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Akte

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IV

Des anderen Tages prangte Korinth vom frühen Morgen an in festlichem Schmuck. Den Wagenrennen, die nun stattfinden sollten, wurde die höchste Bedeutung beigelegt, wenn sie auch nicht die ältesten Spiele waren. Sie allein wurden in Gegenwart der Götterbilder gefeiert, die in der vorhergehenden Nacht im Tempel des Jupiter vereinigt waren, der im östlichen Teil der Stadt bei dem Tor von Lesche lag. Sie mußten daher in feierlichem Umzug durch die ganze Stadt getragen werden, da der Zirkus auf der entgegengesetzten Seite angesichts des Hafens von Krissa stand.

Um zehn Uhr morgens, das ist nach römischer Zeitrechnung um die vierte Tagesstunde, setzte sich der Zug in Bewegung, den der Prokonsul Lentulus eröffnete. Im Gewande des Triumphators stand er auf seinem Wagen; ihm folgten die Söhne der Vornehmen, junge Leute von vierzehn bis fünfzehn Jahren auf prächtigen Pferden mit scharlachroten, goldverzierten Decken. Nach diesen kamen die Preisbewerber, an ihrer Spitze Lucius, der Sieger des vorangegangenen Tages. In einer grünen Tunika lenkte er von seinem Wagen aus Gold und Elfenbein mit purpurnen Zügeln ein prachtvolles weißes Viergespann. Auf seinem Haupte suchte man umsonst den Siegerkranz; statt dessen glänzte dort ein leuchtender Reif gleich dem, mit welchem die Künstler die Stirn des Sonnengottes umkränzen. Um die Ähnlichkeit mit diesem Gott zu vervollständigen, war auch sein Bart mit Goldstaub bestreut. Hinter ihm kam ein junger Grieche aus Thessalien in gelber Tunika, stolz und schön wie Achilles; er führte einen Wagen aus Bronze mit vier schwarzen Pferden bespannt. Die beiden letzten waren ein Athener, der sich rühmte, von Alkibiades abzustammen, und ein Syrer mit sonngebräunter Haut. Der erste trug eine blaue Tunika und ließ die langen, dunklen, wohlriechenden Haare lose flattern; der andere war mit einem weißen Gewande bekleidet, das um die Mitte ein persischer Gürtel zusammenhielt, und wie bei den Söhnen Ismaels war sein Haupt mit einem Turban umwunden, der wie der Schnee des Sinai glänzte.

Dann folgten als Vorläufer der Götterbilder eine Truppe Harfenschläger und Flötenspieler, als Satyrn und Silene verkleidet. Zu ihnen gesellten sich auch die Unterbeamten, denen der Dienst der zwölf großen Gottheiten oblag. Sie trugen Kasten und Gefäße mit Wohlgerüchen und goldene und silberne Becken, in denen das köstlichste Räucherwerk brannte. In verschlossenen Sänften sitzend, stehend oder liegend, nahten dann die Götterbilder; von prächtigen Pferden gezogen, von der Ritterschaft und den Patriziern geleitet, bildeten sie den Schluß des Zuges.

Dieser bewegte sich fast durch die ganze Stadt, deren doppelte Häuserreihen mit Gemälden oder Statuen geschmückt oder mit Teppichen behängt waren. Vor dem Hause des Amykles schaute Lucius empor, um Akte zu suchen. Unter einer Purpurdecke, welche die Vorderseite des Hauses zierte, bemerkte er scheu und errötend den Kopf des jungen Mädchens, geschmückt mit dem Siegeskranz, den er am Abend vorher hatte zu Boden fallen lassen. Akte ließ überrascht die Decke herabfallen, aber obwohl das Gewebe sie verbarg, hörte sie doch die Stimme des jungen Römers sagen: Komm mir entgegen, wenn ich wiederkehre, schönes Mädchen, dann will ich den Olivenkranz mit einer goldenen Krone vertauschen!

Gegen die Mitte des Tages erreichte der Zug den Eingang des Zirkus. Es war dies ein ungeheures Gebäude von zweihundert Fuß Länge und achtzig Fuß Breite, das in der Mitte durch eine sechs Fuß hohe Mauer der Länge nach geteilt war, so daß oben und unten nur der Raum für die Durchfahrt der vier Wagen frei blieb. Diese » spina« war in ihrer ganzen Ausdehnung mit Altären, Tempeln und leeren Piedestalen bekrönt, welche nur bei dieser Festlichkeit die Götterbilder aufnahmen. An einem Ende des Zirkus befanden sich die Ställe, am anderen die stufenweise erhöhten Sitzreihen. Vor die Ausläufer der Mauer waren drei Prellsteine im Dreieck gesetzt, die man siebenmal umfahren mußte, um den vorgeschriebenen Lauf zu vollenden.

