aurilly!« riefen alle Anwesenden.

»Und,« fuhr Henri fort, »und Euer Gefährte wolle seinen Hut, der sein Gesicht bedeckt, ein wenig lüpfen, sonst werde ich ihn Monseigneur nennen und mich vor ihm verbeugen.«

Und den Hut in der Hand, verbeugte sich Henri zu gleicher Zeit ehrfurchtsvoll vor dem Unbekannten.

Dieser erhob das Haupt.

»Monseigneur der Herzog von Anjou!« riefen die Officiere.

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