Die Wagenlenker hatten die Farben der Parteien angelegt, in welche sich um diese Zeit Rom teilte, und da zum voraus große Wetten eingegangen worden, trugen auch die Wettenden die Farben der »Agitatores«, die ihnen durch ihr gutes Aussehen, durch die Rasse ihrer Pferde oder frühere Triumphe am meisten Vertrauen eingeflößt hatten.

Beinahe alle Sitzreihen des Zirkus waren mit Zuschauern besetzt, bei denen sich zu der Begeisterung, welche die Spiele zu wecken pflegten, noch das persönliche Interesse gesellte, das sie ihren Klienten entgegenbrachten. Auch die Frauen nahmen Partei und trugen Schleier und Gürtel in den Farben der von ihnen begünstigten Wagenlenker. Als man den Zug herannahen hörte, ging eine seltsame Bewegung wie ein elektrischer Strom durch die Menge und erregte dieses Menschenmeer, in dem die Köpfe wie lebendige, geräuschvolle Wogen erschienen. Sobald die Pforten geöffnet wurden, füllten sich die geringen Zwischenräume mit einer Masse neuer Zuschauer, welche wie die hereinbrechende Flut die Mauern des Steinkolosses überschwemmten. Nur der vierte Teil der Neugierigen, die den Zug begleitet hatten, konnte Platz finden. Die übrigen wurden von den Wachen des Prokonsuls zurückgewiesen; sie stiegen auf Bäume, erkletterten die Mauern der Wälle und die Dächer der nahegelegenen Häuser, um hochgelegene Punkte zu erreichen, von wo aus sie den Zirkus überschauen könnten.

Kaum waren die Plätze eingenommen, so öffnete sich die Hauptpforte, und Lentulus erschien am Eingang des Zirkus. Alsbald folgte die tiefe Stille gespannter Aufmerksamkeit auf die lärmende Bewegung der Erwartung. War es Vertrauen auf Lucius, der schon vorher gesiegt hatte, oder war es Schmeichelei für den göttlichen Kaiser Claudius Nero, welcher in Rom die Partei der Grünen beschützte und ihr die Ehre erwies, ihr anzugehören; der Prokonsul hatte statt des Purpurgewandes eine grüne Tunika angelegt. Langsam machte er im Zirkus die Runde, die Götterbilder mit sich führend, stets von den Musikern begleitet, welche nur zu spielen aufhörten, wenn die Götterbilder auf ihre pulvinaria niedergelegt oder auf ihren Piedestalen aufgerichtet wurden. Dann gab Lentulus das Zeichen, indem er ein Stück weißen Wollstoff in die Mitte des Zirkus warf. Sogleich stürzte sich ein Herold, der, als Merkur, nackt auf ungesatteltem Pferd erschien, in die Arena; ohne abzusteigen, hob er das Tuch mit einem Flügel seines Schlangenstabes empor, ließ es wie eine Standarte in der Luft flattern und ritt im Galopp um das innere Gitter. Als er bei den Ställen angekommen war, schleuderte er den Stab samt dem Tuch über die Mauern, hinter denen die Wagen harrten. Auf dieses Zeichen öffneten sich die Pforten, und die vier Preisbewerber gingen daraus hervor. In demselben Augenblick wurden ihre vier Namen in einen Korb gelegt, denn das Schicksal sollte über die Reihenfolge entscheiden, damit die von der spina Entfernteren sich nur über den Zufall zu beklagen hätten, der ihnen bestimmte, einen größeren Kreis zu durchlaufen.

Die Namen waren auf Papierrollen geschrieben, der Prokonsul mischte sie und öffnete eine nach der andern. Der erste, den er ausrief, war der Syrer mit dem weißen Turban. Er verließ sofort seinen Platz und stellte sich an die Mauer, so daß die Achse seines Wagens einer Linie parallel lief, die mit Kreide in den Sand gezeichnet war.

Der zweite war der Athener in der blauen Tunika; er stellte sich neben seinen Mitbewerber. Der dritte war der Thessalier in dem gelben Gewand. Endlich als letzter kam Lucius, dem das Schicksal den ungünstigsten Platz angewiesen hatte, wie wenn es ihn um den Sieg vom vorhergehenden Tage beneidete. Die beiden letztgenannten nahmen ihre Plätze an der Seite ihrer Gegner ein. Dann gingen junge Sklaven zwischen den Wagen durch, flochten Bänder in die Mähnen der Pferde in den Farben ihrer Herren und ließen kleine Fahnen vor den Augen der edlen Tiere flattern, um ihren Mut anzustacheln, während die Wagen mittelst einer Kette, die an zwei Ringen befestigt war, genau in die gleiche Linie gebracht wurden. Darauf folgte ein Augenblick stürmischer Erwartung; die Wetten wurden verdoppelt, neue Einsätze vorgeschlagen und angenommen, in allgemeiner Verwirrung kreuzten sich die Stimmen. Plötzlich ertönte die Trompete, und augenblicklich war alles still; die stehenden Zuschauer ließen sich nieder, und dieses Meer, das noch eben so stürmisch bewegt gewesen, glättete seine Oberfläche und glich einem Wiesenabhang, der in tausend bunten Farben schimmerte. Beim letzten Trompetenstoß fiel die Kette, und die vier Wagen flogen mit aller Geschwindigkeit davon.


Zweimal hatten die Gegner die Bahn umkreist und hielten sich noch ziemlich in derselben Reihe. Doch fingen die geübten Zuschauer an, die Eigenschaften der Pferde zu erkennen. Der Syrer hielt nur mühsam seine Renner mit den starken Köpfen und den schlanken Gliedern zurück, die an das freie Umherschweifen in der Wüste gewohnt waren. Mit Geduld und Kunst war es ihm geglückt, sie ins Joch zu zwingen und geschickt einzufahren, so wild sie einst gewesen. Man fühlte, daß sie, wenn er ihnen Freiheit ließe, ihn so schnell dahintragen würden, wie der Samum, den sie oft in den weiten Sandwüsten am Fuße der Berge von Juda und am Toten Meer überholt hatten. Der Athener hatte seine Rosse aus Thracien kommen lassen, aber stolz und schwelgerisch wie der Held, dessen Nachkomme zu sein er sich rühmte, hatte er ihre Erziehung und Pflege seinen Sklaven überlassen, und man fühlte, daß sein Gespann ihn im entscheidenden Moment nur wenig unterstützen werde, da es von einer fremden Hand gelenkt und von einer unbekannten Stimme angespornt wurde. Der Thessalier dagegen schien die Seele seiner Renner von Elis zu sein, die er mit eigener Hand gefüttert und wohl hundertmal an dem Platz zwischen Peneus und Enipeus eingeübt hatte, wo Achilles einstmals seine feurigen Nenner lenkte. Lucius dagegen mußte jene wunderbare Pferderasse aus Mysien wiedergefunden haben, von denen Virgil erzählt, daß sie von ihren Müttern mit dem Winde gezeugt worden, denn obwohl er den weitesten Raum zu durchmessen hatte, hielt er die Linie ein und hatte eher gewonnen als verloren ohne jede Anstrengung, ohne anzuspornen oder zurückzuhalten, indem er sie einfach im Galopp laufen ließ, was ihre gewöhnliche Gangart zu sein schien.

 

Bei der dritten Umfahrt ließen sich die scheinbaren und die wirklichen Vorteile viel deutlicher unterscheiden. Der Athener hatte dem Thessalier, dem vordersten seiner Mitbewerber, einen Vorsprung von zwei Lanzenlängen abgewonnen. Der Syrer hielt seine arabischen Pferde mit aller Macht zurück und hatte sich überholen lassen, in der Gewißheit, daß er den Vorsprung des andern einholen werde. Lucius endlich schien einem Kampfe beizuwohnen, der sein persönliches Interesse nicht berührte; ruhig und heiter lächelnd wie der Sonnengott, dessen Bild er verkörperte, waren seine Züge, und seine Bewegungen genau nach den Regeln der mimischen Eleganz bemessen.

Ein Zwischenfall lenkte bei der vierten Umfahrt die allgemeine Aufmerksamkeit von den andern ab und wandte sie Lucius zu. Seine Peitsche, die aus einem Riemen von Rhinozeroshaut bestand und mit Gold eingelegt war, entglitt seiner Hand und fiel auf den Boden der Arena. Sogleich hielt er sein Viergespann an, sprang ab, hob die Peitsche auf, die bis dahin ganz überflüssig zu sein schien, und fand sich, als er den Wagen wieder bestieg, etwa um dreißig Schritte von seinen Gegnern überholt. So kurz dieser Zwischenfall gewesen war, hatte er doch den Interessen und Hoffnungen der grünen Partei einen furchtbaren Stoß versetzt. Aber ihre Angst verschwand so rasch wie der Blitz: Lucius neigte sich zu den Pferden, und ohne sich der Peitsche zu bedienen oder sie durch eine Bewegung anzueifern, ließ er ein eigenes Pfeifen hören. Darauf flogen sie davon, wie von den Flügeln des Pegasus getragen, und ehe der vierte Umlauf vollendet war, hatte er unter Jubel und Beifallrufen seinen früheren Platz wieder inne. Bei der fünften Runde war der Athener nicht mehr Herr seiner Pferde, die in rasender Geschwindigkeit dahinsausten. Er hatte seine Rivalen weit hinter sich gelassen, aber dieser scheinbare Vorteil täuschte niemand und konnte ihn auch selbst nicht täuschen. Alle Augenblicke sah man ihn sich umwenden und alle Mittel und Kunstgriffe aufbieten; anstatt die schon ermüdenden Pferde möglichst zurückzuhalten, trieb er sie mit der dreiriemigen Peitsche an und hoffte, noch ehe sie erschöpft seien, so viel Vorsprung zu gewinnen, daß die Nebenbuhler ihn nicht mehr einholen würden. Übrigens fühlte er wohl, wie wenig er sein Gespann in der Gewalt hatte; obwohl er sich der spina hätte nähern und dadurch den zu durchlaufenden Raum vermindern können, wagte er es doch nicht, aus Furcht, daß er an den Prellsteinen scheitern möchte, und blieb daher im gleichen Abstand davon, den ihm das Schicksal bei der Abfahrt zugewiesen hatte.

Nur noch zweimal war die Bahn zu durchmessen; an der Erregung, die sich der Zuschauer wie der Wagenlenker bemächtigte, spürte man, daß die Entscheidung herannahte. Die Partei der Blauen, die der Athener vertrat, schien sichtbar beunruhigt über ihren vorläufigen Sieg. Sie riefen ihm zu, er solle seine Pferde zügeln; aber die Tiere nahmen diese Rufe für Zeichen der Anspornung und verdoppelten ihre Schnelligkeit, bis der Schweiß an ihnen heruntertroff und anzeigte, daß ihre Kraft bald erschöpft sein werde.

In diesem Augenblick ließ der Syrer seinen Rennern die Zügel schießen, und die Wüstensöhne, nunmehr sich selbst überlassen, fingen an, im Raum auszugreifen. Der Thessalier war einen Augenblick betroffen von der Schnelligkeit, die sie fortriß. Alsbald ließ er aber seine treuen Gefährten seine Stimme hören und stürzte sich in die Bahn, wie vom Wirbelwind davongetragen. Lucius begnügte sich damit, das Pfeifen hören zu lassen, mit dem er seine Rosse schon vorher angespornt hatte, und ohne daß sie noch ihre volle Kraft entfalteten, behauptete er sich doch in der Reihe.

Der Athener hatte indessen seine beiden Rivalen wie der Sturmwind an sich vorübersausen sehen. Er begriff, daß er verloren sei, wenn er nicht den ersten Platz neben der spina einnähme. Er näherte sich der Mauer gerade noch zeitig genug, um den Syrer zu verhindern, an der Mauer entlang zu fahren. Dieser wich nun nach rechts aus und versuchte, zwischen dem Athener und Thessalier durchzukommen, aber der Raum war zu eng. Mit raschem Blick erkannte er, daß der Wagen des Thessaliens leichter gebaut und weniger widerstandsfähig sei als der seinige, und sofort stand sein Entschluß fest. Er hielt in schräger Richtung auf denselben zu, die Räder prallten hart an einander, die Achse krachte, der Wagen stürzte um und schleuderte den Wagenlenker in die Arena.

So geschickt diese Bewegung ausgeführt worden und so plötzlich der Stoß erfolgt war, erlitt doch der Syrer dadurch eine Verzögerung von einigen Augenblicken. Aber er gewann das Versäumte leicht wieder, so daß der Athener bei der sechsten Umfahrt seine beiden Rivalen, die er so lange hinter sich gelassen hatte, zu gleicher Zeit herannahen sah. Noch ehe er den sechsten Teil der letzten Umfahrt zurückgelegt hatte, war er eingeholt und überflügelt. Die Entscheidung schwebte nur noch zwischen dem weißen und dem grünen Wagenlenker, zwischen dem Syrer und Lucius.

Jetzt bot sich ein prächtiger Anblick dar, die acht Pferde liefen so flüchtig und so gleichmäßig, als ob sie ein Gespann bildeten; eine Wolke umhüllte sie wie ein Gewitter. Wie man den Donner rollen und den Blitz das Gewölk zerteilen sieht, so hörte man das Rollen der Räder und unterschied mitten in dem Wirbel die flammenschnaubenden Tiere.

Alle Zuschauer hatten sich erhoben; die Wettenden ließen die grünen und weißen Schleier und Mäntel wallen, und selbst diejenigen, welche verloren, weil sie auf die blaue Farbe des Atheners oder auf die gelbe des Thessaliers gewettet hatten, eiferten ihre Gegner durch ihr Geschrei und ihre Beifallrufe an. Endlich schien der Syrer den Sieg davonzutragen, denn seine Pferde waren denen seines Gegners um eine Kopfeslänge voraus; aber wie wenn er nur auf dieses Zeichen gewartet hätte, schwang Lucius in demselben Augenblick die Peitsche und zeichnete eine blutige Spur auf die Rücken seines Viergespanns. Die edlen Tiere wieherten laut vor Erstaunen und Schmerz, dann nahmen sie einen letzten Anschwung, und wie der Adler, wie ein Pfeil, wie der Blitz flogen sie zum Ziel der Bahn, die sie nun siebenmal durchmessen hatten, und ließen den besiegten Syrer mehr als fünfzig Schritt zurück.

Jetzt brach ein begeisterter Jubel los, und Rufe der höchsten Bewunderung wurden laut. Dieser unbekannte junge Römer, der gestern Sieger gewesen war und heute den Sieg davongetragen hatte, mußte Theseus, Kastor oder Apollo selbst sein, die wieder einmal zur Erde niederstiegen. Und er, wie gewöhnt an solche Triumphe, schwang sich leicht vom Wagen, stieg einige Stufen an der spina empor, welche zu einem Piedestal führten, wo er sich den Blicken der Zuschauer ausstellte, während ein Herold seinen Namen und seinen Sieg verkündete und der Prokonsul Lentulus von seinem Sitz herabstieg, um ihm die Siegespalme zu reichen und sein Haupt mit einer Krone aus Gold- und Silberblättern zu schmücken, die mit Purpurbändern durchflochten waren. Den Preis in geprägter Münze, den man ihm in Goldstücken in einer Bronzevase anbot, gab Lucius dem Prokonsul zurück, damit er ihn unter die Armen, Greise und Waisen verteile.



Dann machte er Sporus ein Zeichen, der flink herbeieilte und auf der Hand eine Taube hielt, die er am Morgen aus Aktes Taubenhaus genommen hatte. Lucius legte um den Hals des Vogels der Venus ein Purpurbändchen, an dem zwei Blätter aus dem goldenen Kranze befestigt waren, dann öffnete er die Hand und ließ die Botin seines Sieges in die Lüfte steigen, die sofort in der Richtung nach dem Hause des Amykles davonflog.

V

Die beiden aufeinanderfolgenden Siege des Lucius und die seltsamen Umstände, die sie begleiteten, hatten tiefen Eindruck auf die Gemüter der Zuschauer gemacht. Griechenland war früher das von den Göttern geliebte, von ihnen vor allen begünstigte Land gewesen, das sie am häufigsten zu besuchen pflegten. Alle sagenhaften Erinnerungen an Heldentaten und Abenteuer von Göttern, die vom Olymp herabgestiegen waren, lebten bei den beiden Siegen des Lucius in der dichterischen Phantasie des Volkes wieder auf, dem die Römer seine große Vergangenheit nicht hatten rauben können. Die Preisbewerber, die mit ihm im Gesang hätten wetteifern sollen, zogen sich zurück, als sie sahen, wie übel es denen erging, die sich im Ringkampf und im Wagenrennen mit ihm gemessen hatten. Sie dachten an das Schicksal des Marsyas, der einst wider Apollo gestritten, und mißtrauten den Musen. Lucius blieb allein übrig von fünf Mitbewerbern, die ihren Namen anfangs eingeschrieben hatten, doch bestand der Prokonsul darauf, daß das Fest zur bestimmten Stunde gefeiert werde.

Lucius fesselte die Korinther schon durch den Gegenstand, den er gewählt hatte. Es war ein Gedicht über Medea, das dem Cäsar Nero selbst zugeschrieben wurde. Diese Zauberin, die von Jason nach Korinth entführt, hatte, nachdem er sie verlassen, ihre Kinder am Fuße der Altäre niedergelegt und dem Schutze der Götter befohlen, worauf sie hinging, ihre Nebenbuhlerin durch ein verderbenbringendes Gewand zu vergiften. Die Korinther, empört über die Greueltat der Mutter, entrissen die Knaben dem Tempel und töteten sie durch Steinwürfe. Dieser Frevel blieb nicht unbestraft, die Götter rächten ihre beleidigte Majestät durch eine verheerende Krankheit, die alle Kinder in Korinth ergriff. Seither waren indessen fünfzehn Jahrhunderte verflossen, und die Nachkommen der Mörder leugneten die Schuld der Väter. Aber ein Fest, das jedes Jahr am Todestage der Knaben gefeiert wurde, und die Gewohnheit, den Kindern bis zum Alter von fünf Jahren als Zeichen der Sühne schwarze Kleider anzulegen und die Haare zu scheren, war ein deutlicher Beweis für die Wahrheit des schrecklichen Ereignisses. Es ist leicht zu verstehen, wieviel diese Umstände dazu beitragen mußten, die versammelten Korinther den Vortrag des Liedes mit Spannung erwarten zu lassen.

Zum Schutze gegen die Strahlen der Maisonne war das Theater, das, kleiner als Ringplatz und Hippodrom, zwanzigtausend Zuschauer faßte, von einem ungeheuren Velarium überschattet. Diese azurblaue Decke bestand aus einem seidenen, mit Goldsternen besäten Gewebe, in dessen Mitte man den Cäsar Nero im Gewande des Triumphators, auf einem vierspännigen Wagen stehend und von einem Strahlenkranz umgeben, erblickte. Trotz des Schattens, den das Zeltdach dem Theater gewährte, war die Hitze so drückend, daß viele junge Leute Pfauenfederfächer in der Hand bewegten, um damit den Frauen Kühlung zuzufächeln, welche auf Purpurkissen oder persischen Teppichen ruhten, die ihre Sklaven zuvor auf den für sie bestimmten Plätzen ausgebreitet hatten. Unter diesen Frauen bemerkte man Akte, aus deren dunkler Lockenfülle die zwei goldenen Blätter hervorleuchteten, die ihr die Taube zugetragen, weil sie nicht wagte, sich mit den Kränzen zu schmücken, die ihr der Sieger gewidmet hatte. Sie war nicht, wie die meisten der anwesenden Damen, von einem Gefolge junger Männer umschwärmt, sondern nur von ihrem Vater begleitet, um dessen schöne ernste Züge ein Lächeln spielte, das die rege Teilnahme an den Triumphen seines Gastes und zugleich den Stolz verriet, den er darüber empfand. Er war es, der, voll Vertrauen in das Glück des Lucius, seine Tochter bestimmt hatte, mitzukommen, weil er sicher war, daß sie auch dieses Mal einen Sieg erleben würden.

Die für das Schauspiel festgesetzte Stunde nahte heran, und die Versammlung befand sich in gespannter Erwartung, als ein donnerartiges Geräusch ertönte und gleich darauf ein feiner Sprühregen niederging, der die Luft erfrischte und mit Wohlgerüchen schwängerte. Alle Anwesenden klatschten in die Hände, denn der Donner rührte von zwei Männern her, die hinter der Scene Kieselsteine in einem Bronzebehälter umherrollten, was den Beginn des Schauspiels ankündigte, und der Regen war nichts anderes als ein wohlriechender Tau, der aus einer Essenz von cilicischem Safran bestand und von den Statuen aus verspritzt wurde, die den Umgang des Theaters krönten. Gleich darauf ging der Vorhang auf, und Lucius erschien mit einer Leier in der Hand auf der Scene; links von ihm stand der Schauspieler Paris, der während des Gesanges die begleitenden Bewegungen auszuführen hatte. Hinter ihm war der Chor aufgestellt mit dem Chorführer an der Spitze, der von einem Flötenspieler und einem Schauspieler unterstützt wurde.

 

Schon an den ersten Tönen des jungen Römers erkannte man den wohlgeübten Sänger, denn anstatt sein Thema gleich anzugreifen, ließ er einige präludierende Läufe vorhergehen, welche zwei Oktaven und eine Quinte umfaßten, was eine so große Ausdehnung der menschlichen Stimme bekundete, wie sie seit Timotheus nicht wieder gehört worden war. Nachdem er dieses Vorspiel mit überraschender Leichtigkeit und Sicherheit ausgeführt hatte, kam der Sänger zu dem Gegenstande selbst. Er behandelte, wie wir wissen, die Abenteuer der Medea, des berückend schönen zauberkundigen Weibes. Als geschickter Meister in der darstellenden Kunst hatte der Kaiser Claudius Nero die Erzählung in dem Augenblick aufgenommen, wo Jason mit seinem stolzen Schiffe Argo an der Küste von Kolchis landet und ihm Medea, die Tochter des Königs Aëtes, Blumen pflückend, entgegenkommt. Bei dem ersten Gesang erbebte Akte. So hatte sie Lucius ankommen sehen, auch sie hatte Blumen gepflückt, als das Schiff mit den goldenen Flanken den Strand von Korinth berührte; in den Fragen des Jason, in den Antworten der Medea erkannte sie die eigenen Worte wieder, die sie mit dem jungen Römer gewechselt hatte. Und wie wenn diese süßen Worte auch von einer weichen, schmelzenden Harmonie begleitet sein müßten, trat Sporus vor, während einer kurzen Unterbrechung durch den Chor und reichte dem Sänger eine elfsaitige Lyra, die auf die jonische Tonart gestimmt war. Dieses Instrument glich dem, welches Timotheus vor den Ohren der jungen Lacedämonier hatte erklingen lassen und dessen Töne die Ephoren für so gefährlich hielten, daß sie erklärten, der Sänger habe die Majestät der antiken Musik verletzt und versucht, die spartanische Jugend zu verführen. Vier Jahrhunderte waren seit dieser Verpönung der verführerischen, jonischen Leier verflossen.

Lucius erregte einen Beifallsturm, der an Wut grenzte. Akte lauschte in atemloser Spannung, ihr war, als ob der Geliebte ihr eigenes Erlebnis zu erzählen begonnen habe. Wie Jason war auch Lucius gekommen, einen wunderbaren Schatz zu holen im fremden Lande, und schon kündigten zwei mit Erfolg gekrönte Unternehmungen an, daß er wie Jason Sieger bleiben werde. Aber um den Sieg zu feiern, bedurfte er eines anderen Instrumentes als desjenigen, mit dem er die Liebe besungen hatte. Nachdem er in der Erzählung dahin gekommen war, wo Jason im Tempel der Hekate Medea begegnet und von ihr die Zaubermittel erhält, die ihm helfen sollen, die schrecklichen Hindernisse zu überwinden, die sich der Erlangung des goldenen Vließes entgegenstellten, da ergriff er eine lydische Leier, zu deren ernsten und durchdringenden Tönen er die übermenschlichen Taten zu besingen begann.

Akte zitterte am ganzen Körper, in ihrem Geist vermochte sie Jason nicht mehr von Lucius zu trennen. Sie folgt dem Helden, den Medeas Zaubersäfte unverletzlich gemacht haben, durch alle seine furchtbaren Kämpfe mit den feuerschnaubenden ehernen Stieren, der riesigen Schlange, den geharnischten Männern und dem ungeheuren Drachen, bis endlich seiner heroischen Standhaftigkeit der goldene Preis zu teil wird.

Jetzt griff Lucius wieder zu der jonischen Leier, denn Medea erwartet den zurückkehrenden Sieger, und Jason versucht, sie mit hinreißenden Liebesworten zu bestürmen, die Heimat und ihren Vater zu verlassen und ihm auf die Wellen zu folgen. Der Kampf ist lang und schmerzlich, aber endlich siegt seine Liebe. Zitternd und kaum bekleidet verläßt Medea während der Nacht den väterlichen Palast. An der Pforte angekommen, überwältigt sie das Verlangen, die teuren Züge des Vaters noch einmal zu sehen. Mit scheuen Tritten und verhaltenem Atem schleicht sie in das Gemach des Greises, nähert sich dem Lager und küßt zum letzten Male die weißen Haare, wobei ein schmerzliches Schluchzen sich ihrer gequälten Brust entringt, was der Greis für eine Stimme hält, die er im Traume zu hören glaubt. Dann eilt sie in die Arme ihres Geliebten, der sie am Hafen erwartet und die Ohnmächtige auf das wunderbare Schiff trägt, das Athene selbst auf Jolkos erbaut hat, und unter dessen Kiel die Wogen sich gehorsam beugen, so daß es in rascher Fahrt sich vom Ufer entfernt und Medea, als ihr das Bewußtsein wiederkehrt, schon die heimatliche Küste am Horizont verschwinden sieht. So vertauscht sie Asien für Europa, den Vater für den Gatten, die Vergangenheit für die Zukunft.

Dieser zweite Teil des Gedichts wurde von Lucius mit solchem Feuer und solcher Leidenschaft gesungen, daß alle Frauen tieferschüttert zuhörten. Besonders Akte war, wie Medea, von heißen Liebesschauern ergriffen; mit starren Augen, tonloser Stimme und atemloser Brust glaubte sie ihre eigene Geschichte zu hören, gleichsam in einen Zauberspiegel zu schauen, der ihr Vergangenheit und Zukunft zugleich vorhielt. In dem Augenblick, wo Medea zum letzten Male ihre Lippen auf die weißen Haare des Aëtes drückt und aus ihrem gebrochenen Herzen der letzte Seufzer erlöschender Kindesliebe dringt, schmiegte sich Akte an ihren Vater; erblassend, fühlte sie ihre Sinne schwinden und lehnte ihr Haupt auf die Schulter des Amykles. Der Triumph des Sängers hatte seinen Höhepunkt erreicht. War nach dem ersten Teil des Gedichts jubelnder Beifall losgebrochen, so konnte jetzt nur er selbst den Sturm der Begeisterung beschwichtigen, den seine Kunst entfesselt hatte, indem er sich anschickte, den dritten Teil des Gedichtes vorzutragen.

Noch einmal wechselte er die Leier, denn es war nicht mehr die jungfräuliche Liebe, die er zu schildern hatte, nicht der Triumph des Geliebten und des Helden, es war die Undankbarkeit des Mannes, die rasende Eifersucht der Frau, die rächende und mordende Liebe. Nur die dorische Tonart vermochte diese Wut und diese Leiden auszudrücken.

Medea schwimmt auf dem Wunderschiff, sie landet in Thracien und geht erst nach Jolkos, um eine Schuld der Kindesliebe an Jasons Vater zu entrichten, den sie verjüngt. Dann kommt sie nach Korinth, wo Jason sie verläßt, um Kreusa, die Tochter des Königs von Epirus, zu heiraten. Jetzt verwandelt sich die hingebende Geliebte in das eifersüchtige Weib. Sie taucht ein Gewand in verzehrendes Gift und sendet es der lieblichen Braut, die sich ahnungslos damit bekleidet. Während sie unter entsetzlichen Qualen vor den Augen des verzweifelnden Jason ihr Leben aushaucht, erwürgt die Mutter selbst ihre beiden Knaben, damit ihr keine Erinnerung an den ungetreuen Mann mehr bleibe, und fährt in einem von geflügelten Drachen gezogenen Wagen davon.

An dieser Stelle des Gedichts, die den Korinthern besonders zusagte, weil sie den Mord der Kinder, im Gegensatz zu der Überlieferung, der Mutter zur Last legte, wurde inmitten des tosenden Beifalls das Geräusch der Kastagnetten laut, die dazu dienten, im Theater den höchsten Grad der Begeisterung auszudrücken. Nicht nur der Olivenkranz, den der Prokonsul bereit hielt, wurde dem wunderbaren Sänger zu teil, sondern ein ganzer Regen von Blumen und Blumengewinden, welche die Frauen aus ihren Haaren lösten und entzückt auf die Bühne warfen. Einen Augenblick konnte man fürchten, Lucius möchte unter allen diesen Kränzen erstickt werden, wie Tarpeja unter den Schilden der Sabiner, um so mehr als er, unbeweglich und scheinbar gleichgültig gegen diesen unerhörten Triumph, mit den Augen in den Reihen der Frauen die eine suchte, um derentwillen er allein stolz war auf seinen Sieg. Endlich bemerkte er sie halbtot in den Armen des Greises; inmitten all der schönen Korintherinnen hatte sie allein noch ihren Blumenschmuck auf dem Haupt. Da sah er mit unendlicher Zärtlichkeit in den Blicken zu ihr empor und breitete so sehnsüchtig flehend die Arme aus, daß Akte die Hand erhob, um den Kranz von ihrer Stirn zu lösen; aber da sie nicht die Kraft hatte, ihn dem Geliebten zuzuwerfen, ließ sie ihn in die Orchestra fallen und sank weinend in die Arme ihres Vaters.

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